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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 16.10.2003
Aktenzeichen: 10 U 1117/02
Rechtsgebiete: AERB 87, VVG


Vorschriften:

AERB 87 § 13
AERB 87 § 14 Ziffer 2
VVG § 61
VVG § 6 Abs. 3

Entscheidung wurde am 25.11.2003 korrigiert: Datum korrigiert
1) Der Versicherer hat den ihm obliegenden Beweis einer Eigenbrandstiftung - hier türkisches Feinkostengeschäft des Versicherungsnehmers bzw. seines Repräsentanten nach den Beweisanforderungen des § 286 ZPO - zu führen. Es gelten weder die Grundsätze des Anscheinsbeweises noch kommen ihm dabei Beweiserleichterungen zugute. Der Versicherer kann indes den Beweis, soweit ihm Zeugen nicht zur Verfügung stehen, durch entsprechende Indizien beweisen, die in der vernünftigen Gesamtschau dem Gericht ein solches praktisches Maß an Überzeugung vermitteln, das letzten Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen.

2) Der Senat ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO n.F. nicht gehalten, eine Gesamtabwägung dieser Indizien in eigener Wertung vorzunehmen, sondern hat nur zu prüfen, ob die vom Landgericht vorgenommene Gesamtabwägung konkrete Anhaltspunkte bietet, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der von der Kammer getroffenen entscheidungserheblichen Feststellungen begründen können; das heißt letztlich, ob die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung umfassend, in sich nachvollziehbar und widerspruchsfrei ist, weder gegen Denk-, Natur und Erfahrungssätze verstößt.

3) Zu den Voraussetzungen der Repräsentantenhaftung (in Anknüpfung an Senatsurteile NJW-RR 1999, 536 = NVersZ 1999, 482 = VersR 1999, 1231 und NVersZ 2001, 325 = OLGR 2001, 353 = VersR 2001, 1507; BGHZ 122, 250 ff. = VersR 1993, 828, 829; BGH VersR 1996 1229, 1230 = NJW 1996, 2935, 2936).


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Beschluss

(gemäß § 522 Abs. 2 ZPO)

Geschäftsnummer: 10 U 1117/02

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert

am 16. Oktober 2003

einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 24. Juli 2002 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe:

Die Berufung ist nicht begründet.

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus Einbruchsdiebstahlsversicherung in Anspruch.

Die Klägerin ist seit dem 01.11.1999 Inhaberin eines Lebensmittelgeschäftes in Bad M. Sie schloss am 17.11.1999 eine Betriebs-Vielschutz-Versicherung bei der Beklagten ab, die unter anderem eine Feuerversicherung und eine Einbruchdiebstahlsversicherung umfasste. Geschäftsführer des Lebensmittelgeschäftes war ihr Ehemann, der Zeuge H K, der auch das Ladenlokal angemietet hatte.

Am 16. Oktober 2000 gegen 4.45 Uhr warf ein bislang unbekannt gebliebener Täter mit einem Stein, Größe 15 x 20 cm, die rechte Fensterscheibe des Lebensmittelgeschäftes der Klägerin ein. Der Stein landete in der Kühltheke, die ca. einen Meter vom Fenster entfernt war und quer im Raum stand. Die Scheibe wurde dadurch in einer Größe von ca. 50 x 30 cm etwa in der Scheibenmitte zerstört. Durch die Öffnung wurde brennbares Material, möglicherweise Papier, in dem Bereich vor der Kunststoffladentheke eingebracht bzw. angesteckt und in das Geschäft hineingeworfen. Infolgedessen kam es zu einem Brand der kunststoffbeschichteten Kühltheke im rechten Bereich des Ladenlokals, wobei insbesondere die Thekenfront an den beiden Türen wegbrannte beziehungsweise schmolz. Das Feuer verursachte einen Totalschaden an der Betriebseinrichtung des Verkaufsraumes und an dem hier befindlichen Warenbestand. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Geschäft der Klägerin fand die Polizei am Morgen nach der Tat eine größere Anzahl abgebrannter beziehungsweise verbrannter Bierdeckel, Streichhölzer und Zigarettenkippen.

Der Brand wurde der Beklagten am 17.10.2000 durch den Ehemann der Klägerin, dem Zeugen K gemeldet, welcher sämtliche Vertrags- und Schadensverhandlungen mit der Beklagten führte. Am 18.10.2000 fand ein Ortstermin mit einem Regulierungsbeauftragten der Beklagten statt, bei dem der Zeuge K erstmals angab, anlässlich des Brandes seien auch zwei Kartons a 12 Flaschen Raki, zwei Koffer mit Messersets, drei Wanduhren sowie 10 bis 15 Packungen Tiefkühlkost der Marke "Mekkafood" entwendet worden. Der in dem Fall ermittelnden Polizei meldete er dies erstmals am 19.10.2000 telefonisch.

Die Staatsanwaltschaft K leitete nachfolgend ein Ermittlungsverfahren gegen den Zeugen K wegen des Verdachtes der schweren Brandstiftung ein (Aktenzeichen: ...), in dessen Verlauf unter anderem eine umfangreiche Zeugenvernehmung stattfand und eine Durchsuchung der Wohnung der Klägerin und ihres Ehemannes vorgenommen wurde, bei welcher Geschäftsunterlagen bezüglich des Lebensmittelgeschäftes sichergestellt wurden. Das Verfahren wurde jedoch am 15.02.2001 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Gegen die Klägerin, die sich zur Tatzeit urlaubsbedingt in der Türkei aufhielt und die erst am 16.10.2000 nachmittags zurückkehrte, wurde nicht ermittelt.

Am 13.11.2000 zahlte die Beklagte an die Klägerin unter Vorbehalt 20.000,-- DM.

Nach Einsicht in die polizeilichen Ermittlungsakten verweigerte sie am 31.05.2001 die weitere Regulierung des Schadens und forderte stattdessen unter Fristsetzung zum 25.06.2001 den gezahlten Betrag wegen des Verdachts der Eigenbrandstiftung zurück. Die Klägerin forderte ihrerseits die Beklagte mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 03.08.2001 zur Zahlung des Restbetrages unter Frist-. Setzung zum 15.08.2001 auf. Die Klägerin beziffert ihren Gesamtschaden auf 13.494,84 DM für die infolge des Brandes unbrauchbar gewordene Ware, 42.313,24 DM für die zerstörten Einrichtungsgegenstände, 9.380,- DM (469 Arbeitsstunden bei einem Stundenlohn von 20,-- DM) für die Reinigung der durch den Brand erheblich verschmutzten Geschäftsräume durch die Klägerin und ihre Hilfskräfte sowie 949,-- DM. für die entwendeten Waren, insgesamt mithin 66.137,08 DM. Dabei setzt sie bezüglich der Ware und der Einrichtungsgegenstände den Neuwert an.

Die Klägerin hat die Eigenbrandstiftung bestritten und unter Berücksichtigung der bereits gezahlten 20.000,-- DM beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 46.137,08 DM (23.589,51 EUR) nebst Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und im Wege der Widerklage beantragt, die Klägerin zu verurteilen, an sie 10.225,83 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.06.2001 zu zahlen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Klägerin kein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag zustehe. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass der Zeuge K als Repräsentant der Klägerin den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt habe. Als Indizien hierfür trägt die Beklagte zunächst die unstreitigen Tatsachen vor, dass eine vorsätzliche Brandstiftung vorliege, der Zeuge K als letzter gegen 19.00 Uhr am Brandort gesehen worden sei und er auch kein Alibi für die Tatzeit vorweisen könne. Daneben sei für eine Fremdbrandstiftung nichts ersichtlich und ein Motiv des Zeugen K aufgrund der desolaten finanziellen Situation seiner Familie gegeben. Für diese These spreche auch, dass der Zeuge K einige Wochen vor dem Brand erfolglos versucht habe, den schlecht laufenden Geschäftsbetrieb zu verkaufen, er einen Betrug zum Nachteil des Arbeitsamtes begangen und schließlich auch falsche Angaben gegenüber der Polizei gemacht habe bezüglich der wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie, der Rentabilität seines Geschäftsbetriebes und der Frage, wer das Fehlen einiger Gegenstände entdeckt habe. Als wichtigstes Indiz führt die Beklagte an, dass der Zeuge K einen Einbruchdiebstahl fingiert habe, da sich aus der polizeilichen Ermittlungsakte eindeutig ergebe, dass ein Entwenden der gestohlenen Gegenstände anlässlich des Brandes ohne einen passendenden Schlüssel gar nicht möglich gewesen sei. Der Zeuge K sei aber zum Zeitpunkt des Brandes die einzige Person gewesen, die im Besitz eines Ladenschlüssels gewesen sei. Zum anderen führt die Beklagte für das Fehlen eines Anspruches der Klägerin an, dass der Zeuge K als Repräsentant durch seine Falschangabe zum Einbruchdiebstahl, zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Familie und zu der Rentabilität des Geschäftsbetriebes eine arglistige Täuschung im Sinne des § 14 Ziffer 2 AERB 87 begangen sowie eine Aufklärungsobliegenheit gemäß § 13 AERB 87 i.V.m, § 6 Abs. 3 VVG verletzt habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage verurteilt, an die Beklagte 10.225,83 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG hieraus seit dem 26. Juni 2001 zu zahlen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

Der Senat hat gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO mit Hinweisbeschluss vom 26. Juni 2003 darauf hingewiesen, dass die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erforderten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO) auch habe die Berufung keine Aussicht auf Erfolg. Hieran wird festgehalten:

Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen und auf die Widerklage die Klägerin verurteilt, an die Beklagte den unter Vorbehalt gezahlten Betrag von 20,000,-- DM (10.225,83 €) nebst Zinsen zurückzuzahlen.

1) Die Berufung rügt ohne Erfolg, dass die Beiziehung und Verwertung der Ermittlungsakte zu Beweiszwecken verfahrensfehlerhaft gewesen sei, weil die Parteien, insbesondere die Vertreter der Klägerin, hierauf nicht hingewiesen worden seien. Die Klägerin hat auf Seite 3 der Klageschrift (GA 16) selbst die" Beiziehung und Verwertung der Ermittlungsakte beantragt.

Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Ermittlungsakten nicht vorgelegen haben. Ausweislich des Vermerks Bl. 154 RS (GA 154 RS) ergibt sich, dass die Akten durch die zuständige Richterin am 3.6.2002, also rechtzeitig vor dem Termin der mündlichen Verhandlung vom 13. 6.2002 (GA 155), beigezogen worden sind. Das Ersuchen ist bei der ..., ausweislich des Eingangsstempels, am 3. Juni 2002 eingegangen, das Verfügungsschreiben des Landgerichts enthielt den Vermerk "Eilt sehr, Termin am 13.6.02" (Bl. 186 der Ermittlungsakte). Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die Akten innerhalb des gleichen Hauses erst nach dem Termin der mündlichen Verhandlung beim Landgericht eingegangen sind. Im Übrigen weist die Berufungserwiderung zu Recht darauf hin, dass der Inhalt der Ermittlungsakte Gegenstand des Vortrags der Parteien, insbesondere der Beklagten war. Selbstverständlich durfte das Landgericht die Ermittlungsakte auch vollständig auswerten. Ein Verfahrensfehler bei der Beiziehung und Verwertung der Ermittlungsakte ist nicht ersichtlich. Auch sind Beweisangebote nicht übergangen worden.

Mit Recht ist die Kammer aufgrund einer umfassenden, überzeugenden und in jeglicher Hinsicht nachvollziehbaren Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Brand des Lebensmittelgeschäfts aufgrund einer vom Ehemann der Klägerin durchgeführten Brandstiftung entstanden war und der behauptete Einbruchsdiebstahl nur vorgetäuscht wurde. Die Beklagte ist nach § 61 VVG leistungsfrei geworden. Die Klägerin muss sich die Brandstiftung ihres Ehemannes, der Repräsentant der Klägerin ist, zurechnen lassen.

2) Gemäß § 61 VVG ist der Versicherer von seiner Verpflichtung zum Ersatz des entstandenen Vermögensschadens frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Dem gleichgestellt ist die Herbeiführung des Versicherungsfalls durch einen Repräsentanten des Versicherungsnehmers. Repräsentant ist, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder sonstigen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist. Die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache allein reicht hierfür grundsätzlich nicht aus. Repräsentant kann nur sein, wer befugt ist, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln (Risikoverwaltung). Es braucht nicht noch hinzuzutreten, dass der Dritte auch Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag wahrzunehmen hat. Übt der Dritte aber aufgrund eines Vertrags- oder ähnlichen Verhältnisses die Verwaltung des Versicherungsvertrages eigenverantwortlich aus, kann dies unabhängig von einer Übergabe der versicherten Sache für seine Repräsentantenstellung sprechen (BGHZ 122, 250 [252 ff.] = VersR 1993, 828 [829]; BGH Urteil vom 10. Juli 1996 -IV ZR 287/95 - VersR 1996, 1229,1230 = NJW 1996, 2935,2936; Senatsurteile vom 20. November 1998 - 10 U 1428/97 - NJW-RR 1999, 536 = NVersZ 1999, 482 = VersR 1999, 1231 und vom 22.12.2000 - 10 U 508/00 - NVersZ 2001, 325 = OLGR 2001, 353 = VersR 2001, 1507 ; vgl. auch Prölss/Martin, VVG Komm., 26. Aufl. 1998, § 61 Rn. 3 und § 6 Rn. 58). Angenommen wurde die Repräsentanteneigenschaft in der Rechtsprechung bei demjenigen, der die laufenden Geschäfte in einem Unternehmen selbständig führt beziehungsweise bei dem faktischen Inhaber eines Betriebes, der nur formal die Unternehmungsführung einem Dritten übertragen hat (Prölss/Martin, § 6 VVG Rn. 70; OLG Köln VersR 1996, 94).

Da der Ehemann der Klägerin, H K, das türkische Feinkostgeschäft der Klägerin selbständig führte, den Mietvertrag für das Ladenlokal abschloss, sämtliche Vertrags- und Schadensverhandlungen mit der Beklagten führte, die Klägerin demgegenüber gegenüber der Polizei über die finanzielle Lage des Geschäfts keine Angaben machen konnte, ist dieser als Repräsentant der Klägerin anzusehen.

Der Versicherer hat den ihm obliegenden Beweis einer Eigenbrandstiftung des Versicherungsnehmers bzw. seines Repräsentanten nach den Beweisanforderungen des § 286 ZPO zu führen. Es gelten weder die Grundsätze des Anscheinsbeweises noch kommen ihm dabei Beweiserleichterungen zugute. Der Versicherer kann den Beweis indes, soweit ihm Zeugen nicht zur Verfügung stehen, durch entsprechende Indizien beweisen, die in der vernünftigen Gesamtschau dem Gericht ein solches praktisches Maß an Überzeugung vermitteln, das letzten Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH VersR 1987, 503).

Das Landgericht hat aufgrund der Vielzahl an Indizien und einer Gesamtwürdigung aller Aspekte diesen brauchbaren Grad an Gewissheit der Überzeugungsbildung (§ 286 ZPO) gewonnen. Für den Senat ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der von der Kammer getroffenen entscheidungserheblichen Feststellungen begründen können (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO n.F.).

Als Indiz für eine Brandstiftung durch den Zeugen K führt das Landgericht an, dass dieser unstreitig gegen 19.00 Uhr durch den Zeugen S als letzter am Brandort gesehen worden sei und auch kein Alibi für die Tatzeit habe vorweisen können, weil der Ehemann der Klägerin sich nach eigenen Angaben in seiner Wohnung befunden habe. Mit der Berufung ist allerdings davon auszugehen, dass es sich hierbei nicht um ein gewichtiges Indiz handelt. Nach den Bekundungen des Zeugen S hat sich der Ehemann der Klägerin gegen 19.00 Uhr nur etwa 5 Minuten in dem Geschäft aufgehalten und ist ca. 1 bis 1 % Stunden nochmals gekommen, um sich in Richtung Pizzeria zu begeben. Die Berufung (BB 9, GA 210) wendet diesbezüglich zu Recht ein, dass es keinen Sinn gemacht hätte, zu einem späteren Zeitpunkt eine Pizzeria aufzusuchen, wenn der Zeuge K zuvor Vorkehrungen für eine Brandlegung getroffen hätte. Im Übrigen ist die Tatsache, dass der Geschäftsführer eines türkischen Feinkostgeschäftes sich noch um 19.00 Uhr im Geschäftsladen aufhält, nichts Ungewöhnliches, das Indizcharakter für das Begehen einer späteren Eigenbrandstiftung haben könnte. Auch der Umstand, dass man sich in der Nacht in seiner eigenen Wohnung aufhält, ohne dies durch Zeugenbeweis belegen zu können, ist nachvollziehbar. Indizcharakter hat indes die Tatsache, dass der Zeuge K, für die Nacht kein Alibi hatte, jedoch in dem Zusammenhang, dass sich der behauptete Einbruchsdiebstahl mit Brandstiftung zu einem Zeitpunkt ereignete, als seine Ehefrau sich mit den Kindern in der Türkei aufhielt und dadurch etwaige Vorbereitungen für eine Eigenbrandstiftung und einen fingierten Einbruchsdiebstahl ungestört ablaufen konnten.

Weiteres Indiz ist das Fehlen eines Motivs für eine Fremdbrandstiftung. Insbesondere konnten keinerlei Anhaltspunkte für einen ausländerfeindlichen Anschlag von der Polizei gefunden werden. Zwar kam es, wie das Landgericht zutreffend berücksichtigt, in der Zeit vor dem Brand zu Einbruchsdiebstählen und Sachbeschädigungen in der Nachbarschaft des Geschäftes. Diese Taten unterschieden sich aber von ihrer Begehungsweise her von dem hier vorliegenden Fall. Es kam in diesen Fällen weder zu einer Brandstiftung, noch wurde mittels eines Steines die Scheibe eines Geschäftes eingeschlagen (Ziffer 5 des Ermittlungsvermerkes der K M vom 25.10.00, Blatt 60 f. der Ermittlungsakte). Die Tatsache, dass es in der Nachbarschaft des Geschäfts zu Einbruchsdiebstählen mit Sachbeschädigung gekommen ist, könnte auch durchaus den Zeugen K erst zu einem fingierten Einbruchsdiebstahl mit Eigenbrandstiftung verleitet haben, um dadurch das Geschehen als ausländerfeindlichen Akt aussehen zu lassen.

Gewichtiges Indiz ist hingegen, dass der Zeuge K durchaus aufgrund der schlechten finanziellen Situation seiner Familie ein Motiv hatte, den Geschäftsbetrieb zum Zwecke eines nachfolgenden Versicherungsbetruges in Brand zu setzen. Die Polizei fand bei der Durchsicht der im Rahmen des Ermittlungsverfahrens sichergestellten Geschäftsunterlagen heraus, dass der Zeuge K seit 1997 ständig Schulden hatte, die sich auf 25.000,-- DM bis 65.000,-- DM beliefen (vgl. Vermerk der K M vom 03.01.2001, Bl. 130 f der Ermittlungsakte). So hatte er ausweislich der Feststellungen in der Ermittlungsakte anlässlich der Eröffnung des Geschäftsbetriebes zwei Darlehen über insgesamt 57.500,-- DM aufgenommen, wobei von dem Kredit über 30.000,-- DM bei der Volksbank G zum Tatzeitpunkt lediglich 4.200,-- DM abbezahlt waren. Nach eigenen Angaben gegenüber der Polizei (vgl. BL. 25 der Ermittlungsakte) hatte der Zeuge K vor der Geschäftseröffnung ca. 100.000,-- DM in Renovierungsarbeiten, Einrichtungsgegenstände und den Warenbestand des Geschäftsbetriebes investiert. Er selbst bezog Arbeitslosenhilfe in Höhe von 1.740,-- DM monatlich, 1.190,-- DM an Kindergeld für die vier Kinder sowie 385,-- DM an Mietzuschuss. Dem standen allein schon monatliche Mietzahlungen für die Wohnung der 6-köpfigen Familie in Höhe von 1.400,-- DM (warm) gegenüber. Wie die Durchsicht der sichergestellten Geschäftsunterlagen ergab (Vermerk a.a.O. mit Bezugnahme auf die Beiakte), warf der Geschäftsbetrieb in dem Zeitraum 01.10.1999 bis 31.08.2000 so gut wie keinen Gewinn ab, laut Kassenbericht vom 01.01.2000 bis 30.06.2000 ca. 700,-- DM. Den monatlichen Umsätzen zwischen 8.000,-- und 10.000,-- DM standen sämtliche Ausgaben für den Betrieb des Geschäftes gegenüber, so fielen monatlich allein 900,-- DM für Miete und 500,-- DM für den firmeneigenen Lieferwagen an. Ein wirtschaftliches Überleben durch den Geschäftsbetrieb war unter diesen Umständen nicht möglich. Der Zeuge K wollte den Geschäftsbetrieb auch einige Zeit vor dem Brand an den Zeugen Ö verkaufen. Ein Vertrag kam jedoch nicht zustande, da der Zeuge Ö seine Kaufabsicht zurückstellte.

Soweit die Berufung (BB 12, GA 213) unter Bezugnahme auf den Sachvortrag, GA 143 pauschal bestreit, dass ein Darlehen bei der Volksbank G in Höhe von 30.000 DM aufgenommen worden sei, wovon zum Tatzeitpunkt lediglich 4.200 DM abbezahlt worden seien, ist dieser Vortrag nicht geeignet, die in der Ermittlungsakte aufgrund einer Durchsuchung festgehaltenen Feststellungen zu entkräften. Letztlich kommt es hierauf auch nicht entscheidend an, da die Klägerin zugesteht, dass jedenfalls neben dem Darlehen für den Fiat Ducato in Höhe von 27.500 DM noch ein weiteres Darlehen von 15.000,-- DM bestanden hatte, insgesamt jedenfalls die finanzielle Situation sehr angespannt war und die Einnahmen aus dem Feinkostgeschäft in keinem Verhältnis zu den Ausgaben standen.

Ein weiteres starkes Indiz für eine Eigenbrandstiftung ist, dass die Angaben des Zeugen K bezüglich der Rentabilität des Geschäftsbetriebes (Tagesumsätze von 500,-- bis 800,-- DM, am Wochenende sogar bis 1.000,--) mit den bei der Durchsuchung vorgefundenen Geschäftsunterlagen sich nicht decken. Auch wenn nach dem Vortrag der Berufung bezüglich der Ermittlung der Tagesumsätze die letzten 4 Monate vor dem Brand nicht vollständig erfasst sein sollten, ändert dies doch insgesamt nichts an der schwierigen finanziellen Situation der Familie K.

Auch die Angaben, werden angeblichen Diebstahl von Gegenständen entdeckt habe, sind widersprüchlich. Der Zeuge K hat zunächst bekundet, seine Frau habe das Fehlen der Gegenstände am Tag nach dem Brand bemerkt, während diese bei ihrer Vernehmung vom 14.11.2000 (Bl. 87 der Ermittlungsakte) angegeben hat, nach ihrer Rückkehr aus der Türkei den Geschäftsbetrieb 10 Tage lang nicht betreten zu haben.

Schließlich ist ein ganz gewichtiges Indiz für eine Eigenbrandstiftung das Vortäuschen eines Einbruchdiebstahls durch den Zeugen K gegenüber der Polizei und der Beklagten. Das Landgericht führt diesbezüglich zu Recht aus, dass zwar die Versicherungsfälle "Entwendung" und "Brand" grundsätzlich selbständig nebeneinander stehen. Legen jedoch konkrete Tatsachen mit erheblicher Wahrscheinlichkeit das Vortäuschen der Entwendung nahe, so kann dies im Rahmen des § 61 VVG auch Indizbedeutung für die Herbeiführung des Brandes haben (BGH VersR 1996, 186, 187; OLG Köln VersR 1992, 606; OLG Köln VersR 1997, 444). Aufgrund der Erkenntnisse aus der Ermittlungsakte steht fest, dass ein Entwenden der Gegenstände durch ein Hindurchgreifen durch das Loch in der Scheibe nicht möglich war, da die Gegenstände auf diese Art und Weise nicht erreicht werden konnten. Hierfür hätte der Geschäftsbetrieb betreten werden müssen. Ein gewaltsamer Zutritt durch die Tür ist aber auszuschließen, da diese ebenfalls unstreitig ordnungsgemäß verschlossen war und keinerlei Aufbruchsspuren aufwies. Ein Einstieg durch das Fenster war ebenfalls unmöglich: Zum einen war das entstandene Loch in der Fensterscheibe nur ca. 50 x 30 cm groß und es ragten diverse Glaszacken in den Raum. Zum anderen konnte das Fenster nicht durch ein Hindurchgreifen durch das Loch geöffnet werden, da das Fenster seit einiger Zeit defekt war und sich auch von innen nicht Öffnen ließ. Der Täter müsste also einen Schlüssel gehabt haben. Es ist aber nach den eigenen Angaben des Zeugen K davon auszugehen, dass er zum Zeitpunkt des Brandes die einzige Person im Besitz eines Schlüssels zu der Geschäftstür war. Zeitweise arbeitete nach seinen Angaben zwar eine Aushilfskraft in dem Geschäft, diese hatte jedoch keinen eigenen Schlüssel und es ist nichts dafür ersichtlich, dass sie unbefugt einen Nachschlüssel anfertigen ließ. Auch hatte der von der Klägerin benannte Bäckereiangestellte nach eigenen Angaben des Zeugen K, bei seiner Beschuldigtenvernehmung vom 14.11.2000 (Bl. 93 der Ermittlungsakte) nur einen Schlüssel zu dem Hausflur des Gebäudes, nicht aber zu dem Geschäftsbetrieb selbst.

Als weiteres Indiz kann letztlich noch gewertet werden, dass der Zeuge K sich auch gegenüber dem Arbeitsamt unredlich verhielt, indem er Arbeitslosengeld bezog, obwohl er nach dem oben Gesagten faktisch Inhaber des Ladens war.

Aufgrund dieser umfassenden Indizienkette ergibt sich ein sehr hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, die für eine Eigenbrandstiftung durch den Zeugen K als Repräsentant der Klägerin spricht, die sich die Klägerin zurechnen lassen muss.

Die Klägerin hat darüber hinaus mangels Eintritts des Versicherungsfalles keinen Anspruch auf Ersatz eines durch Entwendung einiger Gegenstände angeblich entstandenen Vermögensschadens gemäß § 1 Abs. 1 VVG i.V.m. der Betriebs-Vielschutz-Versicherung. Die Klägerin hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich das äußere Erscheinungsbild eines Einbruchdiebstahls mit hinreichender Deutlichkeit erschließen lässt, es ist stattdessen mit erheblicher Wahrscheinlichkeit von einem Vortäuschen der Entwendung durch den Zeugen K als Repräsentant der Klägerin auszugehen.

Ob eine Aufklärungspflichtverletzung gemäß § 13 AERB 87 i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG besteht oder ein besonderer Verwirkungsgrund gemäß § 14 Ziffer 2 AERB 87 vorliegt, mag offen bleiben.

3) Das Landgericht hat auch zu Recht die Klägerin verurteilt, den unter Vorbehalt gezahlten Betrag von 20.000 DM nebst Zinsen wieder an die Beklagte zurückzuzahlen, da dieser Betrag aufgrund des Fehlens eines Versicherungsfalles ohne Rechtsgrund gezahlt worden ist (§ 812 Abs. 1 S. 1 BGB).

4) Die Berufung hat mit Schriftsatz vom 26. September 2003 der Zurückweisung der Berufung in Anwendung des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO widersprochen. Die Ausführungen geben dem Senat zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung.

Die Beiziehung und Verwertung der vollständigen Ermittlungsakte zu Beweiszwecken war nicht verfahrensfehlerhaft. Die Erkenntnisse aus der Ermittlungsakte waren sowohl Gegenstand des Prozessstoffes der Parteien als auch Inhalt der mündlichen Verhandlung. Der Senat nimmt bezüglich der weiteren Einzelheiten zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Hinweisbeschluss vom 26.6.2003 Bezug.

Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass der Ehemann der Klägerin die Brandstiftung durchgeführt und den Einbruchsdiebstahl nur vorgetäuscht hat. Wie bereits im Hinweisbeschluss vom 26.6.2003 ausgeführt, hat das Landgericht aufgrund einer Vielzahl an Indizien und einer Gesamtwürdigung aller Aspekte diesen Grad an Gewissheit zur Überzeugungsbildung im Sinne des § 286 ZPO gewonnen. Die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung ist umfassend, in sich nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei. Sie verstößt weder gegen Denk-, Natur- und Erfahrungssätze. Im Berufungsverfahren ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der vom Landgericht getroffenen entscheidungserheblichen Feststellungen begründen können (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO n.F.).

Entgegen den Ausführungen der Berufung im Schriftsatz vom 26.9.2003 sind die von der Berufung aufgeführten Gründe nicht so gewichtig, dass sie entscheidend gegen eine Täterschaft des Ehemanns der Klägers sprechen. Auch wenn sich die Klägerin während der Tatzeit nicht mit sämtlichen Kindern in der Türkei aufgehalten hatte, sondern die größeren Kinder in Deutschland verblieben, konnten die Vorbereitungen für eine Eigenbrandstiftung und einen fingierten Einbruchsdiebstahl infolge der Abwesenheit der Ehefrau und der kleineren Kinder ungestört verlaufen. Soweit die Berufung nunmehr unter Beweis stellt (Vernehmung der Töchter S und B K), dass der Ehemann der Klägerin sich gemeinsam mit seinen größeren Töchtern zwischen 22.00 und 23.00 Uhr zu Bett begeben habe und erst morgens durch die Feuerwehr geweckt worden sei, ist dieser Vortrag neu und nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO n.F. nicht zuzulassen, da er bereits im ersten Rechtszug hätte geltend gemacht werden können. Dieses Versäumnis beruht auf einer Nachlässigkeit der beweisbelasteten Partei. Da die Beklagte bereits in der Klageerwiderung, dort S. 10 (GA 73) das fehlende Alibi des Ehemanns der Klägerin als ein Indiz für seine Täterschaft angeführt hatte, hätte es nahegelegen, dass die Klägerin bzw. deren Ehemann dem unmittelbar entgegengetreten wären und durch Zeugenbeweis dieses Indiz entkräftet hätten. Selbst in der Berufungsschrift (dort S. 10, GA 211) werden die älteren Töchter der Klägerin nicht als Zeugen für ein angebliches Alibi des Ehemanns der Klägerin benannt.

Die Tatsache, dass in der Zeit von 12.10 bis 15.10.1999 ein großes Stadtfest in der Altstadt von Bad M stattfand und ein großes, bewachtes Zelt vor dem Geschäft der Klägerin aufgebaut war, spricht nicht entscheidend für ein Alibi des Ehemanns der Klägerin. Denn es ist nicht sicher, ob der Wächter die ganze Nacht das Zelt bewachte. Die Argumentation, der Ehemann der Klägerin hätte zur Durchführung der Tat allenfalls eine Zeit von 15 bis 20 Sekunden gehabt, um die Scheibe einzuwerfen, brennbares Material anzuzünden und in das Geschäft zu werfen, und hätte damit rechnen müssen, dass der Wächter in kürzester Zeit am Brandort gewesen wäre, deshalb sei seine Täterschaft ausgeschlossen, überzeugt nicht. Tatsächlich konnte das Einwerfen der Scheibe mit Brandstiftung erfolgen, ohne dass es bemerkt worden ist. Der mit der Bewachung des Zeltes beauftragte G S hat im Ermittlungsverfahren bekundet, dass er erst gegen 5.00 Uhr infolge der Rauchentwicklung auf den Brand aufmerksam geworden sei und er von dem Einwerfen der Scheibe und der Brandlegung nichts mitbekommen habe.

Die von der Berufung in ihrem Schriftsatz vom 26.9.2003 weiter vorgebrachten Argumente vermögen letztlich nichts daran zu ändern, dass insbesondere die Art der Begehungsweise gegen eine Fremdbrandstifung mit Einbruchsdiebstahl spricht. Entscheidend ist, dass ein Entwenden der angeblich gestohlenen Gegenstände durch ein Hineingreifen durch das Loch der Scheibe nicht möglich war, der Ehemann der Klägerin als einziger Zugang zu dem verschlossenen Ladenlokal hatte. Hinzu kommt, dass aufgrund der angespannten finanziellen Situation der Ehemann der Klägerin ein erhebliches Motiv für eine Eigenbrandstiftung mit fingiertem Einbruchsdiebstahl hatte. Entgegen den Ausführungen der Berufung im Schriftsatz vom 26.9.2003 lag eine deutliche Überschuldung der Eheleute K vor und die Situation war finanziell angespannt. Die Einnahmen aus dem Geschäft waren gering, es bestanden Mietzins- und Darlehensverpflichtungen, der Ehemann der Klägerin bezog darüber hinaus Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe.

Die Berufung ist aus den dargelegten Gründen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 33.815,43 €.

Ende der Entscheidung

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