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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 17.12.2004
Aktenzeichen: 10 U 1388/03
Rechtsgebiete: AKB


Vorschriften:

AKB § 12 Nr. 1 I a
Macht der VN im Rahmen einer Teilkaskoversicherung Leistungen geltend, so ist er zwar für die Höhe des Schadens beweispflichtig. Dies bedeutet indes nicht, dass hinsichtlich der einzelnen Schadenspositionen (Wiederbeschaffungswert, Restwert) im Rahmen einer Schätzung jeweils der für den VN ungünstigere Wert in Ansatz zu bringen ist.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 10 U 1388/03

Verkündet am 17. Dezember 2004

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert auf die mündliche Verhandlung vom 26. November 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 16. Oktober 2003 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.112,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.3.2000 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat 1/3, die Beklagte 2/3 der Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Von den Kosten des ersten Rechtszuges trägt die Klägerin 1/5, die Beklagte 4/5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus Fahrzeugteilversicherung in Anspruch.

Die Klägerin war im Jahre 1999 Eigentümerin des erstmals am 16.12.1997 zugelassenen Lastzuges, bestehend aus einer Zugmaschine vom Typ Mercedes Actros, amtliches Kennzeichen , sowie eines Anhängers der Fa. Lotz Karosserie- und Fahrzeugtechnik GmbH. Für dieses Fahrzeug besteht eine Haftpflicht- sowie Teil-/Vollkaskoversicherung.

Am 9.8.1999 geriet der mit Altpapier beladene LKW auf der Umgehung der B 262 zwischen der A 61 und der A 48 bei Hausen in Brand und brannte weitgehend aus. Der von der Beklagten sodann beauftragte Sachverständige gelangte in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass ein Totalschaden eingetreten war und bezifferte den Restwert auf 39.000,--DM, wobei auf die Zugmaschine ein Betrag von 30.000,--DM entfiel. Auf dieser Grundlage veräußerte die Klägerin den Sattelzug.

In der Folgezeit ermittelte die Beklagte auf der Grundlage eines Gutachtens des Sachverständigen M. vom 15.9.1999 den entstandenen Sachschaden, der sich nach dem Gutachten auf 111.373,71 DM belief. Im Rahmen der Berechnung des der Klägerin zustehenden Anspruches legte die Beklagte - ausgehend von einem Totalschaden des Zugfahrzeuges - einen Wiederbeschaffungswert von 130.000,--DM und einen Restwert von 40.000,--DM zugrunde und kam zu einem Sachschaden von 90.000,--DM. Unter Berücksichtigung der in der Teilkaskoversicherung vereinbarten Selbstbeteiligung in Höhe von 300,--DM zahlte die Beklagte sodann für die Zugmaschine einen Betrag von 89.700,--DM an die Klägerin. Mit Schreiben vom 13.3.2000 forderte die Klägerin von der Beklagten die Zahlung eines weiteren Betrages aufgrund des eingetretenen Versicherungsfalles in Höhe von 35.262,29 DM.

In dem Verfahren - 5 O 144/01 LG Koblenz - forderte die Beklagte von der Klägerin die bereits erbrachten Leistungen zunächst in Höhe von 104.299,--DM zurück. In diesem Verfahren wurde bereits im Jahre 2001 mündlich verhandelt. Die Rückforderungsklage wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 26.4.2002 abgewiesen.

Die Klägerin hat vorgetragen,

entgegen der Annahme der Beklagten habe der Wiederbeschaffungswert der Zugmaschine zum Zeitpunkt des Brandes 155.000,--DM betragen. Der Restwert dieser Zugmaschine habe bei 30.000,--DM gelegen.

Die Klägerin hatte zunächst im Hinblick auf die von der Beklagten erhobene Rückforderungsklage - neben einem Zahlungsantrag - beantragt, festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, von der Klägerin die Rückzahlung der anlässlich des Schadensereignisses vom 9.8.1999 erbrachten Leistungen in Höhe von 104.299,--DM zu fordern. Nachdem in diesem Verfahren im Jahre 2001 mündlich verhandelt wurde, haben bei Parteien übereinstimmend im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 29.11.2001 den Rechtsstreit bezüglich des Feststellungsantrages für erledigt erklärt und diesbezüglich wechselseitige Kostenanträge gestellt. Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 35.262,29 DM (18.029,32 €) nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.3.2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Werte seien im Rahmen der erfolgten Abrechnung zutreffend ermittelt worden. Im Übrigen sei sie leistungsfrei wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles. Ursache für den entstandenen Brand sei ein Fehler im Aufbau gewesen, von dem ein Mitarbeiter der Klägerin Kenntnis gehabt habe. Diese Kenntnis müsse sich die Klägerin auch zurechnen lassen.

Das Landgericht hat nach Beweiserhebung die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Beklagte auf der Grundlage ihrer Einstandspflicht bezüglich der Sattelzugmaschine den von der Klägerin zustehenden Zahlungsanspruch durch Leistung in Höhe von 89.700,--DM bereits erfüllt habe. Grundlage der insoweit erfolgten Zahlung seien die für die Beklagten ermittelte Werte gewesen, wonach von einem Wiederbeschaffungswert in Höhe von 130.000,--DM und von einem Restwert der Zugmaschine in Höhe von 40.000,--DM ausgegangen worden sei. Die Klägerin habe ihre Behauptung, der Wiederbeschaffungswert habe 155.000,-DM und der Restwert habe 30.000,--DM betragen, nicht nachweisen können. Der Sachverständige B. sei in seinem Gutachten zu einem Wiederbeschaffungswert von 130.000,--DM bis 135.000,--DM gelangt. Dabei sei der Sachverständige von einem Neupreis der Zugmaschine in Höhe von 193.827,12 DM und einem Kilometerstand von 229.345 km ausgegangen. Weiterhin habe der Sachverständige das Baujahr, den Tag der Erstzulassung, die Ausstattung und den Zustand des Fahrzeuges berücksichtigt. Bezüglich des Restwerts habe der Sachverständige ausgeführt, dieser basiere neben seinen persönlichen Erfahrungen auf mindestens drei von speziellen Unfallfahrzeugaufkäufern eingeholten Angeboten. Vier Jahre nach dem Schadensereignis sei es jedoch nicht mehr möglich gewesen, ein ernsthaftes Angebot einzuholen. Aufgrund seiner persönlichen Erfahrung und seines Wissens im Bereich der Fahrzeugschäden und Fahrzeugbewertungen komme er zu einem Restwert von 30.000,--DM bis zu 40.000,--DM.

Ausgehend von dieser Bewertung des Sachverständigen habe die Klägerin nicht den Nachweis der von ihr behaupteten Werte geführt. Die Kammer gelangte zu dem Ergebnis, dass die von der Beklagten vorprozessual vorgenommene Abrechnung auf der Basis eines Wiederbeschaffungswerts von 130.000,--DM und eines Restwertes von 40.000,--DM nicht zu beanstanden sei.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Sie greift die einzelnen Bewertungsansätze an. Das Landgericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass das Ingenieurbüro H. & B. am 19.8.1999 den Restwert der Sattelzugmaschine auf 30.000,--DM beziffert habe und diese auf der Grundlage dieses Gutachtens zu diesem Preis veräußert worden sei. Beauftrage der Kaskoversicherer einen Sachverständigen mit der Ermittlung des Schadens und ermittelte dieser einen Restwert, so sei der Versicherungsnehmer berechtigt, das beschädigte Fahrzeug auf dieser Grundlage zu veräußern. Dem Versicherungsnehmer könne später nicht entgegengehalten werden, dass von einem höheren Restwert auszugehen sei. Darüber hinaus habe das Gericht nicht lediglich einen Wiederbeschaffungswert von lediglich 130.000,--DM zugrunde legen dürfen, nachdem seitens des Sachverständigen B. der Wiederbeschaffungswert auf 130.000 bis 135.000,--DM beziffert worden sei. Nach dem Gutachten des Ingenieurbüros H. & B. vom 19.8.1999 sei von einem Wiederbeschaffungswert von 145.000,--DM netto auszugehen. Zumindest hätte man im Hinblick auf dieses Gutachten von einem Wiederbeschaffungswert von 135.000,--DM oder von einem Mittelwert von 132.500,--DM ausgehen müssen.

Die Klägerin hat beantragt nunmehr,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.669,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.3.2000 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor,

das Landgericht habe zu Recht die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne sich nicht auf das Gutachten von H. & B. berufen, da dieses Gutachten zahlreiche Fehler aufweise. Das Gutachten des Sachverständigen B. sei sachlich nicht zu beanstanden. Die Kammer habe das Gutachten auch zutreffend gewürdigt.

Der Senat nimmt im Übrigen auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil sowie auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug (§ 540 Abs. 1 ZPO n.F.).

II.

Die Berufung ist teilweise begründet.

Der Klägerin steht gemäß § 12 Nr. 1 I a AKB ein Anspruch auf Versicherungsleistung aus der Teilkaskoversicherung zu. Die Beklagte ist nicht gemäß § 61 VVG wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls leistungsfrei geworden.

Der Senat geht mit dem Landgericht zunächst von den Feststellungen des Sachverständigen B. aus. Die Klägerin kann nicht das vorgerichtliche Gutachten des Ingenieurbüros H. & B. zur Grundlage der Abrechnung machen. Auch ist das von der Beklagten in Auftrag gegebene Gutachten des Sachverständigen M. vom 15.9.1999, auf dessen Basis letztlich die Abrechnung erfolgte, nicht maßgebend. Bei beiden Gutachten handelt es sich um Parteigutachten, die von den Parteien angegriffen wurden und für den Senat keine verlässliche Grundlage darstellen.

Auch wenn der vom Gericht beauftragte Gutachter B. das Fahrzeug nicht mehr in Augenschein nehmen konnte und hinsichtlich der Bewertung der Zugmaschine auf allgemeine Erfahrungswerte zurückgreifen musste, ist das Gutachten doch in sich nachvollziehbar und widerspruchsfrei.

Allerdings sind die vom Landgericht gezogenen Schlussfolgerungen aus dem Gutachten des Sachverständigen B. für den Senat nicht überzeugend. Richtig ist zwar, dass die Klägerin grundsätzlich die Beweislast für einen höheren Schaden trägt. Dies bedeutet aber nicht, dass bei einem Schätzungsansatz des jeweiligen Wiederbeschaffungswerts und Restwerts für die Klägerin jeweils der ungünstigere Wert in Ansatz zu bringen ist.

Der Sachverständige hat den Wiederbeschaffungswert der Zugmaschine auf 130.000,--DM bis 135.000,--DM geschätzt. Das Landgericht hat diesbezüglich zu Recht den niedrigeren Ansatz von 130.000,--DM als Rechnungsposition zugrunde gelegt. Zu beanstanden ist jedoch, dass es bei der Ermittlung des Restwerts zum Nachteil der Klägerin den Betrag von 40.000,--DM zugrunde gelegt hat, obgleich der Sachverständige hinsichtlich des Restwerts von einer Spanne von 30.000,--DM bis 40.000,--DM ausgegangen ist. Wenn aber das Landgericht beim Wiederbeschaffungswert sich am unteren Rand der Schätzgrundlage bewegt, ist es geboten, dass es auch bei der Ermittlung des Restwerts den niedrigeren Wert des Schätzbetrages in Ansatz bringt. Auszugehen ist demnach von einem Wiederbeschaffungswert von 130.000,--DM abzüglich eines Restwerts von 30.000,--DM, so dass sich abweichend von der Regulierung der Beklagten von 90.000,--DM abzüglich Selbstbeteiligung von 300,--DM ein Betrag von 100.000,--DM abzüglich dieser Selbstbeteiligung ergibt. Mithin sind noch zugunsten der Klägerin 10.000,--DM bzw. 5.112,92 € nebst Zinsen auszugleichen und das angefochtene Urteil in diesem Umfange abzuändern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, 97 Abs. ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.669,38 € festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, § 543 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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