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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 29.05.2009
Aktenzeichen: 10 U 1519/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, HausratsVO


Vorschriften:

BGB § 858
BGB § 858 Abs. 2
BGB § 861 Abs. 1
BGB § 863
BGB § 1361 a
BGB § 1361 b
ZPO § 513 Abs. 2
ZPO § 929 Abs. 2
ZPO § 938 Abs. 2
HausratsVO §§ 8 ff
Bei verbotener Eigenmacht eines Ehegatten in Bezug auf Hausratsgegenstände ist einstweiliger Rechtsschutz über eine einstweilige Verfügung nach ZPO unabhängig von § 1361 a BGB eröffnet (Anschluss an OLG Koblenz, 9. Zivilsenat, v. 26.4.2007 - 9 UF 82/07 -).
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 10 U 1519/08

Verkündet am 29. Mai 2009

in Sachen

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Zeitler-Hetger und die Richterin am Landgericht Stauder auf die mündliche Verhandlung vom 17. April 2009 für Recht erkannt: Tenor:

Die Berufung des Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 11. November 2008 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Rechtsanwalt A. in B. als Sequester bestellt wird. Die Kosten des Verfahrens hat der Verfügungsbeklagte zu tragen. Gründe: Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute, die über die Herausgabe eines PKWs Renault Megane streiten. Der streitgegenständliche PKW, der im April 2005 durch den Verfügungsbeklagten auf das zu diesem Zeitpunkt von der Verfügungsklägerin betriebene Einzelunternehmen bestellt wurde, wurde von der gemeinsamen Tochter der Parteien bis zum Frühjahr 2007 genutzt. Er befand sich zuletzt im Besitz der Verfügungsklägerin.

Am 4. September 2008 nahm der Verfügungsbeklagte mittels eines zweiten Fahrzeugschlüssels das Fahrzeug in seinen Besitz.

Die Verfügungsklägerin macht geltend, der PKW sei zuletzt ausschließlich durch sie genutzt worden. Der Kaufvertrag sei im Übrigen in ihrem Namen und mit ihrem Einverständnis geschlossen worden. Die Verfügungsklägerin hat im Wege der einstweiligen Verfügung beantragt, dem Antragsgegner zu untersagen, das Kraftfahrzeug PKW Renault Megane Coupé Cabriolet, amtliches Kennzeichen C. Fahrzeugidentitätsnummer D. zu nutzen oder Dritten zur Nutzung zu überlassen oder das Fahrzeug zu veräußern, das vorbezeichnete Fahrzeug an den zuständigen Gerichtsvollzieher als Sequester herauszugeben, dem Antragsgegner für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Untersagungsverfügung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 € im Einzelfall, ersatzweise Ordnungshaft bis zur Höchstdauer von sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zur Höchstdauer von sechs Monaten anzudrohen. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 11. September 2008 im Wege der einstweiligen Verfügung die Sequestration des streitgegenständlichen Fahrzeugs Renault Megane angeordnet und die Anträge im Übrigen zurückgewiesen.

Hiergegen wendete sich der Verfügungsbeklagte mit seinem am 19. September 2008 bei Gericht eingegangenen Widerspruch vom 17. September 2008. Der Verfügungsbeklagte machte geltend,

der streitgegenständliche PKW sei von ihm privat erworben und bezahlt worden. Eine Bestellung auf die Firma E. sei lediglich aus steuerlichen Gründen erfolgt. Das Fahrzeug sei auch im Zeitraum von Frühjahr 2007 bis einschließlich zum 3. September 2007 innerhalb der Familie gemeinsam genutzt worden.

Da er Eigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeugs sei, stehe ihm auch die Verfügungsberechtigung an dem Fahrzeug zu. Der Verfügungsbeklagte hat beantragt, die einstweilige Verfügung vom 11. September 2008 aufzuheben und den Antrag der Verfügungsklägerin vom 11. September 2008 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen. Die Verfügungsklägerin hat beantragt, den Beschluss des Landgerichts vom 11. September 2008 aufrecht zu erhalten. Das Landgericht hat mit Urteil vom 11. November 2008 die einstweilige Verfügung vom 11. September 2008 bestätigt und zur Begründung ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 861 Abs. 1 BGB zu bejahen seien. Da die Verfügungsklägerin bis zur streitgegenständlichen Wegnahme des Renault Megane dessen alleinige Besitzerin gewesen sei, sei ihr durch die Wegnahme des PKW der Besitz entzogen worden. Da dies ohne den Willen der Verfügungsklägerin erfolgt sei und eine gesetzliche Gestattung der Wegnahme vorliegend nicht ersichtlich sei, könne sie die Herausgabe an sich verlangen und von daher als weniger weitgehenden Antrag die Herausgabe an einen Gerichtsvollzieher als Sequester. Hiergegen richtet sich die Berufung des Verfügungsbeklagten, der nach wie vor der Ansicht ist, dass das Recht der Verfügungsklägerin auf eine Nutzung des Fahrzeuges, das in seinem Alleineigentum stehe, erloschen sei. Da die Verfügungsklägerin im Übrigen die Umschreibung des Fahrzeugs auf die Tochter am 3. September 2007 hingenommen habe, sei das für die Feststellung der Voraussetzungen des § 858 BGB nötige Merkmal - ohne den Willen des unmittelbaren Besitzers - nicht erfüllt. Im Übrigen ist der Verfügungsbeklagte der Auffassung, dass es sich bei dem KfZ um Hausrat handele und damit der Anwendungsbereich des § 1361 a und b BGB für die Zeit der Trennung bzw. der Hausratsverordnung für die Zeit nach der Scheidung betroffen sei. Von daher sei das Familiengericht ausschließlich zuständig, da die possesorischen Besitzansprüche durch die speziellen Regelungen des § 1361 a BGB verdrängt würden. Der Verfügungsbeklagte beantragt, abändernd die einstweilige Verfügung vom 11. September 2008 des Landgerichts Koblenz - 1 O 339/08 - nebst Bestätigung durch das Urteil des Landgerichts Koblenz - 1 O 339/08 - aufzuheben und den Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen. Die Verfügungsklägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen

und stellt darüber hinaus den Antrag, den Prozessbevollmächtigten Herrn Rechtsanwalt A. als Sequester zu bestellen. Sie ist der Ansicht, bei dem in Rede stehenden PKW handele es sich nicht um Hausrat. Der PKW sei seit Frühjahr 2007 ausschließlich von ihr zu persönlichen Zwecken genutzt worden. Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zutreffend hat das Landgericht einen Anspruch der Verfügungsklägerin gemäß § 861 Abs. 1, § 858 BGB auf Herausgabe des streitgegenständlichen PKWs angenommen. Die Voraussetzungen einer verbotenen Eigenmacht (§ 858 BGB) liegen vor. Der Verfügungsbeklagte hat der Klägerin ohne deren Willen zumindest den Mitbesitz an dem streitgegenständlichen Fahrzeug entzogen. Zur weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Die Klägerin hatte Besitz an dem streitgegenständlichen PKW, da dieser zuletzt unstreitig allein von der Verfügungsklägerin regelmäßig genutzt wurde und sie auch einen Fahrzeugschlüssel in Besitz hielt. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Verfügungsbeklagte seinen Besitz an dem PKW aufgegeben hatte und dieses durch die Gestattung der Nutzung durch die Verfügungsklägerin dokumentierte, da jedenfalls auch im Falle des Mitbesitzes des Verfügungsbeklagten der Verfügungsklägerin bei Störung ihres Mitbesitzes ein Besitzschutzanspruch zusteht. Hierauf hat das Landgericht zutreffend hingewiesen. Dadurch, dass der Verfügungsbeklagte am 4. September 2008 den vor der Haustür der Klägerin geparkten PKW unter Zuhilfenahme seines Zweitschlüssels mitnahm und der Verfügungsklägerin damit die tatsächliche Nutzung des PKWs unmöglich machte, hat er der Verfügungsklägerin den Mitbesitz ohne deren Willen dauerhaft und vollständig entzogen. Der eigenmächtig erlangte Besitz des Verfügungsbeklagten war auch fehlerhaft im Sinne des § 858 Abs. 2 BGB, mit der Folge, dass die Verfügungsklägerin gemäß § 861 Abs. 1 grundsätzlich allein deshalb die Wiedereinräumung des Besitzes an dem streitgegenständlichen PKW verlangen kann, ohne dass der Verfügungsbeklagte dagegen ein Recht zum Besitz einwenden könnte, § 863 BGB. Die von dem Verfügungsbeklagten geltend gemachten Eigentumsansprüche sind von daher unerheblich.

Nach § 513 Abs. 2 ZPO ist zudem nicht mehr zu prüfen, ob das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Recht oder Unrecht angenommen hat. Insofern ist der Einwand des Beklagten, das Landgericht habe seine Zuständigkeit zu Unrecht bejaht, unbeachtlich. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Klägerin im Übrigen auch berechtigt gewesen, ihre Rechte aus § 861 BGB im Wege einstweiliger Verfügung geltend zu machen, ohne zunächst ein Hausratsverteilungsverfahren gemäß § 1361 a BGB anhängig gemacht zu haben. Der Senat schließt sich in der Frage, ob bei eigenmächtiger Entfernung von Hausratsgegenständen durch einen Ehegatten der andere unter Bezugnahme auf § 861 BGB die Rückschaffung verlangen kann, oder ob die Vorschriften über den Hausrat nach § 1361 a BGB, § 8 ff HausratsVO vorgehen, der vom 2. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Koblenz (Beschluss vom 26.4.2007 - 9 UF 82/07 -, NJW 2007 S. 2337) vertretenen Ansicht an, dass der nur Besitzschutz Erstrebende kein Zuweisungsverfahren nach § 1361 a BGB anstrengen muss, da § 1361 a BGB nicht lex specialis gegenüber § 861 BGB ist. Die für diese Auffassung herangezogene Argumentation ist überzeugend. Die Regelungen in § 861 BGB und § 1361 a BGB verfolgen unterschiedliche Zwecke. Während § 861 BGB einen schnellen Besitzschutz gewährleisten will, geht es in der Regelung des § 1361 a BGB um eine ausgewogene Verteilung des Hausrats nach Billigkeit. Auch wenn beide Ziele ihre Berechtigung haben, ist dem Ehegatten, dessen Mitbesitz von dem anderen durch die verbotene Eigenmacht entzogen wurde, ein berechtigtes Interesse auf schnellen Besitzschutz zuzubilligen, ohne dass er seinerseits die Initiative für die Einleitung des kompliziert ausgestalteten Hausratsverfahrens ergreifen muss. Der geschädigte Ehegatte will in der Regel nämlich nur erreichen, dass der weggenommene Gegenstand wieder in die Ehewohnung gelangt. Würde man dagegen die Einleitung eines Hausratsverfahrens verlangen, würde hierdurch einer eigenmächtigen Hausratsverteilung Vorschub geleistet und damit dem Faustrecht der Weg geebnet. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass in diesem Fall dem geschädigten Gatten auferlegt würde, im Rahmen des Hausratsverfahrens alle erforderlichen Tatsachen darzulegen, die dem Richter seine Billigkeitsentscheidung ermöglichen. Damit werden die Parteirollen auf den Kopf gestellt, denn es ist grundsätzlich Sache des Ehegatten, der Hausratsgegenstände für sich allein beansprucht, darzulegen, dass er diese zur Führung seines Haushalts während des Getrenntlebens benötigt und die Überlassung nach den Umständen des Falles der Billigkeit entspricht. Es erscheint deshalb unangemessen, den von einer verbotenen Eigenmacht Betroffenen, der diese nicht hinnehmen möchte, als aktive Partei in dieses Verfahren zu zwingen. Von da her ist es demjenigen, der verbotene Eigenmacht ausübt, durchaus auch zuzumuten, die Gegenstände zunächst zurückzuschaffen, selbst wenn diese als Folge eines späteren Hausratsverteilungsverfahrens wieder zurückgegeben werden müssten. Dieser Ansicht folgend kann es dahingestellt bleiben, ob vorliegend das Verfahren gemäß § 1361 a BGB überhaupt zur Anwendung kommt. Dies scheint aufgrund des Umstandes, dass der PKW auch durch die gemeinsame Tochter benutzt worden ist, fraglich. Die Ausübung verbotener Eigenmacht begründet im Verfahren der einstweiligen Verfügung ohne weiteres einen Verfügungsgrund. Darüber hinaus ist die Vollziehungsfrist gemäß § 929 Abs. 2 ZPO gewahrt. Dem Antrag der Verfügungsklägerin auf Bestellung von Rechtsanwalt A. als Sequester war gemäß § 938 Abs. 2 ZPO stattzugeben. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Einer Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht, da das Urteil nach § 542 Abs. 2 ZPO nicht anfechtbar ist. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 8.000 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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