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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 14.07.2003
Aktenzeichen: 1 Ws 293/03
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 109
StVollzG § 112
StVollzG § 115 III
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen auch nachträglich ein Interesse an der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit. Zwar wird im vorliegenden Fall nicht die Freiheitsentziehung als solche beanstandet. Wohl aber richtet sich die Beanstandung gegen eine besonders einschneidende Art und Weise der zeitweiligen Unterbringung des Beschwerdeführers während des Strafvollzuges. Steht insoweit eine Verletzung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) in Frage, dann muss ein Rechtsschutzbegehren zur nachträglichen gerichtlichen Überprüfung zulässig sein.

2. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gebietet den Gerichten, das Verfahrensrecht so anzuwenden, dass den erkennbaren Interessen des rechtsschutzsuchenden Bürgers bestmöglich Rechnung getragen wird. Statthafte Rechtsbehelfe dürfen nicht durch eine zu enge Auslegung und Anwendung prozessualer Regeln, wie der Annahme der prozessualen Überholung, leer laufen.


Geschäftsnummer: 1 Ws 293/03

In der Strafvollzugssache

wegen Steuerhehlerei

hier: Haftbedingungen in einer Gemeinschaftsunterkunft

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch die Richter am Oberlandesgericht Völpel und Summa und die Richterin am Oberlandesgericht Hardt

am 14. Juli 2003 beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Trier in Wittlich vom 10. April 2003 wird aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer verbüßte vom 14. Dezember 2000 bis zum 15. November 2002 in der Justizvollzugsanstalt Wittlich einen Teil einer 3-jährigen Freiheitsstrafe. In den ersten Monaten des Jahres 2001 (nach seinem Vorbringen vom 10. Januar bis 18. April; nach Angaben der Anstalt ab 24. Januar) war er zusammen mit einem weiteren Strafgefangenen in einem Haftraum untergebracht, der nach seiner bis heute unwidersprochenen Behauptung eine Grundfläche von etwa 8 m² hatte und in der sich ein nicht verkleidetes, nicht gesondert entlüftetes Klosett in unmittelbarer Nähe von Esstisch und Schlafplätzen befand. Unklar ist, ob die Gemeinschaftsunterbringung mit seiner Zustimmung erfolgte (siehe S. 2 der Stellungnahme der Anstalt vom 4. April 2003 einerseits, S. 3 der Stellungnahme des Ministeriums der Justiz vom 3. Juni 2003 andererseits).

Ende März 2003 beantragte der Beschwerdeführer bei der Strafvollstreckungskammer, festzustellen, "daß die Unterbringung ... in einem mit insgesamt zwei Personen belegten Haftraum mit einer Grundfläche von etwa 8 m² und unverkleidetem, nicht gesondert entlüftetem Klosett in unmittelbarer Nähe von Eßtisch und Schlafplätzen ... rechtswidrig war."

Unter Schilderung weiterer Einzelheiten und Hinweisen auf Rechtsprechung (wie OLG Frankfurt, StV 86, 27) legte er seine Auffassung dar, eine derartige Unterbringung sei "unmenschlich, erniedrigend und menschenunwürdig". Außerdem diene der Feststellungsantrag der Vorbereitung einer Staatshaftungsklage.

Mit Beschluss von 10. April 2003 hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig verworfen und ausgeführt:

"Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 109 StVollzG ist unzulässig.

Gemäß § 112 Abs. 1 StVollzG muss der Antrag binnen zwei Wochen nach Zustellung oder schriftlicher Bekanntgabe der Maßnahme oder ihre Ablehnung schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Gerichts gestellt werden. In sinngemäßer Anwendung dieser Vorschrift hätte der Verurteilte in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang zu der angegriffenen Maßnahme tätig werden müssen. Da er dies nicht tat, ist der Antrag verfristet. Darüber hinaus fehlt nach Ansicht des Gerichtes auch das Rechtschutzbedürfnis, insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine Wiederholungsgefahr beim Verurteilten, der am 15.11.2002 entlassen worden war, nicht bestehen dürfte.

Nur am Rande bemerkt sei festgestellt, dass der Antrag auch unbegründet ist. Zwar bestimmt § 18 Abs. 1 Satz 1 StVollzG, dass Gefangene während der Ruhezeit allein in ihren Hafträumen unter gebracht werden. In Abweichung davon bestimmt jedoch § 201 Nr. 3 StVollzG, dass Gefangene während der Ruhezeiten auch gemeinsam untergebracht werden dürfen, solange die räumlichen Verhältnisse der Anstalt dies erfordern. Diese Übergangsbestimmung gilt für solche Anstalten, mit deren Errichtung vor dem 01.01.1977 begonnen wurde (Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 8. Auflage 2000, 201 StVollzG, Rndnr. 3). Ausweislich der Stellungnahme der JVA Wittlich wurde diese in den Jahren 1897 - 1902 erbaut, so dass die Übergangsvorschrift Anwendung findet. Da die räumlichen Verhältnisse der Anstalt die gemeinsame Unterbringung erfordert haben, liegt ein Verstoß gegen § 18 StVollzG somit nicht vor."

II.

Die hiergegen gerichtete Rechtbeschwerde des ehemaligen Strafgefangenen Kurenbach ist zulässig, weil es geboten ist, die angefochtene Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen, den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts genügenden Rechtsprechung zu § 115 Abs. 3 StVollzG zu überprüfen. Sie ist auch begründet.

1.

Mit Beschluss vom 5. Dezember 2001 (2 BvR 527/99 u.a. in: www.bundesverfassungsgericht.de/cgi-bin/link.pl?entscheidungen) hat das Bundesverfassungsgericht zur Frage der nachträglichen gerichtlichen Überprüfung von Abschiebehaftanordnungen ausgeführt, es sei zwar grundsätzlich nicht zu beanstanden, "wenn die Fachgerichte bei Erledigung des Verfahrensgegenstandes einen Fortfall des Rechtsschutzinteresses annehmen", dann jedoch festgestellt:

" ...

Darüber hinaus kommt ein trotz Erledigung fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in Fällen tief greifender Grundrechtseingriffe in Betracht. Hierunter fallen vornehmlich solche, die schon das Grundgesetz - wie in den Fällen der Art. 13 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 2 und 3 - unter Richtervorbehalt gestellt hat (vgl. BVerfGE 96, 27 <40>). Bei derart schwerwiegenden Grundrechtseingriffen hat das Bundesverfassungsgericht ein durch Art. 19 Abs. 4 GG geschütztes Rechtsschutzinteresse in Fällen angenommen, in denen die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung gegebenen Instanz kaum erlangen kann. Dies hat der Senat für Fälle der Wohnungsdurchsuchung aufgrund richterlicher Durchsuchungsanordnung bejaht (vgl. BVerfG, a.a.O.). Im Anschluss hieran haben die Kammern des Bundesverfassungsgerichts ein Rechtsschutzinteresse trotz so genannter prozessualer Überholung etwa bei erledigtem polizeirechtlichen Unterbindungsgewahrsam (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Juni 1997 - 2 BvR 126/91 -, EuGRZ 1997, S. 374 und Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Februar 1999 - 2 BvR 804/97 -, NJW 1999, S. 3773) und bei der vorläufigen gerichtlich angeordneten Unterbringung psychisch auffälliger Personen nach § 70h FGG (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Mai 1998 - 2 BvR 978/97 -, NJW 1998, S. 2432) angenommen. Auch die Verwaltungsgerichte bejahen im Rahmen der Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO teilweise ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse (sog. Fortsetzungsfeststellungsinteresse) in Fällen, in denen der angegriffene Verwaltungsakt sich typischerweise kurzfristig erledigt (vgl. die Nachweise bei Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., § 113 Rn. 145 m.w.N.).

...

Der Bundesgerichtshof (BGHZ 139, 254) hat insoweit darauf hingewiesen, dass die Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei typischem Verfahrensablauf in der Lage seien, über Rechtsmittel gegen die Anordnung von Haft zur Sicherung der Abschiebung innerhalb der Haftdauer zu entscheiden. Hierauf kommt es jedoch bei Eingriffen in das Grundrecht der Freiheit der Person nicht maßgeblich an.

Das Recht auf Freiheit der Person hat unter den grundrechtlich verbürgten Rechten einen besonders hohen Rang (vgl. BVerfGE 32, 87 <92>; 65, 317 <322>; Grabitz, Freiheit der Person, in HStR VI, § 130 Rn. 1). Jede Inhaftierung greift in schwerwiegender Weise in dieses Recht ein. Schon dies lässt in aller Regel auch nach Erledigung des Eingriffs ein Interesse des Betroffenen an - auch nachträglicher - Feststellung der Rechtswidrigkeit als schutzwürdig erscheinen. Es kommt hinzu, dass ein Rechtsschutzinteresse für eine (nachträgliche) Feststellung der Rechtswidrigkeit, dem im Rahmen von Art. 19 Abs. 4 GG Rechnung zu tragen ist, anerkanntermaßen auch aus dem diskriminierenden Charakter einer Maßnahme folgen kann (vgl. Schenke, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 142 m.w.N.; Schmidt-Aßmann, in: Maunz-Dürig, Grundgesetz, Art. 19 Abs. 4 Rn. 245). In der Verwaltungsgerichtsbarkeit wird ein Rechtsschutzbedürfnis nach Erledigung einer Maßnahme im Sinn eines Rehabilitierungsinteresses bejaht, wenn die begehrte Feststellung, dass ein Verwaltungsakt rechtswidrig war, als "Genugtuung" oder zur Rehabilitierung erforderlich ist, weil der Verwaltungsakt diskriminierenden Charakter hatte und das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen beeinträchtigte (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., § 113 Rn. 142 m.w.N.).

Ein Freiheitsverlust durch Inhaftierung indiziert ein solches Rehabilitierungsinteresse. Eingriffe in die körperliche Bewegungsfreiheit, mit denen der Staat auf festgestelltes, begründeterweise vermutetes oder zu besorgendes rechtswidriges Verhalten des Einzelnen reagiert, berühren den davon Betroffenen, auch wenn sie nicht mit einer strafrechtlichen Unwerterklärung verbunden sind, im Kern seiner Persönlichkeit (vgl. auch BVerwGE 62, 317 <322>).

...

Die Gewährung von Rechtsschutz kann im Hinblick auf das bei Freiheitsentziehungen bestehende Rehabilitierungsinteresse weder vom konkreten Ablauf des Verfahrens und dem Zeitpunkt der Erledigung der Maßnahme noch davon abhängen, ob in Abschiebungshaftfällen Rechtsschutz typischerweise noch vor Beendigung der Haft erlangt werden kann."

...

Nach der Funktionenteilung zwischen Fach- und Verfassungsgerichtsbarkeit obliegt es nämlich zuvörderst den Fachgerichten, die Grundrechte zu wahren und durchzusetzen (vgl. BVerfGE 47, 182 <191>; 49, 252 <258>; 63, 77 <79>; 73, 322 <327>; 96, 27 <40>; stRspr). Ein Beschwerdeführer, der von einer Haftanordnung schwerwiegend im Schutzbereich seines Freiheitsgrundrechts betroffen ist, darf nicht darauf verwiesen werden, erst und nur im Wege der Verfassungsbeschwerde effektiven Grundrechtsschutz einzufordern, sofern das Prozessrecht eine weitere fachgerichtliche Instanz eröffnet.

(alle Hervorhebungen durch Senat)

2.

In einem Fall, in dem es wie hier um die Behauptung menschenunwürdiger Unterbringung eines Strafgefangenen in einem mit 2 Personen belegten Haftraum (8 qm Grundfläche, sanitären Einrichtungen - ein Waschbecken und ein Klosett - ohne räumliche Abtrennung) ging, hat das Bundesverfassungsgericht, gestützt auf die vorstehend zitierten Grundsätze, zum nachträglichen Feststellungsinteresse ausgeführt (Beschl. v. 13.3.02 - 2 BvR 261/01, siehe auch Beschl. v. 27.2.02 - 2 BvR 553/01; beide in: www.bundesverfassungsgericht.de/cgi-bin/link.pl?entscheidungen):

"Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde ... zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung von Grundrechten des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Kammer ist auch zur Entscheidung berufen, da die zulässige Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht namentlich durch den Beschluss des Zweiten Senats vom 5. Dezember 2001 - 2 BvR 527/99, 1337/00 und 1777/00 - bereits entschieden (§§ 93b Satz 1, 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Das Rechtsschutzinteresse ist nicht dadurch entfallen, dass die beanstandete Unterbringungssituation nicht mehr besteht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen auch nachträglich ein Interesse an der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit (vgl. Beschluss des Zweiten Senats a.a.O.). Zwar wird im vorliegenden Fall nicht die Freiheitsentziehung als solche beanstandet. Wohl aber richtet sich die verfassungsrechtliche Beanstandung gegen die besonders einschneidende Art und Weise der zeitweiligen Unterbringung des Beschwerdeführers während des Strafvollzuges. Steht insoweit eine Verletzung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) in Frage, dann muss ein Rechtsschutzbegehren zur nachträglichen gerichtlichen Überprüfung zulässig sein. Zudem kann der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Frage weit reichende Bedeutung zukommen (vgl. Dünkel/Morgenstern, Überbelegung im Strafvollzug - Gefangenenraten im internationalen Vergleich, in: Grundfragen staatlichen Strafens, Festschrift für Müller-Dietz, 2001, S. 133 ff.).

...

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 19 Abs. 4 GG nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen; er garantiert vielmehr auch die Effektivität des Rechtsschutzes. Der Bürger hat einen substanziellen Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle (stRspr; vgl. BVerfGE 96, 27 <39>; 100, 313 <364>; 101, 397 <407>; Beschluss des Zweiten Senats vom 5. Dezember 2001 - 2 BvR 527/99, 1337/00 und 1777/00 -). Der Zugang zu den staatlichen Gerichten darf nicht in einer Weise erschwert werden, die sich aus Sachgründen nicht rechtfertigen lässt. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gebietet daher den Gerichten, das Verfahrensrecht so anzuwenden, dass den erkennbaren Interessen des rechtsschutzsuchenden Bürgers bestmöglich Rechnung getragen wird. Statthafte Rechtsbehelfe dürfen nicht durch eine zu enge Auslegung und Anwendung prozessualer Regeln, wie der Annahme der prozessualen Überholung, leer laufen (vgl. BVerfGE 96, 27 <39>). Die Fachgerichte haben auch mit Rücksicht auf die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde die zuvörderst ihnen übertragene Gewährleistung effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes zu erfüllen.

Ein berechtigtes Interesse des Bürgers an der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit einer hoheitlichen Maßnahme, die in Grundrechte eingreift, besteht unter anderem dann, wenn die Maßnahme diskriminierend wirkt (vgl. Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Dezember 2001 - 2 BvR 527/99, 1337/00 und 1777/00 -). In solchen Fällen ist auch nach Erledigung der Maßnahme ein Rehabilitationsinteresse des Betroffenen anzuerkennen. Das Landgericht hat angenommen, die Unterbringung des Beschwerdeführers zusammen mit einem weiteren Gefangenen in einem Einzelhaftraum wirke nicht diskriminierend. Dies trifft auf verfassungsrechtliche Bedenken, da die Art der Unterbringung des Strafgefangenen dessen Menschenwürde verletzen kann (Art. 1 Abs. 1 GG). In der fachgerichtlichen Rechtsprechung ist bereits darauf hingewiesen worden, dass der Unterbringung in kleinen Hafträumen durch die Menschenwürde der betroffenen Strafgefangenen Grenzen gesetzt sind (vgl. OLG Frankfurt, StV 1986, S. 27 f. mit Anm. Lesting). Das Recht auf Achtung seiner Würde kann auch dem Straftäter nicht abgesprochen werden, mag er sich in noch so schwerer und unerträglicher Weise gegen die Werteordnung der Verfassung vergangen haben (vgl. BVerfGE 72, 105 <115>). Mit Blick darauf hätte die Annahme, die beanstandete Art der Unterbringung wirke nicht diskriminierend, jedenfalls näherer Erläuterung bedurft; daran fehlt es in der vom Rechtsbeschwerdegericht gebilligten Entscheidung des Landgerichts. Dem Recht auf Achtung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) kommt in der Verfassung ein Höchstwert zu; es ist als tragendes Konstitutionsprinzip im System der Grundrechte zu betrachten (vgl. BVerfGE 45, 187 <227>; 87, 209 <228>). Schon dies lässt in aller Regel nach Erledigung eines Eingriffs ein Interesse des Betroffenen an - auch nachträglicher - Feststellung der Rechtswidrigkeit als schutzwürdig erscheinen. Auf die vom Oberlandesgericht hervorgehobene Frage, ob der Beschwerdeführer Rechtsschutz in angemessener Zeit vor Erledigung der Maßnahme erreichen konnte, kommt es dabei nicht maßgeblich an (vgl. Beschluss des Zweiten Senats vom 5. Dezember 2001 - 2 BvR 527/99, 1337/00 und 1777/00 -).

Auf den weiteren Vortrag des Beschwerdeführers, das Verfahren diene der Vorbereitung einer Amtshaftungsklage, gehen die Fachgerichte nicht ein.

Nach allem haben die Fachgerichte dem Beschwerdeführer ohne nachvollziehbaren Grund eine Sachentscheidung über sein Begehren versagt und seinen Rechtsschutz dadurch in einer Weise verkürzt, die mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar ist."

(alle Hervorhebung durch Senat).

3.

Nach diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben ist es unerheblich, dass sich der Beschwerdeführer nicht mehr in Strafhaft befindet und folglich keine Wiederholungsgefahr besteht.

Ob ein (ehemaliger) Strafgefangener allein durch Untätigbleiben über einen langen Zeitraum sein grundsätzlich bestehendes Feststellungsinteresse verwirken kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Soweit ersichtlich, hatten Strafvollstreckungskammern und Oberlandesgerichte regelmäßig ein nachträgliches Feststellungsinteresse nach Erledigung der beanstandeten Unterbringung verneint. Erst die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Februar und 13. März 2002 haben einen anderen Weg gewiesen. Dass danach bis zur Antragstellung etwa 1 Jahr verging, kann bereits deshalb nicht zur Verwirkung führen, weil diese Entscheidungen zunächst durch Veröffentlichungen (in der Fachliteratur) einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden mussten und einem potentiellen Antragsteller auch eine Überlegungs- und Prüfungsfrist einzuräumen ist.

III.

Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass § 201 Nr. 3 StVollzG zwar Ausnahmen vom Grundsatz der Einzelunterbringung (§ 18 StVollzG) zulässt, der Beschwerdeführer aber nicht die Gemeinschaftsunterbringung als solche für rechtswidrig hält, sondern deren konkrete Ausgestaltung während eines bestimmten Zeitraums. Die Menschenwürde jedoch "ist unantastbar und kann deshalb auch nicht auf Grund einer gesetzlichen Bestimmung ... eingeschränkt werden" (BVerfG, Beschl. v. 27.2.03, a.a.O.).

Ende der Entscheidung

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