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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 09.01.2002
Aktenzeichen: 1 U 860/99
Rechtsgebiete: BGB, BeurkG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 462
BGB § 459
BGB § 138
BGB § 463
BGB § 463 S. 1
BGB § 434
BGB § 459 Abs. 1
BGB § 242
BeurkG § 17
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 108
1. Der Gewährleistungsaussschluß in einem notariellen Kaufvertrag ist auch dann wirksam, wenn das verkaufte etwa 100 Jahre alte Fachwerkhaus kurze Zeit später - nicht vorhersehbar - aufgrund baupolizeilicher Anweisung abgerissen werden muß.

2. Der Verkäufer sichert im Regelfall durch die Mitteilung von bestehenden Mietverträgen nicht dauerhafte Einkünfte / Mieteinnahmen für die Zukunft zu.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 1 U 860/99

Verkündet am 9. Januar 2002

in dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes nach Hauskauf.

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Krämer, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Giese und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Itzel auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 21. April 1999 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 18.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten können auch durch schriftliche, unbeschränkte, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaften einer Bank oder Sparkasse mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland erbracht werden.

Tatbestand:

Nach dem Kauf eines etwa 100-jährigen in Fachwerkkonstruktion errichteten Hauses nimmt die Klägerin die Beklagte als Verkäuferin aus dem Gesichtspunkt der Mängelhaftung auf Schadensersatz, in der Berufungsinstanz hilfsweise auf Minderung, in Anspruch. Das mit notariellem Kaufvertrag vom 27. Januar 1997 nebst Grundstücken von 3,76 ar für 190.000 DM erworbene Haus, in dessen Erdgeschoss die Klägerin schon zuvor ein Ladengeschäft betrieb und in dessen erster Etage sich Mietwohnungen befanden, wurde aufgrund einer baupolizeilichen Verfügung der Ortsgemeinde N vom 25. August 1998 unterdessen wegen Einsturzgefährdung abgerissen. Zu dieser Maßnahme kam es, nachdem zunächst der Ehemann der Klägerin innerhalb des Hauses zu Renovierungszwecken Entkernungen vorgenommen und dabei die Einsturzgefährdung festgestellt hatte. Im Einzelnen wurden diese Bedenken (Fachwerkbalken, Holz- und Dachkonstruktion, Standsicherheit) in einem selbständigen Beweisverfahren (LG Koblenz 3 OH 6/97 - Gutachten F vom 15. Mai 1998) und weiteren von Amts wegen eingeholten Gutachten der Sachverständigen B vom 19. Juni 1998 und des Instituts für Umweltmanagement, Qualitätssicherung und Bauwesen (IBAT) vom 21. April 1998 bestätigt.

Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Frage, wer das Risiko der Abrissbedürftigkeit und damit des Untergangs des Hauses zu tragen hat.

Die Klägerin hat zunächst (S. 10 der Klageschrift) der Beklagten Arglist unterstellt und ihr jedenfalls vorgehalten, dass sie ihre Offenbarungspflicht hinsichtlich der Nichtprüfung der Bausubstanz verletzt habe. Nachdem die Beklagte das Haus geerbt habe, hätte sie sich, so meint die Klägerin, um den inneren und äußeren Zustand des Fachwerkbaues hinreichend kümmern und ihrer Verkehrssicherungspflicht nachkommen müssen. Wäre sie dem nachgekommen, hätte sie die massive Einsturzgefahr des Hauses bemerken müssen. Unter diesen Umständen könne sie sich auf den vertraglichen Gewährleistungsausschluss nicht mit Erfolg berufen. Außerdem hafte die Beklagte auf Schadensersatz wegen Zusicherung einer Eigenschaft, weil die im Kaufvertrag festgehaltene Vermietbarkeit durch den Abriss entfallen sei. Unter Abzug des Wertes für den Grund und Boden stehe ihr daher ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 152.400 DM des Kaufpreises zu.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 152.400 DM nebst 4 % Zinsen seit 1. April 1997 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist den Unterstellungen hinsichtlich ihres Wissens über den wahren Zustand des Hauses entgegengetreten und hat vorgetragen, sie habe von den Mängeln des Hauses weder Kenntnis gehabt noch solche haben können. Die von ihrem Vater bis zu dessen Tod 1986 vorgenommenen Umbauten seien genehmigt gewesen und ordnungsgemäß durchgeführt worden; Anhaltspunkte für Einsturzgefahren seien damals und auch später nicht zutage getreten.

Der Gewährleistungsausschluss des Kaufvertrages sei im Übrigen eindeutig, indem es dort heiße, dass der Klägerin der Grundbesitz "in dem Zustand, in dem er sich zurzeit befindet, ohne Gewähr für Größe und Beschaffenheit ..." übertragen werde.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil weder die Klägerin ein arglistiges Verhalten der Beklagten dargetan habe (§ 463 S. 2 BGB) noch die Zusicherung einer Eigenschaft in der Kaufvertragsklausel, welche auf die bislang erzielten Mieteinnahmen Bezug nehme, gesehen werden könne (§ 463 S. 1 BGB).

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vom Arglistvorwurf abrückt und hilfsweise zum Schadenersatzbegehren eine entsprechend gleich hohe Minderung des Kaufpreises verlangt.

Die Klägerin beantragt,

Das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 152.400 DM nebst 4 % Jahreszinsen seit 1. April 1997 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

Die Berufung zurückzuweisen.

Indem auch sie ihr erstinstanzliches Vorbringen bekräftigt, hebt sie hervor, mit dem vertraglich festgelegten Gewährleistungsausschluss habe sie im Einverständnis mit der Klägerin ohne jede Einschränkung von Haftung frei werden wollen und die gesamte Gefahr der Klägerin übertragen. Zudem wiederhole sie den Hinweis auf das unfachmännische Vorgehen des Ehemannes der Klägerin bei dem Versuch der Entkernung, wobei dadurch erstmals der mangelhafte Zustand der tragenden Konstruktion des Hauses entdeckt worden sei.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil, die Schriftsätze der Parteien und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

Das Landgericht hat die Schadensersatzklage zu Recht abgewiesen. Denn dem verkauften Hausgrundstück fehlte zur Zeit des Verkaufes am 27. Januar 1997 weder eine zugesicherte Eigenschaft, noch hat die Beklagte der Klägerin offenbarungspflichtwidrig oder gar arglistig die Einsturzgefährdung des Fachwerkhauses - und damit die Gefahr einer Abrissverfügung verschwiegen (§ 463 S. 1 und 2 BGB). Auch das Berufungsvorbringen ändert hieran nichts. Ebenso wenig steht der Klägerin der mit dem Rechtsmittel hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Herabsetzung des Kaufpreises (Minderung) gemäß §§ 462, 459 BGB zu.

Der Gewährleistungsausschluss in Ziffer V des notariellen Kaufvertrages erfasst, auch wenn er nur die übliche formelhafte Freistellungsklausel beinhaltet und die Parteien auch mangels zusätzlicher Belehrung des Notars nicht von einer abrissgebietenden Einsturzgefahr des Hauses ausgegangen sind, auch den eingetretenen Totalverlust. Diese vertraglich fixierte Risikoverteilung bei einem wohlgemerkt fast 100-jährigen Haus widerspricht auch nicht den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) oder der einschlägigen jüngsten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Da die Beklagte, wie die Klägerin in der Berufungsinstanz ausdrücklich eingeräumt hat, auch nicht arglistig handelte, weil sie über den Bauzustand des Hauses im Zeitpunkt des Kaufvertrages selbst nicht Bescheid wusste, bestehen zudem weder Anhaltspunkte für eine auf Wucher nach § 138 BGB zu gründende Sittenwidrigkeit des Vertrages noch für eine Vergleichbarkeit mit der von der Klägerin zitierten Entscheidung des OLG Hamm in 22 U 5/97.

Der Senat sieht auch keinen Anlass für die beantragte Parteivernehmung (§§ 445, 447, 448 ZPO) oder eine andere Beweisanordnung.

II.

Im Einzelnen führt die Berufung aus folgenden Gründen nicht zum Erfolg:

1.

Das verkaufte Hausgrundstück ist nicht mit Rechts- oder Sachmängeln behaftet, aus welchen die Klägerin ihr Begehren auf teilweise Kaufpreisrückzahlung herleiten könnte. Zwar ist der Klägerin seit dem mit Verfügung vom 14. August 1998 behördlich gebotenen Abriss des Hauses von der gekauften Immobilie nur noch der Grund und Boden verblieben, weil - entgegen den Erwartungen der Vertragsparteien - die Beschaffenheit des Gebäudes seinen Bestand nicht zuließ. Hierbei mag zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass die Abrissbedürftigkeit schon im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorhanden und nicht etwa durch die Sanierungseingriffe des Ehemannes der Klägerin hervorgerufen worden war. Ebenso ist der Berufung zuzugeben, dass die verkaufte Immobilie eben durch den abrissbedingten Nutzungsausschluss quasi öffentlich-rechtlich belastet oder jedenfalls mit einem Fehler versehen ist, der den Wert oder die Tauglichkeit zu dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch - Selbstnutzung und Weitervermietung - aufgehoben hat (§ 459 Abs. 1 S. 1 BGB). Gleichwohl gewährt diese Situation der Klägerin, unabhängig von der Wirksamkeit des Gewährleistungsausschlusses, keine Anspruchsgrundlage für Schadensersatz oder Kaufpreisminderung.

a)

Ein anstelle der Wandlung oder Minderung tretender Schadensersatzanspruch nach § 463 BGB setzt voraus, dass - von der hier nicht gegebenen und von der Klägerin auch nicht mehr behaupteten Arglist (§ 463 S. 2 BGB) abgesehen - dem verkauften Grundstück zur Zeit des Kaufes eine zugesicherte Eigenschaft fehlte. Das war nicht der Fall, so dass es auf die weiteren Voraussetzungen nach § 462 BGB insoweit nicht ankommt.

Nach allgemeiner Meinung ist unter "Eigenschaft" jedes der Kaufsache auf gewisse Dauer anhaftende Merkmal zu verstehen, welches für deren Wert, ihren vertraglich vorausgesetzten Gebrauch oder aus sonstigen Gründen für den Käufer erheblich ist. Nun mögen zwar die Vertragsparteien und selbstverständlich besonders die Klägerin, die bereits Mieterin eines Ladenlokals gewesen war, angenommen haben, dass auch in Zukunft aus dem Haus Renditen in Form von Mietzins fließen würden. Auch ist anerkannt, dass in einem Kaufvertrag enthaltene und ausdrücklich zum Gegenstand der Vereinbarungen gemachte Angaben über tatsächlich erzielte Mieterträge - im vorliegenden Fall in Abschnitt V des Kaufvertrages - als Zusicherung einer Eigenschaft zu verstehen sind, wenn der Käufer nicht aufgrund besonderer Umstände andere Vorstellungen über den Wert des Kaufgrundstückes hegt, als sie nach der Verkehrsanschauung bei solchen Objekten mit dem zugesicherten Mietertrag verbunden sind, sofern sich die Zusicherung nicht nur darauf erstreckt, dass die im Einzelnen aufgeführten Beträge im Zeitpunkt des Gefahrüberganges tatsächlich gezahlt werden, sondern ihrem objektiven Erklärungswert nach auch darauf, dass die Mieten erzielt werden dürfen (BGH NJW-RR 1990, 1161 m.w.N.). Eine solche Zusicherung bedeutet aber nichts für die Zukunft. Sie besagt lediglich etwas über die Rechtslage, d.h. die Vermietbarkeit und Mietzinserzielbarkeit, im Zeitpunkt des Gefahrüberganges, also über die baurechtliche Zulässigkeit der Vermietung im Zeitpunkt des Kaufes. Nur wenn diese fehlt (so der vorgenannte Fall des BGH), können nach § 463 S. 1 BGB Schadensersatzansprüche ausgelöst werden.

Der Streitfall liegt indes anders. Hier nämlich war zweifelsfrei bei Gefahrübergang die Vermietung des Erdgeschosses und der Wohnungen im ersten Stock des Fachwerkhauses baurechtlich zulässig. Der Wegfall der Vermietbarkeit trat erst mit dem öffentlich-rechtlichen Nutzungsverbot ein. Er war für keinen der Beteiligten vorhersehbar. Die Eigenschaft des Fortbestandes der beim Kauf bestehenden Mietverhältnisse konnte und wollte die Beklagte nicht für die Zukunft, jedenfalls nicht unter Ausschluss des eingetretenen Abrissfalles zusichern. Das Nichteinschreiten der Behörde vor dem Erwerbsfall gibt dem Erwerber auch grundsätzlich nicht die Sicherheit, er werde ohne Schwierigkeiten das Gebäude wie beabsichtigt ungestört zu Wohn- (bzw. Vermietungs)zwecken nutzen können (BGH NJW 1979, 2243).

b)

Die Abrissverfügung und das vorangegangene Nutzungsverbot stellen auch keinen Rechtsmangel im Sinne von § 434 BGB dar. Nach ganz überwiegender Meinung begründen öffentlich-rechtliche Eingriffsbefugnisse allenfalls einen Sachmangel, wenn sie letztlich in der zum Beispiel einsturzgefährlichen Beschaffenheit eines Gebäudes ihren Grund haben (Staudinger-Köhler, BGB, 13. Bearbeitung 1995, Rn.27 zu § 434 m.w.N.). Das Fehlen der Bebaubarkeit eines Grundstücks wird im Allgemeinen als Sachmangel angesehen, weil es letztlich ihren Grund in der Lage und damit Beschaffenheit des Grundstücks habe (BGH WM 1986, 1189 und NJW 1979, 2200, 2201 sowie Staudinger-Köhler a.a.O., Rn. 23). Ebenfalls als Sach- und nicht als Rechtsmangel sieht die herrschende Meinung den Fall, dass ein Hauskäufer einer behördlichen Abrissverfügung ausgesetzt ist, weil das Haus materiell baurechtswidrig erstellt war (BGH WM 1985, 230, 231 und weitere Nachweise bei Staudinger-Köhler a.a.O.; a.A. Soergel-Huber, BGB, Schuldrecht II Stand: Frühjahr 1999, Rn. 60 zu § 434) Dem dürfte auch die vorliegende Konstellation der Abrissbedürftigkeit eines Hauses gleichkommen.

Der Bundesgerichtshof hat sich zu dieser Problematik nochmals im Urteil vom 13. Oktober 2000 (NJW 2001, 65) eindeutig dahin geäußert, dass für die Unterscheidung, ob ein Rechts- oder ein Sachmangel im Sinne des § 459 BGB vorliege, die Frage ausschlaggebend sei, ob der zu beurteilende Mangel aus der Beschaffenheit der Sache erwachse (Sachmangel). Letzteres sei bei öffentlich-rechtlichen Beschränkungen, die auf bauordnungs- oder planungsrechtlichen Bestimmungen beruhten, der Fall, weil dann die Beschränkung, der die Nutzung der Mobilie unterliege, regelmäßig an die Lage der Sache, also an ihre Beziehung zur Umwelt, anknüpfe.

Gemessen an diesen Grundsätzen kann daher auch vorliegend die vollständige Unbenutzbarkeit des Kaufobjektes, der sich die Klägerin unvorhergesehen einige Monate nach dem Kauf ausgesetzt sah, zwar nicht als Rechts- aber als Sachmangel nach § 459 Abs. 1 BGB angesehen werden.

2.

Die Annahme eines Sachmangels hilft der Klägerin aber nicht weiter. Denn die für diesen Fall vorgesehenen gesetzlichen Rechtsfolgen des Entstehens von Gewährleistungsansprüchen in Form der Wandlungs- und Minderungsrechte nach § 462 BGB haben die Parteien rechtswirksam mit dem Satz ausgeschlossen, der Grundbesitz werde "in dem Zustand, in dem er sich zurzeit befindet, ohne Gewähr für Größe und Beschaffenheit, frei von nicht übernommenen Belastungen und Beschränkungen" übertragen (Ziffer V des Kaufvertrages i.V.m. § 476 BGB).

a)

Die Absprache über eine Haftungsfreizeichnung bei Kaufgegenständen unterliegt grundsätzlich keinen Schranken. Sie ist nur dann unwirksam, wenn der Verkäufer einen Mangel arglistig verschwiegen hat (§§ 443, 476 BGB) oder die Ausschlussklausel gegen Bestimmungen des AGB verstößt. Insoweit bestehen vorliegend keine Bedenken.

Es sind auch keine Anzeichen dafür erkennbar, dass der vertraglich vereinbarte Haftungsausschluss, etwa weil die Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung zu Lasten der Erwerberin erheblich gestört sein könnte, gegen die guten Sitten verstoße und deshalb nichtig sei (§ 138 BGB). Denn auch für das Leistungsverhältnis ist allein auf den Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses abzustellen. Zwar streiten die Parteien - nunmehr - darüber, was sie sich jeweils unter dem Gewährausschluss vorgestellt haben. Unstreitig ist aber, dass sie den Kaufpreis von 190.000 DM für verkehrswertangemessen hielten. Ob dies der objektiven Marktlage entsprach, bedarf keiner Sachverständigenklärung. Denn jedenfalls bietet der Preis von 190.000 DM bei einem erworbenen Grundbesitz von 376 qm und bei Kaufvertragsabschluss erzielbaren Wohnungskaltmieten von 650 DM und 450 DM monatlich keinen Hinweis dafür, dass die Klägerin im Sinne einer Sittenwidrigkeit übervorteilt worden sein könnte; dafür besteht zudem umso weniger Anlass, als das Haus selbst unstreitig nahezu 100 Jahre alt war, abgesehen davon, dass es - wie die Klägerin an anderer Stelle ihres Vertrages zugesteht - an einem entsprechenden dolus der Beklagten ohnehin fehlt.

b)

Es bleibt also nur die Frage, welchen Umfang der Gewährleistungsausschluss hatte, d.h. welche nicht vorhergesehenen, aber denkbaren Risikofälle er umfasste.

Der Umfang der Freizeichnung ist stets im Wege der Auslegung zu ermitteln. Dafür besteht umso mehr Bedarf, je formelhafter die vom Notar im Kaufvertrag verwandten Haftungsausschlussklauseln sind, wie sie beispielsweise mitunter in den Worten "wie besichtigt" oder - wie im vorliegenden Fall - mit der Umschreibung: "Grundbesitz in dem Zustand, in dem er sich zur Zeit befindet", sich ausdrücken (vgl. Grunewald in Erman, BGB, 10. Aufl. 2000, Rn. 71 und 72 sowie Westermann in Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1995, Rn. 8 mit Rechtsprechungshinweisen). Überdies ist bei Grundstücks- bzw. Immobilienverkäufen im Rahmen der Auslegung zu unterscheiden, ob es sich bei der Kaufsache um ein neu errichtetes, im Bau befindliches oder noch zu errichtendes Bauwerk handelt oder etwa - wie hier - um ein altes Haus. Denn die Erkenntnis über den Umfang und die Tragweite einer Freizeichnung wird freilich sowohl auf Seiten des Verkäufers wie auch des Käufers weitgehend davon bestimmt sein, mit welchen Sicherheiten oder Unwägbarkeiten er hinsichtlich der Bausubstanz und seiner Nutzung in Zukunft rechnen muss. Bei der ersteren Gruppe - Veräußerungsverträge über neue oder neu zu errichtende Häuser - ist es sach- und interessengerecht, den Haftungsausschluss zugunsten des Erwerbers einschränkender auszulegen oder seine Wirksamkeit bei Verwendung formelhafter Ausdrücke von zusätzlichen Belehrungen des Notars abhängig zu machen. Der Käufer soll durch formelhafte oder aus Formularverträgen entnommene Klauseln, die den Anschein der Vollständigkeit und Ausgewogenheit verbreitet, nicht "überrumpelt" werden (so BGH WM 1989, 1537, 1540 = NJW 1989, 2748, 2749).

Auf diese restriktive erwerberschützende Rechtsprechung, die letztlich von dem Belehrungsumfang des § 17 Beurkundungsgesetz geprägt ist, kann sich aber ein Käufer nicht mit Erfolg berufen, der, wie die Klägerin, sehenden Auges ein nahezu 100-jähriges Mietshaus zu einem, jedenfalls auch für einen Laien, verhältnismäßig günstig erscheinenden Preis erwirbt. Bei lebensnaher Betrachtungsweise darf man in diesen Fällen sicherlich davon ausgehen, dass ein Erwerber das Risiko, welches mit dem Haftungsausschluss verbunden ist, zumeist bewusst in Kauf nimmt, weil ihm der Veräußerer dafür im Verhandlungswege bei der Höhe des Entgelts entgegengekommen ist. Andererseits ist aus der Sicht des Verkäufers zu sehen, dass gerade bei einem derart alten Fachwerkhaus der Haftungsausschluss ebenso ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft ist wie etwa beim Verkauf eines gebrauchten Wagens (Reinicke-Tiedtke, Kaufrecht, 6. Aufl. 1997, Rn. 344 und 345). Der Bundesgerichtshof hat daher auch in ähnlich gelagerten Fällen wie dem vorliegenden, nämlich dem nicht vorhergesehenen Totalverlust eines Hauses durch öffentlich-rechtliche Verfügung (Abbruchanordnung eines Jagdhauses, das nicht als Wochenendhaus genehmigt war, vgl. WM 1986, 1189, 1190) den auch diese Situation umfassenden Gewährleistungsausschluss selbst unter dem Gesichtspunkt des § 242 BGB für wirksam erachtet (a.A. Tiedtke a.a.O.).

Der Senat sieht die Dinge nicht anders. Die Beklagte hat sich mit der vom Notar im Kaufvertrag gewählten Ausschlussformulierung "Zustand", in dem sich das Haus "zur Zeit befindet", wirksam auch für den Abrissfall von einer Sachmängelhaftung freigezeichnet. Ihr ist daher, ohne dass es auf die Vernehmung der Parteien ankäme, in dem von ihr zitierten allgemeinen schon im römischen Recht verankerten Rechtssatz zuzustimmen, wonach regelmäßig der Käufer mit allen denkbaren Risiken vom Zeitpunkt des Gefahrüberganges an belastet ist (auch "wenn sich die Erde auftut und das Haus verschwindet ...").

III.

Der Klägerin stehen nach alledem, auch wenn sie ihr Eigentum durch den Hausabriss nicht vertragsgemäß nutzen kann, gegen die Beklagte weder Schadensersatz- noch Kaufpreisminderungsansprüche zu. Das angefochtene Urteil ist somit richtig, die Berufung infolgedessen zurückzuweisen.

Die Entscheidungen über die Kosten, die Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis durch Sicherheitsleistung beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Der Wert des Berufungsgegenstandes wird auf 152.400 DM festgesetzt; in gleicher Höhe ist die Klägerin beschwert.

Ende der Entscheidung

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