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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 26.04.2002
Aktenzeichen: 10 U 1109/01
Rechtsgebiete: VVG, ZPO


Vorschriften:

VVG § 61
ZPO § 286
ZPO § 713
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 543 Abs. 1 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 10 U 1109/01

Verkündet am 26. April 2002

- abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a.F. -

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert auf die mündliche Verhandlung vom 12. April 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 18. Mai 2001 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Senat schließt sich den Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf sie Bezug, § 543 Abs. 1 ZPO a.F.

Das Berufungsvorbringen gibt zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung. Auch eine Beweiserhebung ist nicht veranlasst.

Die Beklagte ist, wie das Landgericht richtig ausgeführt hat, gemäß § 61 VVG leistungsfrei.

Der Kläger hat den Versicherungsfall grobfahrlässig verursacht.

Der Kläger war infolge Alkoholgenusses fahruntüchtig. Ihm ist deshalb der Vorwurf grobfahrlässigen Verhaltens im Sinne von § 61 VVG zu machen, das unwiderlegt auch für den Versicherungsfall ursächlich war.

Die Teilnahme am Straßenverkehr als Führer eines Kraftfahrzeuges im Zustand der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit stellt objektiv ein grobfahrlässiges Verhalten dar (vgl. Prölls/Martin, VVG, 26. Aufl., Rdnr. 91 zu § 12 AKB).

Die Frage, ob "absolute" oder "relative" Fahruntüchtigkeit gegeben ist, ist in diesem Zusammenhang zunächst ohne Belang. "Relative" Fahruntüchtigkeit bedeutet nicht eine solche minderen Grades (vgl. Prölls/Martin a.a.0. Rdnr. 92). In jedem Fall begründet bereits das Vorliegen von Fahruntüchtigkeit als solcher den Vorwurf objektiv grober Fahrlässigkeit.

Die Unterscheidung zwischen "absoluter" und "relativer" Fahruntüchtigkeit in Anknüpfung an die feststellbare Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit hat lediglich beweisrechtliche Bedeutung insoweit, als bei "absoluter" Fahruntüchtigkeit (BAK über 1,1 Promille) die Fahruntüchtigkeit ohne weiteres als erwiesen feststeht, bei "relativer" Fahruntüchtigkeit (BAK zwischen etwa 0,3 und 1,1 Promille, vgl. Prölls/Martin a.a.0.) zur Indizwirkung der feststehenden Alkoholbeeinflussung weitere Indiztatsachen hinzukommen müssen, die den gesicherten Rückschluss auf das Vorliegen von Fahruntüchtigkeit gestatten, wofür in erster Linie alkoholtypische Fahrfehler in Betracht kommen (vgl. - zur trunkenheitsbedingten Bewusststeinsstörung im Sinne von § 2 AUB 88 - Senat NVersZ 2001 S. 554; Urteil vom 22.3.2002 - 10 U 1731/01 -).

Weiter ist die Unterscheidung zwischen "absoluter" und "relativer" Fahruntüchtigkeit von Bedeutung, als es um den Nachweis des weiter zum Vorwurf grober Fahrlässigkeit gehörenden erhöhten subjektiven Verschuldens geht; dazu weiter unten.

Im vorliegenden Fall erscheint dem Senat - bei unstreitiger BAK von 0,87 % - mit dem Landgericht das Vorliegen eines alkoholtypischen Fahrfehlers als gesichert. Insoweit kann aus der Sicht des Senats sehr wohl aus einer Gesamtsicht der Vorgeschichte und des Unfallablaufs auf ein fehlerhaftes, im Zweifel typischerweise auf alkoholbedingte Steuerungs- und Einsichtsbeeinträchtigung zurückzuführendes Verhalten geschlossen werden.

Der Kläger hatte unstreitig - die weiteren Einzelheiten der Vorgeschichte können dahingestellt bleiben - in der Nacht vom 1. auf den 2. Mai 1999 mit Bekannten auf einer Grillfeier in R..... bis gegen etwa 3.00 Uhr morgens gefeiert. Man hatte sich dann spontan zu einer Fahrt nach Luxemburg entschlossen und diese auf der A 48 Richtung T.... angetreten. Der Kläger kam dann in Höhe Kilometer .,... bei H...-G.......... mit seinem Fahrzeug nach rechts von der Fahrbahn ab, durchbrach einen Wildschutzzaun und kam nach ungefähr 50 m zum Stehen, wobei das versicherte Fahrzeug erheblich beschädigt wurde. Der Kläger will sich an Einzelheiten des Geschehens nicht mehr erinnern; weitere Feststellungen zu Gründen für das Abkommen von der Fahrbahn konnten nicht getroffen werden.

Der Senat ist mit dem Landgericht, § 286 ZPO, der Auffassung, dass vernünftigerweise andere Gründe als Alkoholeinfluss für das Abkommen von der Fahrbahn nicht ernsthaft in Betracht zu ziehen sind. Soweit der Kläger auf solche Möglichkeiten spekulativ hinweist - Wildwechsel, technischer Fehler -, konnte solches in keiner Weise erhärtet werden. Nach Auffassung des Senats begründen die von dem Kläger angeführten anderen denkbaren Unfallursachen keine Zweifel von hinreichendem Gewicht dahin, dass sie einer Überzeugungsbildung im Sinne von § 286 ZPO entgegenstünden (vgl. Senat VersR 1998 S. 181).

Im Hinblick auf die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung sieht der Senat Veranlassung, hierzu klarstellend festzuhalten, dass mit einer derartigen Beurteilung des vorliegenden Einzelfalls nicht etwa eine generelle Beweisregel des Inhalts aufgestellt ist, dass bei mangelnder anderweitiger Erklärbarkeit eines Abkommens von der Fahrbahn und zugleich Feststehen einer bestimmten Tatzeit-BAK im Bereich "relativer" Fahruntüchtigkeit stets und zugleich das Vorliegen eines alkoholtypischen Fahrfehlers feststehe. Vielmehr bedarf es - selbstverständlich - jeweils einer konkreten Einzelfallprüfung. Bei dieser kann allerdings andererseits einer Bejahung des Nachweises aufgrund wertender Gesamtbeurteilung des sich bietenden Bildes der Umstand auch nicht entgegenstehen, dass es an weiteren konkreten Einzelindizien für einen Alkoholeinfluss fehlt.

Die Zusammenschau von feststehender Tatzeit-BAK und nachgewiesenem alkoholtypischem Fahrfehler begründet ihrerseits den - vollen - Indizienbeweis der Fahruntüchtigkeit nach § 286 ZPO. Soweit in Betracht kommen kann, dass auf dieser Stufe der Beweisführung auch gegenteilige Indiztatsachen zu berücksichtigen sind (jedenfalls theoretisch denkbar: konkrete Anhaltspunkte für eine volle Leistungs- und Einsichtsfähigkeit des Fahrers), sind solche vorliegend nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen.

Die Ursächlichkeit der mithin feststehenden Fahruntüchtigkeit für das Unfallgeschehen ist weiter im Sinne eines Beweises des ersten Anscheins zu vermuten (vgl. Prölls/Martin a.a.0.; Senat, Urteil vom 22.3.2002 a.a.0.). Gründe, die gegen einen typischen Geschehensablauf und damit die Tragfähigkeit des Anscheinsbeweises sprechen könnten ,sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.

Was schließlich die zur Annahme grober Fahrlässigkeit weiter gehörende Feststellung auch subjektiv erhöhten Verschuldens angeht, bedarf es in Fällen "relativer" Fahruntüchtigkeit anders als bei "absoluter" Fahruntüchtigkeit, wo die gesteigerte subjektive Vorwerfbarkeit widerlegbar vermutet wird, der positiven Feststellung eines auch subjektiv erhöhten Verschuldens in wertender Beurteilung des Sachverhalts gemäß § 286 ZPO (vgl. Prölls/Martin a.a.0. Rdnr. 91, 94).

Im vorliegenden Fall ergeben sich für den Senat dieserhalb keine Zweifel von Gewicht: Der Kläger musste sich nach der ausgedehnten Feier mit Alkoholkonsum bis in die frühen Morgenstunden mindestens eines erheblichen Risikos der Fahruntüchtigkeit bei der "Spontanfahrt" bewusst sein. Dies begründet aus der Sicht des Senats ohne weiteres den Vorwurf erhöhten Verschuldens im Sinne auch subjektiv grober Fahrlässigkeit.

Insgesamt ist damit die Beklagte in der Tat gemäß § 61 VVG leistungsfrei, die Klage zu Recht abgewiesen. Der Senat sieht sich insoweit zudem auch in Übereinstimmung mit dem jeweiligen Verfahrensausgang in dem gegen den Kläger durchgeführten Strafverfahren und dem Haftpflicht-Deckungsprozess.

Die Berufung ist demnach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Von Vollstreckungsschutzanordnungen wird gemäß § 713 ZPO abgesehen.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Der Wert des Streitgegenstandes für den Berufungsrechtszug wird auf 22.750 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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