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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 16.06.2000
Aktenzeichen: 10 U 1483/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 138 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 10 U 1483/99 9 O 400/98 LG Mainz

Verkündet am 16. Juni 2000

Gilles, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch die Richter am Oberlandesgericht Dr. Binz, Weiss und Dr. Reinert auf die mündliche Verhandlung vom 19. Mai 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 13. August 1999 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 32.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. Die Sicherheitsleistung kann jeweils auch durch unwiderrufliche, unbefristete und unbedingte Bürgschaft eines allgemein als Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts (§ 244 Abs. 2 AO 1977) erbracht werden.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die beklagte Versicherung aus eigenem Recht und hinsichtlich eines an die L B abgetretenen Teilbetrages in Prozessstandschaft (Bl. 151, 152) auf Schadensersatz in Anspruch wegen fehlerhafter Beratung und Aufklärung beim Abschluss von vier Kapitallebensversicherungsverträgen in den Jahren 1993/94.

Der Kläger, der sein in M betriebenes Bäckereigeschäft im Jahre 1993 auf seinen Sohn übertragen hatte, benötigte damals Kredite von insgesamt 1,9 Mio. DM um anderweitige Bankverbindlichkeiten umzuschulden und Investitionen (Ausbau des Bäckereibetriebes für den Sohn, Ankauf einer Eigentumswohnung für die Tochter) tätigen zu können. Zur Deckung dieses Kreditbedarfs nahm er 1993/94 insgesamt vier dinglich abgesicherte Darlehen bei der D C AG mit einer 10-jährigen Zinsfestschreibung auf (Fotokopien der Darlehensverträge mit Zusatzblättern: Bl. 43 bis 50, 61 bis 63, 67). Anstelle einer laufenden Tilgung sollte die Rückzahlung der Darlehen jeweils nach 13 Jahren aus dem Rückkaufwert der von dem Kläger zur gleichen Zeit bei der Beklagten geschlossenen und an die D C AG abgetretenen Kapitallebensversicherungen (Bl. 57) erfolgen. Die Lebensversicherungen hatten jeweils eine Laufzeit von 46 Jahren und sie waren auf den Sohn des Klägers als Versicherten genommen (Fotokopie der Versicherungsscheine mit Beitragsmitteilungen: Bl. 24 bis 39).

Die Aufbringung der laufenden Kreditzinsen und der laufenden Versicherungsprämien ist in der Folgezeit notleidend geworden. Bis zur Beitragsfreistellung der Lebensversicherungsverträge in den Jahren 1995/97/98 hat der Kläger Versicherungsprämien im Gesamtbetrag von 520.163,50 DM an die Beklagte gezahlt (Bl. 3). Die Rechtsnachfolgerin der D C AG hat mit dem Kläger am 31.07.1998 einen außergerichtlichen Vergleich geschlossen (Bl. 75 bis 76); danach hat der Kläger die vier Kredite vorzeitig gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung von 100.000 DM mittels Umschuldung abgelöst.

Mit seiner Klage beansprucht der Kläger unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes Rückabwicklung der vier Kapitallebensversicherungen (Rückzahlung der Versicherungsprämien) und Ersatz der Vorfälligkeitsentschädigung.

Der Kläger hat vorgetragen:

Die Beklagte habe ihn nicht darüber aufgeklärt, dass die Finanzierung durch Abschluss der mit Kapitallebensversicherungen verbundenen Kreditverträge für ihn wirtschaftlich nachteilig gewesen sei; insbesondere wäre ein normales Annuitätendarlehen letztlich günstiger gewesen, denn es wäre nur mit einer jährlichen Zinsbelastung von 234.270,24 DM anstelle der in den Kreditverträgen vereinbarten Zinslast von 241.406,10 DM verbunden gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 620.163,05 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 01.10.1998 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat eine Pflichtverletzung ihres Versicherungsvermittlers (Zeuge M) bestritten und vorgetragen:

Der bereits vorher für den Kläger tätig gewesene Zeuge W sei als Vermögens- und Finanzberater des Klägers mit einem bereits vollständig ausgearbeiteten Finanzierungskonzept an den Zeugen M herangetreten; ein Aufklärungs- und Beratungsbedarf habe weder gegenüber dem Zeugen W noch gegenüber dem Kläger selbst bestanden.

Das Landgericht hat - nach Beweisaufnahme - die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Beklagte habe durch ihren Versicherungsvermittler (Zeuge M) keine Aufklärungs- und Beratungspflicht gegenüber dem Kläger verletzt. Bei Anbahnung und Abschluss der Kreditverträge/Lebensversicherungsverträge sei für den Kläger der Zeuge W als dessen Finanzberater tätig gewesen; ein objektiver Anlass für eine erneute Beratung habe für den Zeugen M damals nicht bestanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (Bl. 167 bis 174).

Mit der hiergegen eingelegten Berufung verfolgt der Kläger seinen Schadensersatzanspruch weiter. Dazu wiederholt, vertieft und ergänzt er sein früheres Vorbringen.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und nach seinem erstinstanzlichen Schlussantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene, Urteil für zutreffend. Dem Berufungsvorbringen tritt sie entgegen. Sie wiederholt, vertieft und ergänzt ebenfalls ihr früheres Vorbringen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen (ab Bl. 183 ff.) sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 19.05.2000 (Bl. 238 bis 239) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Das Landgericht hat mit Recht einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte verneint. zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die im Wesentlichen zutreffende Begründung im angefochtenen Urteil (§ 543 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsvorbringen gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.

1.

Soweit der Kläger unter Hinweis auf die Entscheidung BGHZ 111, 117/124 geltend macht, die Beklagte sei als Lebensversicherer verpflichtet gewesen, ihn über die spezifischen Nachteile und Risiken der Kombination von Festkredit und Kapitallebensversicherung aufzuklären, ist bereits dieser rechtliche Ansatz über eine dahingehende Beratungs- und Aufklärungspflicht des Lebensversicherers zweifelhaft.

Rechtlich und wirtschaftlich nachteilige Auswirkungen einer Vertragskombination von Festkredit und Kapitallebensversicherung hat die Rechtsprechung lediglich im Verhältnis des Kreditnehmers zu der Kredit gewährenden Bank (nicht aber zum Lebensversicherer) für Verbraucherkredite unter den Gesichtspunkten beurteilt, ob die Gesamtbelastung aus Kreditzinsen und Versicherungsprämien beim Effektivzinsvergleich gemäß § 138 Abs. 1 BGB der marktüblichen Belastung aus einem Ratenkredit mit Restschuldversicherung gegenüber gestellt werden kann, und - falls die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB nicht zu bejahen sind - ob der Kredit gewährenden Bank eine zum Schadensersatz führende Verletzung der Aufklärungspflicht aus culpa in contrahendo angelastet werden kann (vgl. BGHZ 111, 117 = NJW 1990, 1844; BGH, NJW 1989, 1667; BGH, NJW 1988, 1318).

Ob die für den Verbraucherkredit im Verhältnis zur Kredit gebenden Bank entwickelten Grundsätze ohne weiteres auf die Beklagte als rechtlich selbständige Kapitallebensversicherer (vgl. Reifner in ZIP 1988, 817/825, der im Falle des Verbraucherkredites eine Aufklärungspflicht des Versicherers bejaht) und - wie vorliegend - darüberhinaus auf gewerbliche Kredite übertragen werden können, ist wegen der unterschiedlichen Interessenlage und den daraus folgenden unterschiedlichen Anforderungen für eine nach Treu und Glauben gebotene Aufklärung bei Vertragsanbahnung allerdings fraglich.

Der Senat verkennt dabei nicht, dass den Lebensversicherer durchaus auch eigenständige Aufklärungspflichten gegenüber dem Versicherungsnehmer hinsichtlich besonderer Risiken bei einer Kapitalanlage in Gestalt einer fremdfinanzierten Lebensversicherung treffen können (BGH, NJW 1998, 2898). Ein solcher Fall liegt hier allerdings nicht vor. Der Kläger hat mit dem Abschluss der Kapitallebensversicherungen keine Kapitalanlage bei der Beklagten tätigen wollen, sondern er hat 1993/94 Kredite von 1,9 Mio DM für geschäftliche Zwecke benötigt, deren Tilgung nach 13 Jahren aus dem Rückkaufswert der Lebensversicherungen erfolgen sollte. Ein besonderes Risiko aus der bestimmungsgemäßen Verwendung der Kredite hat der Kläger nicht aufzeigen können. Soweit er, wie die Beklagte geltend macht, erhebliche Teilbeträge abweichend von dem angegebenen Darlehenszweck für risikobehaftete Kapitalinvestitionen verwendet und das eingesetzte Kapital durch Insolvenz des Anlagefonds verloren hat, handelt es sich um eigenständige Vermögensdispositionen des Klägers, die von der Beklagten nicht zu verantworten sind.

2.

Selbst wenn die für den Fall des Verbraucherkredits angenommene Aufklärungspflicht der Kredit gebenden Bank prinzipiell oder mit sachlich gebotenen Einschränkungen auch auf den Kapitallebensversicherer im Zusammenhang mit gewerblichen Krediten ausgedehnt würde, ändert sich am Ergebnis des Rechtsstreits nichts, denn der Beklagten kann, wie das Landgericht nach Beweisaufnahme zutreffend festgestellt hat, im vorliegenden Fall eine Verletzung der Aufklärungspflicht nicht angelastet werden.

Nach der beanstandungsfreien Beweiswürdigung des Landgerichts war der zeuge W, damals Geschäftsführer der SFB GmbH in B, als selbständiger Vermögens-/Finanzberater bereits vor Anbahnung der hier streitgegenständlichen Darlehens-/Kapitallebensversicherungsverträge für den Kläger und dessen Ehefrau wegen des beabsichtigten Finanzbedarfs tätig gewesen und er hatte bereits mehrere Konzepte zur Finanzierung mit ihnen besprochen. Das zwischen dem Kläger (sowie dessen Ehefrau) und dem Zeugen W bestehende Vertragsverhältnis, dessen Gegenstand die Beratung und Umsetzung der beabsichtigten Finanzierung gewesen ist, hat sich im Anschluss an die bereits vorausgegangenen Bemühungen des Zeugen W nahtlos auf die Anbahnung und den Abschluss der hier streitgegenständlichen Darlehens-/Kapitallebensversicherungsverträge erstreckt.

Weil der Zeuge W durchgängig und auch bei Anbahnung/Abschluss der hier maßgebenden Verträge für den Kläger betreuend als Vermögens- und Finanzberater tätig gewesen und dabei mit deutlichen Vorstellungen für das beabsichtigte Finanzierungsprojekt an die Beklagte herangetreten ist, hat für den Versicherungsagenten der Beklagten, wie das Landgericht unter Hinweis auf die Entscheidung über Anlageberatungspflichten einer Bank gegenüber einem vom Vermögensberater betreuten Kunden (BGH, NJW 1996, 1744) im Ergebnis richtig angenommen hat, bereits objektiv kein Anlass mehr für eine erneute oder ergänzende Beratung bestanden.

Der für den Kläger handelnde Zeuge W ist damals selbständiger Finanz-/Vermögensberater gewesen. Wie die Beweisaufnahme weiter ergeben hat, ist dem Zeugen W das letztlich zustande gekommene Finanzierungskonzept mit der C AG und der Beklagten schon kurze Zeit vorher bekannt gewesen, denn der Zeuge M hatte dem Zeugen W das betreffende Finanzierungskonzept gegen Ende des Jahres 1992 - damals noch ohne Bezug zu dem letztlich zustande gekommene Finanzierungsprojekt des Klägers vorgestellt mit dem zusätzlichen Hinweis, dass jeweils ein Steuerberater einbezogen werden sollte. Anfang 1993 hat der Zeuge W sodann dem Zeugen M den Finanzierungsauftrag - entsprechend dem zuvor vorgestellten Finanzierungskonzept - für den Kläger und dessen Ehefrau erteilt.

Der Kläger hat nicht behauptet, dass er persönlich oder der Zeuge W als sein damaliger Finanz-/Vermögensberater ausdrücklich zusätzliche Beratung durch die Beklagte erbeten hätten. Für die Beklagte ist auch nicht aufgrund sonstiger Umstände erkennbar gewesen, dass und in welcher Hinsicht ein zusätzlicher Beratungsbedarf für das bereits vorher gegenüber dem Zeugen W vorgestellte Finanzierungskonzept bestehen könnte. Der Zeuge M hat vielmehr bekundet, dass er dem Zeugen W bei der Vorstellung des Finanzierungskonzeptes gegen Ende des Jahres 1992 für einen "kompetenten" Gesprächspartner erachtet habe. Bei dieser Sachlage konnte die Beklagte somit Anfang 1993 nicht von einem unzulänglichen Vorwissen des für den Kläger handelnden Zeugen W ausgehen. Vielmehr durfte die Beklagte davon ausgehen, dass der Zeuge W den Kläger (und dessen Ehefrau) sachkundig unter Einbeziehung eines Steuerberaters wegen der wirtschaftlichen-steuerlichen Tragweite des beantragten Finanzierungsprojektes beraten hatte.

In Übereinstimmung mit dem Landgericht kommt der Senat damit zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass der Beklagten eine objektive Verletzung der Aufklärungspflicht nicht angelastet werden kann.

Mangels Pflichtverletzung der Beklagten entfällt damit ein Schadensersatzanspruch. Auf die übrigen Einwände der Beklagten braucht somit nicht mehr weiter eingegangen zu werden.

Die Berufung ist folglich zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz und die Beschwer des Klägers werden auf 620.163,05 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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