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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 28.04.2008
Aktenzeichen: 10 U 1115/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 529
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 278
Erfüllungshaftung bei Agentenzusicherung vor Versicherungsabschluss; hier: Erklärung, dass BU-Leistungen bereits bei Feuerwehrdienstuntauglichkeit und nicht erst, wie in den AVB vorgesehen, bei Versetzung in den Ruhestand wegen allgemeiner Dienstunfähigkeit.
Gründe:

Der Senat erwägt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Der Beklagten wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 26. Mai 2008. Die Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nach Auffassung des Senats gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Urteilsentscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das landgerichtliche Urteil entspricht im Ergebnis der Rechtslage. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Zeuge A. als Agent der Beklagten dem Kläger sowohl auf einer Informationsveranstaltung Anfang des Jahres 1999 als auch bei Abschluss des Versicherungsvertrages im Februar 1999 zugesagt hat, für den Anspruch auf die Versicherungsleistung sei allein maßgebend, dass die Feuerwehrdienstuntauglichkeit nach der so genannten G 26-Untersuchung amtsärztlich festgestellt werde, und zwar unabhängig davon, ob das aktive Beamtenverhältnis bestehen bleibe oder nicht. Weiter hat das Landgericht festgestellt, dass der Zeuge A. dem Kläger die Versicherungsbedingungen bei Antragsaufnahme nicht überreicht hat. Vielmehr seien ihm diese erst nachträglich mit dem Versicherungsvertrag übersandt worden. Diese tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts sind für den Senat im Rahmen des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindend. Das Landgericht hat dieses Ergebnis in nicht zu beanstandender Weise auf die Aussagen der Zeugen gestützt. Nach neuem Berufungsrecht ist das Berufungsgericht grundsätzlich nicht mehr vollumfänglich zweite Tatsacheninstanz. Vielmehr ist hinsichtlich der erstinstanzlich, auch aufgrund von Beweiserhebungen, getroffenen Feststellungen die Überprüfung gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich darauf beschränkt, ob konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist nur insoweit überprüfbar, als mit der Berufung schlüssig konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt werden, die Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen begründen, die also solche Zweifel an den erhobenen Beweisen aufdrängen, dass sich eine erneute Beweisaufnahme gebietet. Vorliegend sind keine Fehler bei der Beweiswürdigung des Landgerichts erkennbar. Die Beweiswürdigung der Zeugenaussagen ist umfassend, in sich nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Die Beklagte erinnert daher erfolglos, das Landgericht hätte sich von den Angaben des Zeugen A. und nicht von denen der übrigen Zeugen überzeugen lassen müssen. Dies gilt auch bezüglich der Frage, ob das Gericht sich zu Recht davon überzeugen ließ, dass die Versicherungsbedingungen dem Kläger erst mit Zusendung des Versicherungsscheins und nicht vorher vorlagen. Die Berufung der Beklagten hat auch nicht deshalb Erfolg, weil das Landgericht im Rahmen der Prüfung des Anspruchs des Klägers auf Erfüllung aus dem Grundsatz der Vertrauenshaftung heraus § 278 BGB prüft. Tatsächlich findet diese Norm ihren Anwendungsbereich in der Prüfung der Schadenersatzpflicht des Versicherers, die zwar neben einer Erfüllungshaftung bestehen kann (vgl. Kollhosser in Prölls/Martin, VVG, 27. Aufl., Rdnr. 36 zu § 43 VVG), im vorliegenden Fall aber keine Rolle spielt. Nach den oben als im Rahmen des § 529 ZPO als nicht mehr überprüfbar zugrunde zu legenden Feststellungen des Landgerichts ergibt sich nämlich auch zur Überzeugung des Berufungsgerichts ein gewohnheitsrechtlicher Anspruch auf Erfüllung aus dem Grundsatz der Vertrauenshaftung (vgl. Prölss-Martin, VVG, 27. Aufl., Rn. 29 ff. zu § 43). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass der Zeuge A. mündlich falsche Angaben über den Umfang des Versicherungsschutzes gemacht hat, der Kläger im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser mündlichen Falschauskünfte seinen schriftlichen Versicherungsantrag gestellt hat und der Zeuge A. diesen Antrag entgegen genommen hat, ohne die Falschauskünfte zu korrigieren und ihn an den Versicherer, also an die Beklagte, weitergeleitet hat, ohne auf seine eigenen Falschauskünfte hinzuweisen. Die Beklagte hat sodann in Unkenntnis der Falschauskünfte die üblichen Annahmeerklärungen mit der Versicherungspolice und den AVB dem Kläger ohne Vorbehalte zugeschickt. Dieser hat im Vertrauen darauf, dass der Versicherungsumfang den Auskünften des Agenten entspräche, die Annahmeerklärung des Versicherers entgegen genommen, ohne die AVB im Hinblick darauf im Einzelnen durchzulesen. Ein erhebliches Eigenverschulden des Klägers liegt nicht vor, da insofern das Landgericht, wiederum im Rahmen des § 529 ZPO bindend, festgestellt hat, dass ihm zeitgleich mit den falschen mündlichen Auskünften des Zeugen A. die schriftlichen Vertragsbedingungen nicht vorgelegen haben. Da ihm aufgrund der durch das Landgericht festgestellten Vorgänge ein Vorwurf eines erheblichen Eigenverschuldens nicht zu machen ist, hat der Kläger einen gewohnheitsrechtlichen Erfüllungsanspruch in dem vom Landgericht ausgeurteilten Umfang. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 76.387,39 € festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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