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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 07.02.2007
Aktenzeichen: 1 U 248/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 839 Abs. 3
1. Die Bescheidung einer Bauvoranfrage zur Errichtung einer Windkraftanlage innerhalb von 16 Monaten stellt regelmäßig keine angemessene, zügige Bearbeitung der Angelegenheit mehr dar.

2. Versäumt es der Geschädigte schuldhaft, eine voraussichtlich erfolgreiche Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) zu erheben, sind Ersatzansprüche wegen verzögerter Bearbeitung gemäß § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 1 U 248/06

Verkündet Am 7. Februar 2007

In dem Rechtsstreit

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Itzel, den Richter am Oberlandesgericht Rüll und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Kerber auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 19. Januar 2006 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz wegen behaupteter Amtspflichtverletzungen. Sie wirft dem Beklagten zu 1) vor, Bauvoranfragen zur Errichtung von insgesamt sechs Windenergieanlagen verzögert bearbeitet und - nach einer zwischenzeitlichen Änderung des Flächennutzungsplans - abschlägig beschieden zu haben. Die Inanspruchnahme der Beklagten zu 2) stützt die Klägerin auf deren versagtes gemeindliches Einvernehmen.

Mit Schreiben vom 27. Juli 1999 (Anlagen 3 und 4) beantragte die Klägerin Bauvorbescheide für die Errichtung von 2 und 4 Windkraftanlagen im Gebiet der Beklagten zu 2). Die Beklagte zu 2) versagte am 15. September 1999 die Erteilung des Einvernehmens.

Die Verbandsgemeinde G... beschloss am 21. September 1999 eine erste Änderung des Flächennutzungsplans und wies darin Sonderbauflächen für Windkraftanlagen an einer anderen Stelle als den von der Klägerin beantragten beiden Flächen aus.

Wegen der entgegenstehenden Festsetzungen im Flächennutzungsplan, entgegenstehender Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie seitens des Straßen- und Verkehrsamtes erklärter Bedenken lehnte der Beklagte zu 1) mit Bescheiden vom 7. Dezember 2000 die Erteilung der beantragten Bauvorbescheide ab.

Nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren wies das Verwaltungsgericht (Entscheidungsabdruck Anlage K 1) die Verpflichtungsklage der Klägerin ab, weil dem Vorhaben die Festsetzung in der wirksamen ersten Änderung des Flächennutzungsplans vom 24. November 2000 (Veröffentlichungsdatum) entgegenstehe.

Das Oberverwaltungsgericht stellte dagegen einen Fehler in der Offenlegungsbekanntmachung des Flächennutzungsplans fest und verpflichtete den Beklagten zu 1) mit Urteil vom 7. August 2003 (Entscheidungsabdruck Anlage K 2), die beantragten Bauvorbescheide für jeweils zwei Windkraftanlagen auf den beiden von der Klägerin vorgesehenen Flächen zu erteilen. Hinsichtlich der zwei weiteren geplanten Windkraftanlagen stellte das Oberverwaltungsgericht auf den Hilfsantrag der Klägerin fest, dass der Beklagte zu 1) bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz vom 27. Juli 2001 verpflichtet gewesen war, den begehrten Bauvorbescheid auch hinsichtlich der zwei weiteren Windkraftanlagen zu erteilen.

Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zu 2) wies das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 13. November 2003 - dem Beklagten zu 1) am 11. Dezember 2003 zugestellt - zurück.

In der am 18. November 2003 erneut beschlossenen Änderung des Flächennutzungsplans beseitigte die Verbandsgemeinde G... den vom Oberverwaltungsgericht festgestellten formellen Mangel und setzte diese Änderung rückwirkend zum 24. November 2000 in Kraft. Auf die hierauf gestützte Vollstreckungsgegenklage des Beklagten zu 1) nahm die Klägerin den am 15. Januar 2004 gestellten Antrag auf Einleitung der Zwangsvollstreckung gegen den Beklagten zu 1) zurück.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Versagung der Bauvorbescheide habe nicht auf die erste Änderung des Flächennutzungsplans vom 24. November 2000 gestützt werden dürfen, da dieser Flächennutzungsplan entsprechend den rechtskräftigen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht wirksam gewesen sei. Eine rückwirkende Heilung sei nicht erfolgt, weil der erneut beschlossene Flächennutzungsplan nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der Verbandsgemeinde G... vom 16. Januar 2004 nicht mit Rückwirkung in Kraft gesetzt worden sei. Zudem habe der Beklagte zu 1) die Bearbeitung der Bauvoranfragen pflichtwidrig verzögert. Bei zügiger Bearbeitung hätten die Voranfragen bis Ende Oktober 1999 beschieden sein müssen. Nach Rechtskraft des Urteils des Oberverwaltungsgerichts habe der Beklagte zu 1) die Erteilung der Bauvorbescheide weiter verzögert.

Bei einem pflichtgemäß durchgeführten Genehmigungsverfahren hätten die Anlagen im Dezember 2000 in Betrieb genommen werden können. Auf dieser Grundlage, ausgehend von einem Gewinn bringenden Verkauf, der dabei vorbehaltenen technischen und kaufmännischen Betriebsführung und der anzusetzenden Verzinsung sei ihr ein Schaden in Höhe von 2.127.750,38 € entstanden (vgl. zur Schadensberechnung Bl. 6/7 GA).

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 2.127.750,38 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgetragen, die Ablehnung der Bauvorbescheide sei nach der jetzt maßgeblichen Rechtslage auf der Grundlage der zwischenzeitlichen rückwirkenden Änderung des Flächennutzungsplans rechtmäßig gewesen. Das Verfahren sei nicht zögerlich durchgeführt worden. Das von der Beklagten zu 2) versagte Einvernehmen sei nicht kausal für die Ablehnung der Bauvorbescheide gewesen, so dass eine Haftung der Beklagten zu 2) nicht in Betracht komme. Zudem sei die Durchführung der Vorhaben, abgesehen von den planungsrechtlichen Erwägungen, die der Ablehnung der Bauvorbescheide zu Grunde gelegen hätten, weder öffentlich-rechtlich, noch zivilrechtlich gesichert gewesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Da der Flächennutzungsplan rückwirkend in Kraft getreten sei (§ 215a Abs. 2 BauGB), müsse die Rechtslage fiktiv so bewertet werden, als sei der Flächennutzungsplan bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens wirksam gewesen. Demgemäß müsse für die Amtshaftungsklage davon ausgegangen werden, dass die Bauvorbescheide zu Recht nicht erteilt worden seien. Dem Beklagten zu 1) könne zudem keine verzögerte Bearbeitung der Anträge vorgeworfen werden; die eingetretene Verzögerung sei auf eine vertretbare Einschaltung der Luftverkehrsbehörden zurückzuführen. Auch nach Rechtskraft der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts habe der Beklagte zu 1) die weitere Bearbeitung nicht pflichtwidrig verzögert; da der Verbandsgemeinderat zu diesem Zeitpunkt bereits die erneute Änderung des Flächennutzungsplans mit Rückwirkung beschlossen habe, sei in dem Zuwarten bis zur Veröffentlichung dieser Rechtsänderung keine Pflichtverletzung zu sehen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin das erstinstanzliche Klageziel weiter (Bl. 178 GA). Sie ist der Auffassung, für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Bauvorbescheide sei auf den Zeitpunkt der dahingehenden Entscheidungen des Beklagten zu 1) abzustellen; demnach sei die Ablehnung auf entgegenstehende Festsetzungen in einem nicht wirksamen Flächennutzungsplan gestützt worden. Zudem habe der Beklagte zu 1) gegen die Amtspflicht verstoßen, über die Anträge zügig in angemessener Zeit zu entscheiden. Bei Beachtung dieser Pflicht hätte der Beklagte zu 1) bereits im Oktober 1999, aller spätestens aber Ende Oktober 2000 und damit vor Inkrafttreten der ersten Änderung des Flächennutzungsplans die beantragten Bauvorbescheide erteilen müssen. Der Beklagte zu 1) sei weiter nicht berechtigt gewesen, nach Rechtskraft der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zunächst noch das Genehmigungsverfahren für die erneute Änderung des Flächennutzungsplans abzuwarten. Eine Haftung der Beklagten zu 2) ergebe sich daraus, dass die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens dazu geführt habe, dass der Beklagte zu 1) nicht rechtzeitig über die Anträge entschieden habe, um so die beabsichtigten Änderungen des Flächennutzungsplans zu fördern.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie sind der Auffassung, der Beklagte zu 1) habe innerhalb der ihm einzuräumenden angemessenen Bearbeitungszeit zur Bescheidung der Anträge entschieden. Für den Fall, dass die Bearbeitungszeit nicht als angemessen anzusehen sei, habe es die Klägerin versäumt, Primärrechtsschutz in Anspruch zu nehmen (§ 839 Abs. 3 BGB). Selbst wenn man die rückwirkende Inkraftsetzung der erneuten Änderung des Flächennutzungsplans außer Acht lasse, sei den Mitarbeitern des Beklagten zu 1) jedenfalls kein Verschuldensvorwurf wegen der - auf entgegenstehende Festsetzungen im Flächennutzungsplan gestützten - Ablehnung der Bauvorbescheide zu machen, weil das Verwaltungsgericht Mainz als Kollegialgericht seine klageabweisende Entscheidung ebenfalls auf die entgegenstehenden Festsetzungen des als wirksam angesehenen Flächennutzungsplans gestützt habe. Da sich der Beklagte zu 1) gegen die Vollstreckung der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts mit einer Vollstreckungsgegenklage erfolgreich zur Wehr gesetzt habe, könne die Weigerung, nach Rechtskraft der Entscheidung sofort die verlangten Bescheide zu erlassen, nicht als pflichtwidrig angesehen werden. Das versagte Einvernehmen seitens der Beklagten 2) sei angesichts der Rückwirkung des erneut geänderten Flächennutzungsplans rechtmäßig. Zudem habe der Verbandsgemeinderat die erste Änderung des Flächennutzungsplans bereits am 21. Oktober 1999 beschlossen; dieser in Aufstellung befindliche Flächennutzungsplan hätte damit auch bei einer früheren Entscheidung als entgegenstehender Belang im Rahmen des § 35 BauGB berücksichtigt werden müssen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatbestandlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 147 - 152 GA) sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze mit den weiter zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten (§ 839 BGB, Art. 34 GG) besteht nicht.

1. Zwar stellt die Bescheidung der Bauvoranfragen 16 Monate nach deren Eingang keine angemessene, zügige Bearbeitung der Angelegenheit mehr dar. Denn in einem Rechtsstaat hat jede Behörde die Amtspflicht gegenüber dem Antragsteller, die an sie gestellten Anträge mit der gebotenen Beschleunigung innerhalb einer angemessenen Frist zu behandeln und die Anträge, sobald eine ordnungsgemäße Prüfung abgeschlossen ist, in angemessener Frist zu bescheiden. Das gilt vor allem, wenn -wie hier-, der Behörde erkennbar, ein dringendes Interesse des Antragstellers an einer alsbaldigen Sachentscheidung besteht (vgl. Staudinger-Wurm, 2002, § 839 BGB Rn. 134 m.w.N.; Stein/Itzel/Schwall, Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrechts, Rn. 585). Welche Frist angemessen, welche Beschleunigung geboten ist, bestimmt sich nicht allein nach dem Interesse des Antragstellers oder des durch die erbetene Entscheidung betroffenen Einzelnen, sondern auch danach, dass im Einzelfall eine sachgerechte Entscheidung ausreichend vorbereitet und ermöglicht wird. Ein Beamter verletzt seine Amtspflicht gegenüber dem Antragsteller, wenn er infolge schuldhafter Verkennung der Rechtslage zögert, einem Antrag zu entsprechen und damit dem Antragsteller zumindest zeitweilig die Entscheidung vorenthält. Aus der Regelung der verwaltungsrechtlichen Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) lässt sich kein Hinweis darauf herleiten, dass eine Pflichtverletzung erst bei einer Verzögerung von mindestens drei Monaten angenommen werden könne. Die für eine Untätigkeitsklage erforderliche Drei-Monats-Frist stellt lediglich eine besondere Prozessvoraussetzung dar; dies schließt nicht etwa die Möglichkeit aus, dass auch ein kürzerer Verzögerungszeitraum zu einer (ersatzpflichtigen) Schädigung des Bürgers führen kann (vgl. Staudinger-Wurm, a.a.O., Rn. 134 f).

Anhaltspunkte für eine angemessene Bearbeitungsdauer ergeben sich aus § 65 LBauO, für die hier als Begründung der Verzögerung aufgeführten fehlenden Stellungnahmen anderer Behörden aus § 65 Abs. 5 S. 3 LBauO. Demnach wäre für die - gleichzeitig einzuholenden - Stellungnahmen anderer Behörden ein Zeitraum von einem Monat anzusetzen. Für eine Fristverlängerung auf einen dahingehenden begründeten Antrag ist nichts vorgetragen. Unter Hinzurechnung einer angemessenen Dauer für die Weiterleitung der Bauvoranfragen und deren Bearbeitung bei dem Beklagten zu 1) ergibt sich eine angemessene Beaarbeitungsdauer in der Größenordnung von etwa 3 Monaten. Hierauf weist die Klägerin zutreffend hin (S. 1 - 3 des Schriftsatzes vom 7. Juli 2005 sowie S. 3 - 6 des Schriftsatzes vom 24. Mai 2006, Bl. 75 ff und 180 ff GA). Damit korrespondierend lässt sich den als Auszug zu den Akten gereichten Verwaltungsakten des Beklagten zu 1) nach Anfang November 1999 keine Bearbeitung der Angelegenheit mehr entnehmen. Diese wurde erst auf die Anfrage des von der Klägerin beauftragten Architekten vom 26. Mai 2000 wieder aufgenommen.

Einem auf diese Pflichtverletzung gestützten Schadensersatzanspruch der Klägerin steht er jedoch die Regelung des § 839 Abs. 3 BGB entgegen. Nach dieser Bestimmung tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Darunter sind alle Rechtsbehelfe zu verstehen, die sich unmittelbar gegen die schädigende Amtshandlung oder Unterlassung selbst richten und nach gesetzlicher Ordnung ihre Beseitigung oder Berichtigung bezwecken und ermöglichen (vgl. Reinert in Beck'scher Online-Kommentar § 839 Rn 92 m.w.N.; Staudinger-Wurm, a.a.O., Rn 347). Neben einer Dienstaufsichtsbeschwerde wäre ein taugliches Rechtsmittel in erster Linie die Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO gewesen (vgl. zur Untätigkeitsklage als geeignetes Rechtsmittel BGH NVwZ 1992, 298, 299). Die Klägerin selbst hat sowohl in der Klageschrift, als auch in der Berufungsbegründung (Bl. 8 u. 181 GA) zutreffend darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage vorlagen.

Eine im November 1999 erhobene Untätigkeitsklage wäre geeignet gewesen, den nunmehr von der Klägerin behaupteten Schaden abzuwenden. Eine Rechtfertigung für eine weitere zeitliche Verzögerung bestand nicht. Insbesondere weist die Klägerin zu Recht darauf hin (S. 7 Berufungsbegründung - Bl. 184 GA), dass die Eingangsvoraussetzungen zur Einholung einer luftverkehrsrechtlichen Genehmigung nach § 14 LuftVG (Höhe der Windkraftanlagen von mehr als 100 m oder Standort auf einer Anhöhe) nicht vorlagen. Wie das im vorliegenden Fall durchgeführte verwaltungsgerichtliche Verfahren belegt, wäre eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts jedenfalls innerhalb von 8 Monaten, also bis August 2000 zu erhalten gewesen. Es kann dahin stehen, ob - wie es die Beklagten behaupten - eine schnellere Entscheidung möglich gewesen wäre, wenn das Verwaltungsgericht die Wirksamkeit des dem Vorhaben entgegen stehenden Flächennutzungsplans nicht prüfen musste. Denn auch in dem belegten Zeitraum von 8 Monaten war die Änderung des Flächennutzungsplans noch nicht in Kraft. Damit bestand der Rechtsgrund, auf den das Verwaltungsgericht Mainz seine klageabweisende Entscheidung gestützt hat, noch nicht. Es ist damit davon auszugehen, dass eine Untätigkeitsklage bereits in erster Instanz erfolgreich gewesen wäre. Die Erfolgsaussicht für ein unterstelltes eventuelles Berufungsverfahren ergibt sich selbst für den Fall, dass die Änderung des Flächennutzungsplans zwischenzeitlich in Kraft getreten wäre, aus der in diesem Verfahren ergangenen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. August 2003 (Anlage K 2). Der damals noch im Aufstellungsverfahren sich befindende geänderte Flächennutzungsplan war kein entgegenstehender Belang im Sinne des § 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB. Diese Bestimmung setzt im Grundsatz einen bereits wirksamen Flächennutzungsplan voraus. Anhaltspunkte, dass die geänderte Flächennutzungsplanung der Verbandsgemeinde schon so weit konkretisiert gewesen wäre, dass sie ausnahmsweise bereits als in Aufstellung befindliches Ziel der Raumordnung schon die Qualität eines öffentlichen Belangs erreicht hätte (vgl. hierzu BVerwG NVwZ 2005, 578) bestehen nicht (abgesehen davon wäre der auf das positive Interesse gerichtete Ersatzanspruch der Klägerin von vornherein unbegründet).

Die Klägerin hat es schuldhaft unterlassen, ein Rechtsmittel (Dienstaufsichtsbeschwerde oder Untätigkeitsklage) gegen die unterbliebene Bescheidung der Bauvoranfragen einzulegen. Bei der Prüfung, ob der Verletzte es schuldhaft unterlassen hat, ein Rechtsmittel einzulegen, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls auf die Verhältnisse des Verkehrskreises, dem der Verletzte angehört, mithin darauf abzustellen, welches Maß an Umsicht und Sorgfalt von Angehörigen dieses Kreises verlangt werden muss (vgl. Staudinger-Wurm a.a.O. Rn. 357 m.w.N.). Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes ist von einem Verschulden der Klägerin auszugehen. Die Klägerin ist in einem sehr engen Wettbewerb damit befasst, Windkraftanlagen zur Ausnutzung der durch öffentliche Subventionen gegebenen Gewinnchancen zu errichten. Um die Subventionen in möglichst optimaler Höhe zu erhalten, ist die Klägerin darauf angewiesen, dass beabsichtigte Windkraftanlagen möglichst zeitnah errichtet werden können. Zudem steht die Klägerin in einem Wettbewerb mit anderen Betreibern von Windkraftanlagen um eine sehr beschränkte Anzahl von möglichen Standorten. Dementsprechend hat die Klägerin auch in den diesem Rechtsstreit vorausgegangenen verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine erhebliche Konsequenz bei der Verfolgung ihrer rechtlichen Interessen gezeigt. Es wäre von der Klägerin zu erwarten gewesen, dass sie ihre Interessen bereits im Verwaltungsverfahren mit entsprechendem Nachdruck verfolgt.

Auch unter Berücksichtigung des (zuzulassenden) weiteren Vortrags in dem Schriftsatz vom 20. Dezember 2006 (Bl 287 f GA) geschah dies jedoch weder zeitnah, noch mit dem im Interesse der Klägerin gebotenen Nachdruck. Die nunmehr beschriebenen - von den Beklagten bestrittenen - persönlichen beziehungsweise telefonischen Nachfragen der Gesellschafter der Klägerin sollen im März beziehungsweise Mai 2000 erfolgt sein, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage nach dem eigenen Vortrag der Klägerin (in der Klage und Berufungsbegründung) schon seit Monaten vorlagen. Auch die erste aktenkundige Nachfrage des von der Klägerin beauftragten Architekten vom 26. Mai 2000 ("Da wir seit mehr als acht Monaten keine Aussagen über die Genehmigungsfähigkeit dieser beiden Projekte erhalten haben, bitten wir Sie nun kurzfristig um eine schriftliche Stellungnahme.") zeigt, dass die Klägerin das Verwaltungsverfahren wesentlich behutsamer als die nachfolgenden Klageverfahren betrieben hat. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin in jenem Zeitraum, als die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage vorlagen, hinsichtlich zu erwartender Bauvorbescheide vertröstet worden wäre, bestehen nicht.

2. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht einen Amtshaftungsanspruch unter dem Gesichtspunkt, dass der Beklagte zu 1) die ablehnenden Bescheide auf einen damals formell nicht rechtmäßigen Flächennutzungsplan gestützt hat, verneint. Maßgeblich für die Beurteilung, ob die Entscheidung einer Behörde rechtmäßig ist, ist die Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung im Amtshaftungsprozess (vgl. BGH NJW 1995, 394, 395). Demnach ist die hier erfolgte zwischenzeitliche Berichtigung der rechtlichen Grundlage des ablehnenden Bescheids (Beseitigung der Veröffentlichungsfehler eines Flächennutzungsplans) zu berücksichtigen, wenn dies noch dem Sinn und Zweck des Schadensersatzes entspricht und weder der Geschädigte unzumutbar belastet, noch der Schädiger unbillig entlastet wird (vgl. BGH a.a.O). Diese Voraussetzungen sind gegeben. Denn der Beklagte zu 1) hat sich während des gesamten Verfahrens auf die entgegenstehenden Festsetzungen des Flächennutzungsplans berufen. Dabei befand sich der Flächennutzungsplan bereits in der Aufstellungsphase, als die Klägerin die Bauvoranfragen einreichte. Von einem schützenswerten Vertrauen der Klägerin dahingehend, dass die geplanten Windkraftanlagen genehmigt werden würden, kann nach alldem nicht ausgegangen werden.

Es kann damit dahinstehen, dass es auch an einem Verschulden des Beklagten zu 1) fehlt, soweit er den Flächennutzungsplan im Zeitpunkt der Entscheidung als wirksam ansah. Denn das Verwaltungsgericht hat in Kammerbesetzung die Rechtsauffassung zur Wirksamkeit des Flächennutzungsplans geteilt (vgl. Seite 9 Urteilsgründe - Anlage K 1 - zur Kollegialgerichts-Rechtsprechung vgl. die Nachweise bei Stein/Itzel/Schwall Rn. 150).

3. Ein Ersatzanspruch ergibt sich weiter nicht aus dem Umstand, dass der Beklagte zu 1) nach Rechtskraft des Urteils des Oberverwaltungsgerichts nicht sofort die beantragten Bauvorbescheide erließ. Es fehlt insoweit bereits an einer Pflichtverletzung.

Die korrigierte Bekanntmachung der Genehmigung der erneuten Änderung des Flächennutzungsplans erfolgte am 30. Januar 2004, also etwa 6 Wochen nach Rechtskraft des Urteils des Oberverwaltungsgerichts. Dabei hatte der Verbandsgemeinderat G... bereits am 18. November 2003 die erneute, rückwirkende Änderung des Flächennutzungsplans beschlossen. Der Beklagte zu 1) durfte sich gegen die Vollstreckung einer Verpflichtung zur Erteilung eines Vorbescheids mit einer auf einen zwischenzeitlich geänderten Flächennutzungsplan gestützten Vollstreckungsgegenklage wehren (vgl. BVerwG NVwZ 2003, 214, 215). Dann kann es auch nicht als pflichtwidrig angesehen werden, wenn der Beklagte zu 1) in den zeitlichen Grenzen, in denen auch eine Verteidigung gegen die titulierte Verpflichtung möglich war, eine Erfüllung der Verpflichtung im Hinblick auf die bereits beschlossene Änderung des Flächennutzungsplans ablehnte (vgl. zur Berücksichtigungsfähigkeit konkreter, abgeschlossener Planungen im Bereich der Raumordnung als entgegen stehender öffentlicher Belang BVerwG NVwZ 2005, 578).

Im Einklang mit dieser Auffassung hat bereits das Oberverwaltungsgericht auf Seite 18 der Entscheidungsgründe auf die einfache "Reparatur des" formellen Fehlers hingewiesen sowie darauf, dass der Klägerin dann kein durchsetzungsfähiger Anspruch auf einen positiven Bescheid zustehen könnte.

Zudem wirkt sich auch hier die nach § 215a Abs. 2 BauGB (a.F.) zulässige Rückwirkung des Flächennutzungsplans aus. Für das Amtshaftungsverfahren ist von einer schon im Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils des Oberverwaltungsgerichts entgegen stehenden Festsetzung im Flächennutzungsplan auszugehen.

4. Ein Amtshaftungsanspruch gegen die Beklagte zu 2) ist gleichfalls nicht gegeben. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte zu 2) ihr Einvernehmen nach § 36 Abs. 1 S. 1 BauGB rechtswidrig versagt hat. Unabhängig von der Möglichkeit, ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen nach §§ 36 Abs. 2 S. 3 BauGB, 71 LBauO zu ersetzen, war das bereits am 15. September 1999 versagte Einvernehmen weder ursächlich für die danach eingetretene zeitliche Verzögerung bei der Bescheidung der Bauvoranfragen, noch für deren Ablehnung. Der Beklagte zu 1) hat die Ablehnung der beantragten Bauvorbescheide nicht auf die Versagung des Einvernehmens seitens der Beklagten zu 2) gestützt, sondern - unter Erwähnung des versagten Einvernehmens - in erster Linie auf die entgegenstehende Festsetzung im Flächennutzungsplan. Dem versagten Einvernehmen kam damit keine eigenständige, eine Haftung ggfls. begründende, Bedeutung zu.

III.

Die Kosten- und Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Die der Entscheidung zu Grunde liegenden Rechtsfragen sind bereits durch den Bundesgerichtshof bzw. das Bundesverwaltungsgericht entschieden und wurden durch den Senat entsprechend berücksichtigt.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 1.676.504,-- €.

Ende der Entscheidung

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