Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 20.11.2001
Aktenzeichen: 1 Ws 1421/01
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 140
Die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers für einen abgeschlossenen Verfahrensabschnitt ist auch dann unzulässig, wenn der Antrag auf Beiordnung bereits vor Abschluss des Verfahrens angebracht, jedoch nicht beschieden worden ist. Es ist Sache des Verteidigers, sich rechtzeitig Gewissheit zu verschaffen, ob und wie der Beiordnungsantrag beschieden wurde.
Geschäftsnummer: 1 Ws 1421/01

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Beschluss

In der Strafvollstreckungssache

gegen

wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern

hier: Bestellung eines Pflichtverteidigers für das Vollstreckungsverfahren

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Tzschoppe, den Richter am Oberlandesgericht Völpel und die Richterin am Oberlandesgericht Hardt

am 20. November 2001 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Untergebrachten gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 8. Strafkammer - Strafvollstreckungskammer - des Landgerichts Mainz vom 1. Februar 2001 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer ist seit dem 24. März 1995 im Maßregelvollzug nach § 63 StGB untergebracht. Für die jährlichen Überprüfungen nach § 67 e StGB, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt werden kann, wurde ihm in den Jahre 1998, 1999 und 2000 Rechtsanwalt L. bzw. der in derselben Kanzlei tätige Rechtsanwalt B. als Pflichtverteidiger beigeordnet.

Nachdem die Strafvollstreckungskammer Termin zur Anhörung des Verurteilten und des Sachverständigen auf den 5. Februar 2001 bestimmt hatte (Bl. 276 d.A.), beantragte Rechtsanwalt L. mit am 30. Januar 2001 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz namens und in Vollmacht des Untergebrachten seine Beiordnung. Mit Beschluss vom 1. Februar 2001 hat der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Mainz den Antrag als unbegründet zurückgewiesen (Bl. 280 ff d.A.). Der Beschluss ist dem Verteidiger nicht übersandt worden (s. Bl. 279 d.A.).

An dem Anhörungstermin vom 5. Februar 2001 hat Rechtsanwalt L. teilgenommen (Bl. 283 d.A.). Am selben Tag hat die Strafvollstreckungskammer beschlossen, dass die Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus fortzudauern hat (Bl. 285 ff d.A.). Die dagegen mit eigenem und mit Verteidigerschriftsatz eingelegte sofortige Beschwerde des Untergebrachten hat der Senat durch Beschluss vom 5. Juni 2001 als unbegründet verworfen (Bl. 307 d.A.).

Nachdem Rechtsanwalt L. mit Schriftsatz vom 4. September 2001 an die Erledigung seines Kostenfestsetzungsantrags erinnert hatte (Bl. 316 d.A.), wies der Rechtspfleger ihn am 18. September 2001 darauf hin, dass sein Beiordnungsantrag abgelehnt worden sei (Bl. 319 d.A.). Mit Schriftsätzen vom 20. September 2001 und vom 27. September 2001 legte der Verteidiger namens des Untergebrachten Beschwerde gegen den Beschluss vom 1. Februar 2001 ein (Bl. 320, 326 d.A.), der der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 16. Oktober 2001 nicht abgeholfen hat.

II.

Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Beiordnung ist als unzulässig zu verwerfen, da sie bereits zum Zeitpunkt der Einlegung wegen prozessualer Überholung unzulässig war (vgl. OLG Düsseldorf wistra 92, 320; Senatsbeschlüsse vom 28. Januar 1997 - 1 Ws 846/96 - und vom 23. April 1998 - 1 Ws 237/98 -). Nach dem rechtskräftigen Abschluss der im Februar 2001 anstehenden jährlichen Überprüfung nach § 67 e StGB kam eine nachträgliche und mit Rückwirkung versehene Pflichtverteidigerbestellung für diesen Verfahrensabschnitt nicht mehr in Betracht. Die Beiordnung nach § 140 StPO erfolgt nicht im Kosteninteresse, sondern allein zur Wahrung der Belange des Angeklagten oder des Verurteilten und im Interesse der Rechtsfindung. Diese Interessenlage besteht nicht mehr, wenn das Verfahren abgeschlossen oder die Verhandlung, für die die Bestellung des Pflichtverteidigers allein in Betracht kam, bereits durchgeführt ist. Eine nachträgliche Bestellung würde ausschließlich dem verfahrensfremden Zweck dienen, dem Verteidiger für einen bereits abgeschlossenen Verfahrensabschnitt einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu verschaffen, nicht jedoch eine noch notwendige ordnungsgemäße Verteidigung zu gewährleisten (BGH StV 97, 238; StV 89, 378; OLG Düsseldorf NStZ 84, 43; JMBlNW 98, 22; OLG Karlsruhe RPfl 86, 149 alle m.w.N.). Die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers für einen abgeschlossenen Verfahrensabschnitt ist auch dann unzulässig, wenn der Antrag auf Beiordnung bereits vor Abschluss des Verfahrens angebracht worden ist (Senat a.a.O.; OLG Karlsruhe a.a.O.; OLG Düsseldorf JMBlNW 98, 22; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Auflage § 141 Rdn. 8 m.w.N.). Der Verteidiger hätte sich rechtzeitig Gewissheit verschaffen müssen, ob und wie der Beiordnungsantrag beschieden worden ist.

Ein Rechtsschutzinteresse an nachträglicher Feststellung, dass die Ablehnung der Pflichtverteidigerbestellung rechtswidrig gewesen sei, besteht nicht (Senatsbeschluss vom 23. April 1998 - 1 Ws 237/98 -).

Kosten: § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

Zurück