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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 23.10.2001
Aktenzeichen: 1 Ws 1269/01
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 305 1
Wechselt der Angeklagte im Berufungsverfahren den Verteidiger und beauftragt nach Zustellung der Ladung zur Berufungshauptverhandlung einen Rechtsanwalt, dessen Verhinderung bei Mandatsübernahme bereits feststeht, ist die Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags jedenfalls dann nicht "evident" ermessensfehlerhaft, wenn kein besonderes Vertrauensverhältnis vorliegt.
Geschäftsnummer: 1 Ws 1269, 1270/01

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

Beschluss

In der Strafsache

gegen

wegen Vergewaltigung

hier: Beschwerden gegen Ablehnung eines Terminsverlegungsantrages und Verteidigerbestellung

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter an Oberlandesgericht von Tzschoppe sowie die Richter am Oberlandesgericht Völpel und Summa

am 23. Oktober 2001 beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerden des Rechtsanwalts Martin und des Angeklagten gegen die Verfügung des Vorsitzenden der 7. Strafkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 17. September 2001 werden auf Kosten des jeweiligen Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.

2. Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 7. Strafkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 26. September 2001 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Durch Urteil des Schöffengerichts bei dem Amtsgericht Simmern vom 10. Dezember 1998 war der Angeklagte vom Vorwurf der Vergewaltigung zum Nachteil der Nebenklägerin H. R. freigesprochen worden. Über die dagegen gerichteten Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin hat die 7. Strafkammer des Landgerichts Bad Kreuznach zu entscheiden. Die Berufungsbegründung der Staatsanwaltschaft vom 19. Februar 1999 wurde der früheren Verteidigerin Rechtsanwältin Faust, die den Angeklagten bereits im Ermittlungsverfahren vertreten hatte, am 1. März 1999 zugestellt.

Der Durchführung der bereits mehrmals angesetzten Berufungshauptverhandlung standen bisher der schlechte Gesundheitszustand der körperlich behinderten Nebenklägerin und die Verhinderung von Zeugen entgegen. Außerdem hielt der Vorsitzende die Begutachtung der Nebenklägerin für erforderlich. Das zunächst in Auftrag gegebene nervenärztliche Gutachten, dessen Erstellung sich wegen Erkrankungen der Nebenklägerin verzögerte, wurde von der Verteidigung als nicht ausreichend für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit beanstandet, so dass, einer Empfehlung der zuerst tätigen Sachverständigen folgend, ein aussagepsychologisches Gutachten in Auftrag gegeben wurde.

Nach vorheriger Abstimmung mit Rechtsanwältin F., der Sachverständigen und der Nebenklägervertreterin bestimmte der Vorsitzende Anfang September 2001 Hauptverhandlungstermine auf den 26. und 28. November 2001. Die Ladung wurde dem Angeklagten am 5. September 2000 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 11. September 2001 teilte Rechtsanwältin F. mit, dass sie den Angeklagten nicht mehr vertrete. Rechtsanwalt M. zeigte mit Schriftsatz vom 12. September 2001 die Übernahme der Verteidigung an, teilte seine urlaubsbedingte Verhinderung in der 47. und 48. KW mit und bat um Terminsverlegung auf "frühestens Mitte Dezember". Außerdem wies er darauf hin, dass er sich in das "umfangreiche Verfahren" noch einarbeiten müsse.

Mit Verfügung vom 17. September 2001 lehnte der Vorsitzende eine Terminsverlegung ab und führte zur Begründung aus:

"Zwar ist das Interesse des Angeklagten zu sehen, durch den Anwalt seines Vertrauens verteidigt zu werden. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass der Termin mit der damaligen Verteidigerin abgesprochen worden war. Diese Absprache gestaltete sich wegen einer Vielzahl anderweitiger Termine bei der Nebenklägervertreterin und der Sachverständigen äußerst schwierig. Eine Neuterminierung würde deshalb voraussichtlich zu einer deutlichen Verzögerung führen, was dem Beschleunigungsgebot widersprechen würde. Unabhängig davon wäre ein neuer Termin in Anbetracht der angespannten Geschäftslage der Kammer auch in diesem Jahr nicht mehr möglich.

Im übrigen ist eine Einarbeitungszeit von mehr als 2 Monaten in der vorliegenden Sache aber auch ausreichend. Sofern der neue Verteidiger seinen Urlaub nicht rückgängig machen kann, wird ein Pflichtverteidiger bestellt werden müssen."

Am selben Tag schrieb der Vorsitzende den Angeklagten an und gab ihm gemäß § 142 Abs. 1 S. 2 StPO Gelegenheit, binnen einer Woche einen anderen Rechtsanwalt zu bezeichnen.

Mit Schriftsatz vom 24. September, dem erstmals eine auf den 18. September 2001 datierte Vollmacht beigefügt war, teilte Rechtsanwalt M. mit, sein Mandant habe sich bewusst für die 2. Instanz einen neuen Verteidiger gesucht, von dem er jetzt auch verteidigt werden wolle, und beabsichtige deshalb nicht, einen anderen Verteidiger zu benennen. Auch auf seine des Verteidigers Terminsplanung müsse Rücksicht genommen werden.

Am 26. September 2001 bestellte der Vorsitzende Rechtsanwalt H. zum Verteidiger.

Mit Schriftsatz 1. Oktober 2001, bei Gericht eingegangen am 9. Oktober, hat Rechtsanwalt M. namens seines Mandanten "sowie für mich selbst" gegen die Ablehnung der Terminsverlegung und für den Angeklagten gegen die Bestellung von Rechtsanwalt H. Beschwerde eingelegt. Im Wesentlichen trägt er vor, es sei zu beanstanden, dass der Termin nicht mit ihm abgestimmt sei. Das Recht des Angeklagten, jederzeit einen Verteidiger seiner Wahl zu bestimmen, werde eingeschränkt, wenn er - Rechtanwalt M. - das Mandat wegen urlaubsbedingter Verhinderung , die schon vor der Terminsbestimmung festgestanden habe, nicht werde wahrnehmen können. Nach abgeschlossener erster Instanz müssten die Interessen des erst jetzt bevollmächtigten Verteidigers "verstärkt Berücksichtigung finden". Angesichts der bisherigen Verfahrensdauer würde eine Terminsverlegung auch ins kommende Jahr nicht wesentlich ins Gewicht fallen. Eine Umterminierung erfordere nur einen verhältnismäßig geringfügigen Aufwand.

II.

1.

Die Rechtsmittel des Verteidigers gegen die Verfügung des Vorsitzenden vom 17. September 2001 ist mangels Beschwer unzulässig und mit der sich aus § 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge zu verwerfen.

2.

Der Senat hält an der ständigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Koblenz fest, dass es sich sowohl bei der Terminsbestimmung als auch bei der Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags um Entscheidungen in Sinne des § 305 S. 1 StPO handelt, die der Anfechtung im Wege der Beschwerde entzogen sind ( Beschluss vom 3.11.89 - 2 Ws 621/89; Beschluss vom 15.5.97 - 1 Ws 297/97).

Ob etwas anderes gilt, wenn mit der Terminsverfügung verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden oder aus sonstigen Gründen die Rechtswidrigkeit der Ermessensentscheidung des Vorsitzenden "evident" ist ( OLG Hamburg, StV 95,11 m.w.N.), bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

Die zum Terminsverlegungsantrag führende Situation ist allein dadurch entstanden, dass der Angeklagte, der seit mehr als 2 Jahren mit der Durchführung der Berufungshauptverhandlung rechnen muss, erst nach der Zustellung der Ladung am 5. September 2001 den Verteidiger gewechselt und eine Rechtsanwalt beauftragt hat, dessen Verhinderung bei Mandatsübernahme bereits feststand. Da auch offensichtlich kein langjähriges besonderes Vertrauensverhältnis vorliegt, kann von einen einem "evidenten" Ermessensfehlgebrauch des Vorsitzenden keine Rede sein.

Die Beschwerde des Angeklagten ist folglich mit der sich aus § 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge als unzulässig zu verwerfen.

3.

Die Beschwerde des Angeklagten gegen die Bestellung von Rechtsanwalt H. ist auf seine Kosten als unbegründet zu verwerfen. Da ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO) und der Wahlverteidiger angekündigt hat, nicht an der Hauptverhandlung teilzunehmen, war die Bestellung eines anderen Verteidigers unerlässlich.

Ende der Entscheidung

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