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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 01.02.2002
Aktenzeichen: 10 U 1551/00
Rechtsgebiete: VGB 95, ZPO, VVG


Vorschriften:

VGB 95 § 11 Nr. 1 c
VGB 95 § 11 Nr. 1 d
VGB 95 § 11 Nr. 2
ZPO § 256
ZPO § 91
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
VVG § 6 Abs. 1
VVG § 6
VVG § 17
VVG § 21
VVG § 61
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 10 U 1551/00

Verkündet am 1. Februar 2002

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Binz und die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz

auf die mündliche Verhandlung

vom 16. November 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 27. September 2000 abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger hinsichtlich der zwischen dem 20.12. und 27.12.1996 entstandenen (am 27.12.1996 festgestellten) Schäden durch bestimmungswidrig ausgetretenes Leitungswasser, Frostschäden an den Rohrleitungen, Frostschäden an Badeeinrichtungen, Waschbecken, Spülklosetts, Wasserhähnen und Wassermessern, an Heizkörpern, Heizkesseln, Boilern und Durchlauferhitzern in dem Anwesen I. W........, ..... N....... Schadensnummer LG 97-6170......... Deckungsschutz aus dem Wohngebäudeversicherungsvertrag (Versicherungsscheinnummer 61-7 ......) zu gewähren.

Die Beklagte hat die gesamten Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin zu tragen. Diese hat ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Deckungsschutz aus einem Wohngebäudeversicherungsvertrag hinsichtlich eines in seinem Eigentum stehenden Hauses.

Am 4. März 1996 schlössen die Parteien einen Wohngebäudeversicherungsvertrag mit einem vereinbarten Versicherungsbeginn am 1. März 1996 bezüglich des Objektes I. W........ in N........ Versicherte Risiken waren u. a. Schäden durch Leitungswasser, Rohrbruch oder Frost. Als Vertragsgrundlage wurden die Allgemeinen Wohngebäudeversicherungsbedingungen VGB 95 vereinbart.

Das zu früherer Zeit als Hotel und Restaurant genutzte Gebäude wurde seit Januar 1994 teilweise an die Streithelferin zur Unterbringung von Asylbewerbern vermietet. Gemäß dem Mietvertrag vom 4. Mai 1994 (Bl. 49 ff. GA) hatte die Streithelferin sämtliche Gästezimmer, Bäder und Duschen im ersten Stock und im Dachgeschoss des Hotels angemietet. Der Zugang zu diesen Räumen erfolgte von der Gebäuderückseite her in Höhe des Untergeschosses. Aus diesem Eingangsbereich führte eine Treppe zu den in den oberen Stockwerken gelegenen Räumen. In dem Erdgeschossbereich befindet sich auch der zentrale Heizungsraum sowie ein Nebenraum, in dem der Notschalter für die Heizungsanlage liegt. Der Mietvertrag zwischen dem Kläger und der Streithelferin legt unter § 10 fest, dass die Räume von der Mieterin ausreichend gelüftet, gereinigt, beheizt und gegen Frost geschützt werden müssten, bei Kenntnis von Mängeln oder Gefahren eine Anzeigepflicht gegenüber dem Kläger bestehe und die Streithelferin dem Kläger für Schaden hafte, die durch Verletzung der Sorgfalt und Anzeigepflicht verursacht würden.

Das Mietverhältnis wurde zum 31. Dezember 1996 gekündigt. Bereits am 20. Dezember 1996 waren jedoch alle Bewohner aus dem Haus ausgezogen. Am 27. Dezember 1996 besichtigte der Kläger das Gebäude mit einem Makler, wobei festgestellt wurde, dass die Räume ausgekühlt waren und dass der Heizungsnotschalter ausgeschaltet war. Durch Auskühlung und Frosteinwirkung waren erhebliche Schäden an etlichen Heizkörpern, der Warmwasserpumpe und sonstigen Geräten der Heizungsanlage entstanden.

Bezüglich dieser Schäden begehrt der Kläger Deckungsschutz von der Beklagten. Diese beruft sich ihrerseits auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzungen des Klägers. Mit Schreiben vom 30. Januar 1997 kündigte die Beklagte das Versicherungsverhältnis.

Der Kläger hat vorgetragen:

Die Beklagte sei weder gemäß § 11 Nr. 1c noch gemäß § 11 Nr. 1d der VGB 95 von ihrer Leistungsverpflichtung freigeworden. Er, der Kläger, selbst habe weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gegen Obliegenheiten im Rahmen des Versicherungsvertrages verstoßen, insbesondere sei ihm nicht bekannt gewesen, dass das Gebäude - bezüglich dessen die Übergabe erst für den 7. Januar 1997 vereinbart worden sei - bereits ab dem 20 Dezember 1996 leergestanden habe. Sollte die Streithelferin ihre mietvertragliche Verpflichtung, die ausreichende Beheizung des Gebäudes sicherzustellen und dies genügend häufig zu kontrollieren, verletzt haben, so müsse eine Zurechnung zu seinen, des Klägers, Lasten ausscheiden, da die Streithelferin nicht als seine Repräsentantin anzusehen sei. Er selbst sei zudem nicht verpflichtet gewesen, die Beheizung des Objekts selbständig zu kontrollieren, da er keinen Anlass gehabt habe, an der ordnungsgemäßen Beheizung sowie deren Kontrolle durch die Streithelferin zu zweifeln. Letztlich sei es nicht zutreffend, dass die Heizungsanlage und der Notschalter im Erdgeschoss für Dritte frei zugänglich gewesen seien, da der Zugangsweg der Bewohner in das erste Obergeschoss von diesem Bereich abgetrennt und verschlossen gewesen sei.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger hinsichtlich der zwischen dem 20. und 27. Dezember 1996 entstandenen Schäden durch bestimmungswidrig austretendes Leitungswasser, der Frostschäden an den Rohrleitungen sowie der Frostschäden an den Badeeinrichtungen, Waschbecken, Spülklosetts, Wasserhähnen und Wassermessern, an Heizkörpern, Heizkesseln, Boilern und Durchlauferhitzern des Anwesens I. W...... 62, ..... N....... Schadensnummer LG 97-6170 .......... Deckungsschutz aus dem Wohngebäudeversicherungsvertrag Versicherungsschein-Nr. 61-7 ...... zu gewähren;

2. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 120.000 DM nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte und die Streithelferin haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Der vom Kläger gestellte Antrag zu 1) sei bereits unzulässig, da wegen vorrangig zu erhebender Leistungsklage ein besonderes Feststellungsinteresse nicht zu erkennen sei. Zudem könne der Antrag zu 1) nicht als ausreichend bestimmt angesehen werden.

Sie, die Beklagte, sei weiterhin gemäß der Regelung des § 11 Nr. 1 c und d VGB 95 gegenüber dem Kläger leistungsfrei, da er sich zum einen die fehlende Kontrolle der Heizungsanlage durch die als seine Repräsentantin anzusehende Streithelferin zurechnen lassen müsse und er zum anderen das Gebäude trotz der bereits am 20. Dezember 1996 abgeschlossenen Räumung erst am 27. Dezember 1996 besichtigt und folglich auch in seiner eigenen Person eine zur Leistungsbefreiung der Beklagten führende Obliegenheitsverletzung begangen habe. Insbesondere habe er nach den 20. Dezember 1996 weder die weitere Beheizung des Gebäudes noch die Absperrung und Entleerung der wasserführenden Anlagen und Einrichtungen gewährleistet. Zudem sei dem Kläger auch eine fehlende Isolierung der Heizungsleitungen insbesondere in dem Bereich anzulasten, durch den die Bewohner des Hauses Zugang zu ihren Räumlichkeiten fanden.

Die Streithelferin hat vorgetragen:

Der Raum mit dem Notschalter für die Heizungsanlage sei von außen für jedermann frei zugänglich gewesen, da das Haus an mehreren Stellen im nicht vermieteten Erdgeschoss unverschlossene Zugangsmöglichkeiten gehabt habe. Der Kläger sei wiederholt um Abhilfe gebeten worden, habe jedoch dieser Bitte der Streithelferin nicht entsprochen, sondern die Zugänge zu dem leerstehenden Trakt unverschlossen gelassen. Noch am 20. und am 24. Dezember 1996 habe ihr Hausmeister, der Zeuge W....... die Mieträume kontrolliert und die Räume beheizt vorgefunden.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Dem Beklagten sei in eigener Person ein Vorwurf grober Fahrlässigkeit im Sinne des § 11 Nr. 2 VGB 95 zu machen, da das Gebäude zu jeder Zeit, insbesondere auch nach dem 24. Dezember 1996, frei zugänglich gewesen sei und der Kläger daher wegen darüber hinaus von seiner Seite nicht durchgeführter Kontrolle der Beheizung des Gebäudes die Obliegenheit des § 11 Nr. 1d VGB 95 sowohl im Hinblick auf die genügend häufige Kontrolle als auch im Hinblick auf die Absperrung der wasserführenden Anlagen und Einrichtungen verletzt habe.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf das Urteil des Landgerichts (Bl. 181 GA) Bezug genommen, gegen das sich die Berufung des Klägers richtet.

Der Kläger trägt vor:

Das Gebäude sei genügend häufig kontrolliert worden. Er habe die Kontrollen nicht in eigener Person vornehmen müssen und könne sich deshalb auf die Kontrolle durch den Hausmeister W...... am 24. Dezember 1996 berufen. Er selbst sei dann am 27. Dezember 1996 an Ort und Stelle gewesen. Ob in der Zwischenzeit Kontrollen objektiv geboten gewesen wären, sei bereits fraglich. Jedenfalls habe er Kontrollen durch ihn, den Kläger, persönlich als nicht geboten ansehen brauchen, denn er sei davon ausgegangen, dass das Gebäude bewohnt gewesen sei. Diese Annahme habe nicht auf Nachlässigkeit beruht, da der Mietvertrag bis 31. Dezember gelaufen sei und die Schlüsselübergabe auf den 7. Januar 1997 terminiert gewesen sei. Er habe auch davon ausgehen können, durch die Streithelferin von einem früheren Auszug zeitnah unterrichtet zu werden. Es treffe auch nicht zu, dass das Gebäude frei zugänglich gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, hinsichtlich der zwischen dem 20. 12. und 27. 12. 1996 entstandenen (am 27.12.1996 festgestellten) Schäden durch bestimmungswidrig ausgetretenes Leitungswasser, Frostschäden an Rohrleitungen, Frostschäden an Badeeinrichtungen, Waschbecken, Spülklosetts, Wasserhähnen, an Heizkörpern, Heizkesseln, Boilern und Durchlauferhitzern des Anwesens I. W........, ..... N....... Schadensnummer LG 97-6170 ......... Deckungsschutz aus dem Wohngebäudeversicherungsvertrag Versicherungsschein-Nr. 61-7 ...... zu gewähren;

hilfsweise

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 120.000 DM nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor:

Der Kläger habe seine Obliegenheiten verletzt. Er habe einen unbeschränkten, jederzeit möglichen Zugang zu den Räumlichkeiten im Erdgeschoss und damit auch zu der Heizanlage und dem Notschalter ermöglicht. Er habe außerdem nach dem Auszug der Mieter weder die Heizungsanlage kontrolliert noch aus eigenem Antrieb trotz anhaltender Frostperiode die wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abgesperrt und entleert, obwohl er selbst hierzu verpflichtet gewesen sei. Der Zeuge W...... sei nicht für den Kläger tätig gewesen. Der Kläger habe sich um das Objekt nicht gekümmert. Es werde bestritten, dass der Kläger davon ausgegangen sei, dass das Gebäude noch bewohnt sei. Der Kläger habe vielmehr gewusst, dass die Räumung bis zum 18.12.1996 abgeschlossen gewesen sei.

Die Streithelferin trägt ergänzend vor:

Dem Kläger seien grob fahrlässige Versäumnisse vorzuwerfen, da das Gebäude zu jeder Zeit und vor allem von Bauteilen aus, die nicht im Verantwortungsbereich der Mieterin gelegen hätten, frei zugänglich und dem Zugriff Dritter ständig schutzlos preisgegeben gewesen seien. Hierdurch sei die Schadenswahrscheinlichkeit deutlich gesteigert gewesen, da sich der Anreiz für Dritte, das Objekt bestimmungswidrig zu nutzen, erhöht habe.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt für das Begehren des Klägers nicht das Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO. Zur Begründung wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen Seite 6 und 7 des landgerichtlichen Urteils (Bl. 222/223 GA) verwiesen.

Die Klage ist auch begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger Versicherungsschutz aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag über die Wohngebäudeversicherung zu gewähren. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Beklagte nicht wegen einer Obliegenheitsverletzung gemäß § 11 Nr. 1 d VGB 95 über die Regelung des § 11 Nr. 2 VGB 95 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 VVG von der Verpflichtung zur Versicherungsleistung frei geworden.

Gemäß § 11 Nr. 1 d der Allgemeinen Wohngebäudeversicherungsbedingungen VGB 95, deren Geltung unstreitig Grundlage des zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrages wurden, trifft den Versicherungsnehmer die Obliegenheit, in der kalten Jahreszeit alle Gebäude und Gebäudeteile zu beheizen und dies genügend häufig zu kontrollieren oder dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten. Gemäß § 11 Nr. 2 VGB 95 ist der Versicherer nach Maßgabe des § 6 VVG leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer diese Obliegenheit vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann eine Obliegenheitsverletzung des Klägers schon anhand der objektiven Voraussetzungen des § 11 Nr. 1 d VGB 95 nicht festgestellt werden, so dass in diesem Zusammenhang auf ein mögliches Verschulden und dessen Grad nicht einzugehen ist.

Der Kläger hat in seiner eigenen Person die Verpflichtung, das Gebäude zu beheizen, nicht verletzt. Unstreitig hat er selbst die Heizung nicht außer Betrieb genommen. Dies geschah auch nicht mit seinem Wissen. Es ist nicht ersichtlich und wird auch weder von der Beklagten noch von ihrer Streithelferin behauptet, dass die in dem Gebäude befindliche Heizanlage nicht funktionsfähig gewesen sei. Weiterhin hatte der Kläger das Gebäude vermietet und konnte davon ausgehen, dass die Mieterin, die Streithelferin, das Gebäude im Winter beheizt halten würde, was sie auch unstreitig getan hat. Aus diesem Grund bestand auch keine Verpflichtung, die wasserführenden Anlagen abzusperren und entleert zuhalten.

Der Kläger hat auch die Obliegenheit, die Beheizung des Gebäudes genügend oft zu kontrollieren, nicht verletzt. Er war grundsätzlich nicht verpflichtet, die Kontrolle in eigener Person vorzunehmen. Er hatte die Kontrolle der Heizung auf die Streithelferin als Mieterin übertragen. Diese hatte zur Betreuung eigens einen Hausmeister eingestellt, der die Kontrollpflichten auch grundsätzlich erfüllt hat. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Streithelferin zum 18. Dezember 1996 wegen der bevorstehenden Beendigung des Mietvertrages geräumt hatte. Es ist zwar davon auszugehen, dass der Kläger von dieser Räumung Kenntnis hatte, da sich aus dem Schreiben der Streithelferin vom 19.12.1996 ergibt, dass ursprünglich die Übergabe für den 18.12.1996 vorgesehen war, diese aber auf Wunsch des Klägers verlegt worden war. Eine Übergabe kommt aber nur dann in Betracht, wenn das Objekt geräumt ist. Der Kläger durfte jedoch darauf vertrauen, dass die Streithelferin, gemäß ihrer Verpflichtung aus dem Mietvertrag, der erst zum 31.12.1996 endete, weiterhin das ordnungsgemäße Funktionieren des Hauses kontrollieren würde, zumal sie zur Betreuung dieses Hauses einen Hausmeister beschäftigte. Dieser hat auch am 20. und 24. Dezember 1996 Kontrollen vorgenommen. Ob diese Kontrollen ausreichend waren, bedarf keiner Entscheidung, da dem Kläger eine etwaige unzureichende Kontrolle nicht anzulasten wäre. Das Landgericht hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass die Streithelferin nicht als Repräsentantin des Klägers anzusehen ist.

Damit war die Beklagte nicht berechtigt, nach § 11 Nr. 2 VGB 95 den Vertrag zu kündigen.

Ob die Beklagte berechtigt war, gemäß § 17 VVG von dem Versicherungsvertrag zurückzutreten, weil der Kläger in seinem Versicherungsantrag falsche Angaben über die Nutzung des Gebäudes gemacht hat, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Insoweit bleibt ihre Leistungspflicht gemäß § 21 VVG fortbestehen, da weder die ursprüngliche Nutzung als Gastronomie - und Hotelbetrieb noch die Nutzung des Gebäudes zur Unterbringung von Asylbewerbern Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalles und den Umfang des entstandenen Schadens haben. Der Schaden ist nicht durch übermäßige Abnutzung oder mutwillige Zerstörung durch die Bewohner, sondern nach deren Auszug durch das vorsätzliche oder fahrlässige Ausschalten des Notschalters der Heizung durch Unbekannte entstanden.

Eine Leistungsfreiheit der Beklagten ergibt sich auch nicht aus § 61 VVG wegen einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Kläger. Vorsatz macht die Beklagte selbst nicht geltend. Dem Kläger kann jedoch auch nicht der Vorwurf der grob fahrlässigen Herbeiführung des Frostschadens gemacht werden.

Unstreitig hat nicht der Kläger selbst den Notschalter der Heizung abgeschaltet. Wer dies gemacht hat, ist nicht bekannt. Die Beklagte macht dem Kläger zum Vorwurf, dass er das Haus in Teilbereichen, die auch den Weg zum Schalter der Heizung ermöglichten, nicht ordnungsgemäß verschlossen gehalten habe und so ein Eindringen von Unbefugten ermöglicht habe. Der Kläger bestreitet dies. Eine Wiederholung der Beweisaufnahme erübrigt sich insoweit, da auch dann, wenn die Vorwürfe der Beklagten und der Streithelferin zutreffend sein sollten, dem Kläger nicht der Vorwurf gemacht werden kann, den konkret eingetretenen Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt zu haben.

Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich, d. h. in hohem Maße außer Acht lässt und nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen einleuchten muss, wobei auch in subjektiver Hinsicht ein gegenüber einfacher Fahrlässigkeit gesteigertes Verschulden vorliegen muss, welches das gewöhnliche Maß erheblich übersteigt und als schlechthin unentschuldbar anzusehen ist (BGH NJW 1988, 1265, 1266; BGH NJW-RR 1996, 220). Dabei reicht es nicht aus, nur zur objektiven Schwere der Pflichtwidrigkeit Feststellungen zu treffen, erforderlich ist dies auch für die subjektive (personale) Seite. Dabei ist der Versicherer auch für die subjektive Seite des Schuldvorwurfs darlegungs- und beweispflichtig, ohne dass ihm der Beweis des ersten Anscheins zugute kommt. Es darf auch nicht schon aus einem objektiv groben Pflichtenverstoß allein deshalb auf ein gesteigertes personales Verschulden geschlossen werden, weil ein solches häufig damit einherzugehen pflegt (BGH NJW 1988, 1265, 1266).

Die grobe Fahrlässigkeit erfordert insbesondere weiter, dass der Versicherungsnehmer objektiv und gerade auch insoweit vorwerfbar die Schadenswahrscheinlichkeit in Bezug auf den dann eingetretenen Schaden erhöht hat.

Es kann nicht ein bloß allgemeiner Vorwurf etwa im Sinne nachlässiger Lebensführung ohne konkreten Bezug zu dem hinter § 61 VVG stehenden Anliegen ausreichen, gerade den Eintritt des versicherten Risikos zu verhindern. Vielmehr muss das vorgeworfene Verhalten gerade deshalb zu beanstanden sein, weil es sich eben in Bezug auf den zu verhindernden Versicherungsfall als mangelhafte Risikovorsorge darstellt. Denn aus der Sicht des Senats kann es nicht Sinn und Zweck von § 61 VVG sein, einen Versicherer schon dann von der Einstandspflicht zu entbinden, wenn der Versicherungsnehmer sich zwar allgemein grob leichtsinnig verhalten, er aber damit nicht auch zugleich gröblich sich aus der Verpflichtung, gegen den Eintritt des Versicherungsfalls vorzusorgen, ergebende Sorgfaltsanforderungen verletzt hat. Der die Leistungsfreiheit sachlich tragende Grund, nämlich die schwere Verletzung berechtigter Interessen des Versicherers, ist in einem solchen Fall nämlich nicht gegeben.

Bei der hier erforderlichen Abwägung der Gesamtumstände ist davon auszugehen, dass es durchaus allgemein eine objektiv grobe Pflichtwidrigkeit darstellen würde, wenn der Kläger tatsächlich das Gebäude in dem nicht vermieteten Teil nicht ordnungsgemäß gesichert, sondern dem Zutritt unbefugter Dritter frei zugänglich belassen hätte. Ob diese vom Kläger bestrittenen Behauptungen tatsächlich zutreffen, bedarf keiner Aufklärung, weil ein gesteigertes Verschulden gerade im Hinblick auf den eingetretenen Schadensfall und seine Ursache nicht festgestellt werden kann. Der Hauseigentümer, der ein ganz oder teilweise unbewohntes Gebäude frei zugänglich und unbewacht stehen lässt, erhöht das Risiko, dass Obdachlose eindringen, um darin zu übernachten oder sich auch sonst unbefugt darin aufzuhalten. Er riskiert weiterhin, dass Kinder und Jugendliche sich zum Spielen dorthin begeben. Dabei ist naheliegend, dass es zu erheblichen Beschädigungen des Gebäudes kommen kann. Auch damit, dass das Gebäude durch Vandalismus erheblich zerstört wird, muss gerechnet werden. Eher fernliegend ist es jedoch, dass ein Unbekannter in das Gebäude eindringt und dort ausschließlich den Notschalter der Heizung betätigt. Mit einem derartigen Verhalten braucht der Eigentümer nicht zu rechnen. In Bezug auf diese besondere Folge kann zumal nicht von einem gesteigerten Verschulden ausgegangen werden. Hier könnte dem Kläger - unterstellt, die Behauptungen der Beklagten und der Streithelferin seien zutreffend - nur leichte Fahrlässigkeit vorgeworfen werden.

Damit kann auch nicht festgestellt werden, dass die Voraussetzungen für eine Leistungsfreiheit der Beklagten gemäß § 61 VVG gegeben sind. Sie ist folglich zur Gewährung von Versicherungsschutz für das hier in Rede stehende Schadensereignis verpflichtet.

Somit ist das landgerichtliche Urteil abzuändern und der Feststellungsklage stattzugeben.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert der Berufung und die Beschwer der Beklagten werden auf 51.130 Euro festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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