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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 05.06.2003
Aktenzeichen: 10 U 1131/02
Rechtsgebiete: AUB, ZPO


Vorschriften:

AUB § 2 III (2)
AUB § 1 III
ZPO § 522
Für Bandscheibenschäden besteht Versicherungsschutz in der privaten Unfallversicherung nur, wenn ein Unfallereignis die überwiegende Ursache ist. Nach heutigen medizinischen Erkenntnissen ist davon auszugehen, dass eine Zerreißung des Bandscheibenfaserringes nicht traumatisch entstehen kann. Ein Ausrutschen mit Fallen auf das Gesäß führt allenfalls zu einer Stauchung der Wirbelsäule, Längsstauchungen der Wirbelsäule verursachen jedoch keine Schädigung der Bandscheiben.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Beschluss

(gemäß § 522 Abs. 2 ZPO)

Geschäftsnummer: 10 U 1131/02

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert am 5. Juni 2003

einstimmig

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 30. Juli 2002 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Unfallversicherung (AUB 95) auf Invaliditätsleistungen in Anspruch.

Der Kläger, der als LKW-Fahrer und LKW-Lader tätig war, unterzog sich im August 1998 zum wiederholten Male einer Bandscheibenoperation. Er war bis einschließlich 5. Oktober 1998 krankgeschrieben.

Der Kläger behauptet, am 6. Oktober 1998 auf der Treppe vor seinem Haus erneut gestürzt zu sein und sich am Rücken verletzt zu haben. Er habe eine Mülltüte zur Mülltonne bringen wollen. Als er die drei Treppenstufen hinunter gegangen sei, sei er - vermutlich auf der zweiten Stufe - ausgerutscht, gefallen und mit dem Gesäß auf die Treppenstufen aufgeschlagen. Er sei dann aufgestanden, habe die Mülltüte weggeworfen und habe sein Fahrzeug, das über 6 Wochen nicht bewegt worden sei, gestartet. Er habe sich nicht in das Fahrzeug hineingesetzt, sondern habe sich auf den Türschweller gekniet, da sein Rücken wehgetan habe. Aufgrund des Unfalls könne er keine Lasten mehr tragen, nicht länger als eine halbe Stunde sitzen und weder Federball, noch Fußball oder Volleyball spielen. Seine andauernden Rückenschmerzen mit Ausdehnung in beide Beine seien durch den Unfall verursacht. Sein Invaliditätsgrad sei 100 %, wobei dieser zu 50 % unfallbedingt sei. Die bei ihm unfallunabhängig bestehenden Beeinträchtigungen rechtfertigten allenfalls einen Mitwirkungsanteil von 50 %.

Der Kläger zeigte mit am 9. Oktober 1998 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben den Unfall an. Am 8. Oktober 1998 begab er sich in ein Radiologisches Institut zwecks Erstellung eines Kernspintomogramms. Dr. diagnostizierte einen Zustand nach BSV-OP LW 4/5, PLIF-OP LW 4/5 sowie einen Zustand nach perkutaner Lasernukleotomie LW 5/SW1 sowie eine posttraumatische Spondylopathie mit Segmentinstabilität und Foramenstenose. Auf Veranlassung der Beklagten wurde ein Privatgutachten von Dr. erstellt. In der Folgezeit wurde der Kläger erneut an der Bandscheibe operiert. Die Beklagte hat daraufhin Leistungen aus der Unfallversicherung abgelehnt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

II.

Der Senat hat gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO mit Hinweisbeschluss vom 20. März 2003 darauf hingewiesen, dass die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern. Die - zulässige, insbesondere fristgerecht begründete - Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht Ansprüche auf Invaliditätsleistungen aus der Unfallversicherung abgelehnt. Zwar lässt sich dem neurochirurgischen Privatgutachten von Priv.- Doz. Dr. med. entnehmen, dass sich bei der Untersuchung am 23.10.1998 eine mechanische Radikulopathie L 5/ S 1 links ergab, die vorher nach Ansicht des Privatdozenten so nicht bestanden hatte. Durch die Sturzfolge sei eine Engpassbildung des Nervenwurzelaustrittslochs eingetreten. Es sprächen mehr Gründe dafür als dagegen, dass eine unfallbedingte Verschlechterung im Sinne einer posttraumatischen Spondylopathie mit Segmentinstabilität und Foramenstenose eingetreten sei.

Demgegenüber hat Dr. VW in seinem Privatgutachten für die Beklagte vom 7.7.2000 ausgeführt, dass bei dem Kläger eine langjährige "Wirbelsäulenanamnese" bestehe. Es seien seit 1996 mehrfach Revisionen der Bandscheibenfächer L 4/5 und L 5/S1 vorgenommen worden. Das zur Diskussion stehende Ereignis vom 06.10.1998 habe sich noch im Rahmen der Rekonvaleszenz (OP 26.08.1998) ergeben. Dr. führte aus, dass man nach heutiger Erkenntnis davon ausgehe, dass eine Zerreißung des Bandscheibenfaserringes ohne Begleitverletzung nicht traumatisch entstehen könne. Ein Ausrutschen mit Fallen auf das Gesäß führe allenfalls zu einer Stauchung der Wirbelsäule. Längsstauchungen der Wirbelsäule führten indes nicht zu einer Bandscheibenschädigung.

Dr. verwies hierbei auf Versuche, bei denen die Wirbelsäule unter erheblichen Druck gesetzt worden sei. Es seien dabei stets zuerst die Wirbelkörperabschlussplatten eingebrochen, bevor eine Schädigung der Bandscheibe eingetreten sei. Das vom Kläger beschriebene Unfallereignis könne nicht als ursächlich angesehen werden für den wieder aufgetretenen erheblichen Schmerz im Rücken und die Ausstrahlung in beide Beine. Auch trete dadurch keine Instabilität im mehrfach operierten Segment auf. Da bei dem Sturz keine Knochen- oder Gelenkverletzungen nachgewiesen worden seien, könne entgegen der Auffassung von Privatdozent Dr., auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Instabilität im behandelnden Segment auf den Sturz zurückzuführen sei.

Es sei eindeutig davon ausgehen, dass die knöcherne und narbenbedingte Stenose des Nervenwurzelaustrittslochs bereits zum Unfallzeitpunkt bestanden habe und die Instabilität auf Grund der Bandscheibenschädigung (mehrfache Operationen im Segment L4/5) beruhte. Das Ereignis habe allenfalls zu einer vorübergehenden Irritation der Nervenwurzel geführt bei bestehender erheblicher Vorschädigung des Segments.

Der Kläger habe sich letztlich lediglich eine Stauchung der Wirbelsäule bei deutlicher Vorschädigung zugezogen. Das Ereignis habe zu einer zeitlich begrenzten, jedoch nicht richtunggebenden Verschlimmerung des Vorzustandes im Sinne eines Anlassgeschehens geführt. Die Verschlimmerung könne für sechs Wochen zeitlich begrenzt werden. Eindeutige Folgen des Unfalles vom 06.10.1998 seien jetzt nicht mehr objektivierbar.

Die von Dr. in seinem Gutachten gemachten Ausführungen werden durch das von Prof. Dr. Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie, Universität Bonn, erstellte Gerichtsgutachten bestätigt. Die von Privatdozent Dr. beschriebene Foramenstenose könne nicht in wesentlichem Umfang Unfallfolge sein. Der Kläger habe sich sicherlich im Rahmen des Unfalls eine LWS-Prellung bzw. -Stauchung zugezogen. Hierdurch ließen sich die vom Patienten bemerkten lumbalgiformen Beschwerden erklären. Bei der degenerativ vorgeschädigten LWS und Zustand nach mehreren Operationen, wobei die Nervenwurzeln zum Teil narbig fixiert verliefen, könne es infolge des Unfalls zu einer mechanischen Nervenwurzelirritation durch Zug oder Stauchung gekommen sein. Dr. sei darin zuzustimmen, dass der Unfallmechanismus für eine grobe, discoligamentäre Instabilität als Verletzungsfolge mangels adäquater Gewalteinwirkung nicht in Frage komme. Die aktuell vom Patienten angegebenen Beschwerden ließen sich durchaus durch die unstrittig vorhandene degenerative LWS-Erkrankung bei Zustand nach mehreren Bandscheibenoperationen und zuletzt Fusion LW 4/5 erklären. Bei einem solchen Krankheitsverlauf seien Restbeschwerden eigentlich typisch. Weiter dürften die vom Patienten im Bereich der unteren Extremitäten empfundenen Beschwerden noch durch die Verschleißerscheinungen in beiden Kniegelenken und dem Zustand nach Beinvenenthrombose rechts modifiziert sein.

Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. gelangte in Übereinstimmung mit Dr. zu dem eindeutigen Ergebnis, dass das Unfallereignis nicht Ursache der jetzt beim Kläger bestehenden andauernden Rückenschmerzen mit, Ausstrahlung in beide Beine sei. Die aktuellen Beschwerden ließen sich durchaus. im Rahmen des natürlichen Verlaufs der Grunderkrankung erklären. Die zusätzlich durch den Sturz verursachte Verstärkung habe einen vorübergehenden Charakter und wäre ohne die degenerativen und postoperativen Veränderungen nicht so stark ausgefallen. Eine unfallbedingte Invalidität bestehe nicht. In Übereinstimmung mit Dr., sei von einer zeitlich begrenzten, jedoch nicht richtunggebenden Verschlimmerung des Vorzustandes auszugehen, die zeitlich auf 6 Wochen begrenzt werden könne.

Der Sachverständige hat in seiner mündlichen Anhörung vor dem Landgericht auch deutlich gemacht, dass das Vorhandensein von Siderophagen, d.h. weiße Blutkörperchen, im Bandscheibengewebe kein Anhalt dafür sei, dass durch das Unfallereignis vom 6.10.1998 eine Einblutung stattgefunden habe. Diese könnten auch von einer früheren Operation herstammen, da diese in einer Bandscheibe, einmal dort hingelangt, auch dort verblieben. Der Sachverständige verwies darauf, dass eine Rücksprache beim Pathologischen Institut in Neuwied nicht eindeutig ergebe habe, ob das untersuchte Gewebe des Klägers aus dem Bandscheibensegment L 4/5 stamme, da der Kläger im Jahre 2000 noch einmal an der Bandscheibe operiert worden sei.

Die von der Berufung gegen das Gutachten von Prof. Dr. geführten Angriffe sind nicht geeignet, eine andere Beurteilung des Geschehens herbeizuführen. Soweit die Berufung meint, die Zellen, auf die Prof. Dr. abgestellt habe, befänden sich gerade nicht im Bereich des Faserringeinrisses, die Siderophagen, die der Operateur Dr. M angetroffen habe, hätten sich ausschließlich in demjenigen Bereich befunden, der deutlich von den Gebieten (Knorpelgewebe) der Voroperation abgegrenzt sei, lässt sich eine derartige eindeutige Zuordnung heute nicht mehr treffen. Letztlich verbleibt es dabei, dass der Kläger weder die von ihm behauptete Invalidität (Dauerfolge) noch die Unfallursächlichkeit nachweisen kann.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 16. Mai 2003 der Zurückweisung der Berufung in Anwendung des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO widersprochen. Die Ausführungen geben dem Senat zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung. Der Senat hat sich eingehend mit der Frage befasst, ob das Vorhandensein von Siderophagen im Bandscheibengewebe ein Anhalt dafür sein kann, dass durch das Unfallereignis vom 6.10.1998 eine Einblutung stattgefunden hat. Er hat diese Frage, gestützt auf die mündliche Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. vor der Kammer, verneint, da eine Rückfrage des Sachverständigen beim Pathologischen Institut in Neuwied nicht eindeutig ergeben hat, ob das untersuchte Gewebe dem Bandscheibensegment L 4/5 entstammt. Definitiv gegenteilige Erkenntnisse ergeben sich auch nicht aus dem Attest des PD Dr.. Für die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens fehlen im Hinblick darauf, dass sicher zuzuordnende Gewebeproben nicht mehr vorliegen, die entsprechenden Anknüpfungstatsachen. Der Senat erachtet die Einholung eines Obergutachtens deshalb nicht für erforderlich.

Die Berufung war aus den dargelegten Gründen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beläuft sich auf 83.278,20 €.

Ende der Entscheidung

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