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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 28.10.1999
Aktenzeichen: 1 U 965/97
Rechtsgebiete: LStrG, Gemeindeordnung, Landesstraßengesetz, BGB


Vorschriften:

LStrG § 17 LStrG
BGB § 839
1. Die Pflicht der Gemeinden zur Strassenreinigung (polizeiliche Reinigungspflicht), zu der im Winter auch Streudienst gehört, ist nach § 17 LStrG Rheinland-Pfalz öffentlich-rechtlich ausgestaltete Amtspflicht.

2. Inhaltlich entspricht diese Amtspflicht der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht.

3. Eine Haftungsübertragung auf die Verbandsgemeinde ist nach § 68 Abs. 2 Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz nicht erfolgt.


Geschäftsnummer: 1 U 965/97 11 O 223/96 LG Trier

Verkündet am 28. Oktober 1998

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

in dem Rechtsstreit

C

Kläger und Berufungskläger, - Prozeßbevollmächtigte:

Rechtsanwälte

gegen

1. Verbandsgemeinde S

Beklagte und Berufungsbeklagte zu 1,

2. Ortsgemeinde S

Beklagte und Berufungsbeklagte zu 2, - Prozeßbevollmächtigte

zu 1 und 2: Rechtsanwälte

wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht.

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kaessner, den Richter am Oberlandesgericht Stein und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Giese auf die mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 1997 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 17. Juni 1997 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 34.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 2 vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten können auch durch schriftliche, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft einer Bank oderöffentlichen Sparkasse mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland erbracht werden.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagten - nach Teilrücknahme des Rechtsmittels in der Berufungsinstanz nur noch die beklagte Ortsgemeinde - wegen Verletzung der Streupflicht auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch.

Er macht geltend, er sei am 7. Februar 1996 gegen 12.45 Uhr auf dem als öffentlicher Parkplatz ausgewiesenen und von der Gemeinde mit Verbundsteinpflaster versehenen - jedoch der katholischen Kirchengemeinde gehörenden - Parkplatz vor der Volksbank in S nach dem Verlassen seines dort abgestellten PKWs zu Fall gekommen, wobei er sich so schwer am Rücken verletzt habe, daß er mehrere Wochen stationär habe behandelt werden müssen und längere Zeit arbeitsunfähig gewesen sei. Die genauere Unfallstelle und der Unfallhergang sind umstritten. Der Kläger hat hierzu Wechselhafte Darstellungen gegeben (vgl. Skizze Bl. 55 GA, und Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem LG Trier vom 23. Mai 1997, Bl. 172 GA sowie Berufungsschrift, Bl. 203 GA).

Die katholische Kirchengemeinde, welcher der Kläger den Streit verkündet hat, ist dem Rechtsstreit nicht beigetreten.

Die beklagte Ortsgemeinde hat durch Satzungen vom 22. Und 23. November 1993 (Bl. 45 f. und 52 f. GA) die ihr obliegende Straßenreinigungspflicht, ausgenommen einzelne Straßenabschnitte, Parkplätze und öffentliche Flächen, auf die Anlieger übertragen.

Der Kläger hat (zunächst) die Auffassung vertreten, daß jedenfalls eine der Beklagten im Rahmen der verkehrssicherungspflicht gehalten gewesen wäre, die Unfallstelle durch rechtzeitiges Streuen glatteisfrei zu machen, oder aber die Streitverkündete und Anlieger zur Erfüllung de ihnen übertragenen Streupflicht anzuhalten und zzu überwachen. Diese Pflichte hätten die Beklagten verletzt, so daß sie für die ihm entstandenen materiellen und immateriellen Schäden, insbesondere erheblichen Verdienstausfall bei einer Fachschule als Dozent, und Schmerzensgeld (mindestens 15.000 DM) zu zahlen hätten.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes nebst 14 % Zinsen seit dem 26. April 1996 kostenpflichtig zu verurteilen,

2. festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, sämtliche ihm noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus dem Vorfall vom 7. Februar 1996, Parkplatz K straße in S, zu ersetzen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergehen,

3. die Beklagten weiterhin als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn eine noch zu beziffernde monatliche Schmerzensgeldrente, beginnend ab dem 7. Februar 1996, zu zahlen,

4. die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 169.085,02 DM nebst 14 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben die, wie sie meinen, widersprüchliche Unfalldarstellung des Klägers bestritten. Zudem sind sie der Rechtsauffassung, ihnen habe im gegebenen Bereich bzw. auf dem Fußweg angrenzend an den Parkplatz keine Streupflicht oblegen, die sie verletzt hätten, zumal die Streupflicht auf die Anlieger übertragen worden sei. Im übrigen hätte selbst eine sofort veranlaßte Streuung den weitgehend vom Kläger verschuldeten Unfall nicht vermeiden können, weil am Unfalltag etwa ab 12.00 Uhr mittags ein Eisregen eingesetzt habe, auf den sich der Kläger hätte einstellen können.

Das Landgericht hat die Klage ohne Beweisaufnahme mit der Begründung abgewiesen, nachdem der Kläger offensichtlich seinen Sachvortrag der ihm durch das Gericht mitgeteilten Rechtsauffassung anzupassen gesucht habe, gehe das Gericht von der ursprünglich unstreitigen Unfalldarstellung des Klägers aus, derzufolge er im Bereich der Parkbucht zu Fall gekommen sei; dort allerdings treffe die für die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht allein in Betracht kommende (kleine) Ortsgemeinde nach den gegebenen Verhältnissen keine Streupflicht; vielmehr sei es bei einer Gemeinde dieser Größenordnung den Benutzern von öffentlichen Parkplätzen zuzumuten, Gefahren durch besondere Sorgfalt beim Verlassen des PKWs zu begegnen, was besonders gelte, wenn die Gefährdung durch Eisregen - wie hier - erkennbar gewesen sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung, die er im Verhandlungstermin in zulässiger Weise gegen die beklagte Verbandsgemeinde zurückgenommen hat. Unter Wiederholung seiner erstinstanzlich dargestellten Rechtsauffassung stellt er zum Tatsächlichen nun nochmals klar, daß er sich beim Sturz "neben der geöffneten Fahrertür" befunden habe, als er beim Zuschlagen der Tür auf der "spiegelglatten Fläche" ausgerutscht sei, wobei sich dieser Sturz nicht in der allerdings nicht markierten Parkbucht ereignet habe. Ergänzend trägt der Kläger zum Verschulden vor, daß die Beklagten über den eisglatten Zustand des Parkplatzes durch einen Anruf eines Mitarbeiters der Volksbank zwei Tage vorher unterrichtet gewesen seien, ein Gemeindearbeiter aber lediglich mit zwei Eimern Streugut auf dem Parkplatz erschienen sei und dieses unzureichende Streugut dort, wohl aber nicht an der Unfallstelle verteilt habe. Diesen Vorgang, ebenso wie die Behauptung, daß es am Unfalltag überhaupt keinen Niederschlag, schon gar keinen Eisregen gegeben habe stelle er durch Zeugnis des Bankmitarbeiters unter Beweis (Bl. 205 GA). Im übrigen fehle es in dem gesamten verkehrsberuhigten Bereich an irgendwie abgesetzten Gehwegen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den Schlußklageanträgen erster Instanz gegen die Beklagten zu erkennen, soweit die beklagte Ortsgemeinde betroffen ist.

Die Beklagte zu 2 beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und bestreitet im übrigen die zusätzlichen tatsächlichen Behauptungen der Berufung.

wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts sowie das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien, einschließlich der zu den Akten gereichten Unterlagen und Fotos, Bezug genommen (§ 543 ZPO).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet.

Das angefochtene Urteil gelangt zum zutreffenden Ergebnis, dem sich der Senat anschließt. Die Ortsgemeinde trifft keine Amtspflicht oder Verkehrssicherungspflicht (§ 839 BGB), durch deren Nichtbeachtung der vom Kläger erlittene Unfall vom 7. Februar 1996 verursacht worden wäre. Auf die vom Kläger unter Beweis gestellten Einzeltatsachen kommt es nicht an. Einer Zeugenvernehmung bedarf es deshalb nicht.

1.

Die Pflicht der Gemeinden zur Straßenreinigung, die sogenannte polizeiliche - heute ordnungsmäßige - Reinigungspflicht, zu der auch der Winter- also auch Streudienst gehört, ist nach § 17 Landesstraßengesetz Rheinland-Pfalz öffentlich-rechtlich ausgestaltete Amtspflicht, so daß die Gemeinden grundsätzlich bei Verstößen nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG für ihre Beamten eintreten müssen (BGH VersR 1997, 311, 1984, 890, 891; 1990, 1150). Inhaltlich entspricht diese Amtspflicht der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht; sie umfaßt unter anderem das Bestreuen der Gehwege, Fußgängerüberwege und der besonders gefährlichen Fahrbahnstellen bei Glätte (BGH DAR 1993, 386).

Eine Haftungsübertragung auf die Verbandsgemeinde ist nach § 68 Abs. 2 Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz nicht erfolgt (BGH VersR 1997, 311, 312 m.w.N.).

Es steht einer Ortsgemeinde in Rheinland-Pfalz gemäß § 17 Abs. 3 Landesstraßengesetz frei, ihre winterliche Reinigungs und Streupflicht auf die Anlieger einer Straße zu übertragen. Davon hat die Beklagte zu 2 im vorliegenden Fall zulässig Gebrauch gemacht (§ 1 Abs. 1 Satzung vom 22. November 1993; BGH VR 1969, 377 und BGH 118, 368, OLG München VR 1992, 591; Jagusch-Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 34. Aufl. 1997, Rn. 58 zu § 45 StVO m.w.N.).

Grundsätzlich trifft sie damit keine originäre Verantwortlichkeit mehr für den zustand des hier in Rede stehenden Parkplatzes im Hinblick auf winterliche Verhältnisse.

Etwas anderes könnte nur unter dem Gesichtspunkt einer nicht hinreichenden Überwachung derjenigen, denen die polizeimäßige Reinigungspflicht übertragen worden ist, in Betracht kommen oder möglicherweise daraus abgeleitet werden, daß die Beklagte zu 2 - obwohl sie dazu nicht mehr verpflichtet war die ordnungsmäßige Reinigung (an Stelle der dazu Verpflichteten) tatsächlich durchgeführt hätte.

Ob eine dieser Alternativen vorliegt, braucht nicht abschließend geklärt zu werden, weil beide jeweils voraussetzen, daß der Parkplatz vor der Volksbank im Rahmen der ordnungsmäßigen Reinigungspflicht hätte gestreut sein müssen. Das ist jedoch nicht der Fall.

Nach ständiger Spruchpraxis des Bundesgerichtshofs richten sich Inhalt und Umfang der winterlichen Räum- und Streupflicht unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherung nach den Umständen des Einzelfalles. Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs. Die Räum- und Streupflicht besteht nicht uneingeschränkt. Sie steht vielmehr unter dem Vorbehalt des Zumutbaren, wobei es auch auf die Leistungsfähigkeit des Sicherungspflichtigen ankommt. Grundsätzlich muß sich der Straßenverkehr auch im Winter den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen. Der Sicherungspflichtige hat aber durch Schneeräumen und Bestreuen mit abstumpfenden Mitteln die Gefahren, die infolge winterlicher, Glätte für den Verkehrsteilnehmer bei zweckgerechter Wegbenutzung und trotz Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bestehen, im Rahmen und nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze zu beseitigen (BGH BADK-Information 1998, 93, VersR 1991, 565 jeweils m.w.N.).

2.

Gemessen an diesen Rechtsprechungsgrundsätzen und unter Berücksichtigung der erfolgten Delegierung eventueller Streupflicht ist der Unfallschaden der Beklagten zu 2 nicht anzulasten.

Eine Haftung der beklagten Ortsgemeinde scheitert deshalb, weil für die Gefahrenstelle, an welcher der Kläger nach seiner eigenen, nunmehr in der Berufungsschrift wiederholten Darstellung zu Fall gekommen sein will, keine Streupflicht bestand.

Nach absolut herrschender Meinung besteht auf Parkplätzen nämlich schon dann keine Winterwartungspflicht, wenn der sie benutzende Kraftfahrer von seinem Fahrzeugaus mit wenigen Schritten bzw. auf wenigen Metern den entweder bestreuten Bürgersteig oder andere sichere, auch nicht abgegrenzte Straßenoder Wegeteile - hier also den vor den Schaufenstern der Volksbank entlang führenden Streifen - erreichen kann, abgesehen davon, daß auf vereinzelten Eisflächen eines Parkplatzes ohnedies keine Streupflicht besteht (BGH VersR 1982, 299; 1985, 189; OLG Celle NJW-RR 1989, 1419; OLG Karlsruhe VersR 1989, 45; OLG Köln VersR 1983, 162; Jagusch-Hentschel, a.a.O. Rn. 64; Bergmann-Schumacher, Kommunalhaftung 2. Aufl., Anm. 376 ff.; Kodal-Bauer, Straßenrecht 5. Aufl. 1995, Kap. 41, Rn. 10 f. und Kap. 24, Rn. 58 ff.).

Fehlte es an einer Streupflicht, gilt dies selbstverständlich auch für diejenigen, denen dieselbe durch Satzung übertragen worden ist, so daß auch für deren Überwachung durch die Beklagte zu 2 keine Pflicht bestanden haben kann.

3.

Der Senat geht zugunsten des Klägers von dessen, mit Hilfe der Fotos Bl. 208 GA belegter letzter tatsächlichen Unfalldarstellung aus: Danach parkte er am Unfalltag vor der Volksbank in der linken Parkbox unmittelbar vor dem dort parallel zum Volksbankgebäude vorbeiführenden Wegstreifen; als er beim Zu- schlagen der Fahrertür seines PKWs nach dem Aussteigen auf der spiegelglatten Fläche ausrutschte und zu Fall kam, befand er sich neben der geöffneten Fahrertür, so daß das Kreuz auf der von ihm bei Prozeßbeginn eingereichten Unfallskizze nicht stimmen kann. Ist der Kläger also in Höhe der Fahrertür entweder auf dem an die Parkbucht angrenzenden Bereich oder in der Parkbucht gestürzt, kommt es für den Haftungseintritt darauf an, ob gerade hier eine Streupflicht bestand.

Das verneint der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht aus folgenden Gründen:

a)

Wie schon oben ausgeführt, hängt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Streupflicht grundsätzlich von der Gefährlichkeit und Verkehrswichtigkeit der Unfallstelle ab. Dieser Grundsatz gilt vom Ansatz her gleichermaßen für Fahrbahnen, Gehwege und - wenn auch mit weiterer Einschränkung - für Parkplätze. Die Beurteilung, ob einer Unfallstelle Verkehrsbedeutung im haftungsrechtlichen Sinne zukommt, obliegt - ebenso wie die Frage der Gefährlichkeit - in erster Linie dem Tatrichter (Rinne, Aus der neuerlichen Rechtsprechung des BGH zur Haftung der öffentlichen Hand bei Verletzung der Räum- und Streupflicht auf öffentlichen Verkehrsflächen, NJW 1996, 3303, 3305 m.w.N.). Die Streupflicht auf sogenannten Gehwegen ist dabei eingeschränkt; sie ist nur anzunehmen, soweit auf ihnen ein nicht unbedeutender Verkehr stattfindet (BGH NJW 1960, 41; VersR 1995, 721). Eine Parkfläche ist im allgemeinen nicht als Gehweg zu qualifizieren, selbst wenn von dort aus ein von Fußgängern (PKW-Besitzern) benutzter Zugang zu einem offiziellen Gehweg stattfindet. Bei Gehwegen kann es sich um "selbständige Gehwege" oder auch um "Straßenteile" handeln, "die erkennbar von der Fahrbahn abgesetzt sind", wobei aber auch nicht ausgeschlossen ist, daß nicht besonders kenntlich gemachte Seitenstreifen als "Gehwege" in die Räum- und Streupflicht einzubeziehen sind (Rinne, a.a.O. und BH NJW-RR 1992, 604 = VersR 1992, 444). Schon von daher ist das Vorbringen des Klägers zur Unfallstelle ungeeignet, eine Streupflicht anzunehmen, soweit diese Gehwege betrifft. Das gilt selbst dann, wenn in der gesamten verkehrsberuhigten Zone auch angrenzend an den Parkstreifen kein abgesetzter Gehweg existierte.

Allerdings ist dem Kläger zuzugeben, daß Verkehrsteilnehmer, die ihre Fahrzeuge auf belebten öffentlichen Parkplätzen abgestellt haben, bei winterlicher Glätte, wenn sie den Platz nicht nur wenige Schritte zu betreten haben, jedenfalls eine Möglichkeit zum gefahrlosen Verlassen des Platzes oder zum gefahrlosen Erreichen der Fahrzeuge haben müssen (BGH VersR 1966, 90, 92 f. und Rinne, a.a.O.). Hier gilt in etwa das, was in der Rechtsprechung auch hinsichtlich der Ermöglichung des Erreichens einer Bushaltestelle oder des Aufsuchens von Geschäften entwickelt worden ist (vgl. BGH VersR 1985, 568, 569 f. und Zitate unter Ziff. 2 oben).

b)

Diese Grundsätze helfen dem Kläger nach Lage des Falles jedoch nicht weiter. Zum einen hat der Bundesgerichtshof in der vorgenannten Rechtsprechung klargestellt, daß die Winterwartungspflicht für öffentliche Parkplätze allenfalls dann gilt, wenn es sich hierbei um belebte Parkplätze handelt. Das ist schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers - vgl. auch die Fotos, welche die geringe Dimension des Parkplatzes erkennen lassen - zweifelhaft. Selbst wenn man aber im Hinblick auf die behauptete hohe Zahl an Kunden der Volksbank, die zumeist Kraftfahrer sein müßten, eine "Belebtheit" des Parkplatzes annähme, genügt das für die Annahme einer Streupflicht nur dann, wenn dem Parkplatzbenutzer keine Möglichkeit zum gefahrlosen Verlassen des Parkplatzes verbliebe. Hierbei ist zur Vermeidung einer überdehnten Verkehrssicherungspflicht eine restriktive Auslegung des Begriffes der Gefahrlosigkeit geboten (vgl. Rinne a.a.O. und die oben genannte Rechtsprechung zur Zumutbarkeit). Eine solche Situation war im Streitfall nicht gegeben.

Der Kläger konnte nämlich die - ihm im übrigen schon beim Einfahren in die Parkbucht erkennbare - "Eisfläche" mit wenigen Schritten verlassen und auf den nicht mehr von Eis betroffenen vergleichshalber sicheren, wenige Meter entfernten Fußgängern vorbehaltenen - Wegbereich parallel zum V gebäude gelangen. Ungeachtet dessen konnte er auch, unabhängig von der zur Unfallzeit witterungsbedingt gegebenen Glättesituation, nicht davon ausgehen, daß die Ortsgemeinde oder Anlieger bzw. Grundstückseigentümer den Parkplatz mit abstumpfenden Mitteln von dessen Gefährlichkeit befreit hätten.

Auch die Behauptung des Klägers, die Beklagte zu 2 habe am 2. Februar 1995 einen Gemeindearbeiter - nach einem Anruf des Bankangestellten mit zwei Eimern Streugut (Salz und Sand) zu dem Parkplatz entsandt, um der Glätte durch Streuen zu begegnen, führt zu keiner anderen Würdigung. Denn dieser vom Kläger unter Beweis gestellte Vorgang, aus welchem der Kläger den weiteren Schluß ziehen will, die Streumittelmenge habe niemals zur Beseitigung der Glätte ausgereicht, läßt erstens keine zuverlässigen Schlüsse über die Glättesituation am Unfalltag zu, führt aber vor allem nicht zur Bejahung der Streupflicht. Eine Sicherungspflicht entsteht nicht schon dadurch, daß eine Gemeinde überobligations mäßig und freiwillig eine Winterwartung gelegentlich übernimmt (Kodal-Bauer, a.a.O., Kap. 41 Rn. 10.3 und 32 f).

c)

Unter diesen Umständen kommt es auf die vom Kläger bestrittene Behauptung der Beklagten, am Unfalltage habe etwa um 12.00 Uhr Eisregen eingesetzt, der zu der besonderen Glätte geführt habe, nicht entscheidend an, weil die Beklagte zu 2 schon ohne diesen für sie günstigen Umstand nicht haftet.

d)

War der Parkplatz aber zur Unfallzeit, wie der Kläger behauptet, ohne daß es zuvor einen Eisregen gegeben hätte, "spiegelglatt", so hätte der Kläger sich erst recht auf diese Situation einstellen und dies beim Verlassen seines PKW berücksichtigen müssen, denn nach seinem eigenen Vorbringen bestanden die winterlichen Verhältnisse unverändert bereits seit mehreren Tagen. Selbst wenn man die Verletzung einer Amtspflicht der Beklagten zu 2 annehmen wollte, entfiele eine Haftung wegen des ganz überwiegenden Mitverschuldens - Mitverursachungsbeitrages - des Klägers. Dabei wäre entgegen der Auffassung des Senats in dem etwas anders gelagerten Fall 1 U 993/93 (Urteil vom 22. Februar 1995) - das Mitverschulden des Klägers schon nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises anzunehmen, da nach der Lebenserfahrung fast jeder Glättegefahr durch entsprechend vorsichtiges und langsames Gehen Rechnung getragen werden kann (vgl. Schmid NJW 1988, 3184 und BGH BADK-Info 1998, 93, 95).

4.

Nach alledem hat das Landgericht zu Recht eine Haftung der Beklagten zu 2 nach § 839 BGB verneint.

Bleibt das Berufungsvorbringen sonach erfolglos, ist das Rechtsmittel des Klägers zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 515 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit und zur Abwendung durch Sicherheitsleistung beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird entsprechend dem des ersten Rechtszuges (Bl. 185 GA) auf insgesamt 218.085,02 DM festgesetzt; in dieser Höhe ist der Kläger beschwert.



Ende der Entscheidung

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