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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 29.10.1999
Aktenzeichen: 10 U 1052/98
Rechtsgebiete: ZPO, AHB, VVG, BGB, ZPO


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713 ZPO
AHB § 1, 3 II
AHB § 149
AHB § 4 I Nr. 6 b Satz 3
AHB § 4 II Nr. 5
VVG § 151
BGB § 284 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1 Satz 1
Wer in der Haftpflichtversicherung um Gewährung von Versicherungsschutz klagt, muß solange eine Feststellungsklage erheben, bis sich der Anspruch in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat.
OLG Koblenz

Urteil

29.10.1999

10 U 1052/98 5. O. 129/97 LG Koblenz

abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Werner und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Binz und Weiss ... auf die mündliche Verhandlung vom 8. Oktober 1999 für Recht erkannt:

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 18. Mai 1998 teilweise abgeändert wie folgt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 19.693,10 DM nebst 4 % Zinsen p.a. seit 8. August 1995 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten beider Rechtszüge haben die Beklagte 9/10 und die Klägerin 1/10 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung der Klägerin hat überwiegend Erfolg.

Gründe

Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann die Klägerin aus der bestehenden Betriebshaftpflichtversicherung den nach Abzug der bedingungsgemäßen Selbstbeteiligung von 10 % (Ziffer 3.11 der Risikobeschreibung der Betriebshaftpflichtversicherung, Handwerkerpolice Plus) verbliebenen Schaden in Höhe von 19.693,10 DM nebst Zinsen aus dem Versicherungsfall vom 20. 7. 1995 als Geldersatz von der Beklagten beanspruchen.

Die weitergehende Klage ist dagegen unbegründet, insoweit ist die Berufung zurückzuweisen.

1. Der Zahlungsanspruch der Klägerin folgt aus dem Betriebshaftpflichtversicherungsvertrag i.V.m. §§ 1, 3 II AHB, 149, 151 VVG.

a)

In der Haftpflichtversicherung kann der Versicherungsnehmer zwar grundsätzlich nur auf Feststellung klagen, dass der Versicherer wegen einer im Einzelnen genau zu bezeichnenden Haftpflichtforderung Versicherungsschutz zu gewähren habe, außer, wenn der Anspruch sich in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat (BGH, VersR 1984, 252; Senat, Urteil vom 12. 4. 1996 - 10 U 1169/95 - VersR 1997, 1390 = r+s 1996, 481). Diese Ausnahme liegt hier vor, denn der ursprünglich bestehende Anspruch der Klägerin, dass die Beklagte sie von dem begründeten Schadensersatzanspruch der Firma H. H. S. GmbH (im Folgenden: Firma H.) wegen des Brandschadenereignisses vom 20. 7. 1995 befreit, hat sich in einen Zahlungsanspruch umgewandelt. Die Klägerin hat den begründeten Haftpflichtanspruch der Firma H. nämlich befugtermaßen durch Naturalrestitution befriedigt (§ 154 Abs. 2 VVG i.V.m. § 5 Nr. 5 AHB), nachdem die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Eintrittspflicht hinsichtlich des streitgegenständlichen Haftpflichtanspruches mit Schreiben vom 8. 8. 1995 (Bl. 33) endgültig und ohne rechtlichen Grund verneint hat (vgl. Prölss/Martin, VVG, 26. Auflage, § 154 Rdnr. 15 m.N.).

b)

Entgegen der Ansicht des Landgerichts, das dem Einwand der Beklagten ohne die gebotene Sachaufklärung gefolgt war, kann sich die Beklagte nicht auf die Risikoausschlüsse des § 4 I Nr. 6 b Satz 3 ("Erfüllungsklausel") oder des § 4 II Nr. 5 ("Herstellungsklausel") berufen.

Wie die von dem Senat durchgeführte Beweisaufnahme ergeben hat, hatte die Klägerin - entgegen dem missverständlichen Wortlaut des nachträglich zwecks Vorlage für die Beklagte hergestellten Auftragsschreibens vom 17. 5. 1995 (Bl. 34) - von der Firma H. für das von dem Brandschaden betroffene Bauvorhaben keinen einheitlichen Gesamtauftrag erhalten. Die von der Klägerin hergestellten vier Gewerke waren ihr von der Firma H., die ihrerseits von den Bauherren in dem schriftlichen "Bausatzvertrag" allerdings einen einheitlichen Auftrag erhalten hatte, damals vielmehr mündlich durch zwei getrennte Aufträge übertragen worden.

Wie der Zeuge S. glaubhaft bekundet hat, hatte die Klägerin am 2. 6. 1995 zunächst nur den Auftrag für die Zimmerarbeiten erhalten. Nach der Abwicklung dieses Auftrages im Juni 1995 hatte die Klägerin sodann für die drei übrigen Gewerke (Aufdachisolierung, Dachklempnerarbeiten, Dacheindeckung) einen nunmehr einheitlichen und neuen Auftrag erhalten, bei dessen Durchführung es am 20. 7. 1995 bei der Verlegung einer Dachschweißbahn mittels eines Brenners zu dem Brandschaden und der völligen Beschädigung des bereits im Juni 1995 hergestellten Dachstuhls (Zimmerarbeiten) gekommen war.

Bei dieser Sachlage fällt der Brandschaden an den im Juni 1995 ausgeführten Zimmerarbeiten, die von der Firma H. als Vertragsgläubigerin gesondert in Auftrag gegeben und von ihr bereits abgenommen und bezahlt worden waren, nicht mehr unter die Risikoausschlüsse des § 4 I Nr. 6 b Satz 3 AHB und des § 4 II Nr. 5 AHB.

Bei Eintritt des Versicherungsfalles hat die Klägerin in Erfüllung eines neuen Auftrages gehandelt; der Auftrag "Zimmerarbeiten" war im Verhältnis der Klägerin zu ihrer Vertragsgläubigerin dagegen bereits erfüllt, das Eigentum an dem Dachstuhl im Übrigen bereits auf die Bauherren als Grundstückseigentümer übergegangen (§ 946 BGB). Weil die Klägerin - zeitlich später - einen neuen (nunmehr einheitlichen) Auftrag für die Aufdachisolierung, Dachklempnerarbeiten und Dacheindeckung erhalten hatte, ist der bei Durchführung dieses späteren Auftrages entstandene Brandschaden darüber hinaus nicht mehr an Sachen entstanden, die - wie in § 4 II Nr. 5 AHB vorausgesetzt - noch unmittelbar Gegenstand der von der Klägerin als Versicherungsnehmerin geschuldeten Werkleistung gewesen sind; der zeitlich frühere und gesonderte Auftrag "Zimmerarbeiten" war vielmehr schon abgewickelt gewesen.

Soweit das Landgericht - ohne Beweisaufnahme - in Anlehnung an die Kommentierung von Späte (Haftpflichtversicherung, 1993, § 4 AHB, Rdnr. 261) eine "einheitliche Leistung" der Klägerin unterstellt hat, weil es bei einer "Mehrheit von Leistungen und Leistungsgegenständen auf den zeitlichen, räumlichen und funktionalen Zusammenhang ankomme", ist diese Annahme in dem angefochtenen Urteil unrichtig. Die Klägerin hatte nicht nur eine gegenteilige Tatsachengrundlage unter Beweis gestellt; in der zitierten Kommentarstelle (Späte, a.a.O., § 4 Rdnr. 261 auf Seite 541) wird vor allem auch ein zutreffender rechtlicher Unterschied gemacht, ob mehrere Verträge vorliegen oder nicht: Erfolgt danach die weitere Leistung aufgrund einer neuen Entscheidung des Bestellers, so ist regelmäßig von mehreren Leistungsgegenständen auszugehen und der Risikoausschluss des § 4 II Nr. 5 AHB greift deshalb nicht ein (Späte, a.a.O.; vgl. auch OLG Hamm, VersR 1997, 1475 f.). Letzteres ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hier der Fall gewesen. Bei Auftragserteilung für die Zimmerarbeiten stand im Verhältnis der Klägerin/Firma H. noch nicht fest, ob die Klägerin auch den weiteren Auftrag für die später gesondert in Auftrag gegebenen Dacharbeiten erhalten würde. Der Senat kann nicht feststellen, dass die Aufspaltung in mehrere Aufträge nur aus formellen Gründen erfolgt ist. Der Zeuge hat nämlich nachvollziehbare und sachliche Gründe dafür aufzeigen können, weshalb die Firma H. die einzelnen Gewerke gesondert und zeitlich gestaffelt an die Klägerin in Auftrag gegeben hat. Der Senat hat im Übrigen keinen Anhalt dafür, dass der Zeuge, auch unter Berücksichtigung seiner gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an der Klägerin, die Sachlage prozessbedingt nachträglich anders dargestellt haben könnte als geschildert.

c)

Sonstige Risikoausschlüsse greifen nach den vereinbarten Versicherungsbedingungen nicht ein mit der Folge, dass die Beklagte nach Ziffer 3.11 der Risikobeschreibung zur Betriebshaftpflichtversicherung - abweichend von § 4 I Nr. 6 b Satz 1 - 2 AHB - Bearbeitungsschäden, die bei Arbeiten auf fremden Grundstücken an fremden Sachen durch eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit diesen Sachen entstanden sind, bis zu einem Betrag von 30.000 DM je Schadensereignis mit einer Selbstbeteiligung des Versicherungsnehmers an jedem Schaden zu 10 %, mindestens 100 DM, ersetzen muss.

2. Die Klage ist allerdings nur teilweise begründet.

Soweit die Klägerin als Ersatzleistungen den vollen Nettobetrag in Höhe von 21.881,22 DM aus ihrer Abrechnung vom 3./10. 7. 1995 für die Zimmerarbeiten beansprucht (Bl. 27 - 28), ist dieser Betrag um die bedingungsgemäße Selbstbeteiligung von 10 % zu kürzen.

Zugunsten der Klägerin verbleiben demnach nur 19.693,10 DM (21.881,22 DM - 2.188,12 DM).

Weitere Kürzungen sind nicht veranlasst. Die Klägerin hat, wie von ihrer Vertragsgläubigerin gefordert (Bl. 32), den durch Brand völlig zerstörten Dachstuhl unstreitig im Wege der Naturalrestitution wieder hergestellt. Soweit die Beklagte ohne nähere Konkretisierung behauptet, die Wiederholungsleistungen hätten als Schaden nicht dem Rechnungsbetrag entsprochen, brauchte dem nicht nachgegangen zu werden (§ 287 ZPO), denn die Beklagte hat - trotz Vorlage der aus 26 Einzelpositionen zusammengesetzten Abrechnung vom 3./10. 7. 1995 (Bl. 28) - nicht dargelegt, welche konkrete Einzelposition des unstreitig wiederhergestellten Gewerkes "Zimmerarbeiten" überhaupt bestritten werden soll.

3. Der Zinsanspruch in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 4 % ab 8. 8. 1995 folgt aus §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Beklagte ist mit der endgültigen Leistungsablehnung vom 8. 8. 1995 in Verzug geraten, ohne dass es noch einer weiteren Mahnung bedurft hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 21.881,22 DM festgesetzt.

Die Beschwer beträgt

für die Klägerin: 2.188,12 DM

für die Beklagte: 19.693,10 DM.



Ende der Entscheidung

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