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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 09.12.2003
Aktenzeichen: 1 W 651/03
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 83 I
StVollzG § 102 I
1. Es obliegt der Strafvollstreckungskammer, den entscheidungserheblichen Sachverhalt vollständig aufzuklären und so darzustellen, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Entscheidungsgründe nachprüfen kann, ob eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

2. Eine Disziplinarmaßnahme ist die Reaktion der Anstaltsleitung auf ein subjektiv vorwerfbares Fehlverhalten eines Gefangenen. Wendet sich dieser gegen die Anordnung, so muss das Gericht, wenn es die Verhängung der Disziplinarmaßnahme aufrechterhalten will, auch tatsächliche Feststellungen zur subjektiven Tatseite treffen.

3. Ein Merkblatt hat in aller Regel keinen normsetzenden oder -ändernden Charakter, sondern enthält Hinweise auf eine bestehende Sach- und/oder Rechtslage und /oder deren alltägliche Umsetzung. Eine Hausordnung (§ 161 StVollzG) wird - mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde - vom Anstaltsleiter erlassen und kann auch nur von diesem geändert werden.

4. Es liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Vollzugsbehörde, wie sie die nach § 83 Abs. 1 StVollzG notwendige Zustimmung erteilt. Solange gewährleistet ist, dass Gefangene in angemessenem Umfang "Sachen" entgegennehmen dürfen, besteht, soweit sich aus dem Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes ergibt (z. B. § 33 StVollzG), kein Anspruch auf einen bestimmten Bezugsweg. Auch die Änderung oder Streichung eines von mehreren Bezugswegen ist unbedenklich, es sei denn, es liegt ein Verstoß gegen das Willkürverbot vor.


Geschäftsnummer: 1 Ws 651/03

In der Strafvollzugssache

wegen Mordes hier: Disziplinarmaßnahme

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Tzschoppe, die Richterin am Oberlandesgericht Hardt und den Richter am Oberlandesgericht Summa

am 9. Dezember 2003 beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Gefangenen wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez vom 10. Juli 2003 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez zurückverwiesen.

Der Geschäftswert wird auf 250 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer gegen ihn angeordneten Disziplinarmaßnahme. Mit Beschluss vom 10. Juli 2003 hat die Strafvollstreckungskammer seinen Antrag vom 22. Oktober 2002 als unbegründet zurückgewiesen und zum Sachverhalt ausgeführt:

"Der Antragsteller verbüßt zurzeit eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes in der Justizvollzugsanstalt Diez. Am 09.10.2002 wurde gegen ihn folgende Disziplinarmaßnahme verhängt:

"Aufgrund der Anzeige, der Einlassung des Gefangenen und des Ergebnisses der weiteren Erhebungen ist als erwiesen anzusehen, dass der Gefangene am 02.10.2002 versucht hat, nach dem Besuch 2 Tafeln Schokolade unrechtmäßig in das Zellenhaus zu bringen.

Verstoß gegen §§ 82 II, 83 I StVollzG i. V. m. der Hausordnung der Justizvollzugsanstalt Diez/Merkblatt für Besucher und Gefangene der Justizvollzugsanstalt Diez.

Gegen den Gefangenen werden gem. § 103 Abs. 1 Ziff. 2 u. 8 StVollzG folgende Disziplinarmaßnahmen angeordnet:

- Beschränkung des Einkaufs in Höhe von 2,-- Euro - der Betrag wird dem ÜG zugeführt.

- Beschränkung des Regelbesuchs auf max. 2 Stunden für die Dauer von 2 Monaten."

Gegen diese Verfügung wendet sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 22.10.2002. Er trägt vor, er habe am 02.10.2002 vom Besuch 2 Tafeln Ritter-Sport-Schokolade mit zurück in das Zellenhaus genommen. Im Rahmen der Kontrolle nach dem Besuch sei er aufgefordert worden, seine Taschen zu leeren und im Anschluss daran durchsucht worden. Er habe daher die beiden Tafeln Schokolade und sein Taschentuch aus der Jackentasche genommen und sei daraufhin befragt worden, was. er mit der Schokolade wolle. Nachdem er entgegnet habe, dass er diese mit auf seinen Haftraum nehmen wolle, sei ihm die Schokolade durch die Kontrollbeamten nicht zurückgegeben worden. Die Nichtaushändigung der Schokolade und die Verhängung der Disziplinarmaßnahme vom 09.10.2002 betrachtet er als unrechtmäßig, da es ihm nach seiner Auffassung gem. der Hausordnung zustehe, Waren vom Besuch in begrenztem Umfange mit zurück in den Haftraum zu nehmen.

Ziffer 1.7 der Hausordnung der Justizvollzugsanstalt Diez, auf die sich der Antragsteller beruft, lautet wie folgt:

"Die Mitnahme von Gegenständen zum Besuch ist nicht gestattet. Die aus dem Automaten gekauften Waren (Höchstbetrag 15,-- DM) sind vorwiegend zum Verzehr während des Besuches vorgesehen. Der Gefangene kann eine nicht angebrochene Schachtel Zigaretten oder ungeöffnete Süßigkeiten im Warenwert von max. 5,-- DM miteinbringen"

Er steht daher auf dem Standpunkt, er sei berechtigt gewesen, die beiden Tafeln Schokolade nach dem Besuch in das Zellenhaus zu nehmen. Soweit sich die Antragsgegnerin auf ein Merkblatt über die Besuchsregelung nach dem 01.06.2002 berufe, könne hierauf eine Disziplinarmaßnahme nicht gestützt werden, denn das entsprechende Merkblatt entfalte keine im Sinne der Hausordnung bindende Regelung. Es handele sich auch nicht um einen Teil der Hausordnung der Justizvollzugsanstalt Diez, durch den die in der Hausordnung der Justizvollzugsanstalt Diez festgelegten Besuchsregelungen ersetzt würden. Bereits aus dem Wortlaut des Merkblattes ergebe sich, dass es sich nicht um eine Anordnung oder Verfügung handele, da es in dem Merkblatt wörtlich "Bitte beachten Sie folgende Hinweise" heiße. Das Merkblatt beinhalte folglich nur eine Bitte bzw. einen Hinweis, dessen Nichtbeachtung keinen schuldhaften Pflichtverstoß darstellen könne.

Der Antragsteller beantragt,

1.

festzustellen, dass die von der Justizvollzugsanstalt Diez am 09.10.2002 ausgesprochenen Disziplinarmaßnahmen rechtswidrig sind,

2.

die Justizvollzugsanstalt Diez zu verpflichten, den Antragsteller unter der Beachtung der Rechtsauffassung der StVK neu zu bescheiden,

3.

der Justizvollzugsanstalt Diez die Kosten des Verfahrens einschließlich seiner notwendigen Auslagen aufzuerlegen, da sie die Klage selbst verschuldete.

Weiterhin begehrt der Antragsteller für seinen Antrag gem. § 109 StVollzG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, der Antragsteller dürfe gem. § 83 Abs. 1 StVollzG nur Sachen in Gewahrsam haben oder annehmen, die ihm von der Vollzugsbehörde und mit ihrer Zustimmung überlassen worden seien. Dies treffe auf die in Rede stehenden beiden Tafeln Schokolade nicht zu. Aus dem Merkblatt für Besucher/Gefangene der Justizvollzugsanstalt Diez, gültig ab 01.06.2002, ergebe sich eindeutig, dass es den Gefangenen nicht gestattet sei, Waren vom Besuch mit in den Haftraum zu nehmen. Zusätzlich weise auch ein an der Ausgangstür des Besuchsraumes angebrachtes Schild auf dieses Verbot hin. Dementsprechend habe keine Zustimmung der Anstalt zur Mitnahme der beiden Tafeln Schokolade in das Zellenhauvorgelegen, zudem habe der Antragsteller die Anordnung von Bediensteten nicht befolgt. Die Regelung, dass keine Sachen aus dem Besucherraum mehr in das Hafthaus gebracht werden können, sei aus 2 Gründen erfolgt, zum einen sei der Aufwand, die vom Besuch mitgebrachten Sachen zu kontrollieren zu hoch und verzögere dadurch die Abwicklung des Besuches. Zum anderen könnten sich solche Gefangene, die sehr viel Besuch erhielten, ein zusätzliches Einkommen gegenüber solchen Gefangenen verschaffen, die praktisch keinen Besuch erhielten.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze des Antragstellers und auf die Stellungnahme der Antragsgegnerin sowie das Merkblatt für Besucher/Gefangene der Justizvollzugsanstalt Diez und die von dem Antragsteller vorgelegte Hausordnung der Justizvollzugsanstalt Diez Bezug genommen."

Weiter heißt es in der angefochtenen Entscheidung:

"Aus der ab dem 01.06.2002 geltenden Besuchsregelung ergibt sich aus Sicht der Kammer eindeutig, dass es den Gefangenen nicht gestattet ist, Waren vom Besuch mit in den Haftraum zu nehmen. Die von der Antragsgegnerin insoweit gewählte Formulierung ist eindeutig und lässt keinen Raum für unterschiedliche Auslegungen. Als Adressaten des genannten Merkblattes, auf das sich sowohl der Antragsteller als auch die Antragsgegnerin beziehen, sind ganz klar die Besucher einerseits und die Gefangenen andererseits genannt. Der Antragsteller kann sich demnach nicht darauf berufen, dass er nicht dem Adressatenkreis des entsprechenden Merkblattes angehöre. Er kann auch mit seinem Einwand, ein Merkblatt entfalte keine unmittelbare und eigene Rechtswirkung, nicht gehört werden. Der Umstand, dass einem Merkblatt regelmäßig kein Regelungscharakter zukommt, der im Rahmen eines Verfahrens nach § 109 StVollzG angefochten werden kann, kann nämlich nicht dazu führen, dass dem Inhalt eines Merkblattes generell jede Regelung abzusprechen ist. In dem Verfahren nach § 109 StVollzG können nämlich nur solche Regelungen einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden, die einen konkreten Einzelfall treffen. Seinem Wesen nach ist jedoch ein Merkblatt auf die Bekanntgabe genereller Regelungen angelegt, die für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen Gültigkeit beanspruchen. Dies hat zur Folge, dass der Inhalt eines Merkblattes mit abstrakt-generellen Regelungen im Rahmen einer gerichtlichen Entscheidung nach § 109 StVollzG nicht als solche überprüft werden kann, weil in § 109 StVollzG ausdrücklich vorgesehen ist, dass eine gerichtliche Überprüfung nur hinsichtlich konkreter Maßnahmen zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des Strafvollzuges stattfindet, mithin nur hinsichtlich konkret-individueller Regelungen.

Bei der den Kern des Streits bildenden Formulierung: "Gefangenen ist es nicht gestattet, Waren vom Besuch mit in den Haftraum zu nehmen." handelt es sich um eine abstrakt-generelle Regelung.

Der Antragsteller kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, in dem Merkblatt finde sich kein Hinweis darauf, dass hierdurch eine Änderung der - nach eigenem Vortrag des Antragstellers - seit 1995 geltenden Hausordnung der Justizvollzugsanstalt Diez vorgenommen werde. Bereits aus der Tatsache, dass die im Streit stehende Formulierung klaren Regelungscharakter mit Wirkung ab dem 01.06.2002 aufweist und sich gleichermaßen an Besucher und Gefangene als Adressaten richtet, führt zu dem Ergebnis, dass es sich hierbei um eine Änderung der deutlich älteren, noch von dem Vorgänger des jetzigen Anstaltsleiters erlassenen Hausordnung handelt. Der Antragsteller argumentiert so auf einer rein formalen Ebene, wobei er bei seiner Argumentation den Inhalt des Merkblattes zu der ab dem 01.06.2002 geltenden Besuchsregelung der nur scheinbar formal höher stehenden Hausordnung unterordnet. Die Antragsgegnerin ist jedoch keinesfalls rechtlich verpflichtet, bei Abänderung bestimmter, in der Hausordnung aus dem Jahr 1995 niedergelegten Regelungen, jeweils eine neue Hausordnung zu erlassen. Es steht ihr vielmehr frei, einzelne Regelungen abzuändern, solange sie dies in geeigneter Form bekannt gibt. Dies ist im vorliegenden Fall geschehen. Der Antragsteller selbst hat während des gesamten Verfahrens nicht vorgetragen, dass ihm das Merkblatt als solches und dessen Inhalt bis zu dem Vorfall am 02.10.2002 nicht bekannt gewesen sei."

Hiergegen wendet sich der Strafgefangene mit form- und fristgerecht eingelegten sowie begründeten Rechtsbeschwerde. Er rügt ohne weitere Ausführungen die Verletzung materiellen und formellen Rechts.

II.

1.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, da die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist. Die Strafvollstreckungskammer hat gegen den Grundsatz der Amtsermittlungspflicht verstoßen. Die Überprüfung durch den Senat dient der Vermeidung künftiger gleichgelagerter Rechtsfehler.

2.

Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache (vorläufigen) Erfolg.

Nach § 102 Abs. 1 StVollzG kann der Anstaltsleiter Disziplinarmaßnahmen anordnen, wenn ein Gefangener schuldhaft gegen Pflichten verstößt, "die ihm durch dieses Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes auferlegt sind". Der Strafgefangene muss also objektiv gegen ein sich aus dem Strafvollzugsgesetz ergebendes oder auf Grundlage dieses Gesetzes angeordnetes Gebot oder Verbot verstoßen und subjektiv vorwerfbar gehandelt haben. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist in der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer mit Tatsachen zu belegen. Wie sich auch aus §§ 116 Abs. 2, 119 Abs. 4 S. 2 StVollzG ergibt, obliegt dem Rechtsbeschwerdegericht die Rechtskontrolle. Es ist keine Tatsacheninstanz und kann deshalb keine eigenen tatsächlichen Feststellungen treffen. Folglich obliegt es der Strafvollstreckungskammer, den entscheidungserheblichen Sachverhalt vollständig aufzuklären und so darzustellen, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Entscheidungsgründe nachprüfen kann, ob "eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist" (§ 116 Abs. 2 S. 2 StVollzG).

Hier hat die Strafvollstreckungskammer dem Amtsaufklärungsgrundsatz nicht ausreichend beachtet, was zur Folge hat, dass die Feststellungen lückenhaft sind.

Nach § 83 Abs. 1 StVollzG darf der Gefangene (nur) Sachen in Gewahrsam haben oder annehmen, die ihm von der Vollzugsbehörde oder mit ihrer Zustimmung überlassen werden.

Eine solche Zustimmung beinhaltet(e) Nr. 1.7 der Hausordnung für Waren von geringem Wert mit unversehrter Verpackung. Der Beschwerdeführer hätte folglich nur dann einen ahndungsfähigen Pflichtenverstoß begangen, wenn diese Passage der Hausordnung am 22. Oktober 2002 nicht mehr in Kraft war und er dies wusste oder hätte wissen müssen. Dazu fehlen tragfähige tatsächliche Feststellungen.

a.

Der Einwand des Beschwerdeführers, Gefangene gehörten nicht zu dem Adressatenkreis des Merkblatts, ist durch die Feststellungen nicht widerlegt. Das Merkblatt wird weder im Wortlaut noch seinem wesentlichen Inhalt nach wiedergegeben. Der Satz: "Gefangenen ist es nicht gestattet, Waren vom Besuch mit in den Haftraum zu nehmen" könnte auch in einem lediglich für Besucher bestimmten Hinweis enthalten sein.

b.

Ein Merkblatt hat in aller Regel keinen normsetzenden oder -ändernden Charakter, sondern enthält Hinweise auf eine bestehende Sach- und/oder Rechtslage und /oder deren alltägliche Umsetzung. Eine Hausordnung (§ 161 StVollzG) wird - mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde - vom Anstaltsleiter erlassen und kann auch nur von diesem geändert werden. Für eine wirksame Änderung von Nr. 1.7 der (vermutlich aus dem Jahre 1995 stammenden) Hausordnung müsste es eine entsprechende Verfügung des Anstaltsleiters geben. Da ein Abdruck der Hausordnung "in jedem Haftraum auszulegen" ist (§ 161 Abs. 3 StVollzG), müsste eine Änderung entweder durch Auslegung einer Neufassung oder auf eine Art und Weise so bekanntgemacht worden sein, dass insbesondere jedem "Alteingesessenen" unmissverständlich klar werden musste, dass die bisher geltende Nr. 1.7 ab einem bestimmten Tag durch eine inhaltlich andere Regelung ersetzt wird.

c.

Eine Disziplinarmaßnahme ist die Reaktion der Anstaltsleitung auf ein subjektiv vorwerfbares Fehlverhalten eines Gefangenen. Wendet sich dieser gegen die Anordnung, so muss das Gericht, wenn es die Verhängung der Disziplinarmaßnahme aufrechterhalten will, auch tatsächliche Feststellungen zur subjektiven Tatseite treffen. Hier hat sich die Strafvollstreckungskammer lediglich darauf beschränkt mitzuteilen, der Beschwerdeführer habe "während des gesamten Verfahrens nicht vorgetragen, dass ihm das Merkblatt als solches und dessen Inhalt bis zu dem Vorfall am 02.10.2002 nicht bekannt gewesen sei". Das musste er auch nicht vortragen. Vielmehr hätte ihm, weil er insoweit auch keinesfalls "geständig" war, ein schuldhaftes Tun nachgewiesen werden müssen. Zum einen gilt im Verfahren nach §§109 ff. StVollzG ohnehin der Amtsaufklärungsgrundsatz, zum anderen geht es um die Anordnung von Sanktionen mit strafähnlichem Charakter, die nur dann verhängt werden dürfen, wenn die Schuld des Betroffenen feststeht. Die Strafvollsteckungskammer hätte somit Tatsachen feststellen müssen, die den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten zulassen.

Da der Senat die notwendigen tatsächlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann, ist die Sache mangels Entscheidungsreife an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen.

Für das weitere Verfahren wird auf folgendes hingewiesen:

Es liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Vollzugsbehörde, wie sie die nach § 83 Abs. 1 StVollzG notwendige Zustimmung erteilt. Die denkbare Spanne reicht von Einzelfallgenehmigungen bis hin zu allgemeinem Regelungen etwa zum Paketempfang oder zum anstaltsinternen Einkauf. Solange gewährleistet ist, dass Gefangene in angemessenem Umfang "Sachen" entgegennehmen dürfen, besteht, soweit sich aus dem Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes ergibt (z. B. § 33 StVollzG), kein Anspruch auf einen bestimmten Bezugsweg. Auch die Änderung oder Streichung eines von mehreren Bezugswegen ist unbedenklich, es sei denn, es liegt ein Verstoß gegen das Willkürverbot vor. Dabei ist auch zu beachten, dass jeder weitere Bezugsweg zusätzliche, auch für Gefangene belastende Kontrollen notwendig macht und die Bediensteten davon abhält, ihren eigentlichen Aufgaben im Rahmen des Behandlungsvollzuges nachzukommen. Besteht zwischen Kontrollaufwand und Nutzen für die Gefangenen kein vernünftiges Verhältnis (mehr), kann es im Interesse des Vollzugsziels sogar geboten sein, dafür zu sorgen, dass die knappen personellen Ressourcen sinnvoller eingesetzt werden können.

Ende der Entscheidung

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