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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 03.07.2008
Aktenzeichen: 10 U 1262/07 (1)
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 531 Abs. 2
Durchstreichen eines Antwortfelds im Versicherungsantrag (hier: Frage nach Beantragung oder Abschluss anderer Lebens- oder BU-Versicherungen in den letzten fünf Jahren) kann nach den Umständen des Falls als Verneinung der betreffenden Frage - und nicht als offene Nichtbeantwortung - zu verstehen und damit arglistige Täuschung sein.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

(gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO)

Geschäftsnummer: 10 U 1262/07

in dem Rechtsstreit Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und die Richterin am Oberlandesgericht Zeitler-Hetger am 3. Juli 2008 einstimmig beschlossen: Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 15. August 2007 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen. Gründe: Der Senat hat mit Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO vom 28. April 2008 darauf hingewiesen, dass die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe, auch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordere und die Berufung auch keine Aussicht auf Erfolg habe. Der Kläger hat Einwendungen gegen die Zurückweisung der Berufung erhoben. Er macht geltend, die Deutung des Durchstreichens einer Frage sei aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers zu beurteilen. Dies führe vorliegend dazu, dass das Durchstreichen als die Nichtbeantwortung der Frage anzusehen sei, wovon der Kläger auch ausgegangen sei. Im Übrigen habe die Ehefrau des Klägers den Antrag an die A.-Versicherung ohne Wissen des Klägers abgesandt und dem Kläger erst Monate später davon berichtet. Der Kläger habe von der Ablehnung des Antrags durch die A.-Versicherung erst im Laufe des vorliegenden Rechtsstreits durch das von der Beklagten vorgelegte Schreiben an den Arzt Dr. B erfahren. Der Senat sieht keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung. Er hält an seinem Hinweis fest und nimmt auf ihn auch zur Begründung seiner abschließenden Entscheidung Bezug (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Der Senat verbleibt bei seiner Wertung, dass im vorliegenden Einzelfall das Streichen aller Antwortmöglichkeiten auf die Frage der Beklagten "Bestehende Lebensversicherungen/Berufsunfähigkeitsversicherungen" als arglistiges Verschweigen des an die A.-Versicherung gestellten und von dieser abgelehnten Antrags zu werten ist. Der Kläger hat mit dem Streichen der Antwortmöglichkeiten die Frage der Beklagten zwar weder ausdrücklich bejaht noch ausdrücklich verneint, da er keines dieser beiden Antwortfelder angekreuzt hat. Aus der Sicht des objektiven Erklärungsempfängers enthält das Durchstreichen aller Antwortmöglichkeiten auf eine konkrete Fragestellung jedoch die Erklärung "Es gibt zu dieser Frage nichts zu beantworten" in dem Sinne "Diese Fragestellung betrifft mich nicht". Aus dem Kontext des Versicherungsantrags, insbesondere der weiteren darin erfragten Angaben, stellt sich das Durchstreichen der Antwortmöglichkeiten auf die Frage nach bestehenden Lebens- oder Berufsunfähigkeitsversicherungen oder entsprechenden Anträgen so dar, dass der gesamte Fragenkomplex hinsichtlich bestehender oder beantragter Lebens-/Berufsunfähigkeitsversicherungen den Kläger nicht betrifft. Das kann aus der Sicht des objektiven Erklärungsempfängers nur in dem Sinne gewertet werden, dass der Kläger keine derartigen Anträge bei irgendeinem Versicherer gestellt und auch keine derartigen Versicherungen anderweitig abgeschlossen hat. Es liegt damit keine unklare Antwort des Klägers vor, die gegebenenfalls zu einer Nachfrage der Beklagten Veranlassung gegeben hätte. Vielmehr stellt sich das Durchstreichen der Antwortmöglichkeiten vorliegend als arglistiges Verschweigen des an die A.-Versicherung gestellten Antrags auf Abschluss einer Lebens- und Berufsunfähigkeitszusatzversicherung dar. Denn da der Kläger unstreitig zum Zeitpunkt des Durchstreichens der entsprechenden Antwort Kenntnis von dem bei der A.-Versicherung gestellten und hinsichtlich der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung abgelehnten Antrags hatte, verschwieg der Kläger diese Umstände, indem er alle Antwortmöglichkeiten strich. Dieses Verhalten kann bei Kenntnis eines anderweitig gestellten und abgelehnten Antrags nur als arglistig gewertet werden, da es indiziert, gerade durch die Nichtangabe des anderweitig abgelehnten Antrags den nunmehrigen Versicherer zur Annahme des Antrags auf Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung zu bestimmen. Zutreffend ist das Landgericht nach dem erstinstanzlichen Sach- und Streitstand davon ausgegangen, dass zwischen den Parteien die Kenntnis des Klägers von der Erhebung eines Beitragszuschlags für die Lebensversicherung und der Ablehnung einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung durch die A.-Direkt-Versicherung unstreitig ist. Soweit der Kläger mit der Berufungsbegründung geltend gemacht hat, er habe von einer Ablehnung der A.-Versicherung nichts erfahren, ist dieser neue Sachvortrag gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ebenso wenig zu berücksichtigen wie der nunmehrige Sachvortrag, die Ehefrau des Klägers habe ohne dessen Kenntnis den Antrag an die A.-Direkt-Versicherung abgesandt und der Kläger habe erst ca. vier Monate später davon erfahren, diesen jedoch dann wegen des Antrags bei der Beklagten nicht weiterverfolgt. Es handelt sich insoweit um neuen Tatsachenvortrag, der weder einen Gesichtspunkt betrifft, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, noch infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurde oder im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden ist, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht. Die Beklagte hat dementsprechend eine Kenntnis des Klägers vom Inhalt des an den Arzt Dr. B gerichteten Schreibens der A.-Direkt-Versicherung behauptet und die Unzulässigkeit des neuen Sachvortrags des Klägers nach § 531 Abs. 2 ZPO gerügt. Der neue Vortrag ist im Übrigen auch insoweit nicht nachvollziehbar, als der Kläger bei Unterstellung seiner Unkenntnis von der Ablehnung des Antrags durch die A.-Direkt-Versicherung durch den Antrag bei der Beklagten sich der Gefahr ausgesetzt hätte, dass beide Anträge durch die jeweilige Versicherung angenommen würden und somit eine kostenintensive Doppelversicherung eintreten würde. Zudem erscheint auch nicht plausibel, dass der Kläger bei unterstellter Unkenntnis von dem gestellten - und entweder noch nicht beschiedenen oder bereits abgelehnten - Antrag bei der A.-Direkt-Versicherung die Frage der Beklagten nach bestehenden oder beantragten Lebens- oder Berufsunfähigkeitsversicherungen nicht hätte beantworten wollen und deshalb durchgestrichen hätte; nahe liegend wäre in einem derartigen Fall die Beantwortung der Frage mit "Nein" gewesen, wenn der Kläger tatsächlich nichts von einem anderweitigen Versicherungsantrag gewusst hätte. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 ZPO. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 48.400 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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