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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 15.03.2002
Aktenzeichen: 10 U 1176/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 287
ZPO § 296
ZPO § 277
ZPO § 713
ZPO § 543 n.F.
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 543 Abs. 1 a.F.
ZPO § 528 Abs. 1 a.F.
ZPO § 269 Abs. 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 10 U 1176/01

Verkündet am 15. März 2002

- abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a.F. -

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert und Dr. Koch auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 12. Juni 2001 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.263,42 € nebst 4 % Zinsen jährlich aus 1.513,42 € für die Zeit ab dem 25. Januar 1995 und aus 6.750,- € für die Zeit ab dem 25. September 1995 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszugs haben der Kläger 3/4, die Beklagte 1/4 zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zum Teil begründet.

Der Senat ist im Ergebnis der Auffassung, daß unter Berücksichtigung des ergänzenden Berufungsvorbringens nunmehr dem Kläger auch ein geschätzter Schadensersatz wegen Gewinnausfalls zugesprochen werden kann. Im übrigen ist an der Entscheidung des Landgerichts festzuhalten. Der Senat schließt sich ihr in Begründung und Ergebnis an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Urteilsgründe Bezug, § 543 Abs. 1 ZPO a.F. Das Berufungsvorbringen - unter Einbeziehung des Schriftsatzes vom 5. März 2002 - gibt insoweit zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung. Auch eine neuerliche oder ergänzende Beweiserhebung ist nicht veranlasst.

Richtig hat das Landgericht auch festgestellt, daß nach dem bei ihm gegebenen Sach- und Streitstand hinreichende Anhaltspunkte für eine Schätzung des - dem Grunde nach als ersatzfähig zu bejahenden - Gewinnausfallschadens fehlten, so daß auch insoweit die Klage gänzlich abzuweisen war.

Der Kläger hat mit der Berufung nunmehr seine Bilanzen für die Jahre 1993 bis 1995 vorgelegt. Der Senat erachtet diese als hinlänglich urkundlich beweiskräftig, um die Schätzung eines Mindestbetrages des dem Kläger insoweit zustehenden Schadensersatzes nach § 287 ZPO rechtfertigen zu können.

Wie in der mündlichen Verhandlung im einzelnen dargelegt, sind hierbei allerdings Besonderheiten zu berücksichtigen, die im Ergebnis zu Lasten des Klägers die Schätzung auf die Ermittlung lediglich eines Mindestschadens, nicht aber der mutmaßlich auch bei Berücksichtigung der Beweislast wahrscheinlichsten Schadenshöhe beschränken:

Die vollständigen Bilanzunterlagen sind im Sinn von § 528 Abs. 1 ZPO a.F. unentschuldigt verspätet vorgelegt worden, nachdem im ersten Rechtszug wirksame Fristen gemäß §§ 277, 296 ZPO gesetzt und versäumt worden waren. Eine erschöpfende Auswertung der Unterlagen zur zuverlässigen Ermittlung des vollen nach § 287 ZPO im Wege der Schätzung nachzuweisenden Schadens hätte die Hinzuziehung sachverständigen Rats erfordert. Dies hat gemäß § 528 Abs. 1 ZPO zu unterbleiben, da es mit einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits verbunden wäre, die auch nicht durch terminvorbereitende Maßnahmen zu verhindern gewesen wäre.

Der Senat erachtet es gleichwohl nicht für richtig, das betreffende Vorbringen wegen Verspätung gänzlich unberücksichtigt zu lassen. Präklusion ist nicht Selbstzweck. Steht, wie hier, fest, daß dem Kläger dem Grunde nach Ersatz für den Gewinnausfall zusteht, steht zugleich fest, daß die Präklusion mit der Aberkennung jeglichen Ersatzanspruchs zu einer materiell unrichtigen Entscheidung führt. Besteht andererseits, was der Senat für den vorliegenden Fall bejaht, die Möglichkeit, ohne Verzögerung des Rechtsstreits im Wege der freien Schätzung wenigstens einen Mindestbetrag zu ermitteln, der dem Kläger auf jeden Fall zusteht, gebietet es die Verpflichtung zur Gewährung wirksamen Rechtsschutzes, von dieser Möglichkeit auch Gebrauch zu machen. Das Ergebnis kommt dem Ziel materieller Gerechtigkeit jedenfalls näher als die gänzliche Zurückweisung kraft Präklusion; zugleich bleiben mangels eintretender Verzögerung Sinn und Zweck der Präklusionsbestimmungen einschließlich durch sie etwa begründeter subjektiver Rechtspositionen des Prozessgegners ungeschmälert gewahrt.

Im vorliegenden Fall ergibt eine Auswertung der vorgelegten Bilanzunterlagen nach Maßgabe der insoweit wenigstens relativen Sachkunde des Senats, daß zeitlich mit dem Ausfall der Kegelbahnanlage korrespondierende Ertragseinbußen mit Deutlichkeit festgestellt werden können, ohne daß andere Ursachen für die Ausfälle greifbar oder vorgetragen sind.

Eine betragsmäßig präzise Abschichtung ist insoweit freilich nicht möglich. Ebenso wenig können die vom Kläger geltend gemachten Umsatz- und Gewinnsteigerungserwartungen verifiziert werden. Schließlich meint der Senat, daß zur Beschränkung auf den als sicher - auch im Sinne dessen, was im Rahmen von § 287 ZPO der Gegenseite billigerweise zugemutet werden kann - festzustellenden Mindestschadenseite billigerweise zugemutet werden kann - festzustellenden Mindestschaden eine deutliche pauschalierende Abrundung vorzunehmen ist.

Ohne - einen unzutreffenden Genauigkeitsgrad vortäuschende - nähere quantitative Festlegungen zu Ausgangsdaten und Einzelschritten der Schätzung meint der Senat, im Ergebnis aufgrund dieser Vorgaben einen ersatzfähigen Mindestschaden des Klägers jedenfalls mit dem Betrag von 6.750,- € feststellen zu können.

Die Beklagte ist auf die Berufung unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils zu entsprechender weiterer Zahlung - allein nebst Prozesszinsen mangels diesbezüglich schlüssig vorgetragenen früheren Verzugs - zu verurteilen. Im übrigen ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung für den ersten Rechtszug beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, die für den zweiten Rechtszug auf § 97 Abs. 1 und 2 ZPO.

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Von Vollstreckungsschutzanordnungen wird gemäß § 713 ZPO abgesehen.

Die Revision wird mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach § 543 ZPO n.F. nicht zugelassen.

Der Wert des Streitgegenstands für den Berufungsrechtszug wird auf 30.597,94 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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