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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 05.05.2003
Aktenzeichen: 10 U 1032/02
Rechtsgebiete: AKB, VVG


Vorschriften:

AKB § 7 I Ziffer 2 S. 3
AKB § 7 IV Ziffer 4
VVG § 6 III
1. Leistungsfreiheit des Versicherers besteht, wenn der Versicherungsnehmer seine Obliegenheit verletzt hat, nach Eintritt des Versicherungsfalls alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestands und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann, es sei denn, dass die Obliegenheitsverletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Der Umfang der Aufklärungspflicht richtet sich maßgeblich nach den vom Versicherer im Schadensanzeigeformular gestellten Fragen. Zur Obliegenheit des Versicherungsnehmers gehört es, dass die in der Schadensanzeige gemachten Angaben wahrheitsgemäß und vollständig sind. Unter die Aufklärungspflicht fallen auch sämtliche Umstände, die zur Feststellung des Entschädigungsbetrags von Bedeutung sein können. Dies gilt vor allem bei Entwendungen von Kraftfahrzeugen, bei denen der Versicherer keine eigenen Erkenntnismöglichkeiten hat (in Anknüpfung an Senatsurteile vom 15. Januar 1999, NVersZ 1999, 272 = VersR 1999, 1536; vom 12.3.1999, NVersZ 1999, 273, 274; vom 26. Mai 2000, MDR 2000, 1189 = zfs 2000, 452 = r+s 2001, 13).

2. Die wahrheitswidrige Angabe des VN, dass ein PKW Opel Omega 2,5 V 6 CD 23.000,-- DM anstatt 20.300,-- DM gekostet habe, stellt eine schuldhafte Obliegenheitsverletzung dar. Der Hinweis, dass er nach Erwerb des PKW's drei neue Reifen und diverse Zubehörteile gekauft und einen zusätzlichen Betrag für eine Garantie habe aufwenden müssen, vermag ihn nicht zu entlasten.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Beschluss

(gemäß § 522 Abs. 2 ZPO)

Geschäftsnummer: 10 U 1032/02

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert am 5. Mai 2003 einstimmig

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 18. Juli 2002 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe:

Die Berufung ist nicht begründet.

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus Kaskoversicherung auf Ersatz des Wiederbeschaffungswertes in Höhe von 23.000,-- DM für einen als gestohlen gemeldeten PKW Opel Omega 2,5 V6 CD Reflection in Anspruch.

Der Kläger hatte den PKW am 08.02.2000 bei dem Autohaus in Neuwied zum Preis von 20.900,-- DM gebraucht erworben. Am 11.03.2001 zeigte der Kläger bei der Polizei an, das Fahrzeug sei in der Nacht vom 10. zum 11.03.2001 aus seiner verschlossenen Garage gestohlen worden. In der Schadensanzeige an die Beklagte vom 17.03.2001 gab der Kläger als Anschaffungspreis den Betrag von 23.000,-- DM an. Unter dem Satz im Schadensformular: "Fügen Sie bitte die Originalrechnung bei", vermerkte der Kläger handschriftlich "Privat gekauft". Der Beklagten gelang es in der Folgezeit aufgrund eigener Nachforschungen, die Rechnung des Autohauses vom 08.02.2000 zu bekommen. Als die Beklagte diese Rechnung erhielt, ist gleichzeitig am 19.04.2001 die Fahrzeugbewertung durch einen Sachverständigen durchgeführt worden. Der Kläger schaltete dann seinen Prozessbevollmächtigten ein, der mit Schreiben vom 27.04.2001 nochmals die Rechnung über den Kauf des Fahrzeuges an die Beklagte übersandte. Die Beklagte berief sich wegen falscher Angaben zum Kaufpreis mit Schreiben vom 18.05.2001 auf ihre Leistungsfreiheit.

Der Kläger hat vorgetragen,

die Beklagte könne sich auf Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nicht berufen, weil er bei dem im Schadensformular angegebenen Betrag von 23.000,-- DM der Meinung gewesen sei, dabei seien die unmittelbar nach dem Erwerb des Fahrzeuges angeschafften Zubehörteile sowie die Garantie und die drei neuen Reifen, durch die das Fahrzeug eine Wertsteigerung erfahren habe, zu berücksichtigen. Die Rechnung habe er beim Ausfüllen des Schadensformulars nicht dabeigehabt. Den Zusatz "Privat gekauft" habe er deshalb eingetragen, weil er der Meinung gewesen sei, es gehe der Beklagten darum, ob er vorsteuerabzugsberechtigt sei oder nicht. Auch insoweit liege keine grob fahrlässige oder vorsätzliche falsche oder unvollständige Angabe vor. Den Diebstahl des Fahrzeuges habe er am 11.03.2001 gegen 08.00 Uhr festgestellt. Das am Abend noch verschlossene Garagentor habe offengestanden und die Garage sei leer gewesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und Leistungsfreiheit der Beklagten angenommen. Es hat offen gelassen, ob das Fahrzeug entwendet worden sei. Jedenfalls habe der Kläger in der Schadensanzeige vorsätzlich falsche Angaben zum Kaufpreis gemacht.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

II.

Der Senat hat gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO mit Hinweisbeschluss vom 6. Februar 2003 darauf hingewiesen, dass die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern (§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Auch hat die Berufung keine Aussicht auf Erfolg.

Es mag offen bleiben, ob der Kläger möglicherweise den Diebstahl seines PKW's Opel Omega 2,5 V 6 CD nur vorgetäuscht hat. Jedenfalls ist die Beklagte gemäß § 7 I Ziffer 2 S. 3, IV Ziffer 4 AKB i.V.m. § 6 III VVG leistungsfrei geworden. Leistungsfreiheit des Versicherers besteht, wenn der Versicherungsnehmer seine Obliegenheit verletzt hat, nach Eintritt des Versicherungsfalls alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestands und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann, es sei denn, dass die Obliegenheitsverletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Der Umfang der Aufklärungspflicht richtet sich maßgeblich nach den vom Versicherer im Schadensanzeigeformular gestellten Fragen (Senatsurteile vom 12.3.1999, NVersZ 1999, 273, 274; vom 26. Mai 2000, MDR 2000, 1189 = zfs 2000, 452 = r+s 2001,13; vgl. auch Prölss/Martin, VVG, 26. Auflage, § 7 AKB Rn. 13). Zur Obliegenheit des Versicherungsnehmers gehört es, dass die in der Schadensanzeige gemachten Angaben wahrheitsgemäß und vollständig sind. Unter die Aufklärungspflicht fallen auch sämtliche Umstände, die zur Feststellung des Entschädigungsbetrags von Bedeutung sein können. Dies gilt vor allem bei Entwendungen von Kraftfahrzeugen, bei denen der Versicherer keine eigenen Erkenntnismöglichkeiten hat (Prölss/Martin, § 7 Rdnr. 43; Senatsurteil vom 15. Januar 1999, NVersZ 1999, 272 = VersR 1999, 1536).

Der Kläger hat in seiner Schadensanzeige vom 17.3.01 (GA 67/71) wahrheitswidrig den Kaufpreis des Fahrzeuges mit 23.000,-- DM angegeben, obwohl er nach Rechnung vom 8.2.2000 an das Autohaus lediglich 20.300,-- DM für den PKW bezahlt hat.

Steht danach eine objektive Obliegenheitsverletzung fest, wird nach § 6 III S. 1 VVG vermutet, dass der Kläger als Versicherungsnehmer vorsätzlich seine Aufklärungspflicht verletzt hat (BGH VersR 1976, 849, 850; Senatsurteil vom 15.1.1999, NVersZ 1999, 272 = VersR 1999, 1536). Der Versicherungsnehmer hat demgemäss zu beweisen, dass die Verletzung der Obliegenheit weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht (BGH VersR 1993, 828; 1983, 674). An den Gegenbeweis sind hohe Anforderungen zu stellen (vgl. Prölss/Martin, § 6 Rn. 105).

Der Vortrag des Klägers, er sei der Auffassung gewesen, dass die unmittelbar nach dem Erwerb des PKWs angeschafften Zubehörteile, die drei neuen Reifen sowie die Garantie eine Wertsteigerung des Fahrzeuges herbeigeführt hätten, vermag ihn nicht zu entlasten. Die im Schadensanzeigeformular gestellte Frage nach dem Anschaffungspreis ist eindeutig. Dass ein Betrag für eine zusätzliche Garantie nichts mit dem Anschaffungspreis zu tun hat, braucht keine weitere Erörterung. Entsprechendes gilt für später angeschaffte Zubehörteile und die Kosten der laufenden Unterhaltung, wie die Erneuerung der Reifen.

Der Senat ist mit dem Landgericht der Überzeugung, dass der Kläger vorsätzlich die Beklagte über die Höhe des Anschaffungspreises täuschen wollte. Dies ergibt sich eindeutig aus der Tatsache, dass der Kläger auf die Aufforderung im Schadensanzeigeformular, die Originalrechnung beizufügen, den handschriftlichen Zusatz "Privat gekauft" hinzufügte. Dies kann bei lebensnaher Betrachtung nur so verstanden werden, dass keine Rechnung erstellt worden sei. Damit sollte der Beklagten die Möglichkeit genommen werden, den Kaufpreis anhand der Rechnungsunterlagen überprüfen zu können. Dass es der Beklagten dennoch möglich war, durch eigene Bemühungen an die Rechnung zu gelangen, beruhte offenbar darauf, dass der Kläger der Beklagten ein Bestätigungsschreiben des Autohauses vom 18.04.2001 (GA 10) übermittelte, wonach es sich bei dem PKW Opel um ein Modell 2,5 CD Reflection gehandelt habe. Die Beklagte hat daraufhin durch den Sachverständigen unmittelbar am 19.4.2001 eine Fahrzeugbewertung durchführen lassen. Der Kläger selbst legte erst nachträglich seinerseits die Rechnung des Autohauses vor. Da der Kläger im Besitz der Rechnung war, hätte er sie ohne weiteres bereits mit der Schadensanzeige vorlegen können.

Soweit der Kläger den handschriftlichen Zusatz "Privat gekauft" damit erklären will, er sei der Meinung gewesen, es gehe der Beklagten darum, in Kenntnis zu bringen, ob er vorsteuerabzugsberechtigt sei, erscheint dies, wie das Landgericht zutreffend ausführt, mehr als abwegig, zumal der Kläger die Fragen nach privater Nutzung und Berechtigung zum Vorsteuerabzug bereits unter Ziffer 22 des Formulars beantwortet hatte.

Auch die Grundsätze der Relevanzrechtsprechung des Bundesgerichtshofs stehen der Leistungsfreiheit der Beklagten nicht entgegen. Falsche Angaben zum Kaufpreis sind generell geeignet, die berechtigten Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden. Den Kläger trifft hier der Vorwurf eines groben bzw. erheblichen Verschuldens (zur Relevanzrechtsprechung Prölss/Martin, VVG, § 6 Rn. 101 m.w.N.).

Der Kläger hat mit Schriftsätzen vom 10. Februar 2003 weitere Ausführungen gemacht und vom 10. April 2003 der Zurückweisung der Berufung in Anwendung des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO widersprochen.

Die Ausführungen geben dem Senat zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung. Dass der Kläger auf die Frage nach der Höhe des Kaufpreises und die Bitte, die Originalrechnung vorzulegen, neben dem unrichtigen Kaufpreis den Zusatz "Privat gekauft" machte, kann bei lebensnaher Betrachtung nur so verstanden werden, dass keine Rechnung erstellt worden sei. Damit verfolgte der Kläger zur Überzeugung des Senats keinen anderen Zweck, als eine Überprüfung des Kaufpreises anhand der Rechnungsunterlagen zu verhindern. Dies wird auch nicht durch den Vortrag entkräftet, der Kläger habe über den Zeugen veranlasst, dass das Autohaus der Beklagten die Bestätigung vom 18.4.2001 übermittelt habe. Mit dieser Bestätigung erstrebte der Kläger nur den Nachweis, dass es sich bei dem PKW Opel um das Modell 2,5 CD Reflection gehandelt habe, nachdem dies von dem Sachbearbeiter der Beklagten gegenüber dem als Vermittler tätig gewordenen Schwager des Klägers, bezweifelt wurde. Da der Kläger im Besitz der Originalrechnung war, hätte er sie doch mit bzw. unmittelbar nach der Schadensanzeige vorlegen können, nicht jedoch erst mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 27.4.2001 (GA 75).

Der Senat hält auch an seiner Auffassung fest, dass die Frage nach dem Anschaffungspreis nichts mit einer Gebrauchtwagengarantie zu tun hat. Auch die Zubehörteile und die nachträglich erneuerten Reifen gehören nicht dazu.

Der Senat sieht sich auch nicht im Hinblick auf den Vortrag des Klägers, er sei Mitte März 2001 in seiner Gesundheit in Bezug auf Konzentrations- und Merkfähigkeit stark eingeschränkt gewesen und habe im Mai und im Juni 2001 zwei Hirninfarkte erlitten, zu einer anderen Beurteilung veranlasst. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger mit dem Zusatz "Privat gekauft" gezielt und gewollt die Beklagte von der Aufforderung, die Originalrechnung vorzulegen, abhalten wollte, damit diese den Kaufpreis nicht überprüfen konnte. Dass hat mit einer Einschränkung der Konzentrations- und Merkfähigkeit nichts zu tun.

Auch die Tatsache, dass sich der Kläger bei dem Ausfüllen des Formulars der Mithilfe des Bankmitarbeiters bediente, vermag daran nichts zu ändern. Denn die gemachten Angaben beruhten auf seinen eigenen Erklärungen, nicht auf einer missverständlichen Interpretation seiner Angaben gegenüber dem Bankmitarbeiter.

Die Berufung war aus dargelegten Gründen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 23.000,-- DM (11.759,71 €) festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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