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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 12.11.2003
Aktenzeichen: 1 Ws 503/03
Rechtsgebiete: StVollzG, SGB III


Vorschriften:

StVollzG § 37 III
SGB III § 77
Geeignet für eine Weiterbildungsmaßnahme im Sinne des § 37 Abs. 3 StVollzG ist ein Gefangener, wenn er gemäß § 77 SGB III Anspruch auf Übernahme der Weiterbildungskosten und Unterhaltsgeld hat.

Ein solcher Anspruch besteht gemäß § 77 Abs. 1 Nr. 1 SGB III nur, wenn die Weiterbildung notwendig ist. Davon kann nur ausgegangen werden, wenn der Teilnehmer im Anschluss an die Maßnahme voraussichtlich innerhalb angemessener Zeit (längstens ein Jahr) eine dem Maßnahmeziel entsprechende Beschäftigung finden kann.

Das ist nicht der Fall, wenn die Prognose ergibt, dass der Strafgefangene vor Erreichen des Endzeitpunkts eines noch mehrjährigen Strafvollzugs dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen wird.


Geschäftsnummer: 1 Ws 503/03

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

In der Strafvollzugssache

wegen Körperverletzung mit Todesfolge u.a. hier: Teilnahme an einer berufsbildenden Maßnahme und damit verbundene Verlegung in eine andere Justizvollzugsanstalt

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Tzschoppe, den Richter am Oberlandesgericht Summa und die Richterin am Oberlandesgericht Hardt

am 12. November 2003 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen gegen die Zurückweisung seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung durch den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez vom 2. Juli 2003 wird als unzulässig verworfen.

Der Strafgefangene trägt die Kosten der Rechtsbeschwerde (§§ 121 Abs. 4 StVollzG, 473 Abs. 1 S. 1 StPO).

Der Geschäftswert für die Rechtsbeschwerde wird gemäß §§ 48 a, 13 GKG auf 250 € festgesetzt.

Gründe:

Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, da eine Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist (§ 116 Abs. 1 StVollzG).

1.

Die erhobenen Verfahrensrügen der unzulässigen Beschränkung der Verteidigung und der Verletzung des rechtlichen Gehörs greifen nicht durch.

Die in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung, der Verteidigung seien schriftliche Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt nicht bekannt gemacht worden, ist falsch. In vorliegender Sache befindet sich nur eine einzige Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt, und zwar die vom 30. Oktober 2002, bei der Akte. Diese ist aufgrund richterlicher Verfügung vom 7. November 2002 am Folgetag an die Verteidigerin und den Antragsteller zur Kenntnis- und evtl. Stellungnahme binnen drei Wochen abgesandt worden (Bl. 28 d.A.). Sie ist ihnen auch zugegangen. Denn mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2002 hat die Verteidigerin eine Stellungnahme des Strafgefangenen hierzu übermittelt (Bl. 29 d.A.).

Der Verteidigerin waren - entgegen ihrer Behauptung - auch sämtliche von ihr in der Rechtsbeschwerdebegründungsschrift angesprochenen, bei der Strafvollstreckungskammer anhängigen Verfahren des Antragstellers bekannt. Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2003 hat die Verteidigerin selbst mitgeteilt, die Strafvollstreckungskammer habe sie mit Schreiben vom 8. Oktober 2002 darüber in Kenntnis gesetzt, dass das die Vollzugsplanfortschreibung betreffende Verfahren unter dem Aktenzeichen 7 StVK 787/02 geführt werde (s. S. des Schriftsatzes, Bl. 36 d.A.). Dieses Verfahren wurde durch den Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 24. April 2003 nicht zu dem vorliegenden (Antrag des Gefangenen vom 22. Juli 2002 auf Verlegung zwecks Berufsausbildung - 7 StVK 622/02 - und der Verteidigerin mit demselben Inhalt vom 14. August 2002 - 7 StVK 660/02 -) hinzu verbunden. Es wurde durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 11. Juni 2003 (noch vor Rechtsbeschwerdeeinlegung in vorliegender Sache) erledigt. Die Verteidigerin hat gegen den vorgenannten Beschluss auch Rechtsbeschwerde eingelegt, die sie am 13. Oktober 2003 zurückgenommen hat (s. Beschluss des 2. Strafsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 21. Oktober 2003 - 2 Ws 586/03 -).

2.

Im Übrigen entspricht die hier angefochtene Entscheidung auch der Sach- und Rechtslage.

Dem Strafgefangenen wurde die Teilnahme an dem ab 17. Juni 2002 in der Justizvollzugsanstalt Zweibrücken durchgeführten zweijährigen Ausbildungsgang zum Werkzeugmacher (Weiterbildungsmaßnahme i.S.d. § 77 SGB III) zu Recht durch die Justizvollzugsanstalt Diez, in der er seinerzeit Strafhaft verbüßte, abgelehnt, weil er nach Abschluss der Ausbildung voraussichtlich nicht innerhalb angemessener Zeit dem freien Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen könne.

Gemäß § 37 Abs. 3 StVollzG soll geeigneten Gefangenen Gelegenheit zur Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung oder Teilnahme an anderen ausbildenden oder weiterbildenden Maßnahmen gegeben werden. Geeignet für eine Weiterbildungsmaßnahme im Sinne dieser Bestimmung ist ein Gefangener, wenn er gemäß § 77 SGB III Anspruch auf Übernahme der Weiterbildungskosten und Unterhaltsgeld hat (vgl. Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 9. Auflage, § 37 Rdn. 5). Ein solcher Anspruch besteht gemäß § 77 Abs. 1 Nr. 1 SGB III nur, wenn die Weiterbildung notwendig ist. Davon kann nur ausgegangen werden, wenn der Teilnehmer im Anschluss an die Maßnahme voraussichtlich innerhalb angemessener Zeit (längstens ein Jahr) eine dem Maßnahmeziel entsprechende Beschäftigung finden kann (Niewald in Gagel, SGB III, § 77 Rdn. 28, 32; BSG vom 17. Mai 1983 - 7 R Ar 36/82 - und vom 11. Mai 2000 - B 7 AL 18/99 R -). Eine Maßnahme, die dieses Ziel von vornherein nicht erreichen kann, ist nicht förderungswürdig (Niewald a.a.O. Rdn. 35).

Die Justizvollzugsanstalt Diez ist zutreffend davon ausgegangen, dass in der Person des Strafgefangenen Umstände vorliegen, die im Falle eines Ausbildungsabschlusses im Sommer 2004 seiner Vermittlung in normaler Zeit voraussichtlich entgegenstehen. Der Strafgefangene hatte die der Strafhaft zugrunde liegende Tat (ebenso wie frühere Taten) unter hohem Alkoholeinfluss begangen. Neben der hohen Freiheitsstrafe von sieben Jahren war seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden. Nachdem die Unterbringung einige Monate lang vollzogen worden war und jedweder therapeutische Versuch an seiner dissozialen Persönlichkeitsstruktur und mangelnden Therapiebereitschaft gescheitert war, hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau am 13. Dezember 2000 den Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe bis zum Halbstrafenzeitpunkt angeordnet. Seine therapieunwillige Haltung konnte in der Folgezeit auch im Strafvollzug nicht verändert werden. Die sachverständig beratene Strafvollstreckungskammer hat deshalb durch Beschluss vom 18. Mai 2002 angeordnet, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht weiter zu vollziehen ist. Unter diesen Umständen kann die im Sommer 2002 von der Justizvollzugsanstalt getroffene Prognose, der Strafgefangene werde nach Ausbildungsabschluss voraussichtlich weder eine bedingte Entlassung zum Zweidrittelzeitpunkt (4. Juni 2004) noch die Gewährung von Freigang zu erwarten haben und deshalb wahrscheinlich vor Erreichen des Endstrafzeitpunkts (4. Oktober 2006) dem freien Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen können, nicht beanstandet werden.

Da der Strafgefangene die Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 StVollzG im Sommer 2002 nicht erfüllt hat, kam auch seine Verlegung in die Justizvollzugsanstalt Zweibrücken nicht in Betracht. Sie wäre gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG nur im Falle einer berufsbildenden Maßnahme zur Förderung seiner Eingliederung nach der Entlassung zu erwägen gewesen.

Ende der Entscheidung

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