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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 28.10.2004
Aktenzeichen: 10 U 1454/03
Rechtsgebiete: MBKT 94


Vorschriften:

MBKT 94 § 1 Abs. 3
Nach § 1 Abs. 3 MBKT 94 liegt Arbeitsunfähigkeit dann vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht. Ein Anspruch auf Zahlung von Krankentagegeld gilt nur für solche Zeiträume, in denen eine vollständige Arbeitsunfähigkeit vorgelegen hat. Ist der Versicherte (hier Bürokaufmann; kaufmännische Tätigkeit in Tankstelle), teilweise in der Lage, seiner Berufstätigkeit nachzugehen, besteht kein Anspruch auf Krankentagegeld (Senatsurteile vom 6. September 2002 - 10 U 1950/01, OLGR 2003, 49 = ZfS 2003, 35 selbstständiger Architekt; vom 3.12.1999 - 10 U 307/99 - NVersZ 2000, 229 = VersR 2000, 1532 selbstständiger Möbelmonteur).
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Hinweisbeschluss

(gemäß § 522 Abs. 2 ZPO) Geschäftsnummer: 10 U 1454/03

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert

am 28. Oktober 2004

einstimmig beschlossen:

Tenor:

Der Senat erwägt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Dem Kläger wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 28. Januar 2005.

Die Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nach Auffassung des Senats gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Krankentagegeld für die Zeit vom 20.02. bis 30.06.2002 in Höhe von 112,48 € pro Kalendertag in Anspruch.

Die Beklagte ist nach dem zwischen den Parteien bestehenden Vertrag verpflichtet, dem Kläger ab dem 42. Tag der Arbeitsunfähigkeit Krankentagegeld zu zahlen. Ab dem 182. Tag sind 112,48 Euro pro Kalendertag vereinbart. Die Beklagte hat an den Kläger Krankentagegeldzahlungen bis einschließlich 19.02.2002 erbracht.

In dem Verfahren - 6 O 278/02 Landgericht Trier - macht der Kläger gegen einen anderen Versicherer einen Anspruch wegen Leistungen auf Berufsunfähigkeitsrente für den Zeitraum seit 01.01.2002 geltend.

Der Kläger ist von Beruf Bürokaufmann. Seit 01.10.1999 ist der Kläger im Bereich der Freien Tankstelle in H. im kaufmännischen Bereich tätig. Er arbeitet außerdem für die Fa. Autohaus Voll GmbH im Bürobereich auf Honorarbasis. Im Wesentlichen (zu 85 % bis 95 %) arbeitet der Kläger am Computer und am Schreibtisch. Die restliche Tätigkeit besteht darin, dass er Waren für den Kaufshop der Tankstelle einkauft und diese nach dem Auspacken in die Warenregale einräumt.

Der Kläger hat vorgetragen, er leide an chronischen Beschwerden nach einem Bandscheibenvorfall C4/C5 und Protrusionen C5/C6 und es bestehe eine foraminale Protrusion L4/L5, die selbst bei leichten körperlichen Belastungen wie z.B. Spazierengehen zu Beschwerden führe. Körperlich belastende Tätigkeiten wie z.B. Heben von Gegenständen sowie Auspacken von Gegenständen könne er überhaupt nicht mehr durchführen. Längere sitzende Tätigkeit wie z.B. Heben von Gegenständen sowie Anpacken von Gegenständen könne er überhaupt nicht mehr durchführen. Längere sitzende Tätigkeit bei chronischer Fehlhaltung führten regelmäßig zur Schmerzausstrahlung in den linken Arm, so dass diese Tätigkeiten maximal zu 40 % ausgeführt werden könnten.

Infolge seiner Leiden könne er früher ausgeübte Tätigkeiten in keiner Weise, auch nicht stundenweise ausüben, und zwar seit 12. 01.2001.

Die Beklagte sei daher verpflichtet, ihm weitere Krankengeldzahlungen für den Zeitraum vom 20.02.2002 bis 30.06.2002 zu erbringen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zur Zahlung von 13.272,64 Euro nebst Zinsen zu verurteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die behauptete Arbeitsunfähigkeit des Klägers bestritten und darauf hingewiesen, dass § 1 (3) AVB völlige Arbeitsunfähigkeit zur Leistungsvoraussetzung mache, die beim Kläger nicht vorliege. Sie beruft sich auf ein Gutachten des Dr. M., aus dem sich ergebe, dass der Kläger im Zeitpunkt der Untersuchung (19.02.2002 - GA 79) in der Lage gewesen sei, seinen Beruf stundenweise auszuüben.

Zum Nachweis der behaupteten Arbeitsunfähigkeit hält die Beklagte die Atteste und Krankschreibungen der behandelnden Ärzte des Klägers für nicht ausreichend.

Für den Fall, dass ein gerichtlich bestellter Gutachter entgegen den Erwartungen der Beklagten zu dem Ergebnis komme, dass der Kläger vom 20.02. bis 30.06.2002 zu 100 % arbeitsunfähig sei, macht die Beklagte geltend, dass dann ihre Leistungsfreiheit festzustellen sei, weil der Kläger berufsunfähig sei (§ 15 Absatz 1 d AVB).

Insbesondere wird verwiesen auf das vom Kläger vorgelegte Gutachten des Dr. K., das die Versicherung eingeholt hat, bei welcher der Kläger wegen Berufsunfähigkeit versichert ist (GA 155 ff.).

Das Landgericht hat den Kläger im Termin vom 28.11.2002 zu seiner Tätigkeit bei Eintritt der behaupteten Arbeitsunfähigkeit angehört (Blatt 101 ff der Akten) und nach Beweisaufnahme und Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Priv.-Doz.Dr.med. F., Universität S., die Klage abgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Er erstrebt unter Abänderung des angefochtenen Urteils, eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 13.272, 64 € nebst Zinsen.

II.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Leistung von Krankentagegeld für die Zeit nach dem 20.02.2002. Die Klage ist bereits nach eigenem Vortrag des Klägers unschlüssig, da nach den vereinbarten Vertragsbedingungen kein Anspruch auf Krankentagegeld besteht.

Nach § 1 Absatz 3 der zwischen den Parteien vereinbarten AVB, inhaltlich übereinstimmend mit § 1 Abs. 3 MBKT 94, liegt Arbeitsunfähigkeit dann vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht. Ein Anspruch auf Zahlung von Krankentagegeld gilt nur für solche Zeiträume, in denen eine vollständige Arbeitsunfähigkeit vorgelegen hat. Ist der Versicherte teilweise in der Lage, seiner Berufstätigkeit nachzugehen, besteht kein Anspruch auf Krankentagegeld (Senatsurteile vom 6. September 2002 - 10 U 1950/01, OLGR 2003, 49 = ZfS 2003, 35; selbstständiger Architekt; vom 3.12.1999 - 10 U 307/99 - NVersZ 2000, 229 = VersR 2000, 1532 selbstständiger Möbelmonteur; vgl. auch Prölss/Martin, VVG Kommentar, 27. Aufl. 2004, Rn. 12 zu § 1 MBKT 94).

Der Kläger gibt in der Klageschrift an, im Bereich der Büroarbeit zu 80 %, hinsichtlich der körperlichen Tätigkeit bezüglich der Tankstelle zu 100 % beruflich eingeschränkt zu sein. Ferner führt er aus, dass längere sitzende Tätigkeiten aufgrund der chronischen Fehlhaltung regelmäßig zu Schmerzausstrahlungen in den linken Arm führten, so dass diese Tätigkeit maximal zu 40 % durchgeführt werden könne. Seinem eigenen Vortrag lässt sich demnach entnehmen, dass er nicht zu 100 % arbeitsunfähig ist und keinen Anspruch auf weitergehendes Krankentagegeld für den Zeitraum ab 20.2.2002 bis 30.6.2002 hat.

Ungeachtet dessen steht auch für den Senat aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Dr. F. zur Überzeugung fest, dass der Kläger in dem fraglichen Zeitraum nicht vollständig arbeitsunfähig krank war. Der gerichtliche Sachverständige Dr. F. hat nach eingehender Würdigung aller Vorbefunde, einschließlich der bildgebenden Verfahren, festgestellt, dass die minimalen objektivierbaren Veränderungen im Bereich des Wirbelsäulensystems des Klägers nicht zu vereinbaren seien mit den vom Kläger behaupteten, erheblichen und hartnäckig therapieresistenten Beschwerden. Zwar habe der Kläger seit dem Jahre 2001 Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule mit teilweiser Ausstrahlung in das linke Bein. Eine nachweisbare manifeste Beeinträchtigung der nervalen Funktionen sei indes nicht vorhanden. Die Lendenwirbelsäule sei röntgenologisch völlig unauffällig und es sei allenfalls eine flache Vorwölbung festzustellen, so dass man noch nicht einmal von einer Protrusion, geschweige von einem Prolaps sprechen könne. Das objektiv feststellbare Beschwerdebild ermögliche es, sowohl Arbeiten am Schreibtisch und am Computer zu tätigen als auch Verrichtungen, wie Einkauf und Einräumen von vorwiegend leichter Ware, auszuführen. Ferner hat der Sachverständige dargelegt, dass die vom Kläger beschriebene Nacken-Kopfschmerzsymptomatik - ausstrahlende Schmerzen in die linke Thorakalregion bis in den linken Arm - zwar nachvollziehbar sei, jedoch nicht von einer derartigen Stärke und Dauerhaftigkeit sein könne, dass seine Arbeitsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt werde. Als Rechtshänder sei der Kläger hierdurch nur mäßig berührt. Der Sachverständige gelangte zu dem Ergebnis, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers insgesamt nur um maximal 10 % eingeschränkt sei.

Auch aus dem von der Beklagten vorgelegten Privatgutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. K. (GA 155 ff.), das allerdings die Frage einer Berufsunfähigkeit behandelte, lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Kläger in dem fraglichen Zeitraum zu 100 % arbeitsunfähig war. Auch das Gutachten von Dr. med. K. bestätigt, dass durch die Gebrauchseinschränkung der linken Hand sich nur eine leichtgradige Einschränkung der beruflichen Belastbarkeit ergebe, da der Versicherte Rechtshänder sei. In der Ausübung einer Bürotätigkeit sei er nur mäßig eingeschränkt. Nach Auffassung von Dr. med. K. besteht derzeit nur eine 40 % Berufsunfähigkeit, wobei durch entsprechende Gestaltung des Arbeitsplatzes und bei entsprechendem Eigentraining eine Verbesserung des Gesundheitszustandes des Klägers möglich sei.

Die von der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts angeführten Argumente geben keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. Zu einer Einholung eines Obergutachtens (§ 412 ZPO) hat keine Veranlassung bestanden, da das Gutachten des Sachverständigen Dr. F. in sich nachvollziehbar, widerspruchsfrei und überzeugend war. Die vom Kläger vorgebrachten Einwände sind hinreichend berücksichtigt worden. Auch hat keine Veranlassung bestanden, den Sachverständigen Dr. F. von Amts wegen anzuhören (§ 411 Abs. 3 ZPO). Der gerichtliche Sachverständige Dr. F. hat sich umfassend mit den von Kläger vorgelegten Arztberichten und Vorbefunden befasst. Insbesondere hat er eingehend die Vorbefunde, u.a. die Unterlagen von Dres. B. und Kollegen, Dr. med. M. und Dr. med. G. bezüglich der behaupteten Schädigung der Nervenwurzel C 5 und der daraus resultierenden Beeinträchtigungen erörtert (S. 4 ff. des Gutachtens, GA 115 ff.) und deren Erkenntnisse nicht unberücksichtigt gelassen. Auch der Senat sieht angesichts der eindeutigen Begutachtung durch Dr. F. keinen Bedarf für die Einholung eines Obergutachtens.

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert auf 13.272,64 € festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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