Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 17.07.2000
Aktenzeichen: 1 Ws 391/00
Rechtsgebiete: GG, BtMG, StPO, StGB, Anlage


Vorschriften:

GG Art. 104 I 1
GG Art. 103 II
BtMG § 1 II
BtMG § 1 III
StPO § 458 I
StPO § 458 III
StGB § 1
Anlagen I zu BtMG § 1 I
Anlagen II zu BtMG § 1 I
Anlagen III zu BtMG § 1 I
Leitsatz

Die Einfügung von DMA (Dimetoxyamphetamin) in die Anlagen I bis III zu § 1 I BtMG durch Rechtsverordnung ist nur eine zulässige - verfassungsrechtlich unbedenkiche - Spezifizierung der durch formelles Gesetz geregelten Straftatbestände des BtMG.


Geschäftsnummer: 1 Ws 391/00 3230 Js 5081/98 - 3 KLs - StA Mainz 8 StVK 92/00 LG Mainz

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Beschluss

In der Strafvollstreckungssache

gegen

Th. W.,

wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz

hier: Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Tzschoppe, den Richter am Oberlandesgericht Völpel und den Richter am Amtsgericht Schmickler

am 17. Juli 2000 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der 8. Strafkammer - Strafvollstreckungskammer - des Landgerichts Mainz vom 16. Mai 2000 wird als unbegründet auf seine Kosten verworfen.

Gründe:

Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 1. März 2000 wendet sich der Verurteilte gegen die Zulässigkeit der (weiteren) Vollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Mainz vom 28. April 1999 - rechtskräftig seit dem 18. September 1999 -, durch das er wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen versuchten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Herstellen von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt worden ist. Er behauptet, die Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes seien verfassungswidrig. Die in § 1 Abs. 2 und 3 BtMG vorgesehene Möglichkeit, bestimmte Stoffe durch Rechtsverordnung der Bundesregierung bzw. des Bundesministers für Gesundheit in den Katalog der Betäubungsmittel (Anlagen I bis III zu § 1 Abs. 1 BtMG) aufzunehmen, für die die Strafvorschriften der §§ 29 ff. BtMG gelten, verstoße gegen das Gesetzlichkeitsprinzip der Artikel 104 Abs. 1 Satz 1 und 103 Abs. 2 GG, weil damit Freiheitsstrafen aufgrund bloßen Verordnungsrechts verhängt werden könnten.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer die auf § 458 Abs. 1 und 3 StPO gestützten Anträge des Verurteilten auf Unterbrechung der Strafvollstreckung und Aufhebung des Haftbefehls abgelehnt.

Dagegen wendet er sich mit der nach § 462 Abs. 3 StPO statthaften sowie fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde.

Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Strafvollstreckungskammer hat die Einwendungen des Verurteilten gegen die Strafvollstreckung zu Recht bereits deshalb zurückgewiesen, weil er damit in unzulässiger Weise Bestand und Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Verurteilung angreift. Im Strafvollstreckungsverfahren nach § 458 StPO sind nach allgemeiner Ansicht - von hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen abgesehen - Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit gerichtlicher Entscheidungen grundsätzlich nicht statthaft (vgl. LR-Wendisch, § 458 StPO, Rdnr. 13; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 458 StPO, Rdnr. 9 jeweils mit weiteren Nachweisen).

Abgesehen davon sind die von dem Verurteilten erhobenen Einwendungen auch sachlich nicht begründet. Das Bundesverfassungsgericht hat es nämlich als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen, dass einzelne Suchtstoffe im Verordnungswege in die Anlagen zu § 1 Abs. 1 BtMG aufgenommen und dadurch mit einem strafbewehrten Umgangsverbot belegt werden können. Zwar kann nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG die Freiheit der Person nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes eingeschränkt werden. Der Gesetzgeber muss deshalb bei Erlass einer Strafvorschrift, die Freiheitsstrafe androht, mit hinreichender Deutlichkeit selbst bestimmen, was strafbar sein soll. Er selbst hat die Voraussetzungen der Strafbarkeit zu regeln und darf diese Entscheidung nicht den Organen der vollziehenden Gewalt übertragen. Dem Verordnungsgeber dürfen jedoch gewisse Spezifizierungen des Tatbestands überlassen werden, vor allem dann, wenn wechselnde und mannigfaltige Einzelregelungen erforderlich werden können (vgl. BVerfG NJW 92, 107; StV 97, 405). So liegt es hier. Die Einfügung einzelner Betäubungsmittel in die Anlagen I bis III zu § 1 Abs. 1 BtMG durch Rechtsverordnung stellt nur eine zulässige Spezifizierung der im Wesentlichen durch formelles Gesetz geregelten Straftatbestände des Betäubungsmittelgesetzes dar (für die Betäubungsmittel MDMA und MDE ausdrücklich BVerfG, StV 97, 406).

Auch soweit der Verurteilte in seiner Beschwerdebegründung nunmehr den Einwand erhebt, seine Verurteilung wegen unerlaubten Herstellens von Betäubungsmitteln verstoße gegen das in Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB normierte Rückwirkungsverbot, weil der von ihm im Sommer 1997 hergestellte Stoff Dimetoxyamphetamin (DMA) erst durch die 10. Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften vom 20. Januar 1998 in die Anlage I zum Betäubungsmittelgesetz aufgenommen worden sei, ist sein Vorbringen unzutreffend. Zwar wird ein Suchtstoff - entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 20. Juni 2000 - erst mit seiner Aufnahme in die Anlagen I bis III zu einem Betäubungsmittel, das den Strafvorschriften der §§ 29 ff. BtMG unterliegt. Denn die Aufnahme von Stoffen und Zubereitungen in die drei Anlagen zum Betäubungsmittelgesetz hat konstitutive Wirkung. Betäubungsmittel im Sinne des Gesetzes sind nur die in den Anlagen I bis III abschließend genannten Stoffe und Zubereitungen (vgl. Körner, § 1 BtMG, Rdnr. 2 und 5). Jedoch ist das - auf die insoweit unzutreffende Begründung im angefochtenen Beschluss der Strafvollstreckungskammer gestützte - Vorbringen des Verurteilten unrichtig, dass der von ihm im Jahre 1997 hergestellte Stoff DMA erst durch die Änderungsverordnung vom 20. Januar 1998 in die Anlage I zum Betäubungsmittelgesetz eingestellt und damit in den Kreis der Betäubungsmittel aufgenommen worden sei. DMA wurde bereits durch die 2. Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften vom 23. Juli 1986 (BGBl. I, 1099) in die Anlage I eingefügt. Die Verordnung vom 20. Januar 1998 brachte lediglich eine redaktionelle Änderung der Anlage I, indem diese in die Teile A und B gegliedert wurde. An der bereits vorher festgestellten Betäubungsmitteleigenschaft von DMA änderte sich dadurch nichts.

Die Behauptung des Verurteilten, seine Bestrafung wegen unerlaubten Herstellens von Betäubungsmitteln sei unter Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG zustande gekommen, trifft damit nicht zu.

Kosten: § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

Zurück