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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 15.05.2002
Aktenzeichen: 1 Ws 269/02
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 453 II 3
StPO § 462 I
Erfolgte die Einlieferung des Verurteilten in die dem Ort des ersten Zugriffs nächstgelegenen Justizvollzugsanstalt von vornherein mit der Maßgabe, ihn mit dem nächsten Sammeltransport in die zuständige Justizvollzugsanstalt zu verlegen, so liegt eine Aufnahme im Sinne des § 462 a Abs. 1 StPO nicht vor.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 1 Ws 269/02 VRs 2879/00 StA Kaiserslautern

In der Strafvollstreckungssache

wegen räuberischer Erpressung hier: Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Tzschoppe, den Richter am Oberlandesgericht Summa und die Richterin am Oberlandesgericht Hardt

am 15. Mai 2002 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft K. gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts K. vom 11. März 2002 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts K. für die Entscheidung über den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der Strafaussetzung aus dem Urteil des Amtsgerichts K. vom 11. April 2000 für örtlich unzuständig erklärt wird.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

I.

Durch Urteil des Amtsgerichts K. vom 11. April 2000, das seit dem selben Tag rechtskräftig ist, wurde gegen den Verurteilten wegen räuberischer Erpressung eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt, deren Vollstreckung auf die Dauer von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Nach einer Haftverbüßung bis zum 30. Oktober 2000 in anderer Sache in der Justizvollzugsanstalt T. verübte der Verurteilte am 24. November 2000 erneut in K. Straftaten. Er wurde dieserhalb am selben Tag festgenommen und befand sich bis zur Verkündung des Urteils des Amtsgerichts K. am 13. Februar 2001 - 6310 Js 16836/00/6010 VRs 1330/01 StA K. -, durch das er wegen Betrugs und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wurde, in der Justizvollzugsanstalt K. in Untersuchungshaft. Die der Verurteilung zugrundeliegende Anklageschrift vom 18. Dezember 2000 war am 21. Dezember 2000 zum vorliegenden Bewährungsheft gelangt. Die seit dem 23. Februar rechtskräftige Verurteilung lag am 17. April 2001 dem die Bewährungsaufsicht führenden Amtsgericht K. vor.

Am 10. Mai 2001 beantragte die Staatsanwaltschaft gestützt auf die neuerliche Verurteilung den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung. Den Antrag nahm sie mit Schreiben vom 4. Juli 2001, das am 12. Juli 2001 beim Amtsgericht K. eingegangen ist, offensichtlich in Unkenntnis von der inzwischen in anderer Sache erfolgten Inhaftierung des Verurteilten zurück und beantragte beim Amtsgericht K. den Erlass eines Sicherungshaftbefehls.

Am 26. Juni 2001 war der Verurteilte, der seit seiner Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt K. am 13. Februar 2001 ohne festen Wohnsitz war, aufgrund der Vollstreckungshaftbefehle der Staatsanwaltschaft K. vom 25. April 2001 in dem bereits bezeichneten Verfahren 6010 VRs 1330/01 und vom 23. Mai 2001 in dem Verfahren VRs 3240/98 StA K. (Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe von 29 Tagessätzen aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts K. vom 30. Januar 2001) im städtischen Männerwohnheim in K. festgenommen worden und in die nächstliegende Justizvollzugsanstalt K. eingeliefert worden. Der Vollstreckungshaftbefehl vom 25. April 2001 bezeichnet die Justizvollzugsanstalt K. als die zuständige Haftanstalt, an die auch das Aufnahmeersuchen vom 10. April 2001 in jenem Vollstreckungsverfahren gerichtet war. Der Vollstreckungshaftbefehl vom 23. April 2001 bezeichnete die zuständige Vollzugsanstalt nicht. Am 5. Juli 2001 richtete die Staatsanwaltschaft K. auch in dem diesem Haftbefehl zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren ein Aufnahmeersuchen an die Justizvollzugsanstalt K..

Von der Justizvollzugsanstalt K. wurde der Verurteilte am 3. Juli 2001 in die Justizvollzugsanstalt K. und von dort am 5. Juli 2001 in die wegen der Höhe der seinerzeit zu vollstreckenden Freiheitsstrafen in insgesamt drei Vollstreckungsverfahren (in dem weiteren Verfahren 2124 VRs 2878/01 StA K., in dem eine Freiheitsstrafe von einem Jahr zu vollstrecken war, lag weder ein Aufnahmeersuchen noch ein Vollstreckungshaftbefehl vor) nach dem Vollstreckungsplan zuständige Justizvollzugsanstalt Zweibrücken verlegt. Von dort wurde er am 27. Juli 2001 aus Trennungsgründen in die Justizvollzugsanstalt K. zurückverlegt, wo er sich auch heute noch befindet.

Mit Verfügung vom 23. August 2001 leitete das Amtsgericht K. vorliegende Bewährungssache der Staatsanwaltschaft K. zur Weiterleitung an die zuständige Strafvollstreckungskammer zu. Am 4. September 2001 beantragte sie bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Z. den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung. Diese leitete die Akten mit Verfügung vom 28. September 2001 mit der Begründung zurück, sie sei für die Entscheidung über den Bewährungswiderruf wegen der Rücknahme des ersten Widerrufsantrags vom 10. Mai 2001 unzuständig. Mit dem neuen Widerrufsantrag sei sie nie befasst gewesen, da sich der Verurteilte seit dem 27. Juli 2001 in der Justizvollzugsanstalt K. befinde.

Auch die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts K. sandte die ihr zur Entscheidung über den Bewährungswiderruf vorgelegten Akten mit Verfügung vom 25. Oktober 2001 an die Staatsanwaltschaft zurück und vertrat die Auffassung, zuständig sei die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts K., weil bei der "Aufnahme" des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt K. am 26. Juni 2001 Tatsachen aktenkundig gewesen seien, die den Widerruf der Strafaussetzung rechtfertigen könnten.

Mit Verfügung vom 23. Januar 2002 leitete auch die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts K. die Akten ohne Entscheidung der Staatsanwaltschaft wieder zu und vertrat die Auffassung, der Verurteilte habe sich nur kurzfristig in der Justizvollzugsanstalt K. befunden. Im Übrigen sei der erste Widerrufsantrag zurückgenommen und der neue Widerrufsantrag erst gestellt worden, nachdem der Verurteilte in die Justizvollzugsanstalt K. aufgenommen gewesen sei.

Die Staatsanwaltschaft K. übersandte die Akten daraufhin mit Verfügung vom 20. Februar 2002 erneut an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts K. zum Erlass einer beschwerdefähigen Entscheidung.

Durch Beschluss vom 11. März 2002 wies diese den Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft vom 4. September 2001 mit der Begründung zurück, sie sei zur Entscheidung nicht zuständig. Gegen den ihr am 14. März 2002 zugestellten Beschluss wendet sich die Staatsanwaltschaft K. mit der am 21. März 2002 bei Gericht eingegangenen Beschwerde.

II.

1.

Da das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft innerhalb der für die sofortige Beschwerde gemäß § 311 Abs. 2 StPO geltenden Wochenfrist eingelegt worden ist, kann offen bleiben, ob gegen die Ablehnung des Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung grundsätzlich oder nur bei sachlicher Prüfung der Widerrufsvoraussetzungen die sofortige Beschwerde nach § 453 Abs. 2 S. 3 StPO (vgl. OLG Hamburg MDR 90, 564; OLG Stuttgart NStZ 95, 53; OLG Zweibrücken OLGSt § 462 a StPO Nr. 16; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Auflage § 453 Rdn. 13) oder die einfache Beschwerde nach § 453 Abs. 2 S. 1 und 2 StPO (OLG Köln NStZ 95, 151) der statthafte Rechtsbehelf ist.

2.

Das Rechtsmittel hat im Ergebnis keinen Erfolg.

Die Strafvollstreckungskammer hat eine Sachentscheidung über die Widerrufsfrage, auch wenn der Tenor des angefochtenen Beschlusses darauf hindeutet, nicht getroffen und lediglich ihre örtliche Zuständigkeit verneint. Zur Vermeidung von Zweifeln über die Bestandskraft der Ablehnung des Widerrufs der Strafaussetzung hat der Senat im Tenor der Beschwerdeentscheidung klargestellt, dass nicht der Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen wird, sondern die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts K. lediglich zur Entscheidung nicht örtlich zuständig ist.

Gemäß § 462 a Abs. 1 S. 1 StPO ist für Nachtragsentscheidungen über die Strafaussetzung zur Bewährung die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Justizvollzugsanstalt liegt, in die der Verurteilte zum Zeitpunkt, in dem das Gericht befasst wird, aufgenommen ist. Befasst mit der Sache im Sinne der Vorschrift ist das Gericht bei Entscheidungen, die nur auf Antrag ergehen, zu dem Zeitpunkt, in dem der Antrag bei Gericht eingeht (BGH NStZ 96, 23). Bei Entscheidungen, die wie vorliegend die über den Widerruf der Strafaussetzung von Amts wegen ergehen, ist für das Befasstsein des Gerichts der Zeitpunkt maßgebend, in dem es tätig werden musste. Bei der Widerrufsentscheidung ist das der Tag, an dem Tatsachen aktenkundig werden, die den Widerruf der Strafaussetzung rechtfertigen können (BGHSt 26, 187, 188; 30, 189, 191; NStZ 97, 406, 407; NStZ 00, 391; Senat vom 5. November 2001 - 1 Ws 1399, 1400/01 -). Dies war hier spätestens der Fall, nachdem das Urteil des Amtsgerichts K. vom 13. Februar 2001 am 17. April 2001 zu den Akten in vorliegendem Bewährungsverfahren gelangt war. Es kann dahinstehen, ob bereits der Eingang der Anklageschrift vom 18. Dezember 2000, ausweislich derer der Verurteilte nicht geständig gewesen ist, zu einer Befassung mit der Widerrufsfrage geführt hat. Da sich der Verurteilte zu dieser Zeit nicht in Strafhaft, sondern in Untersuchungshaft befunden hat, blieb das Amtsgericht K. in dieser Zeit für die Bewährungsaufsicht zuständig. Für die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer ist es nicht entscheidend, dass diese keine Kenntnis davon hatte, dass die Frage des Bewährungswiderrufs zu prüfen war. Insofern genügt die Befassung des Gerichts, das allgemein für die Entscheidung zuständig sein kann (BGH NStZ 00, 391; BGHR StPO 462 a Abs. 1 Befasstsein 3).

Die örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts K. könnte sich aber nur dann ergeben, wenn der Verurteilte in diese Vollzugsanstalt aufgenommen worden wäre. Das ist jedoch nach Befassung mit der Widerrufsfrage nicht der Fall gewesen. Der Verurteilte wurde zwar nach seiner Festnahme am 26. Juni 2001 noch am selben Tag in die Justizvollzugsanstalt K. verbracht. Eine Aufnahme i.S.d. § 462 a Abs. 1 StPO lag jedoch bis zu seiner Verschubung in die Justizvollzugsanstalt K. am 3. Juli 2001 nicht vor. Da der Vollstreckungshaftbefehl der Staatsanwaltschaft K. vom 25. April 2001 in eindeutiger Weise die Justizvollzugsanstalt K. als die zuständige Haftanstalt bezeichnet und auch das Aufnahmeersuchen vom 10. April 2001 an sie gerichtet war, erfolgte die Einlieferung in die Justizvollzugsanstalt K. von vornherein mit der Maßgabe, den Verurteilten mit dem nächsten Sammeltransport in die zuständige Justizvollzugsanstalt zu verlegen. Dem steht nicht entgegen, dass der weitere Vollstreckungshaftbefehl der Staatsanwaltschaft K. vom 23. Mai 2001 keine zuständige Justizvollzugsanstalt bezeichnet. Eine Zuständigkeit der Justizvollzugsanstalt K. kam eindeutig nicht in Betracht. Zuständige Vollstreckungsbehörde war die Staatsanwaltschaft K.. Der Verurteilte war zufällig in K. festgenommen worden, wo er - wie sein Aufenthalt in einem städtischen Männerwohnheim belegt - keinen festen Wohnsitz hatte. Lediglich aus organisatorischen Gründen war er von der Polizei in die nächstgelegene Justizvollzugsanstalt gebracht worden. Dementsprechend richtete die Staatsanwaltschaft ihr Aufnahmeersuchen am 5. Juli 2001 auch insoweit an die Justizvollzugsanstalt K.. Der Aufenthalt des Verurteilten in der Justizvollzugsanstalt K. war damit nur vorläufig und kurzzeitig befristet. Er stellt keine Aufnahme zum Zwecke der Strafvollstreckung i.S.d. § 462 a Abs. 1 StPO dar (Senat vom 15. April 2002 - 1 Ws 283, 284/02 - und 11. Dezember 1997 - 1 Ws 757/97 -; 2. Strafsenat vom 30. Juni 1997 - 2 Ws 406/97 - und 18. Dezember 1996 - 2 Ws 876/96 -; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Auflage § 462 a Rdn. 5 m.w.N.; KK-Fischer, StPO, 4. Auflage § 462 a Rdn. 15; LR-Wendisch, StPO, 25. Auflage § 462 a Rdn. 13; vgl. auch BGHSt 38, 63, 64 und BGHR StPO § 462 a Abs. 1 Aufnahme 1 zur vorübergehenden Verlegung in ein Justizvollzugskrankenhaus oder zur Wahrnehmung eines Gerichtstermins).

Der Senat weist darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft den Zuständigkeitsstreit zwischen den Strafvollstreckungskammern der Landgerichte K. und Z. im Verfahren nach § 14 StPO durch das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken oder, falls sie nach wie vor die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts K. für gegeben erachtet, durch den Bundesgerichtshof klären lassen kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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