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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 26.03.2009
Aktenzeichen: 10 U 1243/08
Rechtsgebiete: ZPO, VVG


Vorschriften:

ZPO § 286
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1
VVG § 61
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Senat erwägt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Dem Kläger wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 27. April 2009.

Die Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nach Auffassung des Senats gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das landgerichtliche Urteil entspricht der Rechtslage und enthält keine Fehler. Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Leistung aus dem zwischen den Parteien bestehenden Fahrzeugversicherungsvertrag nicht zu, da der Kläger den Diebstahl des Fahrzeugs durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat und die Beklagte deshalb von der Verpflichtung zur Leistung frei ist (§ 61 VVG). Auch das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Würdigung der Sach- und Rechtslage. Das Vorliegen eines Versicherungsfalls in Form der Entwendung des versicherten Fahrzeugs ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte ist jedoch nach § 61 VVG von ihrer Leistungsverpflichtung frei geworden, da der Kläger den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat. Die Anwendung von § 61 VVG setzt ein Verhalten des Versicherungsnehmers voraus, von dem er wusste oder wissen musste, dass es geeignet war, den Eintritt des Versicherungsfalls oder die Vergrößerung des Schadens zu fördern. Dabei muss die Wahrscheinlichkeit des Schadens offenkundig so groß sein, dass es ohne Weiteres nahe lag, zur Vermeidung des Versicherungsfalls ein anderes Verhalten als das tatsächlich Geübte in Betracht zu ziehen. Der Versicherungsnehmer muss also im konkreten Fall unter Berücksichtigung der gesamten Umstände seine Pflicht zum sorgsamen Umgang mit der versicherten Sache objektiv besonders schwerwiegend und auch subjektiv unentschuldbar verletzt haben. In subjektiver Hinsicht ist dies anzunehmen, wenn der Versicherungsnehmer ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Es muss sich demnach um ein Fehlverhalten handeln, dass ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt und als schlechthin unentschuldbar anzusehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 1996 - IV ZR 321/95 - VersR 1997, 351). Vorliegend hat der Kläger sein Fahrzeug unverschlossen vor seinem Haus, somit im öffentlichen Straßenraum, abgestellt und zudem sowohl den Fahrzeugschlüssel als auch - nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten - den Fahrzeugschein darin zurückgelassen. Da sich keine Person unmittelbar an dem Fahrzeug befand, die eine Entwendung durch tatsächliches Eingreifen hätte verhindern können, zudem das Fahrzeug nicht nur einen ganz kurzen Zeitraum, sondern ab dem Nachmittag bis zum nächsten Morgen unverschlossen abgestellt war, sind die an das Merkmal der groben Fahrlässigkeit geknüpften Voraussetzungen als gegeben anzusehen. Der Kläger vermag sich insoweit nicht darauf zu berufen, dass er ja beabsichtigt habe, nach dem Spaziergang den Schlüssel wieder aus dem Fahrzeug zu holen und dieses abzuschließen, weshalb sein Verhalten nur als einfache Fahrlässigkeit zu werten sei. Die Beklagte hat hierzu unbestritten vorgetragen, dass nach der Rückkehr des Klägers von dem Spaziergang von dem Kläger bemerkt wurde, dass zwei männliche Personen um das Auto herum gingen. Auch wenn diese Personen kein besonders auffälliges Verhalten erkennen ließen, hätte für den Kläger im Hinblick auf das Zurücklassen des unverschlossenen Fahrzeugs mit innen liegenden Fahrzeugschlüsseln zu Beginn des Spaziergangs spätestens zu diesem Zeitpunkt Veranlassung bestanden, zu kontrollieren, ob er die Schlüssel wieder aus dem Fahrzeug geholt und dieses verschlossen hat. Gerade diese Untätigkeit des Klägers im Hinblick auf die zuvor von ihm geschaffene Gefahrenlage stellt sich als grob fahrlässiges Verhalten dar. Der Kläger macht im Übrigen ohne Erfolg geltend, das unverschlossene Abstellen des Fahrzeugs mit innen liegendem Schlüssel während des Spaziergangs sei jedenfalls nicht für die in der Nacht erfolgte Entwendung des Fahrzeugs kausal geworden. § 61 VVG erfordert, dass der Versicherungsfall gerade infolge der groben Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers eingetreten sein muss. Den Beweis für die Kausalität des grob fahrlässigen Verhaltens des Versicherungsnehmers für die Herbeiführung des Versicherungsfalls hat der Versicherer zu führen. Dabei hat der Versicherer grundsätzlich den Vollbeweis zu erbringen (vgl. Senat in VersR 2000, 720), wobei sich der Versicherer grundsätzlich nicht auf einen Anscheinsbeweis stützen kann, sondern einen für die Überzeugungsbildung im Sinne des § 286 ZPO erforderlichen "Mindestsachverhalt" positiv nachweisen können muss. Dabei kommen dem Versicherer grundsätzlich keine Beweiserleichterungen zu; vielmehr hat er durch die Darlegung und den Beweis von Indizien die für seine Leistungsfreiheit erforderliche Kausalität des grob fahrlässigen Verhaltens des Versicherungsnehmers für die Herbeiführung des Versicherungsfalles zu beweisen (vgl. BGH VersR 2005, 1387). Unter Anlegung dieser Maßstäbe ist vorliegend von dem Nachweis einer Ursächlichkeit des in dem Fahrzeuginnern zurück gelassenen Fahrzeugschlüssels und des unverschlossenen Abstellens des Fahrzeugs für die Entwendung des PKWs des Klägers auszugehen. Der Senat ist in Übereinstimmung mit dem Landgericht davon überzeugt, dass vorliegend das Zurücklassen des Fahrzeugschlüssels - selbst wenn es in von außen nicht sichtbarer Weise erfolgt sein sollte, was zwischen den Parteien streitig ist - bei zeitgleich unverschlossenem Fahrzeug über Nacht nach einer beobachteten Inaugenscheinnahme des Fahrzeugs durch fremde Personen die Entwendung des klägerischen Fahrzeugs in irgendeiner Weise ermöglicht oder gefördert hat. Dabei ist im Rahmen des § 286 ZPO keine absolute, über jeden denkbaren Zweifel erhabene Gewissheit erforderlich. Ausreichend ist vielmehr eine Gewissheit, welche den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Aufgrund der dargelegten besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass das Verhalten des Klägers für die Entwendung seines Fahrzeugs ursächlich war; die Annahme, das Fahrzeug wäre ohnehin entwendet worden, ist demgegenüber lebensfremd. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 8.000 € festzusetzen.

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