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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 16.05.2008
Aktenzeichen: 10 U 1165/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, VVG


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 651 g
BGB § 651 g Abs. 1 Satz 1
BGB § 651 g Abs. 1 Satz 3
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
VVG § 12 Abs. 3 a. F.
Das Fristerfordernis nach § 651 g BGB hängt nicht vom Ausmaß bestehender Beweissicherungsinteressen im Einzelfall ab.

Auch übergegangene Ansprüche wegen von Beamten erllittener Körperverletzungen müssen vom Dienstherrn fristgerecht geltend gemacht werden.

Zur Unverzüglichkeit der Geltendmachung bei Sachbearbeitung durch eine Behörde.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 10 U 1165/07

Verkündet am 16. Mai 2008

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und die Richterin am Landgericht Dr. Walper auf die mündliche Verhandlung vom 25. April 2008 für Recht erkannt: Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 2. August 2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung eine Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Gründe: I. Das klagende Land nimmt den Beklagten als Reiseveranstalter aus übergegangenem Recht wegen Verletzung von vier Lehrern während einer Studienreise nach Peru in Anspruch. Es begehrt die Zahlung von 352.734,79 € nebst gesetzlichen Zinsen sowie die Feststellung der weitergehenden Schadensersatzpflicht des Beklagten. Die Geschädigten, allesamt Lehrkräfte im Dienst des klagenden Landes, hatten für die Zeit vom 16. Juli bis 7. August 2004 bei dem Beklagten eine Reise nach Peru gebucht und diese auch angetreten. Am 27. Juli 2004 verunglückte der vom Beklagten gecharterte Reisebus gegen 12:00 Uhr mittags auf einer Fahrt zur Colka-Schlucht auf einer Landstraße. Der Bus geriet ohne von außen erkennbaren Anlass aufgrund einer kurzzeitigen Vernachlässigung des Lenkrads durch den Fahrer auf die Gegenfahrbahn und stürzte nach dem Zusammenprall mit einer Zementmauer eine Böschung hinab, wobei er sich mehrfach überschlug. Durch den Unfall wurden die Geschädigten zum Teil schwer verletzt. Unmittelbar nach dem Unfall flog der Beklagte persönlich nach Peru, um die Unfallregulierungen vor Ort vorzunehmen und zu veranlassen, dass die Geschädigten nach dem Unfall vorzeitig nach Deutschland zurückgeflogen wurden. Alle vier Geschädigten machten innerhalb einer Monatsfrist, gerechnet ab dem vertraglich vorgesehenen Ende der Reise, Ansprüche gegenüber dem Beklagten geltend, welche von der Haftpflichtversicherung des Beklagten reguliert wurden. Das klagende Land erbrachte durch das niedersächsische Landesamt für Bezüge und Versorgung (NLBV) Beihilfen für alle vier Geschädigten. Außerdem zahlte der Kläger die Dienstbezüge der Geschädigten in den Zeiträumen weiter, in denen sie aufgrund unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit ihren Dienst nicht oder zum Teil nur mit reduzierter Stundenzahl versehen konnten beziehungsweise Sonderurlaub in Anspruch nahmen. Die für Regressforderungen zuständige Landesschulbehörde machte durch die zuständige Sachbearbeiterin Frau A. Schadensersatzforderungen des Klägers gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Beklagten nach Ablauf der Monatsfrist des § 651 g Abs. 1 Satz 1 BGB geltend. Der Kläger hat nach mehrfacher Erhöhung seiner Klage zu Ziffer 1 und Rücknahme der Klage hinsichtlich der Geschädigten B. zu Ziffer 2 zuletzt beantragt 1. den Beklagten zu verurteilen, an das klagende Land 352.734,79 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 1.980,25 € seit dem 16.3.2005, auf 925,31 € seit dem 11.4.2005, auf 30.174,06 € seit dem 21.4.2005, auf 54.533,51 € seit dem 12.5.2005, auf 150.958,03 € seit dem 13.5.2005, auf 2.048,06 € seit dem 1.11.2005,auf 70,61 € seit dem 1.11.2005, auf 2.485,93 € seit dem 1.12.2005, auf 48.588,44 € seit dem 1.12.2005, auf 25.806,14 € seit dem 5.12.2005 sowie auf 452,97 €, auf 24.421,15 € und 10.270,33 € seit jeweiliger Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem klagenden Land alle den Lehrern C. E., D.E. und F. aus dem Verkehrsunfall vom 27.7.2004 in Peru noch entstehenden Schäden, die auf den Kläger übergehen, zu ersetzen. Wegen der erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger die Ausschlussfrist des § 651 g Abs. 1 Satz 1 BGB nicht gewahrt habe und er auch nicht ohne sein Verschulden an der Wahrung der Frist gehindert worden sei. Auch übergegangene Ansprüche des klagenden Landes aus Deliktsrecht bestünden gegen den Beklagten nicht. Wegen der Begründung der landgerichtlichen Entscheidung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen. Das klagende Land wendet sich mit seiner Berufung gegen die Klageabweisung. Es wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Sachvortrag und macht im Einzelnen geltend:

Schutzzweck des § 651g Abs. Satz 1 BGB sei lediglich das Beweissicherungsinteresse des Reiseveranstalters, der in den meisten Fällen letztlich nicht selber für die Schäden einzustehen habe, sondern seinerseits Regressansprüche gegen seine Erfüllungsgehilfen besitze. Aus diesem Grund bestehe ein berechtigtes Interesse des Reiseveranstalters daran, möglichst schnell eine Meldung des Reisenden zu erhalten, um Beweise zu sichern und Regressansprüche geltend zu machen. Das bloße Interesse des Reiseveranstalters daran, schnell zu wissen, welche Ansprüche auf ihn zukommen, sei dagegen nicht durch die genannte Vorschrift geschützt. Vorliegend seien die Gesamtumstände so, dass eine Berufung des Beklagten auf die Ausschlussfrist des § 651 g Abs. 1 Satz 1 BGB rechtsmissbräuchlich sei. Denn unstreitig sei der Beklagte vor Ort gewesen und habe das gesamte Ausmaß des Schadens und der Verletzungen bei den geschädigten Lehrkräften zur Kenntnis genommen. Es sei ihm ohne weiteres möglich gewesen, unmittelbar nach dem Unfall vor Ort in Peru entsprechende Beweise zu sichern, um Regresse seinerseits gegen den Busunternehmer geltend zu machen. Da dem Beklagten die Sicherung von Beweisen möglich gewesen sei und er diese auch vorgenommen habe, falle der Schutzzweck des § 651g Abs. Satz 1 BGB weg. Ein Ausschluss der Ansprüche des klagenden Landes sei vor diesem Hintergrund rechtsmissbräuchlich und unbillig. Dem könne auch nicht mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Entschuldigung gemäß § 651 g Abs. 1 Satz 3 BGB entgegnet werden. Die Einhaltung der Monatsfrist durch den Anspruchsinhaber, hier das klagende Land, habe keine Rechtfertigung und sei daher bereits unangemessen. Auf die Möglichkeit einer Entschuldigung komme es mithin nicht an. Es werde nicht verkannt, dass bei einer unverschuldeten Versäumnis der Ausschlussfrist die erhebliche Gefahr drohe, dass die Anmeldung nicht in gebotener Schnelligkeit durchgeführt werde. Es sei jedoch nicht erklärlich, warum der Anspruchsinhaber mit dieser Gefahr belastet werden solle, wenn es bereits für die Einhaltung der Monatsfrist schlichtweg keinen rechtfertigenden Grund gebe beziehungsweise diese durch die Anmeldung der Geschädigten selbst eingehalten sei. Im Übrigen seien die Anmeldungen der Ersatzansprüche bezüglich aller vier Geschädigten unverzüglich nach Kenntniserlangung nachgeholt worden, so dass die Voraussetzungen des § 651 g Abs. 1 Satz 3 BGB erfüllt seien. Der Kläger beantragt, 1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an das klagende Land 352.734,79 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 1.980,25 € seit dem 16.3.2005, auf 925,31 € seit dem 11.4.2005, auf 30.174,06 € seit dem 21.4.2005, auf 54.533,51 € seit dem 12.5.2005, auf 150.958,03 € seit dem 13.5.2005, auf 2.048,06 € seit dem 1.11.2005,auf 70,61 € seit dem 1.11.2005, auf 2.485,93 € seit dem 1.12.2005, auf 48.588,44 € seit dem 1.12.2005, auf 25.806,14 € seit dem 5.12.2005 sowie auf 452,97 €, auf 24.421,15 € und 10.270,33 € seit jeweiliger Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem klagenden Land alle den Lehrern C. E., D.E. und F. aus dem Verkehrsunfall vom 27.7.2004 in Peru noch entstehenden Schäden, die auf den Kläger übergehen, zu ersetzen. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er hält das landgerichtliche Urteil für richtig und macht geltend, der Kläger verkenne bei seiner Beurteilung, dass das ausschlaggebende Kriterium das der kurzfristigen Rechtssicherheit sei. Die vom Kläger vorgenommene Bewertung sei falsch. Es treffe nicht zu, dass es genüge, vom Unfallereignis und dessen Umfang aufgrund eigener Wahrnehmung oder Anspruchsanmeldung der Reiseteilnehmer Kenntnis zu erlangen. Insbesondere sei auch nicht richtig, dass es ihm, dem Beklagten, aufgrund der außerordentlichen Schwere des Unfalls und den bei den Lehrkräften eingetretenen Verletzung habe klar gewesen sein müssen, dass er mit immensen Heilbehandlungskosten zu rechnen habe. Es sei einem Reiseveranstalter nicht möglich, an Hand von Unfallereignis oder einzelnen ihm bekannt werdenden Verletzungen zu erkennen, welche tatsächliche Belastung auf ihn zukomme. Da es in einem Sozialstaat üblich sein dürfte, dass für körperliche Schäden zumindest vorab immer ein Sozialversicherungsträger oder ein anderer öffentlich-rechtlicher Träger aufkomme, sei es im Sinne der Rechtssicherheit notwendig, dass die berechtigten öffentlich-rechtlichen Träger, die tatsächlich dem Schädiger regelmäßig nicht bekannt seien, ihre Ansprüche anmelden. Umgekehrt seien diese wiederum wegen der bestehenden Gesetzesbindung sogar dazu verpflichtet. Es sei falsch, den Schutzzweck des § 651g BGB nur auf die Frage des Regresses zu beschränken. Gerade bei Fernreisen sei dieser oft nicht zu realisieren. Im Vordergrund der genannten Norm dürfte wie auch bei anderen Gesetzen die Rechtssicherheit stehen. Rechtssicherheit bedeute jedoch nicht nur die Möglichkeit der Beweissicherung zum Zwecke der Regressnahme, sondern auch die Sicherheit zu wissen, welche materiellen Ansprüche in Zukunft auf einen Unternehmer zukommen, wer diese geltend mache und mit wem über diese verhandelt werden könne. Hierzu bedürfe es aber zwingend einer Anspruchsanmeldung durch den Anspruchsinhaber aus übergegangenem Recht. Weiterhin sei zu bedenken, dass das klagende Land im Gegensatz zum Privatkunden einer Gesetzesbindung unterliege. Es könne nicht sein, dass gesetzlich festgelegte Fristen keine Beachtung fänden. Das klagende Land sei verpflichtet gewesen, diese Fristen einzuhalten. Im Sinne der Rechtssicherheit müsse eine Ausschlussfrist gerade gegenüber Sozialversicherungsträgern und öffentlich-rechtlichen Trägern gelten, da ansonsten aufgrund deren unüberschaubaren Organisationen der Unternehmer niemals abschließend beurteilen könne, ob noch Verpflichtungen auf ihn zukommen. Von einer Rechtsmissbräuchlichkeit des Ausschlusses von Ansprüchen könne nicht die Rede sein. Im übrigen sei weiterhin darauf hinzuweisen, dass es auch wegen zahlreicher Verstöße der Bediensteten des Klägers, welche die Informationen nicht pflichtgemäß an die Sachbearbeiterin weitergeleitet hätten, zu der verzögerlichen Anmeldung der Ansprüche seitens des Klägers gekommen sei. Das Landgericht habe auch nach dem Vortrag des Klägers zu Recht festgestellt, dass eine Frist von 15 Tagen für eine unverzügliche Anmeldung nach Kenntniserlangung in jedem einzelnen der Schadensfälle überschritten gewesen sei. Darüber hinaus seien die Ansprüche des Klägers auch verjährt. Die Einrede der Verjährung sei bereits erstinstanzlich erhoben worden. Die Verjährungsfrist sei in zulässiger Weise durch die allgemeinen Reisebedingungen des Klägers auf ein Jahr verkürzt worden. Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. II. Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann von dem Beklagten Schadensersatz aus übergegangenem Recht der vier bei ihm beschäftigten durch den Unfall geschädigten Lehrkräfte Frau F., Herr und Frau E. sowie Frau B. nicht mehr verlangen, da er die bei der Anmeldung seines Anspruchs zu beachtende Frist von einem Monat gemäß § 651 g Abs. 1 Satz 1 BGB versäumt hat und deshalb mit seinen Ansprüchen ausgeschlossen ist. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 159, 350, 354 f.) hat das Landgericht entschieden, dass ebenso wie ein Sozialversicherungsträger auch das klagende Land die auf ihn übergegangenen Ansprüche der Geschädigten bezüglich Gehaltsfortzahlung sowie Kosten der Heilbehandlung nicht nur selbst gegenüber dem Reiseveranstalter geltend machen, sondern dass es dabei auch die Frist des § 651 g Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich einhalten muss. Dieser Auffassung schließt sich auch der Senat an. Sie wird ebenfalls vom OLG Celle (Urteil vom 27.7.2006 - 11 U 263/05) geteilt. Der Senat teilt weiterhin die Auffassung des Landgerichts, dass die eigene rechtzeitige Anmeldung des übergegangenen Anspruchs durch den nunmehrigen Anspruchsinhaber nicht dadurch entbehrlich wird, dass der Reisende als ursprünglicher Anspruchsinhaber des Schadensersatzanspruchs aus dem Reisevertrag selbst die ihm verbliebenen Anspruchsteile rechtzeitig bei dem Reiseveranstalter geltend gemacht hat. Die Ausschlussfrist des § 651 g BGB hat zumindest auch den Zweck, dem Reiseveranstalter kurzfristig nach Beendigung der Reise sichere Kenntnis darüber zu verschaffen, welche Ansprüche durch wen gegen ihn erhoben werden, damit er seinerseits das Erforderliche zur Beweissicherung sowie zur Einleitung von möglichen Regressverfahren in die Wege leiten kann. Diesem Interesse wird nicht gedient, wenn lediglich der Reisende die ihm verbliebenen unter Umständen nur noch geringfügigen Ansprüche anmeldet und dann nach einer unter Umständen längeren Zeit der Anspruchsinhaber aus übergegangenem Recht weitere erhebliche Forderungen geltend macht. Der Gesetzgeber hat in § 651 g BGB bestimmt, dass innerhalb der dort genannten Ausschlussfrist die Ansprüche geltend gemacht werden müssen. Daraus folgt, dass es nicht ausreicht, dass der Reiseveranstalter allgemein darauf hingewiesen wird, dass ein Reisemangel vorgelegen hat, sondern dass er durchaus mit konkreten Forderungen konfrontiert werden muss. Daraus ergibt sich aber auch, wie der Bundesgerichtshof (BGHZ 159,350 ff.) bereits ausgeführt hat, dass nicht nur der Reisende selbst, sondern auch der Anspruchsinhaber aus übergegangenem Recht seine Ansprüche anmelden muss. Zutreffend hat das Landgericht weiterhin ausgeführt, dass zu Gunsten des klagenden Landes eine Heilung der Fristversäumung gemäß § 651 g Abs. 1 Satz 3 BGB angesichts der Umstände des Einzelfalles nicht in Betracht komme. Die Würdigung des Landgerichts, dass die Anmeldung der Ansprüche des klagenden Landes bezüglich der einzelnen Verletzten jeweils nicht unverzüglich im Sinne dieser Vorschrift erfolgt ist, wird vom Senat geteilt. Das Landgericht ist im Einzelfall von den jeweils zutreffenden Daten ausgegangen und hat die zwischen der Kenntniserlangung der zuständigen Sachbearbeiterin und der Anspruchsanmeldung verstrichenen Zeiträume richtig berechnet und zutreffend als nicht mehr unverzüglich gewertet. Soweit das klagende Land in seiner Berufungsbegründung von geringeren Zeiträumen ausgeht, berücksichtigt es nicht die insoweit im unstreitigen Teil des Tatbestandes des landgerichtlichen Urteils enthaltenen Feststellungen bezüglich der Kenntniserlangung durch die Sachbearbeiterin des klagenden Landes, die gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für den Senat bindend sind. Es setzt weiterhin den jeweiligen Zeitpunkt der Kenntniserlangung durch die Sachbearbeiterin Frau A. willkürlich so an, dass die Anspruchsanmeldung noch als unverzüglich angesehen werden könnte, und beachtet dabei jedoch nicht, dass Frau A. durchaus bereits vor den vom klagenden Land genannten Zeitpunkten Kenntnis von den Geschädigten und den Unfällen hatte, ihrerseits aber nur verzögerlich weitere Informationen eingeholt hat. Zur weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die umfassenden und alle entscheidungserheblichen Gesichtspunkte zutreffend würdigenden Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen, die der Senat in vollem Umfang teilt und sich zu eigen macht. Auch das Vorbringen in der Berufungsbegründung gibt zu einer anderen Würdigung keine Veranlassung. Entgegen der Auffassung des Klägers widerspricht es nicht dem Schutzzweck des § 651 g BGB und ist auch nicht rechtsmissbräuchlich, dass von ihm verlangt wird, die gesetzliche Frist des § 651 g BGB durch eine eigene Anmeldung der auf ihn übergegangenen Schadensersatzansprüche zu wahren, und dass er wegen Versäumung dieser Frist mit seinen Ansprüchen ausgeschlossen wird. Gesetzliche Ausschlussfristen haben immer auch den Zweck, dem Schuldner, demgegenüber eine Forderung innerhalb der genannten Frist anzumelden ist, die Rechtssicherheit zu verschaffen, dass mit Ablauf der Frist Ansprüche gegen ihn nicht mehr erhoben werden können oder allenfalls nur noch in Ausnahmefällen, wenn der Anspruchsinhaber das Nichteinhalten der Frist hinreichend entschuldigen kann. Gesetzliche Fristen sind grundsätzlich einzuhalten und nicht nur dann, wenn es nach Auffassung dessen, der die Frist zu beachten hat, einen rechtfertigenden Grund hierfür gibt. Auch ist bei Anwendung einer Vorschrift, die eine Ausschlussfrist normiert, nicht jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob die Erwägungen, die den Gesetzgeber zur Norminierung der Ausschlussfrist bestimmt haben, im Einzelfall die Anwendung der Frist erfordern. Bei der Normierung der Ausschlussfrist des § 651 g Abs. 1 Satz 1 BGB mag der Gesetzgeber zur Begründung dieser Norm darauf abgestellt haben, dass das Beweissicherungsinteresse des Reiseveranstalters eine schnelle Anmeldung aller gegen ihn gerichteten Ansprüche innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums nach Abschluss der Reise erfordert, da er nur dann die Möglichkeit hat, gerade auch im Ausland eventuell Beweise zu sichern und mögliche Regresse gegenüber seinen Vertragspartnern in die Wege zu leiten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die genannte Vorschrift nur dann anwendbar ist, wenn der Reiseveranstalter auf die Anmeldung der Ansprüche angewiesen ist, um von einem Mangel der Reise überhaupt Kenntnis zu erhalten, nicht aber dann, wenn er ohnehin Kenntnis von einem Reisemangel, wie hier von einem schwerwiegenden Unfall, besitzt und deshalb eine Beweissicherung in die Wege leiten kann, ohne zu wissen, ob überhaupt aufgrund dieses Mangels Ansprüche gegen ihn gestellt werden. Die Lehre vom Schutzzweck der Norm wurde entwickelt, um im Rahmen des Schadensersatzrechts die auf eine Wahrscheinlichkeitsbetrachtung ausgerichtete Adäquanztheorie durch eine wertende Beurteilung zu ergänzen und auf diese Weise einzugrenzen. Sie bedeutet, dass eine Schadensersatzpflicht nur besteht, wenn der geltend gemachte Schaden nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fällt; es muss sich um Nachteile handeln, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte vertragliche oder vorvertragliche Pflicht übernommen worden ist (Palandt/Heinrichs BGB 67. Aufl., Vorb. v. § 249 Rdn. 62). Sie rechtfertigt es jedoch nicht, bei der Gesetzesanwendung im Einzelfall jeweils zu fragen, ob insbesondere die Einhaltung von Form- oder Fristvorschriften entbehrlich ist. Es ist auch nicht rechtsmissbräuchlich, dass das klagende Land aufgrund der Anwendung des § 651 g Abs.1 Satz 1 BGB wegen der Versäumung der dort genannten Frist mit seinen Ansprüchen gegenüber dem Beklagten ausgeschlossen ist. Es ist durchaus in der Rechtsprechung anerkannt, dass das Berufen auf eine Frist wie zum Beispiel die Verjährungsfrist oder auch die Anwendung einer gesetzlichen Ausschlussfrist wie zum Beispiel die Frist gemäß § 12 Abs.3 VVG a. F. gegen § 242 BGB verstoßen und damit rechtsmissbräuchlich sein kann. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Frist eingreift oder der sich auf die Frist beruft, durch sein Verhalten einen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen hat, dass er auf die Einhaltung der Frist verzichtet. Rechtsmissbräuchlich wird die Anwendung einer Frist und die Forderung von deren Einhaltung nicht schon dadurch, dass allein der Schuldner der Auffassung ist, die Einhaltung der Frist könne von ihm nicht gefordert werden. Vorliegend sind keinerlei Umstände ersichtlich und werden auch vom Kläger nicht dargetan, welche es als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen, dass von ihm die Einhaltung der Frist des § 651 g Abs. 1 S. 1 BGB verlangt wird. Die vom Kläger angeführten Umstände, die nach seiner Auffassung begründen sollen, dass die Anwendung der genannten Vorschrift ihm gegenüber rechtsmissbräuchlich sei, beziehen sich allesamt nicht auf ein Verhalten des Beklagten gegenüber dem Kläger, das erkennen lassen könnte, dass der Beklagte zumindest konkludent gezeigt habe, er werde die Ansprüche auch ohne Einhaltung der Frist nicht ablehnen. Da das Landgericht die Klage somit zu Recht abgewiesen hat, ist die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n. F. nicht gegeben sind. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 452.734,79 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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