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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 26.06.2008
Aktenzeichen: 10 U 1327/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 91 a
ZPO § 97
ZPO § 278 Abs. 6 Satz 2
BGB § 312 Abs. 1
BGB § 355 Abs. 1
BGB § 355 Abs. 2 Satz 2
Kein Widerruf des Kaufvertrags wegen fehlender Belehrung bei Abschluss des Darlehensgeschäfts, wenn der Kaufvertrag bereits vor diesem verbindlich abgeschlossen war und ein verbundenes Geschäft nicht anzunehmen ist.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 10 U 1327/07

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und die Richterin am Oberlandesgericht Zeitler-Hetger

am 26. Juni 2008

beschlossen: Tenor:

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen. Gründe:

Der Kläger erwarb zusammen mit seiner Ehefrau mit notariellem Vertrag vom 10. März 1995 eine Eigentumswohnung in W... zum Kaufpreis von 255.950 DM. Zur Finanzierung nahmen der Kläger und seine Ehefrau bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten am 13. März 1995 zwei Darlehen über insgesamt 256.000 DM auf. Als Sicherheit wurde eine Grundschuld über denselben Betrag bestellt, in der eine Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung sowohl bezüglich des Grundstücks als auch in das gesamte sonstige Vermögen des Klägers und seiner Ehefrau enthalten ist. Nachdem die Darlehensraten nicht mehr bezahlt wurden, wurde das Zwangsversteigerungsverfahren eingeleitet, die Eigentumswohnung letztlich jedoch im freihändigen Verkauf für 155.000 DM veräußert. Die Restforderung aus den Darlehensverträgen belief sich zum 22. März 2005 auf 121.180,51 €. Der Kläger, der von seiner Ehefrau zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche ermächtigt wurde, hat im vorliegenden Rechtsstreit begehrt, die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuldbestellungsurkunde für unzulässig zu erklären, und daneben die Feststellung, dass der Beklagten aus den Darlehensverträgen keine Ansprüche zustehen. Der Kläger hat geltend gemacht, der den Wohnungskauf vermittelnde Immobilienmakler habe auch die Abwicklung der Finanzierung übernommen. Es liege sowohl ein verbundenes Geschäft zwischen dem Darlehensvertrag und dem Grundstückserwerb vor als auch ein - wirksam widerrufenes - Haustürgeschäft. Jedenfalls habe die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin Aufklärungs- und Fürsorgepflichten ihm und seiner Ehefrau gegenüber verletzt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da zu Schadensersatz verpflichtende Handlungen der Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht ersichtlich seien, unabhängig vom Vorliegen eines Haustürgeschäfts jedenfalls kein verbundenes Geschäft zwischen dem Darlehensvertrag und dem Grundstückserwerb gegeben sei, da es sich um Realkredite gehandelt habe, und eine eventuell unterlassene Widerrufsbelehrung für die Darlehensverträge nicht kausal für einen Schaden in Form des Abschlusses des Wohnungskaufvertrages gewesen sein könne. Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung wendet sich der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrags gegen das landgerichtliche Urteil. Die Parteien haben sodann am 19. Juni 2008 einen Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO hinsichtlich der Hauptsache geschlossen und dabei die Kostenentscheidung gemäß § 91 a ZPO dem Gericht übertragen. Da mit dieser Klausel in dem Vergleich die Parteien zugleich den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist gemäß § 91 a ZPO nur noch über die Kosten des gesamten Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Danach sind vorliegend dem Kläger die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, da er gemäß § 97 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens und gemäß § 91 ZPO die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu tragen gehabt hätte. Die zulässige Berufung des Klägers wäre ohne das erledigende Ereignis in Form des abgeschlossenen Vergleichs ohne Erfolg gewesen. Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Auch der Berufungsvortrag rechtfertigt keine andere Bewertung der Sach- und Rechtslage. Aus dem von dem Kläger zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 20. Oktober 2005 ergibt sich, dass unter anderem Voraussetzung für eine Haftung der Beklagten wäre, dass der Kläger als Verbraucher bei rechtzeitiger Belehrung über das ihm zustehende Widerrufsrecht hinsichtlich des Darlehensvertrages es hätte vermeiden können, sich den mit der Kapitalanlage verbundenen Risiken auszusetzen. Das bedeutet aber, dass denknotwendig der Kaufvertrag als das mit der Kapitalanlage verbundene Risiko erst nach dem Darlehensvertrag geschlossen wird, da nur dann aufgrund der zeitlichen Abfolge überhaupt die unterlassene Widerrufsbelehrung des Darlehensvertrags irgendeine Auswirkung auf den Abschluss des zeitlich nachfolgenden Grundstückskaufvertrages gehabt haben kann. Wurde hingegen - wie vorliegend - der Immobilienkaufvertrag bereits vor dem Darlehensvertrag geschlossen, hätte auch eine bei Abschluss des Darlehensvertrages erteilte Widerrufsbelehrung die bereits durch den Grundstückskaufvertrag verwirklichte Kapitalanlage nicht mehr verhindern können. Zu Recht hat daher das Landgericht eine fehlende Kausalität einer unterlassenen Widerrufsbelehrung der Rechtsvorgängerin der Beklagten verneint. Selbst wenn eine Darlehenszusage der Rechtsvorgängerin der Beklagten bereits bei Abschluss des Kaufvertrages vorgelegen haben sollte, hatte diese jedenfalls keine Bindungswirkung dahingehend, dass der Kläger und seine Ehefrau verpflichtet gewesen wären, gerade dieses Darlehen in Anspruch zu nehmen. Weder aus dem notariellen Kaufvertrag noch sonst ist eine Bindung der Wohnungskäufer an diese Darlehenszusage ersichtlich, so dass der Kläger und seine Ehefrau ohne weiteres den Kaufpreis auch durch ein anderes Kreditinstitut hätten finanzieren können. Unzutreffend ist die Auffassung des Klägers, die Widerrufsbelehrung müsse dem Verbraucher erteilt werden, bevor er sich binde. So sieht zum Beispiel § 312 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 355 Abs. 1 BGB vor, dass der Verbraucher zunächst eine auf den Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung abgibt, jedoch an diese nicht mehr gebunden ist, wenn er sie fristgerecht widerrufen hat. § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB sieht ausdrücklich eine Belehrung erst nach Vertragsschluss vor. Daraus ergibt sich, dass die Widerrufsbelehrung nicht zwingend vor dem Vertragsschluss erteilt werden muss. Der Kläger hat auch nicht ausreichend dargetan, dass die Voraussetzungen für die Annahme eines institutionellen Zusammenwirkens zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und dem Immobilienmakler vorgelegen hätten. Hierzu hätte es genauerer Darlegungen, wie sich die Zusammenarbeit gestaltet hat, bedurft. Allein die Tatsache, dass sämtliche Kreditunterlagen dem Kläger und seiner Ehefrau jeweils von dem Immobilienmakler vorgelegt wurden, rechtfertigt ebenso wenig die Annahme eines institutionellen Zusammenarbeitens des Maklers mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten wie der hierzu gehaltene erstinstanzliche Sachvortrag des Klägers. Unerheblich ist auch, ob der Immobilienmakler unrichtige Angaben über die Rentabilität der erworbenen Eigentumswohnung gemacht hat, da dies der Rechtsvorgängerin der Beklagten bzw. nunmehr der Beklagten nur dann zuzurechnen wäre, wenn die Unrichtigkeit der Angaben und die Tatsache, dass dem Kläger und seiner Ehefrau gegenüber solche unrichtigen Angaben überhaupt gemacht wurden, für die Rechtsvorgängerin der Beklagten evident gewesen wäre. Hierfür ist allerdings nichts ersichtlich. Da mithin der Kläger ohne den Abschluss des Vergleichs als dem erledigenden Ereignis mit seiner Berufung unterlegen wäre, er daher gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels und gemäß § 91 ZPO die Kosten des erfolglosen Rechtsstreits erster Instanz zu tragen gehabt hätte, sind ihm nunmehr gemäß § 91 a ZPO die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren einschließlich des Vergleichs wird auf 130.890,72 € festgesetzt. Maßgeblich bei der Vollstreckungsabwehrklage ist der Umfang der erstrebten Ausschließung der Zwangsvollstreckung unabhängig davon, ob die titulierte Forderung in Wirklichkeit ganz oder teilweise getilgt ist, wenn - wie vorliegend - uneingeschränkte Abwehrklage erhoben wird (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 26. Aufl. § 3 Rdnr. 16 "Vollstreckungsabwehrklage" mit Rechtsprechungsnachweisen).

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