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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 28.01.2000
Aktenzeichen: 10 U 1424/98
Rechtsgebiete: AVB, AVB AusfuhrkreditV 1988, AVB WarenkreditV 1984, BGB, ZPO


Vorschriften:

AVB § 5 Abs. 2
AVB § 5
AVB § 7
AVB § 5 Abs. 1
AVB § 4
AVB AusfuhrkreditV 1988 § 8 Ziffer 2 Abs. 2
AVB WarenkreditV 1984 § 8 Ziffer 2 lit. a) bis d)
BGB § 242
ZPO § 304
ZPO § 538 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
1) Bestimmt § 5 Abs. 2 AVB Dienstleistung, dass drohende Schäden bis zum Ablauf des Versicherungsvertrages gemeldet werden und binnen weiterer 6 Monate nach Ablauf des Versicherungsvertrages eingetreten sein müssen, so ist damit nicht die Pflicht des Versicherungsnehmers verbunden, vorsorglich alle kurz vor Vertragsende erworbene Forderungen, ob notleidend oder nicht, als drohende Schäden anzumelden.

2) Wird in § 5 Abs. 2 AVB Dienstleistung der Begriff "drohende Schäden" - anders als beispielsweise in § 8 Ziffer 2 Abs. 2 AVB Ausfuhrkreditversicherung 1988 oder in § 8 Ziffer 2 lit. a) bis d) Warenkreditversicherung 1984 - nicht näher definiert, genügt der Versicherungsnehmer seiner vertraglichen Pflicht, wenn er mit Ausnahme der Mitteilung des Erlasses eines Mahnbescheids, bis zum Vertragsende erworbene Forderungen ohne zeitliche Begrenzung als notleidend dem Versicherer meldet. Für die als notleidend gemeldeten Forderungen ist der Versicherer einstandspflichtig, sofern der Versicherungsfall (Zahlungsunfähigkeit des Schuldners) bis spätestens 6 Monate nach Vertragsende eingetreten ist (im Anschluss an Senatsurteil vom 16.2.1999 - 10 U 178/98 - NVersZ 1999, 540 = r+s 1999, 394).

3) Die Nichtanzeige der Einleitung eines Mahnverfahrens stellt dann ausnahmsweise keine die Leistungsbefreiung begründendende schuldhafte Obliegenheitsverletzung dar, wenn das über mehrere Jahre zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer praktizierte Abrechnungsverfahren so gestaltet war, dass die Schadensmeldung mit Vorlage der Schadensakte erst erfolgte, nachdem festgestanden hatte, dass eine Beitreibung der Forderung nicht möglich war und daraufhin der Versicherer den Schaden in Gestalt des tatsächlich entstandenen Forderungsausfalls regulierte.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES GRUND-,TEIL- UND ENDURTEIL

Verkündet am 28. Januar 2000

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Werner und die Richter am Oberlandesgericht Weiss und Dr. Reinert auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 1999

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 14. Juli 1998 teilweise aufgehoben und im übrigen abgeändert und neu gefaßt:

1. Es wird festgestellt, daß die Klage bezüglich des Leistungsantrags (Klageantrag zu 1) dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Die Sache wird zur weiteren Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen.

2. Es wird festgestellt, daß die Beklagte weitere Versicherungsleistungen aus der Liste 2 in Höhe von 2.858,47 DM, die der Kläger bereits bei ihr geltend gemacht hat, über die eine Entscheidung der Beklagten noch aussteht, nicht mit folgenden Begründungen ablehnen darf: der Kläger habe die Beklagte nicht oder nicht rechtzeitig auf einen drohenden Schaden (Forderungsausfall) durch Mitteilung der Einleitung eines gerichtlichen Mahnverfahrens hingewiesen, der Versicherungsfall (Schaden durch Ausfall der Forderung) sei verspätet, jedenfalls aber erst nach dem 30.9.1996 als Schaden angemeldet worden, der Schaden (Forderungsausfall) sei erst nach dem 30.9.1996 bis 31.3.1997 eingetreten.

3. Es wird festgestellt, daß die Beklagte in weiteren ihr vom Kläger noch nicht vorgelegten Fällen entsprechend der Liste 3 mit einer Schadenshöhe von insgesamt 20.174,37 DM Versicherungsleistungen nicht mit folgenden Begründungen verweigern darf: der Kläger habe einen drohenden Schaden nicht oder nicht rechtzeitig durch Mitteilung von der Einleitung eines gerichtlichen Mahnverfahrens gemeldet, der Schaden (Forderungsausfall) sei erst nach dem 30.9.1996 bis 31.3.1997 eingetreten, der Kläger habe den Schaden erst nach dem 30.9.1996 bzw. nach dem 31.3.1997 bei der Beklagten als Versicherungsfall geltend gemacht.

II. Die weitergehenden Klageanträge zu 2) und 3) werden abgewiesen.

III. Die Entscheidung über die Kosten, auch des Berufungsrechtszugs, bleibt der Schlußentscheidung des Landgerichts vorbehalten.

VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger macht mit der Klage Versicherungsleistungen aus einem mittlerweile gekündigten Rückversicherungsvertrag geltend.

Der Kläger betreibt ein Inkassounternehmen. Er erwirbt im Rahmen von Factoringverträgen Zahnarztforderungen, die er selbst verwertet. Seit dem 1.10.1993 sicherte der Kläger sein Geschäftsrisiko beim Inkasso durch einen Rückversicherungsvertrag bei der Beklagten ab. Nach dem Versicherungsvertrag (GA 43 bis 46 ), auf den zur näheren Darstellung Bezug genommen wird, versicherte die Beklagte das Ausfallrisiko des Klägers bis zu 80 %. In den Vertrag einbezogen waren die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (nachfolgend AVB Dienstleistung) aus dem Jahr 1993 (GA 47 bis 49 ), auf die ebenfalls zur weiteren Darstellung verwiesen wird.

In § 5 der Allgemeinen Bedingungen heißt es:

" Der Versicherungsschutz beginnt mit der Übernahme der Forderung zum Einzug durch den Versicherungsnehmer, nicht jedoch vor Antrag des Arztes/Zahnarztes auf Einschluß in die Versicherung.

Die Haftung des Versicherers entfällt für alle drohenden Schäden, die nicht bis zum Ablauf des Versicherungsvertrages gemeldet wurden und für die nicht binnen 6 Monaten nach Ablauf des Vertrages der Versicherungsfall eingetreten ist".

Nach § 7 der Allgemeinen Bedingungen ist der Versicherungsfall die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, die dann nachgewiesen ist, wenn nach Geltendmachung von Abtretungsrechten entweder wegen der Forderung eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht zur Befriedigung geführt hat oder unter Würdigung der Umstände des Einzelfalles eine Zwangsvollstreckung aussichtslos erscheint.

Gemäß Nachtrag A zum Versicherungsschein (GA 54) hoben die Parteien den Versicherungsvertrag mit Ablauf des 30. September 1996 auf.

Mit dem Klageantrag zu 1 hat der Kläger von der Beklagten Versicherungsleistungen gefordert, die von der Beklagten bereits ausdrücklich verweigert worden waren. Insoweit wird Bezug genommen auf die von dem Kläger vorgelegte Liste 1 (GA 10 und 11). In sämtlichen dort genannten Fällen trat der Versicherungsfall nach dem 30.09.1996 und vor dem 31.03.1997 ein, die Schäden wurden der Beklagten teilweise vor dem 31.3.1997 vorgelegt und - nach Auffassung des Klägers - damit gemeldet. Teilweise erfolgte die Meldung erst nach dem 31.3.1997 (insoweit wird auf die Anlagen K 18 und K 19 verwiesen).

Mit dem Klageantrag zu 2 hat der Kläger Feststellung bezüglich solcher Schäden begehrt, die er der Beklagten bereits unterbreitet hat. Insoweit wird Bezug genommen auf die Liste 2 (GA 11). Eine Entscheidung der Beklagten über diese Fälle steht noch aus. Auch diese Fälle wurden zwischen dem 30.9.1996 und dem 31.3.1997 gemeldet, in diesem Zeitraum trat auch die Zahlungsunfähigkeit ein.

Mit dem Klageantrag Nr.3 begehrt der Kläger Feststellung bezüglich solcher Schäden, die der Kläger gegenüber der Beklagten noch nicht geltend gemacht hat. Die Forderungen wurden bis zum 30.9.1996 vom Kläger erworben und bis zum 31.3.1997 erfolglos gegenüber den Schuldnern geltend gemacht.

Der Kläger hat vorgetragen,

das Vertragsverhältnis sei regelmäßig derart gehandhabt worden, daß er die Forderungen nicht bereits bei Einleitung des Mahnverfahrens, sondern erst bei endgültigem Forderungsausfall gemeldet habe. Danach habe die Beklagte reguliert.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn Versicherungsleistungen für Schadensfälle nach der Liste 1 in Höhe von 92.584,24 DM nebst 8,25 % Zinsen seit Klageerhebung zu zahlen.

2. festzustellen, daß die Beklagte weitere Versicherungsleistungen aus der Liste 2 in Höhe von 2.858,47 DM, die er, der Kläger, bereits bei ihr geltend gemacht habe, über die die Beklagte ihm aber noch keine Entscheidung mitgeteilt habe, nicht mit folgenden Begründungen ablehnen dürfe: der Kläger habe die Beklagte nicht oder nicht rechtzeitig auf einen drohenden Schaden (Forderungsausfall) durch Mitteilung der Einleitung eines gerichtlichen Mahnverfahrens hingewiesen, der Versicherungsfall (Schaden durch Ausfall der Forderung) sei verspätet, jedenfalls aber erst nach dem 30.9.1996 als Schaden angemeldet worden, der Schaden (Forderungsausfall) sei erst nach dem 30.9.1996 eingetreten.

3. festzustellen, daß die Beklagte in weiteren ihr vom Kläger noch nicht vorgelegten Fällen entsprechend der Liste 3 mit einer Schadenshöhe von insgesamt 20.174,37 DM Versicherungsleistungen nicht mit folgenden Begründungen verweigern dürfe: der Kläger habe einen drohenden Schaden nicht oder nicht rechtzeitig durch Mitteilung von der Einleitung eines gerichtlichen Mahnverfahrens gemeldet, der Schaden (Forderungsausfall) sei erst nach dem 30.9.1996 eingetreten, der Kläger habe den Schaden erst nach dem 30.9.1996 bzw. nach dem 31.3.1997 bei der Beklagten als Versicherungsfall geltend gemacht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Leistungsantrag sei unbegründet. Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der Klagesumme aus dem von den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag, da die Beklagte nach § 5 AVB Dienstleistung leistungsfrei sei. Denn nach § 5 AVB dieser Regelung entfalle die Haftung des Versicherers für alle Schäden, die nicht bis zum Ablauf des Versicherungsvertrages gemeldet worden seien und für die nicht binnen 6 Monaten nach Ablauf des Vertrages der Versicherungsfall eingetreten sei. Der Versicherungsvertrag sei zum 30.9.1996 aufgehoben worden. Die dem Zahlungsantrag zugrundeliegenden Forderungen seien nicht bis zum Ablauf des Versicherungsvertrages gemeldet worden. Im Hinblick auf den klaren Wortlaut sei § 5 AVB nicht dahin auszulegen, daß die Meldung - wie vorliegend geschehen - bis zum 31.3.1997 nachgeholt werden könne. Eine konkludente Änderung des Versicherungsvertrages dahin, daß Schadensmeldungen erst mit endgültigem Zahlungsausfall erstattet werden sollten, habe der Kläger nicht unter Beweis gestellt. Die Beklagte sei somit leistungsfrei. Die Inhaltskontrolle des § 5 AVB führe zu keinem gegenteiligen Ergebnis. Eine unangemessene, gegen Treu und Glauben verstoßende Benachteiligung des Versicherten sei nicht gegeben. Da das VVG, auf das zur Konkretisierung der Prüfungsmaßstäbe in erster Linie abzustellen sei, keine entsprechende Regelung enthalte, sei bei der Beurteilung auf den Zweck des Versicherungsvertrages bzw. § 242 BGB abzustellen. zwar sei dem Kläger zuzugeben, daß bei kurz vor dem 30.9.1996 erworbenen Forderungen ein Mahnverfahren bis zum 30.9.1996 kaum in Gang gesetzt werden könne, da zunächst abzuwarten sei, ob der Patient zahle. Auch nach § 3 c) des Versicherungsvertrages werde davon ausgegangen, daß ein Mahnbescheid erst innerhalb von 180 Tagen nach Rechnungsstellung zu beantragen sei. Bezüglich § 5 AVB bleibe dem Kläger jedoch unbenommen, sämtliche vor dem 30.9.1996 von ihm erworbenen Forderungen, auch solche, bei denen noch nicht feststehe, ob der Forderungsausfall eintrete, zu melden. Nachteile - etwa eine Prämienanpassung - entstünden ihm im Hinblick auf die Auflösung des Vertrages zum 30.9.1996 nicht. Weder werde hierdurch der Zweck des Versicherungsvertrages gefährdet noch der Kläger unangemessen benachteiligt. Dies gelte insbesondere auch im Hinblick auf das Interesse der Beklagten, das von ihr übernommene Risiko einschätzen und in zeitlicher Hinsicht eingrenzen zu können. Die Klage sei daher abzuweisen, ohne daß es auf weiteres, insbesondere die Frage einer Obliegenheitsverletzung und deren Relevanz, ankomme.

Hinsichtlich der Feststellungsanträge sei die Klage unzulässig. Insoweit fehle es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse. Dieses entfalle, wenn eine Leistungsklage möglich und zumutbar sei, da die Leistungsklage besseren Rechtsschutz biete als die lediglich den Grund des Anspruchs regelnde Feststellungsklage. Die Ausführungen des Klägers zur Subsidiarität der Feststellungsklage beträfen lediglich das Verhältnis des Antrags 1 zu den Anträgen 2 und 3. Entscheidend für die Zulässigkeit der Feststellungsklage sei jedoch die Frage, ob bezüglich der der Feststellungsklage zugrundeliegenden Forderungen bereits Leistungsklage erhoben werden könne. Dies sei der Fall, da die ausgefallenen Forderungen im einzelnen feststünden. Daß die Leistungsklage vorliegend nicht zumutbar gewesen sei, habe der insoweit darlegungsbelastete Kläger nicht vorgetragen. Hinsichtlich der in Liste 2 aufgeführten Forderungen, die der Beklagten bereits gemeldet worden seien, sei kein Grund ersichtlich, warum insoweit nicht bereits Leistungsklage erhoben werden könne. Die in Liste 3 aufgeführten Forderungen seien der Klägerin zwar bisher nicht gemeldet worden. Dies hindere den Kläger jedoch nicht an der Erhebung einer Leistungsklage. Voraussetzung einer Leistungsklage sei weder, daß eine Ablehnung durch die Beklagte erfolge noch daß der Grund für die Leistungsverweigerung von dem Kläger beurteilt werden könne. Im übrigen seien die Feststellungsanträge auch unbegründet.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Das Landgericht habe den Bedeutungsgehalt des § 5 AVB Dienstleistung verkannt. Es gehe fälschlicherweise davon aus, daß der Kläger vor dem 30.9.1996 jede erworbene Forderung der Beklagten vorsorglich hätte melden müssen, unabhängig davon, ob ein Geldeingang insoweit sicher erschien oder nicht. § 5 Abs. 2 AVB Dienstleistung verlangten aber nur die Meldung für drohende Schäden. Der Forderungserwerb stelle noch keinen drohenden Schaden dar. Von einem drohenden Schaden könne auch dann nicht gesprochen werden, wenn ein Mahnverfahren eingeleitet worden sei. Denn der von ihm, dem Kläger, beauftragte Rechtsanwalt habe in vielen Fällen nach Einleitung des Mahnverfahrens noch eine Realisierung der Forderung erreichen können. Selbst die Vollstreckung nach Erlaß eines Vollstreckungsbescheids sei in vielen Fällen erfolgreich gewesen. Mit der Beklagten habe über Jahre Einverständnis bestanden, daß die Einleitung eines Mahnverfahrens noch nicht gemeldet worden sei, weil in vielen Fällen die Patienten dann die Forderungen, bei denen es sich oft um kleinere Beträge gehandelt habe, beglichen hätten. Es treffe ihn, den Kläger, kein Verschulden. Unabhängig davon habe die Nichtanzeige der Einleitung des Mahnverfahrens keinen Einfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalls gewesen. Der große Teil der Fälle, insbesondere die Liste 1, sei vor dem 31.3.1997 gemeldet worden. Vorher sei nicht von einem drohenden Schaden auszugehen gewesen. Die Feststellungsanträge seien zulässig und begründet. Denn die Beklagte habe nur bestimmte, aus Sicht des Klägers nicht berechtigte Ablehnungsgründe genannt, ohne in eine weitere Sachprüfung einzutreten.

Der Kläger beantragt nunmehr,

das angefochtene Urteil abzuändern und nach den Klageanträgen erster Instanz zu entscheiden ( Leistungsbegehren auf 92.584,24 DM nebst 8,25 % Zinsen seit 15.9.1997; Feststellung hinsichtlich der Listen 2 und 3).

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das angegriffene Urteil zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor,

das Landgericht habe zu Recht die Klage abgewiesen. Richtig sei zwar, daß nicht jede Forderung, die der Kläger erworben habe, mit der "Hereinnahme" zugleich notleidend gewesen sei und einen drohenden Schaden dargestellt habe. Voraussetzung für den Versicherungsschutz sei, daß bis zum Ende der Vertragszeit (30.9.1996) Forderungen als drohender Schaden gemeldet und zusätzlich binnen sechs Monaten nach Ablauf des Vertrags (31.3.1997) der Versicherungsfall eingetreten sei. Die getroffene Regelung sei in sich schlüssig und regele das versicherte Risiko sachgerecht und in Übereinstimmung mit den Grundsätzen von Treu und Glauben. Dem Kläger bleibe es unbenommen, wieviele Forderungen er hereinnehme. Auch könne er im Einzelfall kurzfristig eine Forderung als notleidend melden, wenn sich etwa herausstelle, daß ein Patient eine eidesstattliche Versicherung bereits abgegeben habe. Sie, die Beklagte, nehme auf die einzelnen Modalitäten keinen Einfluß. Das Risiko sei objektiv bestimmbar. Hinzu komme, daß der Kläger den Zeitpunkt der Beendigung des Vertragsverhältnisses selbst bestimmt habe. Wollte man der Auffassung des Klägers folgen, so hätte er es in der Hand kurz vor Ablauf des Vertrages eine Vielzahl von Forderungen hereinzunehmen, dies vorsorglich und später als realisierte Schadensfälle zu melden. Dadurch setze mit Beendigung des Vertragsverhältnis eine Schadenslawine ein. Sie, die Beklagte, sei auf die Meldung von drohenden Schäden angewiesen, um rechtzeitig eine Schadensreserve zu bilden. Außerdem sei der Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß er die Einleitung des Mahnverfahrens anzeigen müsse. Der Kläger habe gerade deshalb das Vertragsverhältnis beendet, weil er mit dieser Regelung nicht einverstanden gewesen sei, die Beklagte auf die Anzeigepflicht bezüglich der Einleitung des Mahnverfahrens gegenüber säumigen Patienten nicht habe verzichten wollen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil mitsamt den dort in Bezug genommenen Unterlagen Bezug genommen, ferner auf die in beiden Rechtszügen zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet und hat im übrigen vorläufigen Erfolg.

I.

1) Die Klage ist hinsichtlich des Leistungsantrages dem Grunde nach gerechtfertigt. Da es zur Höhe noch der weiteren Sachaufklärung durch das Landgericht bedarf und die Sache diesbezüglich nicht entscheidungsreif ist, hat der Senat durch Zwischenurteil nach § 304 ZPO dem Grunde nach der Klage bezüglich des Klageantrags zu 1) entsprochen. Die Sache wird gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zur weiteren Verhandlung hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten Forderung, soweit es den Leistungsantrag betrifft, an das Landgericht zurückverwiesen.

a) Mit der Berufung ist davon auszugehen, daß die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des § 5 AVB Dienstleistung (GA 48) weder dem Zweck des Vertrages noch den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB,) entspricht. Nach Ziffer 1 des Versicherungsvertrages sind gegen Verluste durch Zahlungsunfähigkeit alle Honorarforderungen von Ärzten/Zahnärzten gegen Privat- und Kassenpatienten mit ständigem Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland erfaßt, die vom Kläger als Versicherungsnehmer finanziert worden sind und für die er das Inkasso vornimmt. Bedingung hierfür ist, daß der Arzt/Zahnarzt beim Versicherungsnehmer den Einschluß der Gesamtheit seiner Honorarforderungen gegen Privat- und Kassenpatienten in diese Versicherung beantragt. Aus § 5 Abs. 2 AVB Dienstleistung ergibt sich, daß drohende Schäden bis zum Ablauf des Versicherungsvertrages gemeldet werden müssen und binnen weiterer 6 Monate nach Ablauf des Versicherungsvertrages eingetreten sein müssen. Nach § 7 AVB Dienstleistung tritt der Versicherungsfall mit der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ein. Diese ist nachgewiesen, wenn nach Geltendmachung von Abtretungsrechten entweder wegen der Forderung eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht zur Befriedigung geführt hat oder unter Würdigung der Umstände des Einzelfalles eine Zwangsvollstreckung aussichtslos erscheint. Aus § 5 Abs. 1 AVB Dienstleistung, wonach der Versicherungsschutz mit der Übernahme der Forderung zum Einzug durch den Versicherungsnehmer, nicht jedoch vor dem Antrag des Arztes/Zahnarztes auf Einschluß der Versicherung beginnt, läßt sich eindeutig entnehmen, daß alle vor dem 30.9.1996 angekauften Forderungen des Klägers gegen Patienten noch unter den Versicherungsschutz fallen. Wollte man § 5 Abs. 2 AVB so verstehen, daß eine Haftung entfällt, wenn nicht bis zum Ablauf der Versicherung notleidende Forderungen als drohende Schäden gemeldet würden, bedeutete dies gleichzeitig, daß faktisch für eine Vielzahl kurz vor Vertragende hereingenommener Forderungen tatsächlich kein Versicherungsschutz mehr bestünde. Diese Auslegung des Vertrages mit der vom Landgericht angesprochenen Konsequenz, daß der Kläger gehalten wäre, gewissermaßen vorsorglich alle Forderungen, ob notleidend oder nicht, anzumelden und dann im Schadensfall zu realisieren, wird dem Zweck des Vertrages und den Allgemeinen Vertragsbedingungen nicht gerecht.

b) Hinzu kommt, daß § 5 Abs. 2 AVB Dienstleistung den Begriff "drohende Schäden" nicht näher definiert. Es bleibt offen, ob bereits der erstmalige Zahlungsverzug oder die sich aufgrund weiterer Erkenntnisse herausstellende Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsunwilligkeit als drohender Schaden anzusehen ist. Aus § 3 b) des Versicherungsvertrages läßt sich lediglich die Pflicht entnehmen, die Beklagte von der Beantragung eines Mahnbescheides, der spätestens 180 Tage nach Rechnungsdatum zu beantragen ist, in Kenntnis zu setzen. Forderungen, die nach dem Tag der Beantragung des Mahnbescheides gegen den Patienten entstehen, sind nicht versichert. Drohende Schäden als gefahrerhöhende Umstände werden im Bedingungswerk der Beklagten nicht näher definiert. Auch sonstige gefahrerhöhende Umstände, wie sie die Beklagte in anderen Bedingungen, wie etwa in § 8 Ziffer 2 Abs. 2 AVB Ausfuhrkreditversicherung 1988 oder in § 8 Ziffer 2 lit a) bis d) AVB Warenkredit 1984 näher beschrieben hat (vgl. auch Senat Urteil vom 16.2.1999 10 U 178/98 - NVersz 1999, 540 = r+s 1999, 394), u.a. ungünstige Informationen über Vermögenslage, Zahlungsweise oder persönliche Beurteilung des Kunden, starke Verschlechterung der Zahlungsmoral, Nichteinlösung von Schecks oder Wechseln sowie Rücklastschriften mangels Deckung etc. - sind in der AVB Dienstleistung nicht enthalten. Mit Ausnahme der Mitteilung des Mahnbescheids genügt der Versicherungsnehmer nach dem Versicherungsvertrag und den vereinbarten AVB Dienstleistung seiner Pflicht, wenn er bis zum Vertragende am 30.9.1996 erworbene und versicherte Forderungen der Beklagten ohne zeitliche Begrenzung als notleidend meldet. Für die als notleidend gemeldeten Forderungen ist die Beklagte einstandspflichtig, sofern der Versicherungsfall (Zahlungsunfähigkeit des Schuldners) bis spätestens binnen 6 Monate nach Vertragende, d.h. konkret bis 31.3.1997 eingetreten ist.

2) Aufgrund der konkreten Vertragspraxis zwischen den Parteien, welche besonders Gegenstand der Erörterungen vor dem Senat gewesen ist, kann sich die Beklagte zur Begründung der Leistungsfreiheit in dem jedenfalls hier zu entscheidenden Einzelfall nicht darauf berufen, der Kläger habe abweichend vom Vertragswerk versäumt, sie über die Einleitung des Mahnverfahrens in Kenntnis zu setzen. § 4 AVB Dienstleistung berechtigt den Versicherer, die Leistung zu verweigern, wenn der Dienstleister oder der Versicherungsnehmer vertraglich oder gesetzlich zu erfüllende Obliegenheiten oder Verpflichtungen verletzt. Der Senat hat für den Bereich der AVB Warenkredit 1984 bereits entschieden, daß die Einleitung eines gerichtlichen Mahnverfahrens einen gefahrerhöhenden Umstand darstellt und die unterlassene Mitteilung eine (schuldhafte) Obliegenheitsverletzung darstellt (Senat Urteil vom 26.2.1999, aaO). Das über mehrere Jahre (1993 bis 1996) ausgeübte Abrechnungsverfahren sah so aus, daß nicht bereits bei Abgabe der Sachen an Rechtsanwalt L, der mit der Beitreibung der notleidenden Forderungen beauftragt wurde, die Beklagte in Kenntnis gesetzt wurde. Vielmehr erhielt die Beklagte die Schadensmeldung mit der Schadensakte erst, nachdem festgestanden hatte, daß nach fruchtloser Vollstreckung oder Zahlungsunfähigkeit wegen Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung ein tatsächlicher Forderungsausfall entstanden war. Die Klägerin hat den Schaden dann gemeldet, wenn bereits ein Vollstreckungstitel vorlag. Die Beklagte hat daraufhin über Jahre reguliert. Die Berufung weist mit Schriftsatz vom 20.11.1999 (GA 195) daraufhin, daß die Beklagte mehr als 200 Fälle nach Vorlage des Vollstreckungstitels reguliert hat. Die Beklagte hat in ihrem internen Vermerk vom 19.4.1996 (GA 171-173, 195), dargelegt, daß pro Jahr 400 bis 500 Vollstreckungsbescheide ergingen, davon ca. 70 bis 80 % realisiert worden seien. Diese seien bislang nicht gemeldet worden. Aus dem Vermerk ergibt sich, daß die Beklagte diese Vorgehensweise als nachvollziehbar erachtete, da sie ansonsten mit einer Unmenge vorläufiger Schadensanzeigen belastet worden wäre. Aus der Aktennote vom 30.4.1996 der Beklagten (GA 174)läßt sich entnehmen, daß zum damaligen Zeitpunkt auf ca. 1.200 bis 1.500 gerichtliche Mahnbescheide und ca. 400 bis 500 Vollstreckungsbescheide nur ca. 70 bis 100 uneinbringliche Forderungen kamen. Nur die uneinbringlichen Forderungen seien der Schadensabteilung mitgeteilt worden. Es wird darauf hingewiesen, daß es sich ausschließlich um private Kunden handelte und selbst die Erfolgsquote nach Erlaß des Vollstreckungsbescheids noch ca. 70 bis 80 % betrage. Eine Änderung des Verfahrens würde dazu führen, daß eine enorme Anzahl von vorläufigen Schadensmeldungen von der Schadensabteilung erfaßt werden würden, von denen über 90 % nach Beibringung des Geldes wieder storniert werden müßten. Auch wenn die Parteien sich auf eine Fortführung des Vertrages über den 30.9.1996 nicht einigen konnten, ist offenbar, daß die einvernehmliche Praxis in den Jahren 1993 bis 1996 so aussah, daß erst dann die Mitteilung von Schadensfällen erfolgte, wenn die Forderungen uneinbringlich waren. Dies erfolgte nicht nur im Interesse des Klägers, sondern auch im besonderen Interesse der Beklagten. Die Beklagte hat sich erst auf die in Ziffer 3 b) des Versicherungsvertrages enthaltene Mitteilungspflicht der Beantragung des Mahnbescheides berufen, als sich abzeichnete, daß die Klägerin nicht bereit war, über den 30.9.1996 hinaus das Vertragsverhältnis fortzusetzen. Das von der Beklagten mehrfach zitierte Schreiben vom 11.6.1996 (GA 168), wo auf Ziffer 3 b) des Versicherungsvertrages und die Mitteilungspflicht der Einleitung eines Mahnverfahrens hingewiesen wird, bezieht sich ausdrücklich auf die Fortführung des Vertrages zum 1.10.1996. Die Beklagte muß sich an ihrer Vertragspraxis bis 30.9.1996 festhalten lassen. Die Nichtanzeige der Einleitung des Mahnverfahrens stellt keine eine Leistungsbefreiung begründende schuldhafte Obliegenheitsverletzung des Klägers dar.

Der Erlaß eines Grundurteils, soweit es den Klageantrag zu 1) (Leistungsantrag) betrifft, begegnet keinen Bedenken. Erforderlich und genügend ist, daß der geltend gemachte Anspruch auch unter Berücksichtigung der Einwendungen gegen ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht (BGHZ 53, 17 (23); 97, 97 (109); 111, 125 (133); 126, 217 (219); BGH Urteil vom 9. Juni 1999 - IX ZR 191/93 - NJW 94, 2286). Das ist der Fall.

II.

Die Feststellungsanträge (Klageanträge zu 2) und 3) sind zulässig und weitgehend auch begründet (§ 256 ZPO).

Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat der Kläger ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung seines Anspruchs. Ein Feststellungsinteresse besteht, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, daß die Beklagte das Recht des Klägers ernsthaft bestreitet und eine Klage auf Leistung nicht möglich oder zumutbar ist (Zöller-Greger, ZPO Kommentar, 1. Aufl. § 256 Rn. 7/7a). Die Berufung macht zu Recht geltend, daß die Beklagte bezüglich der Fälle der Liste 2) und 3) noch keine abschließende Entscheidung mitgeteilt habe und die Ablehnung bisher ausschließlich auf die nicht rechtzeitige Anzeige der Einleitung des Mahnverfahrens und den Schadenseintritt (Forderungsausfall) nach dem 30.9.1996 gestützt worden sei. Eine Sachprüfung der einzelnen Positionen hat noch nicht stattgefunden, so daß der Kläger zunächst ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat, daß die formellen Einwendungen der Beklagten nicht geeignet sind, dem Anspruch entgegengehalten zu werden. Die Sache ist insoweit auch entscheidungsreif. Es ist diesbezüglich durch Teil- und Endurteil zu entscheiden. Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit eines Teilurteils bestehen nicht. Insbesondere ist nicht die Gefahr einer widersprechenden Entscheidung begründet.

Die Feststellungsanträge bezüglich der Liste 2) und 3) sind insoweit begründet, als die Beklagte bezüglich der geltend gemachten Versicherungsleistungen aus der Liste 2 in Höhe von 2.858,47 DM und Liste 3 mit einer Schadenshöhe von 20.174,37 DM Leistungen nicht mit der Begründung verweigern darf, daß der Kläger die Beklagte nicht oder nicht rechtzeitig auf einen drohenden Schaden (Forderungsausfall) durch Mitteilung der Einleitung eines gerichtlichen Mahnverfahrens hingewiesen, der Versicherungsfall verspätet, jedenfalls erst nach dem 30.9.1996 als Schaden gemeldet und der Schaden erst nach dem 30.9.1996 bis 31.3.1997 eingetreten sei. Soweit der Kläger in den Klageanträgen zu 2) und 3) hinsichtlich des Schadenseintritts allgemein auf den Zeitpunkt nach 30.9.1996 abstellt, sind diese Anträge zu weitgehend, da nach dem Vertragswerk auf jeden Fall der Versicherungsfall spätestens binnen 6 Monaten nach dem Vertragende, d.h. bis 31.3.1997, eingetreten sein muß. Die in diesem Sinne zu weit gefaßten Feststellungsanträge waren deshalb teilweise zurückzuweisen.

Im Hinblick auf den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung war derzeit keine Kostenentscheidung zu treffen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert der Berufung beträgt 111.010,50 DM (92.584,24 DM + 2.286,77 DM [2.858,47 DM x 80 % DM] + 16.139,49 DM [20.174,37 DM x 80 %]. Die Beschwer der Beklagten beläuft sich auf 111.010,50 DM.

Ende der Entscheidung

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