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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 29.11.2006
Aktenzeichen: 1 U 44/06
Rechtsgebiete: BRAO


Vorschriften:

BRAO § 43 a Abs. 4
BRAO § 45 Abs. 1 Nr. 4
1. Bei einer rechtlichen oder faktischen Beteiligung eines Mitglieds einer Rechtsanwalts- und Steuerberatersozietät an den - teilweise miteinander kontrahierenden - beratenen Gesellschaften kann der Annahme einer Interessenkollision i.S.v. § 43 a Abs. 4 BRAO entgegenstehen, dass die Gesellschaften gleichgerichtete Interessen verfolgen, was insbesondere bei einer wechselseitigen Verflechtung unter einheitlicher Führung nahe liegt.

2. Ein Tätigkeitsverbot nach § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO setzt voraus, dass der Anwalt in seinem Zweitberuf rechtlich und tatsächlich einer richtunggebenden Einflussnahme unterliegt. Zudem darf die eine konkrete Angelegenheit betreffende Vortätigkeit noch nicht beendet sein.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 1 U 44/06

Verkündet am 29. November 2006

In dem Rechtsstreit

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Itzel, den Richter am Oberlandesgericht Rüll und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Kerber auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 21. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerinnen zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe:

I.

Die Klägerinnen verlangen von den Beklagten die Rückzahlung von Anwaltshonorar.

Die Klägerinnen betreiben gemeinsam einen Windpark. Unter Beteiligung von 2 Gesellschaften der p... Gruppe (p... Beteiligungs- und Verwaltungs-GmbH sowie p... regenerative Energiesysteme AG) als Mit-Gründungsgesellschafter wurden die p... R... (I und II) Windkraftanlagenbetriebsgesellschaften bürgerlichen Rechts zum Betrieb des vorgenannten Windparks gegründet. Die spätere Umwandlung der Gesellschaften in GmbH & Co. KGs war bereits in den Gesellschaftsverträgen vorgesehen. Der Beteiligungsprospekt, mit dem Anleger für den Windpark zunächst als Mitgesellschafter der Gesellschaften bürgerlichen Rechts gewonnen werden sollten, wurde von der p... Vertriebs-AG & Co. KG herausgegeben. Die Prospektherausgeberin war zugleich auf der Grundlage von Verträgen vom 08.02.1999 die Generalunternehmerin des zu errichtenden Windparks. Die p... R... (I und II) Windkraftanlagenbetriebsgesellschaften bürgerlichen Rechts schlossen am 29.08.1999 jeweils einen Vertrag über die Rechtsberatung mit der B...-A...-D... und Partner GbR, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, Steuerberater in K.... Die Verträge sahen die zivilrechtliche Beratung der Gesellschaften betreffend den Erwerb und den Betrieb der Windkraftanlagen, insbesondere zu Fragen von Gewährleistung, Gefahrenübergang und Allgemeine Geschäftsbedingungen bei Abschluss und Durchführung des dem Erwerb der WKA zu Grunde liegenden Generalunternehmervertrages gegen ein Pauschalhonorar vor. Mit der Klage verlangen die Klägerinnen die Rückzahlung des Pauschalhonorars.

Die Klägerinnen haben vorgetragen, sie seien die Rechtsnachfolgerinnen der p... R... Windkraftanlagenbetriebsgesellschaften bürgerlichen Rechts, die Beklagte zu 1) sei aus der B...-A...-D... und Partner GbR hervorgegangen und die Beklagten zu 2) bis 4) deren Gesellschafter (gewesen). Der Rechtsberatungsvertrag sei wegen eines Verstoßes gegen § 43 a IV BRAO nichtig, weil die Sozietät, aber auch einzelne der Mitglieder, für die p...-Gruppe tätig geworden seien. Der unzulässige Interessengegensatz folge daraus, dass die p...-Gruppe als Initiator der Windparks andere Interessen verfolge als die Anleger. Zudem seien die nach dem Vertrag vom 29.08.1999 geschuldeten Rechtsberatungsleistungen nicht erbracht worden.

Die Klägerinnen haben beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, an jede Klägerin 50.413,38 € nebst 5 Prozentpunkte über dem Basiszinsatz liegende Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben die fehlende Aktivlegitimation der Klägerinnen und zum Teil ihre fehlende Passivlegitimation beanstandet. Sie haben die Zahlung des Pauschalhonorars bestritten und darauf hingewiesen, dass ein Interessengegensatz nicht dargelegt sei.

Das Landgericht hat das Verfahren gegen den erstinstanzlich mitbeklagten J... D... zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt, weil gegen diesen Beklagten ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die gegen die weiteren Beklagten gerichtete Klage hat das Landgericht abgewiesen. Eine Nichtigkeit des Rechtsberatungsvertrages wegen eines Verstoßes gegen § 43a Abs. 4 BRAO sei nicht ausreichend dargelegt. Der pauschale Hinweis auf die unterschiedliche Interessenlage des Investors und des Initiators sei nicht geeignet, die Wahrnehmung widerstreitender Interessen auf beiden Seiten darzustellen, zumal die Klägerinnen nicht die Investoren, sondern Rechtsnachfolgerinnen der gegründeten Gesellschaften seien. Eine konkrete anwaltliche Tätigkeit unter Vertretung gegenläufiger Interessen sei nicht dargelegt. Zudem seien den am Abschluss des Rechtsberatungsvertrages Beteiligten die wechselseitigen Verflechtungen bekannt gewesen. Schließlich seien auch die Voraussetzungen eines Scheingeschäftes nicht dargetan.

Mit der Berufung verfolgen die Klägerinnen ihr erstinstanzliches Klageziel (s.o.) weiter. Sie behaupten, zumindest der Beklagte zu 2) habe auch gegen das Tätigkeitsverbot des § 45 Abs. 1 S. 4 BRAO verstoßen, was gleichfalls zur Nichtigkeit des Rechtsberatungsvertrages führe. Denn der Beklagte zu 2) sei nicht nur Gründungsgesellschafter und Aufsichtsratsvorsitzender der p...-Gruppe, sondern auch deren faktischer Geschäftsführer gewesen. Es habe eine umfassende Abhängigkeit zwischen der Beklagten zu 1) und der p...-Gruppe gegeben. Zu einer unabhängigen rechtlichen Beratung der Klägerinnen seien die Beklagten demzufolge nicht mehr in der Lage gewesen. Nach § 45 Abs. 3 BRAO sei es allen Beklagten verwehrt gewesen, die Klägerinnen rechtlich zu beraten.

Nach den dargelegten personellen und finanziellen Verflechtungen liege ein zu einer Nichtigkeit nach § 43a Abs. 4 BRAO führender Interessenkonflikt zwischen Initiator und Investor geradezu auf der Hand. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Anleger das ganz überwiegende Eigenkapital der Klägerinnen aufgebracht haben. Gemeinsame Interessen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer seien gerade bei Gewährleistungsfragen, die auch Gegenstand des Rechtsberatungsvertrages seien, nicht zu erkennen.

Ein konkreterer Vortrag zur Wahrnehmung widerstreitender Interessen im Rahmen der Tätigkeit der Beklagten sei nicht möglich, weil die Beklagten gegenüber den Klägerinnen keine Rechtsberatungsleistungen erbracht hätten. So seien die Generalunternehmerverträge, die ja wesentlicher Gegenstand der Rechtsberatungsverträge gewesen seien, bereits über ein Jahr vor den Rechtsberatungsverträgen abgeschlossen worden. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Rechtsberatungsverträge sei die gesamte Planung bereits abgeschlossen und der Beteiligungsprospekt fertig gestellt gewesen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten zu 1) und 2) bestreiten weiterhin die Passivlegitimation der Beklagten zu 1) nach dem zwischenzeitlich erfolgten Gesellschafterwechsel, verbunden mit einer Neugründung. Der Beklagte zu 4) bestreitet ebenfalls seine Passivlegitimation, weil er lediglich Gesellschafter der im März 2001 gegründeten B... & Partner GbR sei. Er bestreitet, dass eine Zahlung des Anwaltshonorars erfolgt sei.

Ein Verstoß gegen § 43a Abs. 4 BRAO sei noch immer nicht schlüssig dargelegt, da nicht vorgetragen sei, welcher Gesellschafter im konkreten Fall anwaltlich in Wahrnehmung widerstreitenden Interessen tätig geworden sei. Auch das Vorhandensein widerstreitender Interessen sei nicht schlüssig dargelegt. Es sei gerade nicht vorgetragen, dass es im Rahmen der Generalunternehmerverträge zu Streitigkeiten irgendwelcher Art zwischen den Vertragsparteien gekommen sei. Es bestehe kein natürlicher Interessengegensatz zwischen dem Investor und dem Initiator. Vielmehr sei es im gemeinsamen Interesse darum gegangen, die steuerrechtlich verwertbaren Verlustzuweisungen nach dem Erneuerbare Energiengesetz in voller Höhe zu realisieren; zusätzliche Steuerersparnisse sollten dadurch erzielt werden, dass ein möglichst großer Anteil der Investitionskosten (unter anderem die Rechtsberatungskosten) als so genannte "weiche Kosten" in Ansatz gebracht wurden. Die Verflechtung sei den Vertragsbeteiligten bekannt gewesen und gegenüber den potentiellen Anlegern im Prospekt offenbart worden.

Ein Tätigkeitsverbot nach § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO bestehe nicht, weil auch die Vorbefassung eine unabhängige Tätigkeit als Rechtsanwalt beziehungsweise Steuerberater gewesen sei und sich zudem nicht auf dieselbe Angelegenheit bezogen habe.

Die von den Beklagten erbrachten Beratungsleistungen zeigten sich bereits in dem Umstand des Baus und der Inbetriebnahme der Windkraftanlagen. Dabei sei jedoch nicht zwischen den vor und nach Vertragsschluss erbrachten Beratungsleistungen differenziert worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze mit den weiter zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerinnen hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Ein Anspruch der Klägerinnen gegen die Beklagten auf Rückzahlung des vertraglich vereinbarten Anwaltshonorars besteht auch dann nicht, wenn man entsprechend den vorgelegten Belegen unterstellt, dass die - vom Beklagten zu 4) bestrittene - Zahlung erfolgt ist.

1. Ein Anspruch auf Rückzahlung des Honorars ergibt sich nicht aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Die (unterstellte) Zahlung des Honorars erfolgte nicht ohne Rechtsgrund. Auch wenn man weiter unterstellt, dass die früheren Windkraftanlagenbetriebsgesellschaften bürgerlichen Rechts ebenso Rechtsvorgängerinnen der Klägerinnen waren, wie die Beklagte zu 1) Rechtsnachfolgerin auf Seiten der Vertragspartnerin des jeweiligen Rechtsberatungsvertrags (ein nahtloser, nachvollziehbarer Nachweis der Rechtsnachfolge auf beiden Seiten liegt bislang nicht vor), sind die von den Windkraftanlagenbetriebsgesellschaften bürgerlichen Rechts mit der damaligen B...-A...-D... und Partner GbR geschlossenen Rechtsberatungsverträge nicht nichtig.

a) Eine Nichtigkeit der Rechtsberatungsverträge ergibt sich nicht aus § 134 BGB i.V.m. § 43a Abs. 4 BRAO. Zu Recht sah das Landgericht einen konkreten Interessengegensatz nicht als ausreichend dargelegt an.

Auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens in der Berufungsinstanz ist für den maßgeblichen Zeitpunkt bei Abschluss der Rechtsberatungsverträge eine konkrete Interessenkollision nicht erkennbar. Denn bis zu dem erst nach Fertigstellung der Windparks (damit war der Rechtsberatungsvertrag gegen Pauschalhonorar abgewickelt) erfolgten Eintritt des neuen Komplementärs waren die Klägerinnen beziehungsweise ihre Rechtsvorgängerinnen ebenso wie die weiteren Unternehmen, auf die insbesondere der Beklagte zu 2) maßgeblichen Einfluss hatte (p... AG und p... Vertriebs AG & Co. KG), Teil der p...-Gruppe. Diese Gruppe verfolgte unabhängig von der gesellschaftsrechtlichen Gestaltung das einheitliche Interesse, Windparks zu errichten, zu betreiben, hierfür Anleger zu gewinnen und dabei unter Ausnutzung der gegebenen steuerrechtlichen und Subventions-Möglichkeiten eine möglichst hohe Rendite zu erwirtschaften (instruktiv in diesem Zusammenhang die Behandlung der von der - nach Klägervortrag - Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1) bei der p...-Gruppe erzielten Honorareinnahmen im Rahmen des Ausscheidens des früheren Sozietätspartners Rechtsanwalt Ba..., vgl. S. 22 des Notarvertrags vom 06.06.2000 - K41).

Bei diesem einheitlichen Ziel, insbesondere vor dem Hintergrund der damals insbesondere auch nach Klägervortrag einheitlichen Leitung, ergibt sich kein zwangsläufiger Interessengegensatz zwischen den Vertragsparteien des Generalunternehmervertrags. Der von Klägerseite in diesem Zusammenhang genannte Interessengegensatz zwischen den Initiatoren der Windparks und den Anlegern (Investoren) mag zwar bestehen. Er kennzeichnet jedoch nicht das Verhältnis der Klägerinnen zu den weiteren Unternehmen der p...-Gruppe. Die Klägerinnen und ihre Rechtsvorgängerinnen sind keine Anleger, sondern Betriebsgesellschaften in einem einheitlichen Windparkkonzept. Anleger sind lediglich die den Klägerinnen beigetretenen Kommanditisten. Diese waren jedoch weder Vertragspartner des Rechtsberatungsvertrages, noch haben sie unmittelbar eine ggfls. kondizierbare Leistung an die Beklagte zu 1) - bzw. eine Rechtsvorgängerin - erbracht.

Es kann damit dahinstehen, dass die Klägerinnen nicht konkret darlegen können, bei welcher Gelegenheit sich ein Interessengegensatz zwischen ihren Rechtsvorgängerinnen und weiteren Unternehmen der p...-Gruppe gezeigt hat, beziehungsweise bei welcher Gelegenheit die Beklagten eine ordnungsgemäße Beratung (etwa in Gewährleistungsfragen) mit Rücksicht auf einen bestehenden Interessengegensatz unterlassen haben. In Gewährleistungsfragen war zudem ein konkreter Interessengegensatz nicht zu erwarten, da die vor den Rechtsberatungsverträgen bereits abgeschlossenen Generalunternehmerverträge einen umfassenden Gewährleistungs- und Haftungsausschluss verbunden mit einer Abtretung der dahingehenden Rechte gegen den Lieferanten der Windkraftanlage vorgesehen haben.

b) Eine Nichtigkeit der Rechtsberatungsverträge ergibt sich weiter nicht aus § 134 BGB i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO.

Nach der letztgenannten Bestimmung darf ein Rechtsanwalt nicht tätig werden, wenn er in derselben Angelegenheit außerhalb seiner Anwaltstätigkeit oder einer sonstigen Tätigkeit im Sinne des § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO bereits beruflich tätig war; dies gilt nicht, wenn die berufliche Tätigkeit beendet ist.

Die Voraussetzungen dieses Tätigkeitsverbots liegen nicht vor. Dies ergibt sich allerdings nicht bereits daraus, dass der Beklagte zu 2) als derjenige, der nach dem Vortrag der Klägerinnen in maßgeblichem Umfang (zumindest faktisch) für die p...-Unternehmen tätig war, kein Rechtsanwalt ist. Denn gemäß § 45 Abs. 3 BRAO erstreckt sich das Tätigkeitsverbot auch auf Sozietäten und erstreckt sich auch auf Vortätigkeiten, die ein nicht als Anwalt zugelassenes Mitglied einer Anwalts- und (hier) Steuerberatersozietät ausgeübt hat.

Bei der Anwendung des § 45 BRAO ist jedoch in verfassungskonformer Auslegung dem Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) Rechnung zu tragen. Demnach reicht nicht jede nicht-anwaltliche Vortätigkeit für die Annahme eines Tätigkeitsverbots aus. Vielmehr ist nach dem Sinn und Zweck der die Berufsfreiheit einschränkenden Regelung ein Tätigkeitsverbot erst dann gerechtfertigt, wenn die Gefahr besteht, dass Weisungen und Richtlinien des Vertragspartners, denen der Anwalt in seinem Zweitberuf unterworfen ist, in die anwaltliche Tätigkeit hineinwirken und mit der anwaltlichen Unabhängigkeit und Bindungsfreiheit kollidieren. Bei einer selbständigen Ausübung eines Zweitberufes ist demnach stets zu prüfen, ob der Anwalt in seinem Zweitberuf rechtlich und tatsächlich einer richtungsgebenden Einflussnahme unterliegt (vgl. hierzu BVerfG NJW 2002, 503; Henssler/Prütting-Eylmann, 2. Aufl., § 45 BRAO Rn. 34).

Dies ist hier nicht nachgewiesen. Zwar mag es sein, dass der Beklagte zu 2) als Initiator, Gründungsmitglied, Aufsichtsratsvorsitzender und - nach dem Vortrag der Klägerinnen - als faktischer Geschäftsführer in erheblichem Umfang für die p...-Gruppe tätig war. Es ist jedoch nicht erkennbar, wie diese selbständigen, nicht Weisungen unterworfenen Tätigkeiten in die anwaltliche Tätigkeit der Beklagten - bei dem bereits dargestellten gleichgerichteten Interesse - hineingewirkt haben sollen. Dabei ist eine Weisungsunterworfenheit der bei der Beklagten zu 1) angestellten Rechtsanwälte gegenüber dem Beklagten zu 2) nicht ausreichend, da auch insoweit die Sozietät als Einheit anzusehen ist (§ 45 Abs. 3 BRAO).

Die weitere Voraussetzung eines Tätigkeitsverbots nach § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO, dass die Vortätigkeit des Beklagten zu 2) und die anwaltliche Beratung in derselben Angelegenheit erfolgten, ist gleichfalls nicht erfüllt. Allein die Tätigkeit im gleichen Geschäftsbereich reicht nicht aus, um eine Tätigkeit in derselben Angelegenheit annehmen zu können. Vielmehr ist ebenso wie bei § 43a BRAO auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Inhalts der vertretenen Interessen zu ermitteln, ob im konkreten Einzelfall eine Interessenkollision in Betracht kommt (vgl. Henssler/Prütting-Eylmann, 2. Aufl., § 45 BRAO Rn. 14). Dabei darf die Vortätigkeit noch nicht beendet sein. Dies bedeutet, dass bei einer Vortätigkeit als Aufsichtsratsmitglied oder - im Fall des Beklagten zu 2) - als Aufsichtsratsvorsitzender der Aufsichtsrat seinen Beschluss in der jeweiligen Angelegenheit noch nicht gefasst haben darf, denn nach der Beschlussfassung ist die jeweilige Vortätigkeit beendet (vgl. Müller NZG 2002, 799).

Ein nach diesen Maßstäben noch zu berücksichtigender konkreter, im Zeitpunkt der Anwaltstätigkeit aktueller Interessengegensatz ist nicht erkennbar.

c) Die Rechtsberatungsverträge sind nicht als Scheingeschäft (§ 117 Abs. 1 BGB) nichtig. Nachvollziehbar weisen die Beklagten darauf hin, dass die Windparks tatsächlich auf der Grundlage der rechtlichen Gestaltung der Rechtsvorgängerin (unterstellt) der Beklagten zu 1) errichtet und Anleger hierfür gewonnen wurden. Dabei ist es möglich (jedenfalls durch § 3 BRAGO nicht ausgeschlossen), dass das in den Rechtsberatungsverträgen vereinbarte Pauschalhonorar jedenfalls zum Teil auch ein Entgelt für im Zeitpunkt der Vereinbarung bereits erbrachten Leistungen darstellt.

Abgesehen davon könnten die Klägerinnen das gezahlte Honorar auch dann nicht zurückfordern, wenn die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1) zur Erfüllung des Rechtsberatungsvertrags gegenüber den Rechtsvorgängerinnen der Klägerinnen keine oder jedenfalls keine das Honorar in der gezahlten Höhe rechtfertigende Leistung erbracht hätte. Denn selbst dann, wenn das vereinbarte Pauschalhonorar lediglich eine unter steuerlichen Aspekten (sofortige Absetzbarkeit "weicher Kosten") verschleierte Provisionszahlung an die Beklagte zu 1) als Teil der p...-Gruppe darstellte, steht einer Rückforderung § 814 BGB entgegen. Nach dieser Bestimmung kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Folgt man dem Vortrag der Klägerinnen, wären diese Voraussetzungen eines Anspruchsausschlusses gegeben. Für die Klägerinnen handelte bis zum Eintritt der jetzigen Komplementärin der jeweilige Vorstand der allein geschäftsführenden p... regenerative Energiesysteme AG. Sollte entsprechend dem Vortrag der Klägerinnen keine dem vereinbarten und gezahlten Pauschalhonorar entsprechende anwaltliche Leistung verlangt und erbracht worden sein, so war dies der damaligen Geschäftsführerin der Klägerinnen als Teil der p...-Gruppe und damit auch den Klägerinnen (§ 166 Abs. 1 BGB) bekannt. Das Pauschalhonorar wäre damit in Kenntnis des Nichtbestehens der Verbindlichkeit vereinbart und gezahlt worden. Einer Täuschung der künftigen Anleger der Betriebsgesellschaft steht bereits entgegen, dass diesen gegenüber im Beteiligungsprospekt die Zahlung des Pauschalhonorars offen gelegt wurde. Unstreitig wurden weiter die für die Errichtung des Windparks erforderlichen Rechtsberatungsleistungen erbracht. Es ist damit schon sehr zweifelhaft, ob überhaupt eine Irreführung der künftigen Anleger hinsichtlich der Rechtsberatungsleistungen in Betracht kommt. Jedenfalls wirkt sich dies auf das Vertragsverhältnis der Parteien dieses Rechtstreits, die alle nicht Prospektherausgeber sind, nicht aus.

2. Die von den Klägerinnen angedeuteten Schadensersatzansprüche gegenüber den Beklagten bestehen nicht. Abgesehen davon, dass eine Hemmung des Laufs der Verjährungsfrist (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) nur für den mit der Klage geltend gemachten Bereicherungsanspruch eintrat, steht der angesprochene Schadensersatzanspruch nach §§ 823 Abs. 2 BGB, 264a StGB allenfalls den Kommanditisten der Klägerinnen als Anleger, nicht aber den Klägerinnen selbst als damals zur p...-Gruppe gehörenden Betriebsgesellschaften zu.

Der Schriftsatz der Klägerseite vom 16. November 2006 gibt dem Senat keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (§ 156 ZPO).

III.

Die Kosten- und Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Die Entscheidung betrifft einen besonders gelagerten Sachverhalt. Soweit ersichtlich sind die Rechtsfragen des Falls durch das Bundesverfassungsgericht, den Bundesgerichtshof und Obergerichte nicht abweichend von der Rechtsanwendung des Senats entschieden.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 100.827,-- €.

Ende der Entscheidung

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