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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 02.07.1999
Aktenzeichen: 10 U 1389/96
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
1. Zur Frage der ordnungsgemäßen tiermedizinischen Behandlung (offene Wundbehandlung oder operative Behandlung) und Medikamentierung eines Pferdes, das einen Riß der Sehenscheide im linken Vorderlauf erlitten hat.

2. Ein grober Behandlungsfehler hat vorgelegen, wenn eine Unterdosierung erfolgte, insbesondere nicht ausreichend lange dosiert und ein Abstrich unterlassen wurde, der eine gezielte Bekämpfung mit einem spezifischen Antibiotika gegen die Infektion ermöglicht hätte (in Anknüpfung an BGH NJW 1995, 778 und BGH NJW 1996, 2428).


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES Grundurteil

10 U 1389/96

verkündet am: 2. Juli 1999

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch die Richter am Oberlandesgericht Dr. Binz, Weiss und Dr. Reinert auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juni 1999

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 9. August 1996 aufgehoben und wie folgt neu gefaßt:

1. Es wird festgestellt, daß die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt ist und die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin Schadensersatz zu leisten. Die Sache wird zur weiteren Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen.

2. Die Entscheidung über die Kosten, auch des Berufungsrechtszugs, bleibt der Schlußentscheidung des Landgerichts vorbehalten.

Tatbestand:

Die Klägerin war seit 1991 Eigentümerin des Pferdes Vicky. Am 29.08.1992 verletzte sich das Pferd auf der Weide. Es erlitt einen Riß der Sehnenscheide im linken Vorderlauf, so daß Sehnenflüssigkeit austrat. Die Klägerin beauftragte den Beklagten zu 1) mit der tierärztlichen Versorgung des Pferdes. Diese übernahm überwiegend der beim Beklagten zu 1) angestellte Beklagte zu 2), der das Pferd mit Salbe und Verbänden versorgte. Zusätzlich injizierte er entzündungshemmende Schmerzmittel und das Antibiotikum Terramycin. Der Krankheitsverlauf bis zum 16.9.1992 wurde auf einer von den Beklagten angelegten Karteikarte vermerkt. Danach war bis einschließlich 7.9.1992 eine stetige Besserung im Befinden des Pferdes eingetreten. Am 10.9.1992 hatte sich der Zustand des Tieres jedoch wieder verschlechtert. Die Sehnenscheide war wieder zu sehen. Der Beklagte zu 2) ordnete deshalb an, das Pferd solle im Schritt geführt werden. Die Klägerin ließ darauf hin das Tier an die Führmaschine nehmen. Als es jedoch nach wenigen Minuten begann zu lahmen, nahm sie es von der Maschine. Am 12.9.1992 hatte das Pferd Fieber und stand auf drei Beinen. Die Sehnenscheide war wieder offen und es wurde eine hochgradige Lahmheit festgestellt. Am 14.9.1992 war die Sehnenscheide abgeschwollen und das Tier belastete das verletzte Bein fast gut. Da jedoch am 15.9.1992 erneut hochgradige Lahmheit sowie eine eitrige Entzündung der Sehnenscheide eintrat, wurde das Pferd am 16.9.1992 in die tierärztliche Klinik des Dr. S. überstellt. Dr. S. stellte eine ca. 10 Pfennig große, stark infizierte mit Wildfleisch behaftete Wunde fest. Auf ausdrücklichen Wunsch der Klägerin wurde die Stute sofort operiert. Nach der Operation stellte sich keine Besserung im Befinden des Pferdes ein, so daß das Tier am 28.9.1992 euthanasiert wurde.

Die Klägerin hat vorgetragen,

bei richtiger tierärztlicher Behandlung wäre das Pferd geheilt worden. Insbesondere hätten die Beklagten der Stute wegen der Schwere der Verletzung sofort eine Drainage setzen müssen. Es habe außerdem die zwingende Notwendigkeit bestanden, das Pferd direkt zur Vornahme einer Operation in eine Klinik zu überstellen. Die insoweit begangenen Fehler der Beklagten seien Ursache für den Tod des Tieres gewesen. Eine Besserung im Zustand der Stute sei zunächst nämlich nur scheinbar eingetreten. Der Entzündungsherd sei durch die vorgenommene Behandlung nie beseitigt worden, weshalb sich später das Befinden des Pferdes dann auch verschlechtert habe. Die scheinbare Besserung sei eingetreten, weil die Beklagten neben einem Antibiotikum gleichzeitig Schmerzmittel verabreicht hätten. Dadurch habe man letztlich nicht feststellen können, ob das Antibiotikum tatsächlich wirke. Das gegebene Antibiotikum Terramycin sei außerdem zu sparsam dosiert worden. Nach der Verschlechterung des Zustandes des Pferdes am 10.9.1992 hätten die Beklagten entweder ein anderes Antibiotikum einsetzen müssen, da die Bakterien in der Wunde gegen das ursprünglich gegebene Antibiotikum resistent geworden seien oder sie hätten ein sogenanntes Antibiogramm, das heißt einen Abstrich, der dann nach Untersuchung zur Verabreichung eines wirksamen Antibiotikums geführt hätte, machen müssen. Zudem sei es falsch gewesen, die Stute am 10.9.1992 an die Führmaschine zu nehmen. Im übrigen sei der Beklagte zu 2) von dem abgebrochenen Versuch, das Pferd an die Führmaschine zu führen, sofort unterrichtet worden. Dieser hätte sich darum jedoch nicht gekümmert und sei erst am 12.9.1992 wieder im Stall erschienen. Durch den Verlust des Pferdes, das für 25.000,--DM gekauft worden sei, und die Behandlungskosten des Dr. S. sei ihr insgesamt ein Schaden in Höhe von 28.603,73 DM entstanden. Eine diesbezügliche Ersatzpflicht habe der Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 21.10.1992 anerkannt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 28.603,73 DM nebst 4% Zinsen seit dem 10.04.1993 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben vorgetragen,

ihnen sei kein ärztlicher Kunstfehler unterlaufen. Aufgrund der auf der Karteikarte festgehaltenen Befunde habe keine Veranlassung bestanden, das Tier zu einem früheren Zeitpunkt in eine Klinik einzuliefern. Eine solche Notwendigkeit habe sich auch nicht nach dem 10.9.1992 ergeben. Die Klägerin sei selbst verantwortlich für den verschlechterten Zustand des Tieres, nachdem die Behandlung zunächst gut angesprochen habe. Sie habe nämlich die Stute vor dem 10.9.1992 entgegen ärztlichem Rat auf die Weide gelassen. Die geltend gemachte Schadensersatzforderung sei schließlich überhöht, da das Pferd allenfalls einen Wert von l0.000,--DM gehabt habe.

Das Landgericht hat gemäß Beweisbeschlüssen vom 4.11.1994 sowie vom 28.4.1995 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen E., H., G. und D. sowie durch Einholung einer schriftlichen Aussage des Zeugen Dr. S. und eines Sachverständigengutachtens. Im Termin der mündlichen Verhandlung vom 19.7.1996 ist der Sachverständige Prof. Dr. F. zur Erläuterung seines Gutachtens gehört worden. Die Kammer hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen und ausgeführt: Die Klägerin habe weder gegen den Beklagten zu 1) einen Anspruch auf Schadensersatz wegen positiver Vertragsverletzung des Behandlungsvertrages noch stehe ihr eine Schadensersatzforderung gegen den Beklagten zu 2) aus § 823 Abs. 1 BGB zu. Beide Anspruchsgrundlagen setzten ein schuldhaftes Verhalten voraus. Hieran fehle es aber auf seiten der Beklagten, da ihnen kein Behandlungsfehler unterlaufen sei. Dies ergebe sich aus den Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F. und seinen Erläuterungen in der letzten mündlichen Verhandlung vor der Kammer. Danach sei von einer Behandlung durch beide Beklagte entsprechend der ärztlichen Kunst auszugehen. Der Sachverständige habe dargelegt, daß bei einer Sehnenscheidenwunde grundsätzlich zwei Behandlungsmethoden denkbar seien. Möglich sei eine operative sowie eine offene Wundbehandlung. Bei einer kleinen, nicht klaffenden Wunde, wie hier, sei die offene Wundbehandlung diejenige mit geringerem Risiko. Auf keinen Fall dürfe bei der Erstbehandlung einer frischen Sehnenscheidenwunde eine Drainage in die Sehnenscheide gelegt werden, da diese die Invasion von Bakterien und deren Verteilung in der Sehnenscheide noch begünstigen würde. Ein operatives Behandeln der Sehnenscheide erachte er erst für notwendig, wenn eine eitrige Sehnenscheidenentzündung vorliege. Ein operatives Behandeln sei bei Auftreten der Entzündung nicht geboten gewesen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Sie trägt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und Beweiserbietens vor, die Beklagten hätten das Pferd nicht ordnungsgemäß behandelt, insbesondere nicht konsequent medikamentiert. Es sei zunächst mit dem Medikament Terramycin eine Tetracyclin, dann mit dem Medikament Tardomycel ein Benzylpenicillin eingesetzt worden. Beide Medikamente hätten ein unterschiedliches Wirkungsspektrum mit unterschiedlicher Wirkungsweise und entfalteten antagonistische Wirkungen. Zudem müsse das eingesetzte Antibiotikum ausreichend lange verabreicht werden, bis sämtliche Symptome abgeklungen seien. Nachdem die Stute Vicky drei Tage lang mit keimhemmenden Tetracyclin behandelt worden sei, habe das dann eingesetzte keimtötende Penicillin nicht mehr wirken können. Nach dem Absetzen der Antibiotika ab dem 4.9.1992 sei kein antibiotischer Schutz mehr gegeben gewesen. Zudem sei die Dosierung des eingesetzten Terramycin und Tardomycel vor Beginn der Behandlung und bei Fortsetzung der Behandlung am 12.9.1992 nicht ausreichend gewesen. Im übrigen sei zu Lasten der Beklagten von einem Schuldanerkenntnis, zumindest aber von einer Beweislastumkehr auszugehen.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 28.603,73 DM nebst 4 % Zinsen seit 10.4.1993 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten tragen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor, das Pferd sei ordnungsgemäß behandelt worden. Eine medikamentöse Fehlbehandlung liege nicht vor. Eine kombinierte, d.h. gleichzeitige Behandlung von Terramycin und Tardomycel sei nicht erfolgt. Tardomycel sei erst nach Ablauf der Wirkungsdauer von Terramycin verabreicht worden. Die verabreichte Dosis sei auch ausreichend gewesen. Daß die Medikamentierung auch quantitativ ausreichend gewesen sei, werde dadurch belegt, daß das Pferd auf das Medikament sehr gut angesprochen habe und während der Verabreichung von Terramycin jeweils eine deutliche Besserung eingetreten sei. Die am 10. und 15.09. festgestellten Verschlechterungen seien nur so zu erklären, daß die Klägerin das Pferd mit vorher angelegtem festen Verband entgegen dem Rat der Beklagten auf die Weide gelassen habe. Ein Schuldanerkenntnis ihrerseits liege nicht vor. Hinsichtlich der Schadenshöhe sei mit Nichtwissen zu bestreiten, daß das Pferd zu einem Betrag von 25.000,--DM gekauft worden sei. Nach dem Wertgutachten der Sachverständigen H. (GA 24 ff.) betrage der Wert des Pferdes allenfalls 10.000,--DM.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil mitsamt den dort in Bezug genommenen Unterlagen und Gutachten Bezug genommen, ferner auf die in beiden Rechtszügen zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat vorläufigen Erfolg. Der Klageanspruch ist dem Grunde nach gerechtfertigt (§ 304 ZPO). Da es zur Höhe noch der weiteren Sachaufklärung durch das Landgericht bedarf und die Sache diesbezüglich nicht entscheidungsreif ist, hat der Senat durch Zwischenurteil dem Grunde nach der Klage entsprochen. Die Berufung führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht (§ 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO).

1) Der Klägerin steht gegen den Beklagten zu 1) ein Anspruch auf Schadensersatz wegen positiver Vertragsverletzung des Behandlungsvertrages und gegen den Beklagten zu 2) ein Schadensersatz aus unerlaubter Handlung wegen schuldhafter Fehlbehandlung des Pferdes gemäß § 823 Abs. 1 BGB zu. Beide Beklagte haften der Klägerin gesamtschuldnerisch für den Schaden.

a) Aufgrund der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme ist davon ausgehen, daß der Tod des Pferdes durch einen groben Behandlungsfehler des Beklagten zu 2), für dessen Fehlverhalten der Beklagte zu 1) im Rahmen des Behandlungsvertrages einzustehen hat (§ 278 BGB), verursacht worden ist. Ein grober Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (BGH NJW 1995, 778 und NJW 1996, 2428). Den Beklagten obliegt die Beweislast dafür, daß ein grober Behandlungsfehler nicht ursächlich geworden ist für den Schaden. Diesen Beweis haben sie nicht erbracht.

b) War der Streit in der erster Instanz im Schwerpunkt darauf konzentriert, ob die Art der Behandlung des Pferdes, offene Wundbehandlung oder operative Behandlung bzw. Notwendigkeit des Anlegens einer Drainage, ärztlich indiziert war, stand im Berufungsverfahrens die Frage der richtigen Medikamentierung im Vordergrund. Der Senat hat sich hierzu der Sachkunde des in erster Instanz bereits tätig gewordenen Sachverständigen Prof. Dr. med. Vet. R. F. bedient.

c) Der Sachverständige hat hierzu in seinem Gutachten vom 2. April 1998 ausgeführt, die Infektionsprophylaxe durch Gabe eines Tetracyclinderivates in den ersten drei Tagen nach der Sehnenscheidenverletzung und die anschließende Versorgung mit einem Penicillinderivat für 5 Tage sei lege artis gewesen. Beim Versuch einer Chemotherapie einer infektiösen Entzündung vom 12. 9. 1992 an sei jedoch das Antibiotikum Terramycin zu vorsichtig, nicht in der erforderlichen Höchstdosis appliziert worden, falls das Pferd schwerer als 450 - 500 kg gewesen sei. Das Antibiotikum sei nach Besserung der Symptomatik nicht lange genug verabreicht, sondern die Dosierung reduziert und am folgenden Tag sogar abgebrochen worden. Man habe es versäumt, am ersten Tage der Erkennung der Infektion mit erneuter Öffnung der Sehnenscheide am 12.9.1992 einen Sekretabstrich zur Anfertigung eines Antibiogramms (Keim- und Resistenzbestimmung) vorzunehmen. Die Anwendung von Dexamethason am 3. Behandlungstag einer Sehnenscheideninfektion ohne sicheren Antibiotikaschutz sei fehlerhaft gewesen. Die Antibiotikaanwendung sei vorliegend in zwei Phasen erfolgt: vom 29.8.1992 bis zum 3.9.1992 sei Antibiotika im Sinne einer prophylaktischen Chemotherapie eingesetzt worden. Vom 12. bis 14. 9. 1992 sei Antibiotikum zur Chemotherapie einer bakteriellen Infektion gegeben worden. Da im streitgegenständlichen Fall zuerst eine infektionsgefährdete Wunde vorgelegen habe, sei sie Anwendung eines Breitspektum-Antibiotika durchaus indiziert gewesen. Die hierzu verwendeten Tetracyclin- und Penicillinderivate entsprächen den Regeln der ärztlichen Kunst. Daß der Tierarzt auf Verdacht ein bewährtes Breitspektrum-Antibiotikum gewählt habe, sei richtig gewesen. Bei der angewendeten Chemotherapie seien jedoch wesentliche Teile der Grundregeln für die Chemotherapie bakterieller Infektionen vernachlässigt worden. Am 12.9.1992 sei kein Abstrich zur Resistenzbestimmung genommen worden, obgleich, wie in der Krankenkartei bekundet, die Sehnenscheide wieder offen gewesen sei. Der Sachverständige führte weiter aus, daß im Falle eines Körpergewichts des Pferdes von über 500 kg das wiederum applizierte Antibiotikum Terramycin nicht in der erforderlichen Höchstdosis dosiert worden sei. Gehe man jedoch von einem Körpergewicht von 500 kg aus, wie es schon bei der Tardomyocel-Applikation zugrunde gelegt worden sei, wäre die erforderliche Maximaldosis 20 ml gewesen. Der Sachverständige betonte jedoch ausdrücklich, daß die tatsächlich eingesetzte Dosis von 18 ml therapeutisch vorliegend ausreichend gewesen sein dürfte, da sich die Symptome alsbald nach der Terramycingabe besserten. Nach Angaben des Sachverständigen sei vorliegend jedoch die Regel verletzt worden, daß das Antibiotikum mindestens zwei Tage nach Abklingen der Symptomatik weiter gegeben werden sollte. Denn am 3. Behandlungstag seien nur 15 ml und am 4. Behandlungstag überhaupt kein Terramycin mehr injiziert worden. Der Sachverständige schlußfolgerte daraus, daß eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestehe, daß unter der reduzierten Terramycingabe resistente Keime die Oberhand gewinnen konnten. Auch erschien es dem Sachverständigen nicht nachvollziehbar, warum am 15.9.1992, als sich deutlich die Eiterung gezeigt habe, kein Chemotherapeutikum gegeben worden sei. Am 14.9.1992 sei schließlich 15 ml des Präparates Pheädex R injiziert worden, das das Cortisonderivat Dexamethason enthalte. Dextamethason sei eines der am stärksten und am längsten wirkenden Glukokortikoidderivate, das eine ausgesprochene entzündungshemmende und immunitätsunterdrückende Wirkung entfalte. Dieses Mittel dienten zur Behandlung von allergischen und sonstigen nicht infektiöser Entzündungen. Sie dürften aber generell bei Verletzungen, schlecht heilender Wunden und bestehenden Wundinfektionen nicht angewandt werden, es sei denn es müßten überschießende, lokal oder allgemein sehr bedrohliche Entzündungsreaktionen bekämpft werden. Die Anwendung sei nur mit einem sicheren Antibiotikaschutz möglich, d.h. entweder mit einem durch vorherige Resistenzbestimmung geprüften Antibiotikum oder mit einem Breitsprektrum-Antibiotikum, bei dem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei, daß es gegen die infrage kommenden Infektionskeime wirke. Prof. Dr. F. hob hervor, daß im streitgegenständlichen Fall jedoch das Mittel Dexamethason ohne zwingende Indikation am Ende einer zu kurzen Antibiotika-Therapie gegeben worden sei. Es sei daher geeignet gewesen, das erneute Angehen der noch nicht überstanden Infektion zu begünstigen. Zusammenfassend sei im Hinblick auf die therapeutische antiinfektiöse Antibiotika-Therapie nach dem 12.9.1992 festzustellen, daß eine gezielte Resistenzbestimmung unterlassen worden sei. Somit habe nicht so bald als möglich eine gezielte Chemotherapie durchgeführt werden können. Bei Zugrundelegung eines Körpergewichts von 450 bis 500 kg sei zwar die Terramycindosierung lege artis gewesen, die Applikation sei aber zu früh reduziert und ohne Umstellung auf ein anderes Chemotherapeutikum abgebrochen worden. Die Applikation eines Kortikosteroids am 3. Tage der Behandlung einer infektiösen Sehnenscheidentzündung sei kontraindiziert und damit fehlerhaft gewesen. Es bestehe eine große Wahrscheinlichkeit, daß die Fehler bei der Therapie der infektiösen Sehnenscheidenentzündung den Übergang in die eitrige Phase begünstigt hätten, auch wenn nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne, daß ohne diesen Fehler es nicht zu den Folgen der durchgeführten Behandlung gekommen wäre.

d) Der Sachverständige hat sich in seinem ergänzenden Gutachten vom 18.11.1998 (GA 423 ff.) mit den Einwendungen der Beklagten befaßt, daß ein Abstrich am 12.9.1992 frühestens am 16.9.1992 zur etwaigen Änderung der antibiotischen Therapie hätten führen können, seine Unterlassung daher nicht den bereits vor diesem Datum eingetretenen Übergang in die eitrige Phase hätte begünstigen können. Prof. Dr. F. vermochte dem nicht zuzustimmen. Er führte hierzu aus, daß das Ergebnis der Untersuchung eines Abstriches am 15. oder 16.9.1992 vorgelegen hätte und von diesem Zeitpunkt gezielt mit einem gegen die Sehnenscheideiterung verursachenden Keime ein sicher wirkendes Antibiotikum hätte eingesetzt werden können. Mit der Unterlassung des Abstriches sei gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln verstoßen worden. Der Sachverständige ist ferner dem Einwand der Beklagten begegnet, daß Zurücknehmen der Dosierung am 3. Behandlungstag nach erkannter Sehnenscheideninfektion und das Unterlassen der Antibiotikagabe am 4. Behandlungstag sei nicht fehlerhaft gewesen, weil am 4. Tag der Übergang in die eitrige Phase der Sehnenscheidinfektion bereits erkennbar gewesen sei. Der Sachverständige legte nochmals dar, daß Antibiotika zur Bekämpfung einer bestehenden Infektion hoch dosiert und ausreichend lange zu dosieren seien. Ausreichend lange bedeute noch 1 bis 2 Tage nach Abklingen sämtlicher Infektionsmerkmale. Hoch dosiert bedeute, daß der oberste Bereich der therapeutischen Breite ausgenutzt werden müsse. Eine zu niedrige Dosierung könne massive Infektionen nicht beheben und sei geeignet, antibiotikaresistente Keime zu selektieren. Falls das Pferd, wie von der Klägerin geschätzt, mindestens 600 kg schwer gewesen sei, sei eine noch höhere Dosis notwendig gewesen. Im übrigen ergebe sich aus der Dosierungsanleitung, daß bei Jungtieren und akuten Erkrankungen eine höhere Dosis zu wählen sei. Es sei unverständlich, warum am 3. Behandlungstag die Antibiotikadosis um 1/6 reduziert und am nächsten Tag, als der eitrige Prozeß erkannt, überhaupt kein Antibiotikum mehr gegeben worden sei. Es sei an diesem Tag auch jegliche kausal ausgerichtete Therapie unterblieben. Der Sachverständige führte aus, daß selbst unter Berücksichtigung der Nebenwirkungen die Weitergabe von Antibiotika erforderlich gewesen sei. Der Sachverständige stellte zusammenfassend fest, daß das Pferd falls es 600 kg gewogen habe, die Unterdosierung von Terramycin (18 ml statt 24 ml) geeignet gewesen sei, den Mißerfolg der Antibiotika-Therapie zu bewirken, ebenso die Reduzierung und der Abbruch der Chemotherapie bereits vom 3. Behandlungstag an. Dies müsse als grober Behandlungsfehler angesehen werden, da es eindeutig gegen bewährte tierärztliche Behandlungsregeln verstoßen habe. Das gleiche gelte für die Unterlassung eines Antibiogramms, ohne daß eine gesichert kausale Therapie nicht möglich gewesen sei.

e) In seiner weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 7. April 1999 (GA 452 ff.) hat der Sachverständige u.a. auf entsprechende Einwände der Beklagten dargelegt, daß seine im Berufungsrechtszug erstatteten Gutachten nicht in Widerspruch zu seinem in erster Instanz erstellten Gutachten vom 14.12.1995 stünden. Gegenstand des Ausgangsgutachtens sei die Frage gewesen, ob eine chirurgische Therapie oder offene Wundbehandlung hätte vorgenommen werden müssen. Daß gleichzeitig medikamentös u.a. mit Antibiotika behandelt worden sei, sei nicht Gegenstand der Beweisfrage gewesen. Beim Zweitgutachten sei jedoch ergänzend dazu speziell die medikamentöse Therapie mit exakten Dosierungsangaben zur Begutachtung gestellt worden. Fehler bei der Therapie seien in erster Linie die Unterdosierung des Antibiotikums Terramycin und die zu frühe Reduzierung und Abbruch der Chemotherapie gewesen. Daneben habe die Unterlassung des Abstrichs den Regeln der tierärztlichen Kunst widersprochen. Der Sachverständige führte abschließend nochmals aus, daß selbst wenn der Ausgang einer infektiösen Sehnenscheidenentzündung, insbesondere wenn sie eitrig geworden sei, zweifelhaft sei, verspreche jedoch eine bald einsetzende intensive Behandlung "mit größerer Wahrscheinlichkeit" einen Erfolg, wenn sofort bei Beginn gezielt ein im Resistenztest geprüftes Antibiotikum eingesetzt werden könne.

f) Aufgrund der von Sachkunde getragenen Ausführungen des Sachverständigen, denen sich der Senat anschließt, ist von einem groben Behandlungsfehler auszugehen, der darin zu sehen ist, daß eine Unterdosierung erfolgte, insbesondere nicht ausreichend lange dosiert und ein Abstrich unterlassen wurde, der eine gezielte Bekämpfung mit einem spezifischen Antibiotika gegen die Infektion ermöglicht hätte. Den Beklagten ist nicht der Beweis gelungen, daß ohne diesen Behandlungsfehler das Pferd nicht verstorben wäre.

Die Berufung der Klägerin hat danach vorläufigen Erfolg. Der Erlaß eines Grundurteils begegnet keinen Bedenken. Erforderlich und genügend ist, daß der geltend gemachte Anspruch auch unter Berücksichtigung der Einwendungen gegen ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht (BGHZ 53, 17 (23) = NJW 1970, 194; 97, 97 (109) = NJW 1986, 2309; 111, 125 (133) = NJW 1990, 1789; 126, 127 (129) = NJW 1994, 3295; BGH NJW 1994, 2286). Dies ist der Fall. Da die Schadenshöhe, insbesondere was den Verkehrswert des Pferdes betrifft, streitig ist, bedarf es der weiteren Aufklärung durch das Landgericht. Das landgerichtliche Urteil war aus den dargelegten Gründen aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlußentscheidung des Landgerichts vorbehalten.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 28.603,73 DM festgesetzt. Er entspricht der Beschwer der Beklagten.

Ende der Entscheidung

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