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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 08.10.2004
Aktenzeichen: 10 U 1190/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 249
BGB § 251
Der Berechtigte einer Grunddienstbarkeit (hier in Form eines Geh- und Fahrrechts sowie eines Rechts zur Erschließung mit Versorgungsleitungen) hat bei der Ausübung derselben das Interesse des Eigentümers des belastenden Grundstücks tunlichst schonend zu behandeln. Bei Verstoß gegen diese Pflicht besteht nicht nur ein verschuldensunabhängiger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog, sondern ein Schadensersatzanspruch. Die Grunddienstbarkeit begründet eine schuldrechtliche Sonderverbindung, so dass im Haftungsfall, der Anspruch nicht nur auf eine "billige Entschädigung", gerichtet auf den Eingriff in die Substanz des Grundstücks, sondern auf Schadensersatz zielt.

Auch wenn der Anspruch auf Naturalrestitution mit der Veräußerung des beschädigten Hausgrundstücks untergeht, sofern der Schadensersatzanspruch zuvor nicht abgetreten wurde, und der Geschädigte nur den schadensbedingten Mindererlös als Wertminderungsschaden geltend machen kann, kann im Einzelfall durchaus der Mindererlös dem Betrag entsprechen, der zur Schadensbeseitigung erforderlich ist (in Anknüpfung an Senatsurteil vom 5.3.1999 - 10 U 1502/97).


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 10 U 1190/02

Verkündet am 8. Oktober 2004

In dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts K. hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert und die Richterin am Oberlandesgericht Zeitler-Hetger auf die mündliche Verhandlung vom 10. September 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird unter teilweiser Zurückweisung der Berufung das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts M. vom 6. August 2002 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 27.000 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, die Beklagten zu 1) und 2) seit 18. Januar 2002, der Beklagte zu 3) seit 17. Januar 2003 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtsstreits tragen die Klägerin 13/100, die Beklagten gesamtschuldnerisch 87/100.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind wie folgt zu tragen:

Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 2) zu 17/100, diese tragen die außergerichtlichen Kosten der Klägerin gesamtschuldnerisch und gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 3) zu 55/100.

Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 3) zu 11/100, dieser die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 89/100, davon 55/100 gesamtschuldnerisch mit den Beklagten zu 1) und 2).

Von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 11/100, die Beklagten zu 1) bis 3) gesamtschuldnerisch 55/100, der Beklagte zu 3) darüber hinaus weitere 34/100.

Hinsichtlich der Nebenintervention hat die Klägerin 11/100 der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin des Beklagten zu 3) zu tragen. Im Übrigen trägt die Streithelferin ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die Streithelferin des Beklagten zu 3) trägt 89/100 der durch die Nebenintervention entstandenen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz bzw. Entschädigung wegen der Beschädigung ihres Hausanwesens in Anspruch.

Die Beklagten zu 1) und 2) ließen im Jahre 1999 durch den Beklagten zu 3), einen Bauunternehmer, auf ihrem Grundstück in M., M-Straße. 32 a, Flur 6, Flurstück 56/59, ein Wohngebäude errichten. Dieses Grundstück grenzt selbst nicht an eine öffentliche Erschließungsanlage an, sondern wird als Hinterliegergrundstück über das Grundstück der Klägerin, die zum Zeitpunkt der Bauarbeiten Eigentümerin des Grundstücks M-Straße. 32, Flur 6, Flurstück 59/60 war, erschlossen. Hierzu ist zugunsten der jeweiligen Eigentümer des Grundstücks der Beklagten zu 1) und 2) eine Grunddienstbarkeit in Form eines Geh- und Fahrrechts sowie eines Rechts zur Erschließung mit Versorgungsleitungen eingetragen.

Die Unterhaltung des Weges obliegt dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks, den Beklagten zu 1) und 2). Mit notariellem Kaufvertrag vom 18.7.2001 (GA 110 ff.) verkaufte die Klägerin ihr Hausgrundstück, wobei unter § 7 Mängelhaftung folgende Regelung getroffen wurde:

"Der Erwerber hat den Kaufgegenstand besichtigt; der Zustand ist ihm daher bekannt. Er übernimmt den Kaufgegenstand so, wie er steht und liegt.

Der Veräußerer ist jedoch bemüht, bis 30.12.2002 durch den Verursacher, den Eigentümer des Grundstücks M-Straße. 32 a, die Schäden an den beiden Mauern rechts und links der Zufahrt zum rückwärtigen Grundstück 32 a beseitigen zu lassen, die Zufahrt mit kleinformatigen Steinen, die der derzeitigen Pflasterung entsprechen, neu pflastern zu lassen, das Vordach über dem Hauseingang wieder herstellen zu lassen und die beschädigten Platten des KfZ-Stellplatzes sowie die beschädigten Sträucher der Hecke an der linken Seite der Zufahrt durch neue Sträucher mit einer Höhe von mindestens 1,30 m bis 1,50 m austauschen zu lassen.

Der Veräußerer wird den Erwerber zeitnah über die jeweils eingeleiteten Schritte und Ergebnisse unterrichten. Sollten die Schäden bis zum 31.12.2002 nicht beseitigt sein, so zahlt der Veräußerer an den Erwerber zur pauschalen Abgeltung dieser Schäden einen Betrag von 20.000,--DM. ..."

Im Zuge der Bauarbeiten, dabei durch das Befahren mit schweren Baufahrzeugen, kam es zu verschiedenen Beschädigungen. So wurde insbesondere die in Sandbett verlegte Pflasterung des Weges zerfahren.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Beseitigung der Schäden beanspruche einen Kostenaufwand von 44.000,-- DM, die Wiederherstellung der Thuja-Hecke einen Aufwand von 4.126,-- DM sowie die Beseitigung der weiter festgestellten Schäden einen Betrag von 12.460,84 DM. Auf das selbständige Beweisverfahren 1 OH 2/00 LG M. wird Bezug genommen. Insgesamt ergebe sich ein Betrag von 59.581,08 DM (30.463,32 Euro), den die Klägerin von den Beklagten begehrt (anfänglich 60.586,84 DM, vgl. Bl. 2, 78 d.A.).

Des Weiteren wird das Begehren auch auf den pauschalierten Entschädigungsbetrag in Höhe von 20.000,-- DM (notarieller Kaufvertrag) gestützt in Verbindung mit einem geminderten Verkaufspreis.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 59.581,08 DM (30.463,32 Euro) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hinaus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten zu 1) und 2) haben vorgetragen, dass unstreitig im Zuge der Durchführung der Bauarbeiten die Schäden am klägerischen Anwesen entstanden seien. Sie seien jedoch hierfür nicht verantwortlich. Allein verantwortlich sei der Beklagte zu 3). Dieser sei von ihnen sorgfältig ausgewählt und angewiesen worden, darauf zu achten, dass keine Schäden am Objekt der Klägerin entstehen. Für die Fehler des Beklagten zu 3) hätten sie nicht einzustehen, da § 831 BGB auf den selbständigen Bauunternehmer nicht anwendbar sei.

Die Bauaufsicht habe außerdem bei Herrn Architekt W. T. gelegen, der dem Beklagten zu 3) entsprechende Anweisungen erteilt habe.

Der Beklagte zu 3) hat vorgetragen, es handele sich um Schäden, die entweder unvermeidbar gewesen seien, insofern also kein Verschulden vorliege, oder die nicht auf seiner Bauleistung, sondern auf der von Zulieferern beruhen würden. Dabei handele es sich um selbständige Spediteure.

Die Schäden an der Zufahrt seien darüber hinaus bewusst auch deshalb in Kauf genommen worden, weil hier ohnehin der gesamte Belag aufgenommen und neu hätte verlegt werden müssen. Es sei außerdem für den Beklagten zu 3) nicht erkennbar gewesen, dass der Unterbau des Weges so schwach dimensioniert gewesen sei, dass er nicht von LKWs hätte befahren werden dürfen. Im Übrigen hätte ein zusätzlicher Aufwand ohne Befahrung des Weges Mehrkosten von wenigstens 40.000,-- DM bis 50.000,--DM verursacht. Dies sei wirtschaftlich nicht zumutbar.

Im Wege der Replik hat die Klägerin vorgetragen, dass die Beklagten zu 1) und 2) sich nicht exkulpieren könnten. Vielmehr hätten sie mehr und mehr die Beschädigungen beobachten können. Der Beklagte zu 3) habe außerdem die Schäden bewusst in Kauf genommen.

Die Klägerin hat am 2.7.2002, der Beklagte zu 3) am 2.7.2002 Schriftsätze zum Verfahren gereicht.

Mit Schriftsatz vom 17.7.2002, eingegangen am 19.7.2002, ist die Firma B. Baustoffhandelsgesellschaft mbH, der der Beklagte zu 3) den Streit verkündet hatte, auf Seiten des Beklagten zu 3) beigetreten.

Das Landgericht hat einen Schadensersatzanspruch abgelehnt, der Klägerin gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) jedoch einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 analog BGB in Höhe von 20.000,--DM zugesprochen. Da eine Naturalrestitution aufgrund des Verkaufs des Hausgrundstücks nicht mehr möglich sei und die Klägerin sich im notariellen Kaufvertrag pauschal zur Abgeltung der Schäden gegenüber den Erwerbern zur Zahlung von 20.000,--DM verpflichtet habe, sei nur eine Wertminderung von 20.000,--DM eingetreten und die Klägerin könne deshalb nur diesen Betrag von den Beklagten zu 1) und 2) verlangen. Eine Haftung des Beklagten zu 3) bestehe nicht, da der Bauvertrag, den dieser mit den Beklagten zu 1) und 2) geschlossen habe, keinen Vertrag zugunsten Dritter darstelle. Eine Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss in Verbindung mit § 278 BGB bestehe ebenfalls nicht. Der Beklagte zu 3) hafte auch nicht aus unerlaubter Handlung, da er als selbständiger Unternehmer nicht Verrichtungsgehilfe sei.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung, soweit eine Beschränkung ihres Anspruchs auf 20.000,--DM erfolgte und die Klage gegenüber dem Beklagten zu 3) abgewiesen wurde. Die Klägerin trägt vor, das Landgericht habe zu Unrecht nur einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch angenommen und die Forderung auf 20.000,--DM begrenzt. Da nach wie vor trotz der Veräußerung des Hausanwesens eine Naturalrestitution möglich sei, seien die Beklagten zu dem vollen Schadensausgleich verpflichtet. Auch sei die Klageabweisung gegenüber dem Beklagten zu 3) zu Unrecht erfolgt. Da das Befahren der Grundstückszufahrt mit schwerem Baufahrzeug durch den Beklagten zu 3) selbst veranlasst worden sei, hafte er selbst aus unerlaubter Handlung.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 30.463,32 € (59.581,08 DM) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten und die Streithelferin des Beklagten zu 3) beantragen,

die Berufung gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.

Die Beklagten zu 1) und 2) tragen vor, die Berufung sei teilweise unzulässig, da die Klägerin, soweit ihr ein Betrag von 10.225,83 € zugesprochen worden sei, nicht beschwert sei. Die Berufung könne bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog nicht bestehe. Die Klägerin habe die gesamte Bauausführung beobachtet, sie hätte dem Beklagten zu 3) durch einsteilige Verfügung verbieten lassen können, den Weg mit schweren Lastkraftwagen zu befahren. Im Übrigen sei der Ersatzanspruch im Hinblick auf die notarielle Vereinbarung auf höchstens 20.000,--DM zu begrenzen.

Die Beklagte zu 3) trägt vor, er habe sich zur Ausführung der Arbeiten verschiedener Subunternehmer bedient. Das Entstehen von Schäden sei ihm während der Bausausführung nicht angezeigt worden, so dass er diese hätte auch nicht verhindern können. Für seine Subunternehmer habe er nicht einzustehen, da diese nicht seine Verrichtungsgehilfen seien. Er selbst oder seine Mitarbeiter hätten keine Schäden verursacht. Dass die Zuwegung nicht im Eigentum der Beklagten zu 1) und 2) gestanden habe, sei ihm nicht bekannt gewesen. Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch bestehe nicht und könne ihm als Bauunternehmer gegenüber auch nicht geltend gemacht werden. Das Hausanwesen der Klägerin habe auch nicht den Verkehrswert gehabt, den die Klägerin sich vorstelle. Das Haus hätte ohne die Schäden nicht zu einem um einen Betrag von 60.000,-DM höheren Verkaufspreis veräußert werden können.

Die Streithelferin des Beklagten zu 3) schließt sich dem Vortrag der Beklagten an und trägt vor, die festgestellten Schäden am Haus der Klägerin seien nicht auf das Befahren des Weges mit schweren Lastkraftwagen zurückzuführen. Vielmehr beruhten die Risseschäden des in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts errichteten Gebäudes darauf, dass im benachbarten Steinbruch Sprengtätigkeiten durchgeführt worden seien. Die etwa gleichzeitig errichteten Nachbargebäude wiesen allesamt vergleichbare Rissebildungen auf. Das Gutachten des Dipl. Ing. Dr. D. sei in der Höhe überzogen. Im Übrigen sei der Verkehrswert des Objekts in den letzten Jahren gefallen. Da die Klägerin das Objekt mit Gewinn habe verkaufen können, sei ihr kein Schaden entstanden.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 26.9.2003 (Bl. 285 ff d.A); insoweit wird auf das Gutachten Sch. (Anl. z. Bl. 318 d.A.) Bezug genommen.

Der Senat nimmt im Übrigen auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil sowie auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug (§ 540 Abs. 1 ZPO n.F.).

II.

Die Berufung ist zum überwiegenden Teil begründet.

Die Beklagten zu 1) und 2) machen ohne Erfolg geltend, dass die Berufung bereits zum Teil unzulässig sei, weil hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung von 20.000,--DM keine Beschwer der Klägerin vorliege. Zum einen richtet sich die Berufung auch gegen die Klageabweisung bezüglich des Antrags auf Verurteilung des Beklagten zu 3), zum anderen kann in Bezug auf die Beklagten zu 1) und 2) der Antrag dahingehend ausgelegt werden, dass die Klägerin insgesamt einen Titel über den Betrag von 59.581,08 DM bzw. 30.463,32 € wünscht und hier nur den weitergehenden Betrag, soweit nicht bereits zugesprochen, im Berufungsverfahren begehrt.

Das Landgericht hat zu Unrecht die Klage gegenüber dem Beklagten zu 3) abgewiesen und die geltende gemachte Forderung lediglich auf einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch, nicht aber auf einen Schadensersatzanspruch gestützt.

1) Wie bereits mit Hinweisbeschluss vom 26. September 2003 ausgeführt, ergibt sich eine Haftung der Beklagten zu 1) und 2) als Grundstückseigentümer des Grundstücks M-Straße. 32 a, Flur 6, Flurstück 56/59, in M. (Hinterliegergrundstück) nicht nur aus dem verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog. Da für die Beklagten zu 1) und 2) hinsichtlich des ehemaligen Grundstücks der Klägerin, M-Straße. 32, Flur 6, Flurstück 59/60, eine Grunddienstbarkeit in Form eines Geh- und Fahrrechts sowie eines Rechts zur Erschließung mit Versorgungsleitungen eingetragen war, besteht eine schuldrechtliche Sonderverbindung. Nach § 1020 BGB hat der Berechtigte bei der Ausübung seiner Grunddienstbarkeit das Interesse des Eigentümers des belastenden Grundstücks tunlichst schonend zu behandeln. Es besteht auch eine Haftung für ein Fehlverhalten des Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB a.F.) (vgl. auch Bamberger/Roth-Wegmann, BGB Kommentar, 2003, § 1020 BGB Rn. 7). Das bedeutet, der Klägerin steht gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) nicht nur ein Anspruch auf eine "billige Entschädigung", gerichtet auf den Eingriff in die Substanz des Grundstücks zu, sondern im Ausgangspunkt ein Schadensersatzanspruch.

a) Dabei verkennt der Senat nicht, dass vorliegend eine Sondersituation dadurch eingetreten ist, dass die Klägerin mit notariellem Kaufvertrag vom 18.7.2001 (GA 110), d.h. vor Eintritt der Rechtshängigkeit, das Grundstück verkauft hat, ohne sich etwaige Schadensersatzansprüche vorher abtreten zu lassen. Grundsätzlich erlischt in diesen Fällen der Anspruch auf Schadensersatz, da der Zahlungsanspruch nach § 249 S. 2 BGB a.F. eine besondere Erscheinungsform des Anspruchs auf Naturalrestitution ist. Der Anspruch auf Naturalrestitution geht mit der Veräußerung des beschädigten Hausgrundstücks unter, weil die Herstellung in Natur unmöglich gemacht worden ist. Es ist nach § 251 Abs. 1 BGB a.F. lediglich der Ersatz des Wertinteresses in Betracht zu ziehen, das sich bei geordneten Marktverhältnissen regelmäßig in einem schadensbedingt entstehenden Mindererlös als Wertminderungsschaden niederschlägt, d.h. Abschlag vom Kaufpreis (vgl. BGHZ 81, 385, 392 = NJW 1982, 446; BGH NJW 1993, 1793; NJW 1999, 2896; NJW 2001, 2250, NJW 2002, 736). Allerdings kann im Einzelfall der Mindererlös durchaus dem Betrag entsprechen, der zur Schadensbeseitigung erforderlich ist (vgl. BGH NJW 2002, 736; Senatsurteil vom 5.3.1999 - 10 U 1502/97).

b) Entgegen den Ausführungen im landgerichtlichen Urteil ist die Klägerin nicht von vorneherein auf die Geltendmachung eines Entschädigungsbetrages von 20.000,-- DM beschränkt. Zwar ist in § 7 des notariellen Vertrages vom 18.7.2001 (Anlage K 11, GA 110, 112 f.) zwischen der Klägerin als Veräußerin des Hausgrundstücks und den Erwerbern desselben eine Regelung enthalten, wonach sich die Klägerin bemüht, bis 30.12.2002 durch den Verursacher die Schäden beseitigen zu lassen, bei Nichtbeseitigung die Klägerin an den Erwerber zur pauschalen Abgeltung dieser Schäden einen Betrag von 20.000,--DM zahlt. Diese Abgeltungsklausel betrifft indes nur das Innenverhältnis zwischen der Veräußerin und den Erwerbern des Grundstücks. Die Regelung ist nicht so auszulegen, dass mit dem Betrag von 20.000,--DM auch verbindlich der schadensbedingt verursachte Minderwert des Hausgrundstücks festgelegt wäre. Vielmehr geht der Senat davon aus, dass mit dieser Vereinbarung ein Kompromiss zwischen Veräußerin und den Erwerbern des Anwesens bezüglich der Schadenshöhe und der nicht kalkulierbaren Kosten erzielt werden sollte. Die Klägerin ist nicht gehalten, ihre Ansprüche auf diesen Betrag zu beschränken. Bezüglich der Höhe des schadensbedingten Minderwerts bedurfte es, auch unter Berücksichtigung der Feststellungen des Sachverständigen Dr. D. im selbständigen Beweisverfahren (1 OH 2/00 LG M.), eines weiteren Gutachtens zur Ermittlung des Verkehrswerts des Hausgrundstücks mit bzw. ohne die eingetreten Schäden.

Bei der Ermittlung des Mindererlöses hatten die im selbständigen Beweisverfahren vom Sachverständigen H. ermittelten Schäden für die Beschädigung der Thujahecke unberücksichtigt zu bleiben, da hier nur eine vorübergehende Beeinträchtigung vorliegt und kein auf Dauer angelegter Schaden verbleibt.

2) Entgegen den Ausführungen des Landgerichts besteht auch eine Haftung des Beklagten zu 3) aus eigenem Verschulden. Es kommt im Verhältnis zur Klägerin nicht darauf an, ob der Beklagte zu 3) sich seinerseits verschiedener Subunternehmer bedient hat, für deren Verhalten er ggf. nicht einzustehen hätte. Der Beklagte zu 3) haftet aus eigenem Verschulden, da er die Anweisung erteilt und jeweils als Besteller mindestens bedingt vorsätzlich Veranlassung dazu gegeben hat, mit schwerem Gerät über das Grundstück der Klägerin zu fahren, dabei die Entstehung von Schäden in Kauf genommen hat. Er kann sich nicht damit entlasten, dass bei Verwendung eines Krans unzumutbare Mehrkosten für die Bauherren entstanden wären. Dieser Einwand kann der Klägerin nicht entgegengehalten werden. Er war als verantwortlicher Bauunternehmer gehalten, dafür Sorge zu tragen, dass das Hausanwesen der Klägerin nicht beschädigt wird.

3) Der Senat hat gemäß Hinweis- und Beweisbeschluss vom 26.9.2003 Beweis über die Behauptung der Klägerin erhoben, dass unter Berücksichtigung der örtlichen Marktverhältnisse zum Stichtag 18.7.2001 (Veräußerung des Grundstücks) ein schadensbedingter Mindererlös (Differenz Wert Hausgrundstück mit Schaden und Wert desselben ohne Eintritt des schadensauslösenden Ereignisses) in Höhe der vom Sachverständigen Dr. D. im selbständigen Beweisverfahren ermittelten Kosten entstanden sei (42.994,24 DM Gutachten 3.3.2000, Bl. 28 ff., 1 OH 2/00 - LG M. und 12.460,84 DM Ergänzungsgutachten 17.10.2001, Bl. 197). Die Kosten der Thujahecke waren nicht zu berücksichtigen.

Der Senat hat mit der Erstellung des Gutachtens den Sachverständigen Dipl.- Volkswirt Joachim Sch. beauftragt. Der Sachverständige Sch. hat zur Ermittlung des schadensbedingten Mindererlöses ausgeführt, dass die Wertermittlung zunächst für den fiktiven Zustand durchgeführt worden sei, in dem sich das Bewertungsobjekt nach Beseitigung der angesetzten Schäden befinde. Der potentielle Erwerber orientiere sich bei seiner Wertermittlung an vergleichbaren, ordnungsgemäß instand gehaltenen Objekten.

Eine andere Situation sei dann vorhanden, wenn - wie hier - die Schadensbeseitigung unabweisbar sei und tatsächlich am Wertermittlungsstichtag noch nicht durchgeführt sei. In diesem Fall müssten die Bauschäden grundsätzlich auf der Grundlage der vollen Schadensbeseitigungskosten berücksichtigt werden, da die Investitionen bei vernünftiger Handlungsweise alsbald zur Werthaltung des Objekts erbracht werden müssten und somit jeden Erwerber unabhängig vom Restwert bzw. der Alterswertminderung zusätzlich zum Kaufpreis belasteten. Allerdings seien die Arbeiten zur Schadensbeseitigung im Einzelfall darauf zu betrachten, inwieweit sie auch bei dem Erwerb eines schadensfreien Objekts im Regelfall von einem Erwerber durchgeführt würden.

Der Sachverständige Dr. D. habe den festgestellten Gesamtschaden auf 28.353,73 € (42.994,24 DM + 12.460,84 DM = 55.455,08 DM) festgestellt. Die Beseitigung dieser Schäden sei auch notwendig. Ein wirtschaftlich denkender Marktteilnehmer würde daher diese Schäden auch beseitigen lassen.

Der Sachverständige Sch. führte hierzu aus, dass allenfalls ein geringfügiger Abschlag für Arbeiten gerechtfertigt sei, die üblicherweise ein Erwerber eines Einfamilienhauses sowieso durchführen lasse, da in dieser Höhe keine Mehrbelastung gegenüber dem Erwerb eines schadensfreien Grundstücks vorliege. Im vorliegenden Fall würde sich das z.B auf die Malerarbeiten im Flur des Wohnhauses und an der Wandfläche der Terrasse beziehen (unter Bezugnahme auf das Gutachten Dr. D. vom 3.3.2000, S. 16/17, 43/44). Insgesamt erscheine daher allenfalls ein Abschlag von 5 % auf die festgestellten Schadensbeseitigungskosten gerechtfertigt. Danach ergebe sich letztlich ein schadensbedingter Mindererlös von geschätzt 27.000,--€. Der Verkehrswert des Anwesens ohne Berücksichtigung des schadensbedingten Mindererlöses betrage 293.000,--€, unter Berücksichtigung des Schadens 266.000,--€.

Der Senat hat keinen Anlass, an den von Sachkunde getragenen Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Volkswirt Sch. zu zweifeln. Auch sind die Ausführungen der Beklagten und der Streithelferin nicht geeignet, die Ausführungen des Bausachverständigen Dr. D. im selbständigen Beweisverfahren in Zweifel zu ziehen. Soweit vorgetragen wird, die Risseschäden seien durch Sprengungen in der Nachbarschaft in den 30 und 40-iger Jahren verursacht worden, auch die Nachbargebäude hätten entsprechende Risseschäden, hat der Sachverständige Dr. D. in seinem Gutachten vom 3.3.2000 (Bl. 48 1 OH 2/00 = 10 W3/02) deutlich unter Hinweis auf die von ihm gefertigten Lichtbilder zum Ausdruck gebracht, dass diese Schäden neueren Datums und auf die Neubaumaßnahme der Beklagten zu 1) und 2) zurückzuführen seien. Sie stehen in keinem Zusammenhang mit Sprengungen in der Nachbarschaft in den früheren Jahrzehnten. Insgesamt sieht der Senat unter den gegebenen Umständen auch unter Berücksichtigung der von den Parteien abgegebenen Stellungnahmen keine Veranlassung zu weiterem Sachverständigenbeweis, Ergänzungsfragen oder einer mündlichen Anhörung.

Auf die Berufung der Klägerin war das angefochtene Urteil, wie tenoriert, teilweise abzuändern und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin den Betrag von 27.000,--€ zu zahlen. Die Zinsentscheidung folgt aus § 288 BGB n.F. Die Schriftsätze Bl. 373 - 375 d.A. geben zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keine Veranlassung, da von einer Zahlung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung auszugehen ist.

Die Kostenentscheidung folgt unter Anwendung der Baumbachschen Formel aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 3, 101, 269 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.463,32 € (59.581,08 DM) festgesetzt, wobei der Senat im Rahmen der Kostenentscheidung berücksichtigt hat, dass bezüglich der Berufung betreffend die Beklagten zu 1) und 2) nur 20.237,48 € (39.581,08 DM) maßgebend sind.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, § 543 Abs. 1 ZPO.



Ende der Entscheidung

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