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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 13.02.2002
Aktenzeichen: 1 U 296/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 97
ZPO § 711
ZPO § 108
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 543 Abs. 2 n.F.
ZPO § 543 Abs. 2 Satz 2 a. F.
Eine Belehrungspflicht des ein Grundstücksgeschäft beurkundenden Notars hinsichtlich eines anfallenden "Spekulationsgewinns" ist nur gegeben, wenn dem Notar alle Voraussetzungen für das Vorliegen eines steuerpflichtigen "Gewinns" und der Nicht-Ablauf der "Spekulationsfrist" bekannt sind.

Der Notar ist insoweit nicht zu Ermittlungen verpflichtet.


Oberlandesgericht Koblenz IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 1 U 296/01

Verkündet am 13. Februar 2002

in dem Rechtsstreit

wegen Notarhaftung.

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Krämer, die Richterin am Oberlandesgericht Semmelrogge und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Itzel

auf die mündliche Verhandlung vom 16. Januar 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 11. Januar 2001 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.650 EUR abwenden, wenn der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Parteien können die Sicherheit auch durch schriftliche, selbstschuldnerische, unwiderrufliche und unbefristete Bürgschaft einer Bank oder Sparkasse mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland erbringen.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von dem beklagten Notar aus eigenem und aus abgetretenem Recht (Ehemann) Schadensersatz wegen behaupteter unterlassener, fehlerhafter Belehrung im Rahmen der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrages mit den Eheleuten D vor Ablauf der zweijährigen "Spekulationsfrist". Sie machen die erhobenen - noch nicht bestandskräftig festgesetzten - Steuern als Schaden geltend.

Die Klägerin und ihr Ehemann erwarben das Grundstück am 2. September 1996 für 259.000 DM von der Großmutter der Klägerin. Am 1. September 1998 verkauften sie dieses Hausgrundstück an die Zeugen D für 390.000 DM.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Ihr Ehemann habe im Rahmen einer Vorbesprechung den Kaufvertrag von 1996 - mit dem daraus ersichtlichen Kaufpreis - im Notariat des Beklagten vorgelegt.

Auf die steuerlichen Risiken einer Beurkundung vor Ablauf der zweijährigen Spekulationsfrist seien sie nicht hingewiesen worden. Die Beurkundung habe ohne Weiteres um zwei Tage verschoben werden können.

Der geltend gemachte Schaden errechne sich aus der Differenz der Steuerforderung mit und ohne Berücksichtigung des Spekulationsgewinns in Höhe von 123.790 DM.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 51.977,15 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 18. März 1999 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen:

Der Kaufvertrag von 1996 sei weder ihm noch Bediensteten von ihm vorgelegt worden; ihm sei der damalige Kaufpreis nicht bekannt gewesen.

Das Landgericht hat nach eingehender Beweisaufnahme, vor allem zur Frage, ob der notarielle Kaufvertrag von 1996 im Notariat vorgelegt wurde, die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass nur die Kenntnis von einem tatsächlich angefallenen Spekulationsgewinn eine Belehrungspflicht des beurkundeten Notars 1998 hätte erzeugen können. Dass der ursprüngliche Kaufpreis dem Notar bei Beurkundung am 1. September 1998 bekannt gewesen sei, habe die Klägerin nicht nachgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie unter Intensivierung ihres bisherigen Vertrages vor allem zu einer ihrer Ansicht nach gesteigerten Beratungs- und Belehrungspflicht bei einer Beurkundung zwei Tage vor Ablauf der Spekulationsfrist vorträgt.

Sie beantragt,

unter Abänderung des am 11. Januar 2001 verkündeten Urteils des Landgerichts Koblenz den Beklagten zu verurteilen, an sie 51.977,15 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 18. März 1999 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen vor allem weiter zu seiner Nichtkenntnis des ursprünglichen Kaufpreises vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze mit den weiter zu den Akten gereichten Unterlagen sowie auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Seite 2, 3; Bl. 126, 127 d. A.) verwiesen, § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO a. F.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Ihr steht ein Schadensersatzanspruch gegen den beklagten Notar gemäß § 19 Abs. 1 Bundesnotarordnung nicht zu. Das Landgericht hat dementsprechend die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Eine Pflichtverletzung des beklagten Notars hat die Klägerin nicht nachgewiesen. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden und überzeugenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (Seite 3-7; Bl. 127 - 131 d. A.); diese macht er sich zu Eigen, § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO a. F.).

Ergänzend ist lediglich noch darauf hinzuweisen, dass auch der Senat in ständiger Rechtsprechung (vergl. nur Urteil v. 28. April 1993, DNotZ 1993 S. 761) davon ausgeht, dass eine Belehrungspflicht des beurkundenden Notars hinsichtlich eines anfallenden "Spekulationsgewinns" u. ä. nur dann gegeben ist, wenn dem Notar positiv alle Voraussetzungen für das Vorliegen eines steuerpflichtigen "Gewinns" und der Nicht-Ablauf der "Spekulationsfrist" bekannt sind (vgl. BGH, NJW 1989 Seite 586). Der Notar ist nicht verpflichtet zu ermitteln, ob Umstände vorliegen, aus denen sich die Gefahr der Versteuerung eines "Spekulationsgewinns" ergibt (so der Leitsatz der o.g. Entscheidung des Senats DNotZ 1993 S. 761; im gleichen Sinn Arndt, Lerch, Sandkühler, BNotO, 4. Aufl., § 14 Rdnr. 188 - m.w.Nachw.). Dies gilt auch unabhängig davon, wann genau die Beurkundung innerhalb der Zweijahresfrist (Spekulationsfrist) vorgenommen wird. Der Senat verweist insoweit auch auf die in der angefochtenen Entscheidung gegebene Begründung.

Nach der Beweisaufnahme steht auch unter Berücksichtigung des vorgetragenen Telefonats zwischen dem Notar und der Klägerin nicht fest, dass der Kaufvertrag von 1996 dem Beklagten oder einer Notariatsangestellten übergeben wurde, er positive Kenntnis von dem tatsächlichen Kaufpreis (1996) hatte. Eine Belehrungspflicht lag mithin bei der Beurkundung vom 1. September 1998 nicht vor.

2. Weiterhin ist zu berücksichtigen und trägt die Klageabweisung in gleicher Weise, dass einerseits noch völlig unklar ist, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Klägerin und ihr Ehemann letztlich Steuern auf den "Spekulationsgewinn" zahlen müssen. Der Steuerbescheid, den sie ihrer Schadensberechnung zugrunde legt, ist - unstreitig - noch nicht bestandskräftig.

Auch ist möglicherweise zu berücksichtigen, dass der Erwerb im September 1996 deutlich unter dem Verkehrswert erfolgt sein könnte, gegebenenfalls eine gemischte Schenkung unter nahen Verwandten (Großmutter, Enkeltochter) vorgelegen haben und mithin überhaupt kein "Spekulationsgewinn" angefallen sein könnte.

Bei einer derart noch nicht abschließend festgestellten "Steuerschuld" kann der hier von der Klägerin geltend gemachte Ersatz derselben als Schaden keinen Erfolg haben.

3. Nach allem hat die Klägerin keinen Anspruch gegen den beklagten Notar auf Schadensersatz aus § 19 Abs. 1 Bundesnotarordnung. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen; die hiergegen gerichtete Berufung ist ohne Erfolg und zurückzuweisen.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n.F. nicht gegeben sind.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO; die zur Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 26.575 EUR festgesetzt; in dieser Höhe ist die Klägerin durch dieses Urteil beschwert.

Ende der Entscheidung

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