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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 05.12.2001
Aktenzeichen: 1 U 901/01
Rechtsgebiete: BauGB, BGB, ZPO


Vorschriften:

BauGB § 34
BauGB § 14
BauGB § 15
BauGB § 29
BauGB § 2 Abs. 1
BGB § 839
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 108
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 1 U 901/01

Verkündet am 5. Dezember 2001

in dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes aufgrund Amtspflichtverletzung.

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Krämer, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Giese und die Richterin am Oberlandesgericht Semmelrogge

auf die mündliche Verhandlung vom 24. Oktober 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 17. Mai 2001 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten können auch durch schriftliche, unbefristete, selbstschuldnerische und unwiderrufliche Bürgschaft einer Bank oder Sparkasse mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin, eine Bauträgergesellschaft, nimmt die beklagte Ortsgemeinde aus den Gesichtspunkten einer Amtspflichtverletzung bzw. einen enteignungsgleichen Eingriffs auf Schadensersatz in Anspruch im Wesentlichen mit der Begründung, durch zwei rechtswidrige Veränderungssperren habe die Beklagte dafür gesorgt, dass sich die Verwirklichung eines schließlich reduzierten Bauvorhabens "S.......... Hof" um mindestens 12 Monate verzögert habe. Dadurch sei ihr, der Klägerin, ein Zinsschaden von rd. 137.000 DM entstanden (Bestätigung des Kreditinstituts, Bl. 52 GA, Kontoauszüge Bl. 241 f GA und Anlage K 15).

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 136.976,65 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist dem Sach- und Rechtsvortrag der Klägerin u.a. unter Hinweis auf die bereits am 14. Dezember 1998 beschlossene Aufstellung eines Bebauungsplanes und die darin zur Schaffung eines attraktiven Ortsmittelpunktes unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes festgelegten Bau- und Geschossgrenzen entgegengetreten und hat insbesondere bestritten, dass die (ursprünglich) von der Klägerin beantragten Hausbauten bei Berücksichtigung der vorhandenen Bebauung nach § 34 BauGB genehmigungsfähig gewesen wären.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (Bl. 183 f GA) und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, es fehle sowohl an der Rechtswidrigkeit der Veränderungssperren oder einer sonstigen Amtspflichtverletzung der Beklagten, wie auch an ausreichendem Tatsachenvortrag zur Feststellung der Kausalität und zur Höhe des behaupteten Zinsschadens.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens ihren Sach- und Rechtsvortrag vertieft und zum Schadensumfang weitere Belege einreicht (Bl. 203 f, Bl. 245 f GA nebst Anlagen).

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie 136.976,65 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch sie wiederholt und bekräftigt ihr bisheriges Sach- und Rechtsvorbringen und verweist insbesondere auf die Chronologie des Bebauungsplanverfahrens als auch des Baugenehmigungsverfahrens, woraus sich allein schon das Fehlen eines rechtswidrigen Verhaltens der Gemeinde ergebe (Bl. 218 f GA mit Anlagen).

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, führt in der Sache aber nicht zum Erfolg. Das Landgericht hat die Klage mit zutreffenden Gründen sowohl am Fehlen einer Amtspflichtverletzung als auch am hinreichenden Vortrag zur Ursächlichkeit des behaupteten Verzögerungsschadens und der Höhe des angeblichen Kreditzinsverlustes scheitern lassen. Auch das Berufungsvorbringen führt - jedenfalls im Ergebnis - zu keiner anderen Würdigung, weil es an mehreren Voraussetzungen einer Amtshaftung nach § 839 BGB in Verbindung mit Artikel 34 GG fehlt.

Ebenso wenig sind Anhaltspunkte für einen Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff erkennbar.

II.

Die Klägerin sieht sich zu Unrecht durch die angeblich das Bauprojekt verzögernden Verhaltensweisen der Gemeinde benachteiligt. Entgegen ihrem Vorbringen stellen die Veränderungssperren und die darauf beruhende Verweigerung des Einvernehmens mit den Bauanträgen keinen Amtspflichtverstoß dar. Zudem wäre die mit dem Klagebegehren geltend gemachte Zinsbelastung durch die S.......... B..........bank im Zeitraum von Februar 1999 bis Februar 2000 nicht auf die unterstellte rechtswidrige Pflichtverletzung im Sinne von § 839 BGB zurückzuführen.

1.

Zwar ist anerkannt und der Klägerin damit vom Ansatz her zuzugeben, dass eine Gemeinde nicht berechtigt ist, die Entscheidung bereits über eine Voranfrage über die angemessene Bearbeitungszeit hinaus zu verzögern, wenn das Bauvorhaben bei Eingang der Voranfrage oder eines Baugenehmigungsantrages planungsrechtlich zulässig ist (vgl. zuletzt BGH MDR 2001, 1112 m.w.N.). Allerdings ist es einer Gemeinde nicht verwehrt, selbst nach Vorliegen einer Bauvoranfrage oder eines Bauantrages die sich aus dem Baugesetzbuch ergebenden planungsrechtlichen Möglichkeiten, etwa einer Veränderungssperre, auszuschöpfen. Sie handelt im Rahmen der gesetzlichen Befugnisse, wenn sie diese Anträge oder Anfragen, die nach der bestehenden Rechtslage positiv hätten beschieden werden müssen, zum Anlass nimmt, ändernde Planungsmaßnahmen einzuleiten und diese nach Maßgabe der §§ 14, 15 BauGB zu sichern. Es ist also auch amtspflichtgemäß, wenn in einem solchen Fall die Gemeinde den Zeitraum, der für eine ordnungsgemäße Bearbeitung der Bauvoranfrage ohnehin erforderlich wäre, zugleich dazu nutzt, derartige Maßnahmen, wie Veränderungssperren, zu ergreifen (BGH a.a.O. sowie BVerwG NVwZ 1989, 661 f).

Die Beklagte hat sich an diese Vorgaben gehalten. Die Veränderungssperren, wonach das ursprüngliche Bauvorhaben - vgl. Bauvoranfrage vom 8. Februar 1999 (Bl.70 GA) - im Sinne von § 29 BauGB nicht zulässig war, waren entgegen der Klage nicht rechtswidrig, sondern entsprachen § 14 BauGB. Der nach § 2 Abs. 1 BauGB hierzu erforderliche Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans "Am S............." war auf vorherige Empfehlung des Bau- und Umweltausschusses bereits am 14. Dezember 1998 gefasst worden. Er wurde ortsüblich bekannt gemacht, was auch zugleich mit der Veränderungssperre geschehen kann (§ 2 S. 2 BauGB). Der Planbereich ist in dem streitgegenständlichen Aufstellungsbeschluss auch eindeutig bestimmt worden. Hierzu ist nicht erforderlich, dass der Aufstellungsbeschluss über den Bebauungsplan bereits Aussagen über den Inhalt der beabsichtigten Planung macht (BVerwG NJW 1977, 400). Das Ziel der Gemeinde war im vorliegenden Fall auch klar erkennbar: Sie wollte, auch um den alten Baumbestand und eine gleichmäßige Bebauung zu erhalten, eine der Höhe des Einfamilienhausgebietes und der Hanglage entsprechende Geschosshöhe für künftige Bebauungen festlegen. Diesem mit der Veränderungssperre angestrebten Ziel widersprach zwar nicht die Bebauung des angrenzenden Benifiziathofes, aber das ursprüngliche Baubegehren der Klägerin (jene fünf Neubauten a 6 Wohnungen). Dieses Bauprojekt fügte sich nicht in die Nachbarbebauung ein und war daher gemäß § 34 BauGB nicht genehmigungsfähig.

Folgerichtig ist daher die Klägerin auch mit dem geänderten Bauantrag vom 6. Oktober 1999 von ihrem ursprünglichen Bauvorhaben abgewichen und hat damit den den Veränderungssperren zugrunde liegenden Aspekten Rechnung getragen. Umso weniger ist das heutige Klagevorbringen begreiflich, zumal keine Rede davon sein kann, dass der nur bei den Geschossflächen mit Wegfall eines Doppelhauses geänderte Bauantrag gegenüber den Ursprungsplänen "eine unerhebliche Abweichung" sei. Zudem verkennt die Klägerin schon vom Grundsätzlichen her, dass die Frage der Genehmigungsfähigkeit eines Bauvorhabens nach § 34 BauGB sich nur dann stellt, wenn eine Gemeinde keinen Bebauungsplan erlassen hätte.

2.

Aber selbst wenn man unterstellen wollte, die Beklagte hätte ihre Zustimmung vom 25. Februar 1999 rechtswidrig mit Auflagen verbunden und damit zu einer Verzögerung der Errichtung und des Weiterverkaufs des Bauobjekts beigetragen, scheitert die Klage auch an einem schlüssigen Schadensvortrag. Abgesehen davon, dass die behauptete 12-monatige Bauverzögerung von der irrigen Annahme ausgeht, die Baugenehmigung vom 8. März 2000 beziehe sich auf den Ursprungs- und nicht auf den Änderungsantrag, mangelt der gesamte Vortrag der Klägerin an einer nachvollziehbaren Erklärung, für welchen tatsächlich bereits entstandenen Zinsschaden sie die Beklagte verantwortlich machen will. Hierbei ist zunächst zu sehen, dass nach dem vorgelegten Schreiben der S........... B..........bank vom 14. April 2000 es sich bei dem Kreditkonto Nr. 695.... um ein Kontokorrentkonto handelt, die geltend gemachten Kreditzinsen also nicht etwa Bereitstellungszinsen darstellen. Die Zinsbelastung wäre der Klägerin also laufend auch dann entstanden, wenn bzw. sobald die Baugenehmigung (früher als geschehen) erteilt worden wäre. Selbstverständlich entstehen bei jedem Bauprojekt den Bauträger treffende Vorfinanzierungszinsen. Die Klägerin trägt daher auch selbst vor, dass die geplanten Häuser erst nach Erstellung bzw. nach Baubeginn hätten verkauft werden sollen, wobei dann Ratenzahlungsverpflichtungen entstanden wären. Der bloße allgemeine Vortrag, die Klägerin hätte bei "richtigem" Verhalten der Beklagten die Häuser oder Wohnungen früher verkaufen können, reicht für eine substantiierte Schadensdarstellung nicht. Die Finanzierung eines gekauften Grundstücks erledigt sich nicht dadurch, dass eine Baugenehmigung erteilt wird, sondern nur dadurch, dass Grundstücksanteile (Eigentumswohnungen) tatsächlich gekauft und bezahlt werden. Dazu, nämlich dass bzw. welche konkret benannten Käufer wann bezüglich des in Rede stehenden Objekts Kaufverträge abgeschlossen haben, ist die Klägerin jeglichen Vortrag schuldig geblieben.

3.

Wollte man gleichwohl der Ansicht der Klägerin folgen, die beklagte Gemeinde habe ihr durch eine rechtswidrige Veränderungssperre einen verzögerungsbedingten Zinsschaden zugefügt, müsste der Klage auch dann der Erfolg versagt bleiben. Denn die Klägerin hat es mindestens fahrlässig unterlassen, ihren vermeintlichen Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Sie hat vielmehr die teilweise Ablehnung des Einvernehmens zur Bauvoranfrage mit Bescheid der Beklagten vom 25. Februar 1999 letztlich hingenommen, jedenfalls nicht förmlich auf dem verwaltungsrechtlichen Wege angefochten. Infolgedessen hätte eine Schadensersatzpflicht auch dann nicht eintreten können, wenn die Rechtsauffassung der Klägerin zuträfe (§ 839 Abs. 3 BGB). Der Einwand der Klägerin, der von der Beklagten zu tragende Schaden wäre wegen der erfahrungsgemäß langen Dauer eines Widerspruchs- und Klageverfahrens letztlich noch höher gewesen, ist für das gesetzliche Gebot der Einlegung eines förmlichen Rechtsbehelfs ohne Belang.

III.

Auf alle übrigen von der Klägerin vorgetragenen Gesichtspunkte kommt es nicht an. Erweist sich nach alledem die Abweisung der Klage als zutreffend, ist die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils und die Sicherheitsleistung beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren und die Beschwer der Klägerin betragen 136.976,65 DM.

Ende der Entscheidung

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