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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 15.11.2000
Aktenzeichen: 1 U 2081/98
Rechtsgebiete: KO, HGB, ZPO


Vorschriften:

KO § 30
KO § 30 Nr. 2
KO § 30 Nr. 1 (2. Altern.)
KO § 37
HGB § 355
ZPO § 97 Abs. 1
Leitsatz:

Zu den Voraussetzungen einer Anfechtung von Gutschriften einer Bank auf im Soll stehende Konten des späteren Gemeinschuldners nach dessen Zahlungseinstellung.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 1 U 2081/98 11 O 137/98 LG Trier

Verkündet am 15. November 2000

M.Schäfer, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

wegen Konkursanfechtung.

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kaessner, den Richter am Oberlandesgericht Stein und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Giese

auf die mündliche Verhandlung vom 11. Oktober 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 24. November 1998 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 22.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheiten können auch durch schriftliche selbstschuldnerische, unwiderrufliche und unbefristete Bürgschaften einer Sparkasse oder Bank mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland erbracht werden.

Tatbestand:

Der Kläger - Konkursverwalter einer Gemeinschuldnerin B KG - verlangt von der beklagten Bank im Wege der Konkursanfechtung einen Betrag von 162.045,36 DM mit der Begründung, diese Summe habe die Volksbank e.G. (welche durch Fusionierung im Laufe des vorliegenden Rechtsstreits in der jetzigen Beklagten aufgegangen ist) den Konkursgläubigern durch unzulässige Gutschriften auf dem Girokonto der Gemeinschuldnerin entzogen.

Die Volksbank e.G. (in Folgenden: die Beklagte) stand neben anderen Banken spätestens seit 1994 mit der Gemeinschuldnerin in Geschäftsbeziehungen. Insbesondere räumte sie der Gemeinschuldnerin mit Kreditvertrag vom 24. November 1994 unter Erhöhung eines bis dahin gewährten Betriebsmittelkredites von 100.000 DM auf deren Girokonto Nr. 1601457 einen weiteren Kredit von 150.000 DM unter Festlegung einer Kreditgrenze von 250.000 DM ein (Bl. 265 GA). Diese Kreditlinie wurde im Laufe der folgenden Jahre durch mündliche Vereinbarungen um ein Mehrfaches erhöht. Der jeweilige genaue Kreditrahmen ist streitig. Eine Kündigung des Kreditkontos nahm die Beklagte bis zur Eröffnung des vom persönlich haftenden Gesellschafter der Gemeinschuldnerin, dem Zeugen B, am 31. Juli 1997 beantragten Konkurses nicht vor.

Die Beklagte hat auf dem vorgenannten Konto in der Zeit vom 30. Mai bis 1. September 1997 342.538,95 DM gutgeschrieben. Nach Abzug einer Summe von 120.000 DM, welche die Gemeinschuldnerin am 2l. Juli 1997 unter Einlösung von Kraftfahrzeugbriefen für sicherungsweise übereignete LKW`s auf das Konto bar eingezahlt hatte, einer Erstattung der Beklagten auf Grund der Konkursanfechtung in Höhe von 6.877,25 DM und weiterer Auszahlungen der Beklagten an Pfändungsgläubiger im Juni 1997 von etwa insgesamt 54.000 DM verbleibt der vom Kläger geforderte Betrag von 162.045,36 DM.

Der Kläger hat vorgetragen:

Die Beklagte sei zur Rückzahlung dieser Summe verpflichtet, weil sie, ohne die Kreditlinie gekündigt zu haben, in dem genannten Zeitraum inkongruente Verrechnungen auf dem Girokonto der Gemeinschuldnerin (§ 30 Nr. 2 KO) vorgenommen habe, und zwar in Kenntnis der bereits seit 31. Dezember 1995 hoffnungslosen Überschuldung der Gemeinschuldnerin. Für die der Beklagten spätestens im Mai 1997 bekannte Zahlungseinstellung der Gemeinschuldnerin sprächen eine Reihe von Indizien, wie insbesondere der Umstand, dass die Beklagte ein im April 1997 gewünschtes Kreditengagement von über 1 Million DM abgelehnt habe, wie auch die Einstellung von Lohnzahlungen der Gemeinschuldnerin im Juni 1997 und Pfändungen des Finanzamtes sowie der AOK.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 162.045,36 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. August 1997 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen:

In dem streitgegenständlichen Zeitraum habe eine Überschuldung und Zahlungseinstellung der Gemeinschuldnerin nicht bestanden. Jedenfalls habe sie davon vor dem 1. August 1997, dem Zugang des allgemeinen Verfügungs- und Veräußerungsverbotes, keine Kenntnis gehabt. Die Gewährung oder stillschweigende Duldung des erhöhten Kreditrahmens und die Erhöhung des Kreditrahmens auf über 700.000 DM - bis zur Reduzierung nach Rückgabe des Sicherungsgutes der LKW - auf 580.000 DM am 24. Juli 1997 (Schreiben Bl. 225 GA) - sei wegen der laufenden Zahlungseingänge vertretbar gewesen, zumal sie durch Grundschulden und ein abgetretenes Berlin-Darlehen (von insgesamt 580.000 DM) abgesichert gewesen sei.

Jedenfalls hätten sie und die Gemeinschuldnerin zu keiner Zeit die Absicht verfolgt, Gläubiger zu benachteiligen.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage mit der Begründung abgewiesen, in dem vorliegend streitigen Zeitraum sei es schon zu keiner objektivierbaren Zahlungseinstellung der Gemeinschuldnerin gekommen, wofür insbesondere die vom Zeugen B bekundete Fortzahlung der Löhne spreche. Auf die Frage der Kongruenz oder Inkongruenz der Deckung i.S. von § 30 KO komme es daher nicht an (Bl. 119 ff. GA).

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung Klägers, der an seinem ursprünglichen Begehren festhält und hierzu ergänzende tatsächliche und rechtliche Ausführungen macht. Insbesondere hebt er auf die auch den anderen Hausbanken der Gemeinschuldnerin spätestens im Frühjahr 1997 bekannt gewesene Zahlungsunfähigkeit ab und verweist auf die von der Beklagten bis Juli 1997 gewährte Kreditlinie von 700.000 DM.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zur Zahlung von 162.045,36 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 1. August 1997 an ihn zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch sie vertieft ihr tatsächliches und rechtliches Vorbringen und bestreitet nachdrücklich, von einer angeblichen Begünstigungsabsicht der Gemeinschuldnerin gegenüber anderen Gläubigern wie auch von der Zahlungseinstellung Kenntnis gehabt zu zahlen. Hierzu verweist sie u.a. auf die Rückgabe der sicherungsübereigneten - entgegen der Behauptung des Klägers statt 200.000 DM rund 500.000 DM wertvollen - LKW-Gespanne.

Der Senat hat Beweis erhoben durch, zum Teil schriftliche Vernehmung der Zeugen D M, St, P, B und F. Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme (Bl. 200 ff. und 249 ff. GA) wird, wie auch auf die Einzelheiten des übrigen Vortrags der Parteien, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Konkursverwalters ist zulässig, aber nicht begründet.

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die Zahlungsklage abgewiesen, weil die beanstandeten Gutschriften der Beklagten auf dem Girokonto der Gemeinschuldnerin nicht unter die nach 30 Mdr. 2 KO anfechtbaren Rechtshandlungen fallen.

Daran ändert auch das Berufungsvorbringen des Klägers nichts. Denn selbst wenn man dieses als richtig unterstellt und auf Grund der Aussagen der vom Senat vernommenen Zeugen - entgegen dem Landgericht - annehmen würde, spätestens im Zeitpunkt des Antrages auf Eröffnung des Konkursverfahrens (31. Juli 1997) sei es zur Zahlungseinstellung der Gemeinschuldnerin gekommen, scheitert der Anfechtungsanspruch jedenfalls am von der Beklagten geführten Gegenbeweis, wonach ihr weder Zahlungseinstellung und Eröffnungsantrag noch Begünstigungsabsicht der Gemeinschuldnerin bekannt waren, als sie die angefochtenen Gutschriften vornahm. Denn hierfür sind lediglich die Verfügungen auf dem Girokonto der Gemeinschuldnerin maßgeblich, welche die Beklagte bis zum 30. Juli 1997 (Gutschrift von 47.876,90 DM) vorgenommen hat, nachdem sie - wie der Kläger mit der Berufungsbegründung selbst einräumt, die ab dem 1. August 1997 aufgeführten Zahlungseingänge (Anlage K 1, Bl. 6 GA) bereits an den Kläger ausgekehrt hat.

1.

Anspruchsgrundlage für das Zahlungsbegehren des Klägers ist 37 Abs. 1 KO i.V.m. § 30 Nr. 2 KO (die Insolvenzordnung greift hier nicht ein, weil sie erst nach den streitigen Rechtshandlungen in Kraft getreten ist).

Danach hat die Beklagte die auf dem Girokonto der Gemeinschuldnerin gutgeschriebenen Beträge, soweit sie von der Klageforderung erfasst sind, zur Konkursmasse zurückzugewähren, sofern die Gutschreibung der Zahlungseingänge wegen sogenannter inkongruenter Deckung nach § 30 Nr. 2 KO anfechtbar sind. Dieser Fall der inkongruenten Deckung ist gegeben, wenn nach der Zahlungseinstellung oder dem Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens oder in den letzten 10 Tagen vor der Zahlungseinstellung oder dem Eröffnungsantrag Rechtshandlungen erfolgt sind, welche der Beklagten als Konkursgläubigerin eine Sicherung oder Befriedigung gewähren, die sie nicht in der Art oder zu der Zeit zu beanspruchen hatte, sofern sie nicht beweist, dass ihr zur Zeit der Handlung weder die Zahlungseinstellung und der Eröffnungsantrag, noch eine Absicht der Gemeinschuldnerin bekannt war, sie vor dem übrigen Gläubigern zu begünstigen.

Dieser Anfechtungsfall liegt, jedenfalls nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, nicht vor.

2.

Die Anfechtbarkeit von Deckungsgeschäften nach § 30 KO knüpft übereinstimmend an das objektivierbare Element der Zahlungseinstellung eines Gemeinschuldners an. Eine weitere ebenfalls objektiv zu prüfende Voraussetzung ist, dass die Konkursgläubiger in ihrer Gesamtheit durch das Verhalten der Anfechtungsgegnerin objektiv benachteiligt worden sind. Denn bei der Konkursanfechtung geht es nur darum, Vermögensverschiebungen wieder rückgängig zu machen, welche die Konkursmasse zum Nachteil der Konkursgläubiger geschmälert haben; alle anderen nicht zu einem solchen Nachteil führenden Rechtshandlungen scheiden von vornherein als unanfechtbare Verfügungen aus. Vorliegend braucht diese Frage nicht weiter vertieft zu werden, weil bei der hier gegebenen Konstellation erkennbar zweifelsfrei eine Schmälerung der Konkursmasse zum Nachteil der Konkursgläubiger anzunehmen ist, wenn die Beklagte unberechtigt die auf dem Kontokorrentkonto eingegangenen Zahlungen mit ihrer Kreditforderung verrechnet haben sollte (vgl. BGH 1989, 965, 966).

Abweichend vom angefochtenen Urteil hat der Senat nach den Zeugenaussagen reine Bedenken, die objektiven Voraussetzungen einer Konkursanfechtung nach § 30 Nr. 2 KO anzunehmen, insbesondere die Zahlungseinstellung der Gemeinschuldnerin jedenfalls im Juli 1997.

a)

Zahlungseinstellung i.S. des Konkursrechts liegt vor, wenn ein Gemeinschuldner wegen des Mangels an Zahlungsmitteln objektiv zahlungsunfähig ist und wenn - mindestens - für die beteiligten Verkehrskreise nach außen hin erkennbar geworden ist, dass der spätere Gemeinschuldner eben wegen dieses voraussichtlich dauernden Mangels seine fälligen und vom jeweiligen Gläubiger ernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann (BGH NJW 1995, 2103, 2104; ZIP 1991, 1014 und 1984, 809, 810; Kuhn-Uhlenbruck, Konkursordnung, 11. Aufl., Rnr. 2 zu § 30 m.w.N.). Dabei wird nicht gefordert die Einstellung aller Zahlungen. Dass der Schuldner vereinzelt - auch wenn es sich dabei insgesamt um eine beachtliche Summe handelt - noch Zahlungen leistet, steht der Annahme der Zahlungsunfähigkeit nicht entgegen (BGH, Betrieb 1985, 1468 und Kilger/Schmidt, Konkursordnung, 16. Aufl., Anm. 5 zu § 30 m.w.N.).

Vorliegend gab es nicht nur eine Reihe derartiger Anzeichen einer Zahlungseinstellung schon in der Zeit von April bis Juli 1997, wenn nicht sogar zuvor, auf jeden Fall aber am 1. Juni 1997. So haben beispielsweise die anderen Hausbanken der Gemeinschuldnerin, die Dresdner Bank und die Kreissparkasse ab Mai 1997 der Gemeinschuldnerin auf Grund der hohen Verbindlichkeiten keine Kredite mehr eingeräumt bzw. keine Verfügungen über das jeweils bei ihnen geführte Kontokorrentkonto mehr zugelassen. Dies ergibt sich deutlich aus den glaubhaften Aussagen der Zeugen D (Dresdner Bank), der betont hat, seit Mai 1997 unabhängig davon, ob die Ehefrau des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin als Darlehensnehmerin aufgetreten wäre oder nicht, keine Verfügungen mehr über das Konto der Gemeinschuldnerin zugelassen zu haben, und des Zeugen M wonach sich die Forderungen der K am 26. Mai 1997 auf insgesamt 1.107.240, 17 DM beliefen und der Kreditrahmen (insgesamt 600.000 DM) ausgeschöpft gewesen sei, während der Kreissparkasse zu der Zeit noch mehrere Zahlungsverbote über einen Gesamtbetrag von 22.875, 22 DM zugestellt worden seien. Auch die mündliche Aussage des Zeugen M relativiert den zitierten Aussagegehalt nur wenig. Zwar hat er eingeräumt, dass auch nach dem 26. Mai 1997 noch Zahlungen zu Gunsten der Gemeinschuldnerin eingegangen seien, die zur Abdeckung der Zahlungsverbote ausgereicht hätten. Andererseits sei aber der Kreditrahmen mangels Sicherheiten nicht mehr erweitert worden.

zumindest Anzeichen für einen andauernden Mangel an Zahlungsmitteln der Gemeinschuldnerin waren auch deren rückständige Verbindlichkeiten im Mai und Juni 1997 gegenüber dem Sozialversicherungsträger und dem Finanzamt. Nach der Aussage des Zeugen S hatte die AOK Wittlich bereits im Mai 1997 gegenüber der Gemeinschuldnerin eine Gesamtforderung von 82.535,87 DM, weshalb sie schon damals beim Amtsgericht die Eröffnung eines Konkursverfahrens beantragt hatte. Allerdings hat nach der glaubhaften Bekundung des Zeugen die Durchführung dieses Konkursverfahrens noch einmal abgewendet werden können, nachdem der Zeuge B für die Gemeinschuldnerin am 16. Juli 1997 120.000 DM eingezahlt hatte. Aber auch ihre Steuerpflichten vermochte die Gemeinschuldnerin ersichtlich schon 1996, besonders aber ab Mai 1997 nicht mehr oder nur unzureichend zu erfüllen. Nach den vom Zeugen P mit seiner schriftlichen Aussage eingereichten Unterlagen, an deren Richtigkeit der Senat zu zweifeln keinen Anlass hat, bestanden am 12. Juni 1997 Rückstände der Gemeinschuldnerin an Lohnsteuer, Umsatzsteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer und Kraftfahrzeugsteuer von immerhin insgesamt 260.881,36 DM, weshalb an diesem Tag eine entsprechende Pfändungs- und Einziehungsverfügung erging. Auch auf diese Steuerschulden sind allerdings Rückzahlungen erfolgt, jedoch - wie unstreitig am 1. Juli 1997 vom streitgegenständlichen Girokonto - nur 30.000 DM.

Schon nach diesem, Gesamtschuldenstand i.V.m. dem nicht zurückgeführten Kreditengagement der Gemeinschuldnerin bei der Beklagten spricht viel für die Annahme einer Zahlungseinstellung schon Mitte Juni 1997. Auf jeden Fall aber bestand zur Überzeugung des Senats am 1. Juli 1997 ein nach außen hinreichend erkennbarer Mangel an Zahlungsmitteln, der die Annahme einer Zahlungseinstellung rechtfertigt. Denn zu dieser Zeit waren die fälligen Löhne für die (einschließlich des ebenfalls in Konkurs gegangenen Tochterunternehmens B GmbH) 80 Mitarbeiter der Gemeinschuldnerin für Juni 1997 mangels Liquidität nicht ausgezahlt worden, wie auch nicht im Folgemonat. Das steht fest auf Grund der vom Konkursrichter und vom Landgericht protokollierten glaubhaften Angaben des Zeugen B vom 31. Juli 1997 und 3. November 1998 (Bl. 47, 114 GA). In einem derartigen Fall kann nicht mehr nur von Zahlungsstockung die Rede sein, vielmehr bedeutet die Nichtzahlung, ja selbst die nur schleppende Zahlung von Löhnen und Gehältern ein klassisches Anzeichen für eine Zahlungseinstellung im Sinne von § 30 Nr. 2 KO (BGH 8n 1957, 941 ff.; Kuhn/Uhlenbruck, a.a.O. Rnr. 3 c zu § 30 m.w.N.) und Kilger/Schmidt a.a.O.). Bei dieser Sachlage kommt es auf die "kleineren" - vom Zeugen B eingeräumten - fälligen Verbindlichkeiten, die ebenfalls im Mai und Juni 1997 zu Pfändungsmaßnahmen geführt hatten (Firma S, Firma S und Firma D), nicht entscheidend an.

b)

Ist somit von einer objektiven Zahlungseinstellung zwar noch nicht ab 30. Mai 1997, aber jedenfalls ab 1. Juli 1997 auszugehen, läge gleichwohl auch für die nach diesem Zeitpunkt vorgenommenen Gutschriften der Beklagten kein Fall inkongruenter Deckung gemäß § 30 Nr. 2 KO vor, wenn die Beklagte zu der Zeit Sicherung oder Befriedigung in der streitigen Höhe zu beanspruchen gehabt hätte. Die gleiche Frage stellt sich zusätzlich für die zweite Alternative des § 30 Nr. 2 KO, nämlich für die Zeit vom 21. bis 31. Juli. 1997, den Letzten zehn Tagen vor dem gestellten Konkursantrag. Diese zu Gunsten der Beklagten positive Feststellung lässt sich indes zweifelsfrei nicht treffen.

Die Frage, ob die Beklagte, wie sie behauptet, durch die Rückführung überzogener Beträge des Kontokorrentkontos Deckung im Sinne von § 30 Nr. 1 (2. Altern.) KO erhalten hat, richtet sich in erster Linie danach, welcher Art die Forderung der Beklagten aus dem zu Grunde liegenden Vertragsverhältnis war. Handelt es sich um die bloße Überziehung eines Girokontos, so kann die Bank jederzeit die Rückführung auf den vereinbarten Saldo verlangen, wobei die stillschweigende Honorierung von Überziehungen als konkludentes Verhalten zu einem Kreditvertrag gewertet werden kann (Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 5. Aufl. 1997, Rz. 5.178, S. 572 m.w.N.). Auch bei einem Kontokorrentkredit muss die Bank grundsätzlich jederzeit Rückzahlungen des Kunden entgegennehmen, eine inkongruente Deckung liegt dann also nicht vor (BGH WM 1978, 133). Entscheidend ist aber auch bei diesen Kontokorrentkreditverhältnissen im Sinne von § 355 HGB, von dem auch im Streitfall auszugehen ist, ob der bei Überziehung bestehende Rückführungsanspruch der beklagten Bank eine Kündigung voraussetzt oder nicht. Das hängt wiederum davon ab, ob die Überziehung vertraglich vereinbart worden ist, was im Ausnahmefall auch stillschweigend möglich wäre (BGH ZIP 1999, 1271, 1272).

Vorliegend spricht nach der Aussage des von beiden Parteien benannten, im wesentlichen glaubwürdigen Zeugen F in Verbindung mit dem Kreditvertrag vom 24. November 1994, dem Auszug aus dem Kreditprotokoll der Beklagten vom 28. August 1995 und dem Schreiben der Voba e.G. vom 24. Juli 1997 an die Gemeinschuldnerin (Bl. 265, 258, 225 GA) wenig dafür, dass die von der Beklagten mit ihrer Kreditforderung verrechneten bis zum 31. Juli 1997 eingegangenen Zahlungen (soweit sie Gegenstand der Klageforderung sind) als Rückzahlungen noch nicht fälliger Kredite zu qualifizieren wären. Zwar ist unstreitig, dass die Erhöhung der Kreditlinie seit dem einzigen schriftlichen Vertrag von 1994 zumindest mündlich vereinbart worden war. In welcher Höhe und bis zu welchem Zeitpunkt der Kreditrahmen überschritten werden durfte, ist jedoch auch nach der Beweisaufnahme offen geblieben. Zwar hat der Zeuge F vor dem Senat zunächst erklärt, es sei "von April 1997 an" eine - gegenüber der früheren - erhöhte Kreditlinie von 750.000 DM vereinbart worden. Zugleich hat er aber eingeräumt, dass es eine schriftliche Vereinbarung dieser Art - wie er glaube, mangels Sicherheiten - nicht gegeben habe. Diese Aussage lässt sich in Einklang bringen mit der weiteren Bekundung des Zeugen, eine Krediterweiterung auf die (im April 1997) vom Zeugen B gewünschten 1.050.000 DM sei gescheitert, weil außer den vorliegenden Sicherheiten (Grundschulden, Berlin-Darlehen und sicherungsübereignete Lastkraftwagen) keine anderen Sicherheiten vorhanden gewesen seien, die Ehefrau B "eine Mithaftung abgelehnt" habe. Andererseits hat der Zeuge die Erhöhung des Kreditrahmens auf 700.000 DM oder 750.000 DM nur als stillschweigende Duldung von Überziehungen eingestuft, weshalb man aus dem Schreiben vom 24.7.1997 entgegen dem Kläger nicht den Schluss ziehen könne, dass die Kreditlinie vor der an diesem Tage erfolgten Bareinzahlung von 120.000 DM durch die Gemeinschuldnerin kraft ausdrücklicher Vereinbarung 700.000 DM betragen habe.

Die Wertung dieser Vorgänge lässt angesichts der Unklarheiten der Zeugenaussage F in Verbindung mit den genannten Urkunden, die klare Feststellung dass die Rückzahlungen fälligen oder nicht fälligen Krediten dienten, also kongruente oder nicht kongruente Deckungen erzeugten, nicht zu. Denn der Begriff "Überziehungskredit" hat keinen rechtlich fest umrissenen Inhalt. Er wird in der Praxis einmal für die bloße Duldung einer Überziehung des vereinbarten Kreditlimits verwendet, die einen ohne Kündigung jederzeit fälligen Anspruch des Kreditinstituts auf Rückzahlung begründet. Die Überziehung kann aber auch vertraglich vereinbart werden, so dass ein fälliger Anspruch erst dann entsteht, wenn die Bank gekündigt hat (BGH NJW 1998, 1318, 1320 und WM 1985, 1437 m.w.N. sowie Staudinger, BGB, 12. Aufl., Vorbem. zu §§ 607 ff., Rnr. 290).

Nimmt man somit nach dem Beweisergebnis an, dass die über 250.000,- DM hinausgehende Überziehung nur geduldet, vertraglich nicht vereinbart worden, eine Kündigung also nicht erforderlich war, hat der Kläger keinen hinreichenden Beweis dafür erbracht, dass die Befriedigung oder Sicherung durch die Beklagte nach Maßgabe des § 30 Nr. 2 inkongruent war. Er bleibt daher beweisbelastet (Kilger-Schmidt, a.a.O., Anm. 23 zu § 30).

3.

Aber auch wenn man diese Auffassung nicht teilt und das Beweisergebnis dahin wertet, dass die von der Beklagten verrechneten Rückzahlungen bis 250.000,- DM vor Fälligkeit erfolgten, also eine inkongruente Deckung vorläge, scheitert die Klage an den weiteren Tatbestandserfordernissen des § 30 Nr. 2 KO.

Denn die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat den Gegenbeweis geführt, dass ihr zur Zeit der angefochtenen Verrechnungs-Gutschriften weder die Zahlungseinstellung und der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens noch eine Absicht der Gemeinschuldnerin bekannt waren, ihn vor den übrigen Gläubigern zu begünstigen.

Zwar genügen dem Senat insoweit nicht die Bekundungen des Zeugen B, der sowohl vor dem Landgericht als auch vor dem Senat überhaupt den Eintritt einer Zahlungseinstellung bis zum 31.7.1997 geleugnet und im Übrigen ausgesagt hat, gegenüber der Beklagten "nie von einer Zahlungseinstellung gesprochen" zu haben. Hierfür sprechen allerdings die Aussagen des Zeugen F bezüglich der Gutgläubigkeit der Beklagten, wonach "die durch AOK und Finanzamt keine Veranlassung" gegeben hätten, "eine Zahlungseinstellung der Firma B anzunehmen". Schon danach erscheint die Unkenntnis der Beklagten vom tatsächlichen Gesamtschuldenstand und dem Umfang der Forderungen anderer Gläubiger, gemessen an den im Juli 1997 noch immer eingehenden Zahlungen und dem tatsächlichen Verhalten der Beklagten (Rückgabe der LKW-Kraftfahrzeugbriefe), durchaus glaubhaft.

Der als neutral anzusehende Zeuge M hat bekundet, dass bei der Kreissparkasse auch nach der Ablehnung eines höheren Kredites im Mai 1997 noch Zahlungen zu Gunsten der Firma B eingingen, "die einen Umfang erreichten, der auch zur Abdeckung der Zahlungsverbote ausreichte, weshalb auch noch Verfügungen der Gemeinschuldnerin zugelassen worden seien". Trotz der "angespannten Situation der Firma" habe man bei der K außerdem erst mit dem Konkursantrag Kenntnis von der Zahlungseinstellung der Gemeinschuldnerin bekommen.

Hinzu kommt, dass die Beklagte nach der Aussage des Zeugen F nichts über die Bilanzen anderer Bankverbindungen der Gemeinschuldnerin wusste. Zwar muss der Beklagten jedenfalls im April 1997 schon die angespannte Vermögenslage der Gemeinschuldnerin bekannt gewesen sein, wenn sie eine weitere Aufstockung des Kreditrahmens auf über 1 Million DM ohne weitere Sicherheiten nicht zulassen wollte. Gleichwohl steht dies nicht im Widerspruch zu den üblichen Geschäftspraktiken von Hausbanken von (Firmen-) Kreditnehmern. Immerhin standen der Beklagten auch ohne die sicherungsübereigneten Kraftfahrzeuge Sicherheiten in Höhe von rund 580.000 DM durch die Grundschulden und das Berlin-Darlehen zur Verfügung.

Die Überzeugung des Senats, dass die Beklagte zumindest von einer (unterstellten) Begünstigungsabsicht der Gemeinschuldnerin, aber auch von deren Zahlungseinstellung bis zum 1. August 1997 keine positive Kenntnis hatte, trägt aber vor allem folgender Umstand:

Die Beklagte hat unbestritten nur eine Woche vor Stellung des Konkursantrages, nämlich am 24. Juli 1997, dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin die Kraftfahrzeugbriefe der bisher sicherungsübereigneten 50 LKW und Anhänger unter Reduzierung des Kreditrahmens auf 580.000 DM zurückgegeben. Dazu entschloss sie sich nach insoweit unwidersprochen gebliebenem Vortrag allein deshalb, weil sie von der Gemeinschuldnerin jene 120.000 DM in bar als Rückführung auf das Kreditkapital erhalten hatte. Sie gab also ohne einen vollständigen Ausgleich dafür zu erhalten, ein Sicherungsgut her, welches sie selbst mit schätzungsweise 500.000 DM bewertete und das auch nach Einschätzung des Klägers jedenfalls einem Verkehrswert von 200.000 DM entsprach. Diese Entscheidung aber wäre kaufmännisch vollkommen unvernünftig und erst recht als sinnvolle Disposition eines Bankunternehmens unbegreiflich, wenn die Beklagte sicher gewusst hätte, dass die Gemeinschuldnerin bereits zahlungsunfähig war und nach erfolgter Zahlungseinstellung, insbesondere nicht mehr bezahlbarer Löhne, der Konkurs unmittelbar bevorstand. Schon gar nicht kann bei dieser Sachlage angenommen werden, dass der Beklagten vor dem Erhalt des Verfügungsverbotes eine etwaige Begünstigungsabsicht der Gemeinschuldnerin vor den übrigen Gläubigern bekannt war.

Der Senat erachtet daher jedenfalls den Gegenbeweis der Beklagten gemäß § 30 Nr. 2 KO für erbracht.

II.

Liegt somit nach den Beweisergebnissen kein Konkursanfechtungsfall im Sinne von § 30 KO vor, steht dem Kläger als Konkursverwalter der Gemeinschuldnerin kein Rückzahlungsanspruch nach § 37 KO zu. Es kommt daher auf die übrigen Streitpunkte der Parteien nicht mehr an.

Die Berufung gegen das angefochtene Urteil bleibt infolgedessen ohne Erfolg. Sie ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis durch Sicherheitsleistung beruhen auf 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Der Senat hat beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 163.045,36 DM. Der Kläger ist in gleicher Höhe beschwert.

Ende der Entscheidung

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