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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 04.12.2000
Aktenzeichen: 1 Ws 745/00
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 67 d II
StGB § 63
Leitsatz:

Zur Frage, ob eine stationäre Unterbringung durch Maßnahmen außerhalb der Unterbringung ersetzt werden kann, wenn es darum geht, die regelmäßige Medikamenteneinnahme zum Schutz der Allgemeinheit zu gewährleisten.


Geschäftsnummer: 1 Ws 745/00 StVK 378/00 8023 VRs 230059/99 StA Trier

In der Strafvollstreckungssache

gegen

J. S.,

- Verteidiger: Rechtsanwalt M. S. -

wegen gefährlicher Körperverletzung

hier: weitere Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Tzschoppe und die Richter am Oberlandesgericht Völpel und Summa

am 4. Dezember 2000 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Untergebrachten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz vom 9. Oktober 2000 wird als unbegründet auf seine Kosten (§ 473 Abs. 1 S. 1 StPO) verworfen.

Gründe:

Die angefochtene Entscheidung entspricht der Sach- und Rechtslage. Das Beschwerdevorbringen kann ein anderes Ergebnis nicht rechtfertigen.

Der Gefahr weiterer rechtswidriger Taten (§ 67 d Abs. 2 StGB) durch den Untergebrachten kann nicht durch Maßnahmen außerhalb des Maßregelvollzugs begegnet werden. Eine Heimunterbringung mit Fortführung der Medikamententherapie, wie sie der Verteidiger vorschlägt, ist im gegebenen Krankheitsstand keinesfalls ausreichend, den mit der Unterbringung bezweckten Schutz der Allgemeinheit vor krankheitsbedingten aggressiven Ausbrüchen des Untergebrachten zu erreichen.

Ob die Behandlung mit Medikamenten überhaupt zu einer dauerhaften positiven Beeinflussung des Krankheitsbildes führen wird, bleibt abzuwarten. Gemäß Gutachten der behandelnden Ärzte der Rhein-Mosel-Fachklinik vom 17. Juli 2000 ist die beim Untergebrachten eindeutig diagnostizierte Psychose chronifiziert und hat zu einem ausgeprägten Residualzustand geführt. Medikamentös ist sie nur schwer therapierbar. Zwar ist unter dem Einfluss der verabreichten Medikamente aktuell ein vorübergehendes Nachlassen der Krankheitserscheinungen (Teilremission) festzustellen. Der Untergebrachte wirkt affektiv ausgeglichener und ruhiger als vorher ohne konsequente neuroleptische Medikation. Aggressive Durchbrüche sind bei ihm seit ca. einem Jahr nicht beobachtet worden. Seine Psychose ist jedoch auch weiterhin produktiv mit charakteristischer Symptomatik wie Stimmenhören und Anzeichen für Beziehungswahn. Ob und auf welchem Niveau mit medikamentöser Behandlung eine Konstanz des Krankheitsbildes eintreten wird, kann daher nach Auffassung des Senats erst die Zukunft erweisen.

Der Untergebrachte erbringt zudem nicht die persönlichen Voraussetzungen, die für eine Stabilisierung seines krankhaften Zustandes erforderlich sind. Ein Eindämmen der krankheitsbedingten und straftatauslösenden Aggressivität kann allenfalls dann erreicht werden, wenn der Untergebrachte die entsprechenden Medikamente regelmäßig zu den vorgegebenen Zeitpunkten einnimmt bzw. sich verabreichen lässt. Dazu muss ein gewisses Maß an Selbstverantwortungsbewusstsein und Verlässlichkeit vorhanden sein, das der Untergebrachte derzeit sicher nicht erfüllt. Ausweislich des Sachverständigengutachtens sind bei ihm Defizite festzustellen im Bereich des Antriebs, der Ausdauer und Belastbarkeit sowie in der Bewältigung lebenspraktischer Aufgaben, wie sich in einer Einengung der Interessen, einer mangelhaften Körperhygiene und Verwahrlosungstendenzen zeigt. Außerdem fehlt ihm die erforderliche Krankheits- und Behandlungseinsicht. Eine konstruktive Mitarbeit bei der Medikamentenbehandlung außerhalb des Maßregelvollzugs ist unter diesen Umständen nicht zu erwarten. Ein Abwälzen der Verantwortung für die regelmäßig Medikamenteneinnahme auf Heimleitung, Pflegekräfte oder andere ist keine tragfähige Lösung für die sich aus der persönlichen Ungeeignetheit des Untergebrachten schon jetzt abzeichnenden Probleme.

Wie konkret diese sind, zeigen auch die negativen Erfahrungen, die in der Vergangenheit mit Aufenthalten des Untergebrachten in betreuten Wohneinrichtungen gemacht worden sind. Ausweislich der Feststellungen des dem Maßregelvollzug zugrunde liegenden Urteils ist der Untergebrachte in der Zeit von 1992 bis 22. August 1998 zwischen sieben stationären Behandlungen mehrfach in derartigen Einrichtungen untergekommen. Dort hat er sich stets einer regelmäßigen Medikamenteneinnahme verschlossen, woraufhin es zu krankheitsbedingten Angriffen auf Mitbewohner gekommen ist, die jeweils wieder Anlass für eine erneute stationäre Behandlung gewesen sind. Ein gleiches Verhalten hat er auch jetzt wieder im Maßregelvollzug an den Tag gelegt. Nach dem Sachverständigengutachten hatte der Verurteilte sich unter dem Einfluss von Neuroleptika zunächst gut stabilisiert, bis er wie schon zuvor zu der Auffassung gelangte, dass er die Medikamente nicht mehr benötige und diese absetzte. Die Folge davon waren wiederum aggressive Verhaltensweisen gegenüber Mitpatienten, die erst dann aufhörten, als dem Untergebrachten die Neuroleptika i.m. appliziert wurden.

Nach alledem fehlt es derzeit an jeglicher Grundlage für eine begründete Erwartung, rechtswidrige Taten des Untergebrachten könnten auch durch Maßnahmen außerhalb der Unterbringung wirksam verhindert werden.

Ende der Entscheidung

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