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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 11.07.2002
Aktenzeichen: 1 Ws 539/02
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 81
Die Beobachtung ist ein anerkanntes Diagnoseinstrument der Psychiatrie, das nicht bei allen, aber bei vielen psychischen Störungen zu wertvollen Erkenntnissen führen kann. Die Anordnung nach § 81 StPO ist deshalb auch dann zulässig, wenn der Beschuldigte eine Exploration verweigert, die Beobachtung aber Erkenntnisse verspricht, die wiederum Schlüsse auf seinen Geisteszustand zulassen.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 1 Ws 539/02

In der Strafsache

wegen Mordes

hier: Unterbringung gemäß § 81 StPO

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Tzschoppe und die Richter am Oberlandesgericht Völpel und Summa am 11. Juli 2002 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Angeschuldigten gegen den Beschluss der 3. Strafkammer des Landgerichts Koblenz vom 2. Juli 2002 wird auf seine Kosten mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Unterbringung 6 Wochen nicht übersteigen darf und in der Rhein-Mosel-Fachklinik (Abteilung Nette-Gut) zu vollziehen ist.

Gründe:

Mit Anklageschrift vom 14. Mai 2002 legt die Staatsanwaltschaft dem Angeschuldigten zur Last, in der Nacht vom 9. auf den 10. Januar 2002 im Anwesen H.-straße 31 in B. seine Mitbewohnerin L. aus Eifersucht im Schlaf erwürgt und anschließend die Leiche zerstückelt zu haben.

Bereits im Ermittlungsverfahren hatte die Staatsanwaltschaft den Facharzt für Psychiatrie Dr. B. mit der Erstattung eines Gutachtens zur Frage der Schuldfähigkeit und einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus beauftragt.

Am 17. April 2002 suchte Dr. B. den Angeschuldigten in der JVA auf, der erklärte, er habe "grundsätzlich nichts gegen eine Begutachtung einzuwenden", sei aber derzeit nicht dazu bereit. In dem Gespräch stellte der Sachverständige Verhaltensauffälligkeiten fest, die für ihn im Zusammenhang mit aus den Akten ersichtlichen Besonderheiten des Nachtatgeschehens den dringenden Verdacht einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit begründeten. In der Folgezeit blieben mehrere Nachfragen beim Verteidiger, ob der Angeschuldigte jetzt zu einer Exploration bereit sei, ergebnislos.

Mit Schreiben vom 24. Juni 2002 teilte Dr. B. dem Gericht seine vorläufige Einschätzung mit und regte zur "dringend notwendigen Abklärung" seines Verdachts die Unterbringung des Angeschuldigten gemäß § 126a StPO an. Auf telefonische Nachfrage des Vorsitzenden stellte er klar, dass er auch eine Unterbringung nach § 81 StPO befürworte.

Mit Beschluss vom 2. Juli 2002 hat die Strafkammer nach Gewährung rechtlichen Gehörs die Unterbringung des Angeschuldigten zum Zwecke der Beobachtung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 81 StPO) angeordnet.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde (§ 81 Abs. 4) StPO ist mit der sich aus § 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge als unbegründet zu verwerfen.

Entgegen der Auffassung des Verteidigers ist der Angeschuldigte aufgrund des in der Anklageschrift zutreffend dargestellten Ermittlungsergebnisses der ihm vorgeworfenen Tat dringend verdächtig (§ 81 Abs. 2 S. 1 StPO). Seine Einlassung, er habe nach dem Aufwachen am Mittag des 10. Januar 2002 in der Wohnung die zerstückelte Leiche seiner Mitbewohnerin vorgefunden und aus Angst, dass der Verdacht der Täterschaft auf ihn fallen werde, mit der Beseitigung der Leichenteile begonnen, ist nicht nur abwegig, sondern auch mit dem eindeutig auf ihn als Täter weisenden Ermittlungsergebnis nicht zu vereinbaren.

Auch die weiteren Voraussetzungen des § 81 StPO liegen vor. Der Sachverständige Dr. B. hat aufgrund seines persönlichen Eindrucks von dem Angeschuldigten die Unterbringung in einen psychiatrischen Krankenhaus zur Vorbereitung eines Gutachtens schriftlich befürwortet. Dass er dabei die falsche Vorschrift der StPO genannt hat, ist ohne Bedeutung. Entscheidend ist allein der sachliche Inhalt des Schreibens vom 24. Juni 2002, der die Voraussetzungen des § 81 StPO aus fachärztlicher Sicht aufzeigt.

Ob der Angeschuldigte, wie der Verteidiger vorträgt, eine "Begutachtung nach wie vor" ablehnt, ist unerheblich. Er kann nicht die Begutachtung als solche, sondern nur die Teilnahme an einer Exploration verweigern. Aber auch dann ist die Anordnung nach § 81 StPO zulässig, wenn die Beobachtung Erkenntnisse verspricht, die wiederum Schlüsse auf den Geisteszustand zulassen. Dies ist vorliegend wegen der vom Sachverständigen bei seinem Kontakt mit dem Angeschuldigten festgestellten Auffälligkeiten ("schrill, manieriert, bizarr, nicht nachvollziehbares süffisantes Grinsen") der Fall. Die Beobachtung ist ein anerkanntes Diagnoseinstrument der Psychiatrie, das nicht bei allen, aber bei vielen psychischen Störungen zu wertvollen Erkenntnissen führen kann. Sie ist nach derzeitigen Stand auch das einzige Mittel, mit dem der dringende Verdacht des Sachverständigen bestätigt oder entkräftet werden kann.

Die von der Verteidigung angeführte Rechtsprechung des OLG Celle (StV 91, 248, s.a. StV 85, 224) betrifft den Fall, dass allein die Beobachtung zu keinen ausreichenden Erkenntnissen führen kann.

Nachzuholen ist die Bestimmung des psychiatrischen Krankenhauses und die Anordnung der Höchstdauer der Unterbringung. Da die Beobachtung nach derzeitigem Kenntnisstand die einzige Erkenntnisquelle und es unwahrscheinlich ist, dass eine kurzfristige Unterbringung geeignet wäre, ausreichende Befunde zu erheben, ist es ausnahmsweise unschädlich, dass sich der Sachverständige nicht zur von ihm für notwendig erachteten Dauer der Unterbringung geäußert hat. Sollte der Beobachtungszweck nach Einschätzung des Sachverständigen wider Erwarten vor Ablauf von 6 Wochen erreicht worden sein, ist die Unterbringung zu sofort zu beenden.

Ende der Entscheidung

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