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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 18.07.2003
Aktenzeichen: 10 U 1002/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 196 a.F.
BGB § 198 a.F.
BGB § 201 a.F.
Geht der Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss ausnahmsweise auf das Erfüllungsinteresse, so verjährt dieser in der kurzen Verjährungsfrist, die für den Erfüllungsanspruch aus dem angebahnten Vertragsverhältnis - hier Werkvertraglicher Vergütungsanspruch - gilt (in Anknüpfung an BGH NJW 1968, 547).

Der Lauf der Verjährung beginnt nicht vor Kenntnis des Geschädigten von den für die Ersatzpflicht maßgebenden Umständen. Die kurze Verjährungsfrist beginnt mit Schluss des Jahres, in dem der Geschädigte von dem pflichtwidrigen Verhalten und der Person des dafür Verantwortlichen Kenntnis erlangt.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Urteil

Geschäftsnummer: 10 U 1002/02

Verkündet am 18. Juli 2003

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 4. Juli 2002 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin 16.787 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überieitungs-Gesetzes vom 9. Juni 1998 seit dem 16.1.2001 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des ersten Rechtszuges werden wie folgt verteilt:

Die Gerichtskosten haben die Klägerin und die Beklagte zu 2) jeweils zur Hälfte zu tragen. Die Beklagte zu 2) hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zur Hälfte zu tragen. Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) zu tragen. Im Übrigen tragen die Klägerin und die Beklagte zu 2) ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu 2) zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Ersatz des ihr entgangenen Gewinns und Erstattung von Gutachterkosten wegen Verletzung von Vergabevorschriften anlässlich einer öffentlichen Ausschreibung unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen in Anspruch.

Die Verbandsgemeinde D (Beklagte zu 1) schrieb die Arbeiten für die Außenanlagen zum Neubau des Kindergartens in der Ortsgemeinde B (Beklagte zu 2) in deren Namen und für deren Rechnung nach den Bestimmungen der VOB/A aus.

Die Klägerin bot die Arbeiten mit 439.987,76 DM an, das zweitgünstigste Angebot der Firma lag bei 514.922,84 DM.

Die Beklagte zu 2) erteilte der Fa. den Zuschlag und benachrichtigte mit Schreiben vom 11.8.998 die Klägerin über das Ausschreibungsergebnis. Die Klägerin legte nach Rücksprache mit dem die Ausschreibung leitenden Architekten der Beklagten mit Schreiben vom 24.8.1998 Beschwerde bei der Vergabeprüfstelle ein. Diese informierte die Klägerin mit Schreiben vom 2.3.1999 über die von ihr festgestellten Vergabeverstöße.

Die Klägerin hat am 27.12.2000 einen Mahnbescheid gegen die Beklagte zu 1) beantragt, der dieser am 16.1.2001 zugestellt wurde. Mit Anspruchsbegründung vom 23.3.2001 bat die Klägerin um Berichtigung des Passivrubrums dahingehend, dass Beklagte die Ortsgemeinde B sei. Mit Schriftsatz vom 18.5.2001, der Beklagten zu 2) am 13.7.2001, zugestellt, hat die Klägerin gegen die Beklagte zu 2) Klage erhoben und die gegen die Beklagte zu 1) erhobene Klage zurückgenommen.

Die Klägerin hat vorgetragen,

sie habe das annehmbarste Angebot unterbreitet, weshalb ihr der Zuschlag hätte erteilt werden müssen. Die Beklagte habe während der Angebotsfrist mit der Fa. verhandelt und vereinbart, dass die §§ 2 Nr. 3 und 8 Nr. 1 VOB/B nicht zur Anwendung kämen sowie dass die Firma von ihr beauftragte Subunternehmerleistungen ohne Aufschlag an die Beklagte weiter berechnen werde. Nur aus diesem Grund sei der Zuschlag an die Fa. erteilt worden. Bei einer der Vergabebestimmungen entsprechenden Ausschreibung und Zuschlagserteilung hätte der Zuschlag an die Klägerin erteilt werden müssen.

Die Klägerin hat den ihr aus dem nicht erhaltenen Vertrag entgangenen Gewinn auf der Grundlage eines eingeholten Kalkulationsgutachtens mit 26.359,71 DM geltend. Die Kosten des Gutachtens in Höhe von 6.472,80 DM seien ebenfalls zu erstatten, da das Gutachten zur Bezifferung des entgangenen Gewinns erforderlich gewesen sei.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 32.832,51 DM nebst 10,5 % Zinsen seit dem 16.1.2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und im Übrigen vorgetragen:

Der Zuschlag an die Fa. sei deshalb erfolgt, weil diese unter Berücksichtigung eines zugelassenen Nebenangebotes das günstigste Angebot abgegeben habe. Der ausgeschriebene Auftrag sei zudem nicht erteilt worden, da nach Kürzung des Leistungsverzeichnisses lediglich Arbeiten im Umfang von rund 245.000,-- DM vergeben worden seien. Die vorhandenen Haushaltsmittel von 274.750,-- DM hätten für eine auf der Grundlage der Ausschreibung erfolgende Auftragserteilung nicht ausgereicht.

Das Landgericht hat die Klage gegenüber der Beklagten zu 2) wegen Verjährung eines etwaigen Anspruchs abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach dem erstintanzlichen Klageantrag gegen die beklagte Ortsgemeinde (Beklagte zu 2) zu erkennen.

Die Beklagte zu 2) beantragt,

die Berufung gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO n.F.).

II.

Die Berufung ist begründet.

Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss (Culpa in contrahendo) gegen die beklagte Ortsgemeinde zu. Zutreffend führt das Landgericht zunächst aus, dass sich die Frage der Verjährung des Ersatzanspruchs nach § 196 BGB a.F. richtet. Zwar verjähren Ersatzansprüche wegen eines Verschuldens bei Vertragsschluss grundsätzlich erst in 30 Jahren. Verlangt jedoch der Geschädigte, so gestellt zu werden, wie wenn er aus dem Vertrag, der auf Grund eines Verschuldens seines Verhandlungspartners nicht zustande gekommen ist, einen Erfüllungsanspruch erworben hätte, so verjährt dieser Ersatzanspruch in der kurzen Verjährungsfrist, die für den Erfüllungsanspruch aus dem angebahnten Vertragsverhältnis gilt (BGH NJW 1968, 547). Maßgebend ist danach die Verjährungszeit für den werkvertraglichen Vergütungsanspruch.

Nach § 196 Abs. 1 BGB a.F. verjährt dieser in zwei Jahren. Nach §§ 198, 201 BGB a.F. beginnt die Verjährung mit Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat der Lauf der Verjährung nicht bereits mit Schluss des Jahres 1998 zu laufen begonnen. Es ist nicht auf den Zeitpunkt des Zuschlages an die Fa. und die mit Schreiben vom 11.8.1998 erfolgte Absage an die Klägerin abzustellen. Vielmehr konnte der Lauf der Verjährung nicht vor Kenntnis der Klägerin von den für die Ersatzpflicht maßgebenden Umständen zu laufen beginnen. Der Ersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen verträgt es seiner Natur nach nicht, dass die Verjährungsfrist zu laufen beginnt, bevor der Geschädigte Kenntnis von den Umständen erlangt, welche die Ersatzpflicht gerade des für den Vertragspartner handelnden Vertreters begründen. Die Ausgangslage unterscheidet sich wesentlich von derjenigen beim Erfüllungsanspruch. Markiert dort bereits der Vertragsschluss auch im Bewusst sein der Beteiligten das Risiko, für die eingegangene Verpflichtung den vereinbarten den vereinbarten Gegenwert möglicherweise nicht zu erhalten, so ist es bei einem Verschulden bei Vertragsverhandlungen erst die Kenntnis von dem pflichtwidrigen Verhalten und der Person des dafür Verantwortlichen, welche beim Geschädigten die Gefahr von Einbußen deutlich werden lässt (BGH NJW 1983, 1607, 1609 f.).

Vorliegend hat die Klägerin erst durch Mitteilung der Vergabeprüfstelle bei der zuständigen Bezirksregierung vom 2.3.1999 erfahren, dass die Vergabeentscheidung nicht nach den Vorschriften der VOB/A erfolgt ist und bei ordnungsgemäßer Handhabung der Vergabevorschriften die Klägerin den Zuschlag hätte erhalten müssen. Verjährungsablauf war danach der 31.12.2001. Die Klage ist indes der beklagten Ortsgemeinde bereits am 13.7.2001 zugestellt worden. Der Schadensersatzanspruch war damit nicht verjährt.

Der Anspruch ist auch in der Sache begründet. Die Klägerin hat dezidiert unter Bezugnahme auf das von ihr vorgelegte Gutachten des Prof. Dr.-Ing. vom 13.11.2000 den erlittenen Schaden auf 26.359,71 DM ermittelt. Die beklagte Ortsgemeinde hat diesen Anspruch nicht dezidiert bestritten und sich sachlich nicht mit dem Gutachten im Einzelnen auseinandergesetzt. Der Senat schließt sich den Ausführungen im Gutachten an. Es ist deshalb ein Schadensersatzbetrag von 26.359,71 DM zugrunde zu legen. Darüber hinaus ist die Klägerin berechtigt, die Gutachterkosten in Höhe von 6.472,80 DM geltend zu machen. Insgesamt stehen der Klägerin 32.832,51 DM (16.787 €) zu.

Der nachgelassene Schriftsatz der beklagten Ortsgemeinde vom 11.7.2003 gibt zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung. Der Zuschlag ist unter Missachtung der Vergabevorschriften tatsächlich an den Zweitanbieter erfolgt. Die Ausschreibung ist nicht aufgehoben worden. Vielmehr hat der Zweitanbieter, die Fa., die Arbeiten, wenn auch in einem modifizierten Umfang, ausgeführt. Im Übrigen ist die beklagte Ortsgemeinde gemäß § 531 Abs. 2 ZPO n.F. mit ihrem neuen Vortrag zum Haushaltsansatz ausgeschlossen.

Die geltend gemachten Zinsen von 10,5 % waren bestritten und sind nicht belegt.

Der Klägerin waren deshalb nur Zinsen nach § 288 BGB zuzusprechen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 100 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 16.787 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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