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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 01.06.2006
Aktenzeichen: 10 U 1585/05
Rechtsgebiete: ZPO, VGB 99, VVG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1
VGB 99 § 11 Ziff. 1
VGB 99 § 11 Ziff. 2
VGB 99 § 11 Nr. 1 c
VGB 99 § 11 Nr. 1 d
VGB 99 § 11 Nr. 2 Satz 3
VVG § 6
VVG § 6 Abs. 1
VVG § 6 Abs. 1 Satz 2
VVG § 6 Abs. 1 Satz 3
VVG § 6 Abs. 2
BGB § 166 Abs. 1
Zur Erfüllung der Obliegenheiten betreffend Rohrbruch in der Leitungswasserversicherung; VN muss ggfls. für Herstellung einer geeigneten Absperrvorrichtung sorgen.

Lauf der Kündigungsfrist nicht ab #Schadenmeldung bei Agent, sondern ab Kenntnis des Sachbearbeiters.


Gründe:

Der Senat erwägt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Dem Kläger wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 10. Juli 2006.

Die Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nach Auffassung des Senats gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

Das landgerichtliche Urteil entspricht der Rechtslage und enthält keine Fehler. Die getroffenen Feststellungen sind vollständig und rechtfertigen keine andere Entscheidung.

Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil der Kläger gegen ihn treffende Obliegenheiten verstoßen und den Versicherungsfall so mit herbeigeführt hat, wodurch die Beklagte nach § 11 Ziff. 2 VGB 99 i. V. m. § 6 VVG nicht zur Zahlung der Versicherungsleistung verpflichtet ist.

Ohne Erfolg erinnert die Berufung, dem Kläger sei keine Obliegenheitspflichtverletzung vorzuwerfen, da er das Gebäude praktisch täglich aufgesucht habe und das Haus durch seine Innenhoflage ständig und durchgehend überwacht gewesen sei. Von ihm könne daher keinesfalls verlangt werden, das Wasser insgesamt ständig abgesperrt zu halten, zumal sich zum Schadenszeitpunkt nur eine gemeinsame Wasseruhr mit dem Nachbarhaus im Keller des Nachbarhauses befunden habe, wozu er selbstverständlich keinen Zugang gehabt habe. Zudem habe die Beklagte die erforderliche Kündigung des Versicherungsvertrages verfristet ausgesprochen, da es für den Zeitpunkt der Kenntnis der Beklagten auf die Kenntnis des Zeugen N, den der Kläger über den Schaden am 14.1.2003 informiert hatte, ankomme.

Tritt Leitungswasser bestimmungswidrig aus einer der in dem jeweiligen Bedingungswerk genannten Quellen aus, so ersetzt der Versicherer im Rahmen der Leitungswasserversicherung die Folgeschäden des Wasseraustritts. Für die Ursache des Leitungswasseraustritts leistet der Versicherer Entschädigung, wenn ein bedingungsgemäßer Rohrbruch an einem versicherten Rohr vorliegt. Um diesen beiden Risiken vorzubeugen, haben die Vertragsparteien in den jeweiligen Bedingungswerken Sicherheitsvorschriften vereinbart, die der Versicherungsnehmer zur Minimierung des versicherten Risikos zu beachten hat. Hierbei handelt es sich um Obliegenheiten des Versicherungsnehmers im Sinne des § 6 Abs. 2 VVG, die er vor dem Versicherungsfall zu erfüllen hat. Beachtet er die Sicherheitsvorschriften nicht und tritt der Versicherungsfall ein, so ist der Versicherer von seiner Leistungsverpflichtung frei, wenn der Versicherungsnehmer gegen den objektiven Tatbestand der Sicherheitsvorschrift verstoßen hat, der Verstoß schuldhaft erfolgte und kausal für den Eintritt des Versicherungsfalls war. Schließlich muss der Versicherer den Vertrag fristgerecht gekündigt haben (so genannte Kündigungsobliegenheit). Diese Voraussetzungen hat das Landgericht zutreffend als gegeben angesehen.

Die Parteien haben in § 11 Ziff. 1 der vereinbarten Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 99) vereinbart, dass der Versicherungsnehmer "...c) nicht genutzte Gebäude oder Gebäudeteile genügend häufig zu kontrollieren und dort alle Wasser führenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten ... d) in der kalten Jahreszeit alle Gebäude und Gebäudeteile zu beheizen und dies genügend häufig zu kontrollieren oder dort alle Wasser führenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten" hat. Es ist daher zu differenzieren zwischen den Sicherheitsvorschriften des § 11 Nr. 1 c und d VGB 99. Während § 11 Nr. 1 c VGB 99 dem Risiko des nicht genutzten Gebäudes vor Leitungswasserschäden vorbeugen will, betrifft die Sicherheitsvorschrift des § 11 Nr. 1 d VGB 99 das Risiko der kalten Jahreszeit, mithin der Frostvorsorge. Bei diesen beiden Sicherheitsvorschriften handelt es sich somit um zwei getrennte Obliegenheiten des Versicherungsnehmers mit unterschiedlichen Schutzwirkungen und Tatbestandsvoraussetzungen. Treffen beide Vorschriften zusammen, so geht § 11 Nr. 1 c VGB 99 der Sicherheitsvorschrift in § 11 Nr. 1 d VGB 99 als lex specialis vor (vgl. OLG Hamm VersR 1999, 1145; OLG Köln VersR 2003, 1034; OLG Bremen VersR 2003, 1569; OLG München vom 27.1.2004 - 25 U 4931/03 -). Vorliegend hat der Kläger weder die Obliegenheit nach § 11 Nr. 1 c VGB 99 noch nach § 11 Nr. 1 d VGB 99 erfüllt.

Nach § 11 Nr. 1 c VGB 99 hat der Versicherungsnehmer nicht genutzte Gebäude oder Gebäudeteile genügend häufig zu kontrollieren und - also kumulativ - dort alle Wasser führenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten. Daraus folgt, dass der Versicherungsnehmer nicht nur das Gebäude selbst, sondern auch die Entleerung und das Entleerthalten der Wasser führenden Anlagen zu kontrollieren hat. Tritt daher Leitungswasser aus - wie vorliegend -, so ist allein mit dem Eintritt des Versicherungsfalls bewiesen, dass der Versicherungsnehmer gegen den objektiven Tatbestand dieser Sicherheitsvorschrift verstoßen hat. Auf die nicht genügend häufige Kontrolle des versicherten Objekts kommt es daher im Rahmen des § 11 Nr. 1 c VGB 99 nicht an.

Der Kläger kann hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, das Entleeren der Wasserleitungen sei ihm tatsächlich nicht möglich gewesen, da keine ihm zugängliche Absperrmöglichkeit bestanden habe. Zwar kann von einem Versicherungsnehmer nichts Unmögliches verlangt werden, entgegen der Auffassung des Klägers liegt jedoch kein Fall der Unmöglichkeit vor. Selbst dann, wenn tatsächlich für das Haus des Klägers keine separate Absperrmöglichkeit bestanden hätte, hätte der Kläger eine solche auf seine Kosten einrichten lassen müssen, da er die Obliegenheit bei Vertragsschluss akzeptiert, somit übernommen hat und demnach auch deren Einhaltung sicherzustellen hat. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn es tatsächlich technisch nicht möglich wäre, eine separate Absperrmöglichkeit zu errichten, wofür vorliegend nichts ersichtlich ist, zumal der Kläger nach dem Versicherungsfall von dieser Möglichkeit tatsächlich Gebrauch gemacht hat. Im Übrigen hätte bei einer fehlenden und nicht herzustellenden separaten Absperrmöglichkeit eine spontane Anzeigepflicht des Klägers bei Vertragsabschluss bestanden, da die Mitteilung einer solch seltenen Eigenart des zu versichernden Gebäudes eine Selbstverständlichkeit wäre.

Der Kläger hat auch schuldhaft gegen die Sicherheitsvorschrift verstoßen. Während nach § 6 Abs. 1 und 2 VVG Leistungsfreiheit bereits bei einfacher Fahrlässigkeit eintritt, so reicht zugunsten des Versicherungsnehmers nach § 11 Nr. 2 Satz 3 VGB 99 nur ein zumindest grob fahrlässiger Verstoß aus. Bezugspunkt des Verschuldens ist dabei die Verletzung der Sicherheitsvorschrift, nicht dagegen die Herbeiführung des Versicherungsfalls. Unkenntnis der Sicherheitsvorschriften exculpieren den Versicherungsnehmer nicht; eine entsprechende Kenntnis kann als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, jedenfalls hat der Versicherungsnehmer eine entsprechende Erkundigungspflicht. Der Kläger, der als Versicherungsnehmer beweisen muss, dass ihn kein Verschulden oder ein geringerer Grad als grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz trifft, hat hierzu nichts dargelegt.

Die Leistungsfreiheit des Versicherers setzt nach § 6 Abs. 2 VVG weiterhin voraus, dass die Obliegenheitsverletzung Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat, wobei der Versicherungsnehmer beweisbelastet für die fehlende Kausalität ist. Hierfür genügt nicht, dass der Schadenseintritt bei korrektem Verhalten ebenso wahrscheinlich gewesen wäre, wie bei einem Verstoß gegen die Obliegenheit. Der Kausalitätsgegenbeweis ist erst dann geführt, wenn mit Sicherheit festzustellen ist, dass die Obliegenheitsverletzung sich in keiner Weise auf den Eintritt des konkreten Versicherungsfalls ausgewirkt hat. Den Beweis fehlender Kausalität hat der Kläger vorliegend nicht geführt. Hätte er die Wasser führenden Anlagen und Einrichtungen abgesperrt, entleert und entleert gehalten, so wäre ein Leitungswasserschaden bereits mangels Leitungswassers auszuschließen.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung auch nicht verfristet. Nach § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG muss der Versicherer den Versicherungsvertrag kündigen, wenn er sich auf Leistungsfreiheit wegen der verletzten Sicherheitsvorschrift berufen will. Diese Kündigung ist nach § 6 Abs. 1 Satz 2 VVG nur innerhalb eines Monats, nachdem der Versicherer von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, möglich. Das Recht zur Kündigung entsteht dabei mit der Kenntnis des Versicherers vom Verstoß gegen die Sicherheitsvorschrift. Vorliegend bedeutet dies, dass mit der Kenntnis des Schadensfalls auch der Verstoß gegen die Sicherheitsvorschrift des § 11 Nr. 1 c VGB 99 vorlag. Entgegen der Auffassung des Klägers ist hierbei jedoch nicht auf die Person des Zeugen N abzustellen, so dass es auf die Schadensmeldung des Klägers gegenüber dem Zeugen N nicht ankommt. Kenntnis des Versicherers vom Verstoß gegen die Sicherheitsvorschrift liegt vor, sobald der Versicherer den objektiven Tatbestand der Obliegenheitsverletzung positiv kennt. Da die Versicherung als juristische Person selbst keine Kenntnis erlangen kann, kommt es auf die Kenntnis des zuständigen Sachbearbeiters an. So hat der Bundesgerichtshof ausgeführt (BGH VersR 1996, 742), dass das Wissen eines Agenten oder eines Mitarbeiters dem Versicherer in entsprechender Anwendung von § 166 Abs. 1 BGB nur im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgaben zuzurechnen ist und im weiteren darauf abgestellt, ob der Mitarbeiter nicht nur für die Bearbeitung der Leistungsanträge zuständig war, sondern auch damit betraut, bei einem Verdacht auf Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit Ermittlungen vorzunehmen, den Tatbestand festzustellen und die Hauptverwaltung hierüber zu unterrichten. Es ist vorliegend nichts dafür ersichtlich, dass der Zeuge N auch Ermittlungsaufgaben hinsichtlich des Verdachts auf Verletzung der Sicherheitsvorschriften hatte; der Zeuge sollte vielmehr nur die Schadensmeldung des Klägers entgegen nehmen und weiterleiten. Folglich hat das Landgericht die Kündigung der Beklagten nicht als verfristet angesehen.

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 16.697,60 € festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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