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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 12.01.2007
Aktenzeichen: 10 U 1695/05
Rechtsgebiete: BB-BUZ


Vorschriften:

BB-BUZ § 7
Die Verweigerung der Mitwirkung beim Sachverständigenbeweis im Rechtsstreit über abgleehnte BU-Leistungen ist keine Obliegenheitsverletzung mit der Folge von Leistungsfreiheit, sondern außerhalb eines Nachprüfungsverfahrens nach § 7 BB-BUZ allenfalls Verletzung einer prozessualen Mitwirkungspflicht mit entsprechenden beweisrechtlichen Folgen.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 10 U 1695/05

Verkündet am 12. Januar 2007

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und die Richterin am Oberlandesgericht Zeitler-Hetger

auf die mündliche Verhandlung

vom 1. Dezember 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 31. Oktober 2005 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 79.844,56 € sowie folgende Zinsen zu zahlen:

7,30% aus 3.713,19 € seit dem 1. April 1999; 6,30% aus weiteren 742,64 € seit dem 1. August 1999; 6,30% aus weiteren 1.029,79 € seit dem 1. Januar 2000; 7,68% aus weiteren 1.029,79 € seit dem 1. März 2000; und 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz aus :

weiteren 3.089.38 € seit dem 1. April 2000; weiteren 3.089.38 € seit dem 1. Juli 2000; weiteren 3.089.38 € seit dem 1. Oktober 2000, weiteren 3.212,95 € seit dem 1. Januar 2001, weiteren 3.212,95 € seit dem 1. April 2001, weiteren 3.212,95 € seit dem 1. Juli 2001, weiteren 3.212,95 € seit dem 1. Oktober 2001, weiteren 3.212,95 € seit dem 1. Januar 2002, weiteren 3.212,95 € seit dem 1. April 2002, weiteren 3.212,95 € seit dem 1. Juli 2002, weiteren 3.212,95 € seit dem 1. Oktober 2002, weiteren 3.212,95 € seit dem 1. Januar 2003, weiteren 3.212,95 € seit dem 1. April 2003, weiteren 3.212,95 € seit dem 1. Juli 2003, weiteren 3.212,95 € seit dem 1. Oktober 2003, weiteren 3.318,96 € seit dem 1. Januar 2004; weiteren 3.318,96 € seit dem 1. April 2003; weiteren 3.318,96 € seit dem 1. Juli 2004; weiteren 3.318,96 € seit dem 1. Oktober 2004; weiteren 3.372,07 € seit dem 1. Januar 2005 und weiteren 3.372,07 € seit dem 1. April 2005.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges haben die Klägerin 4% und die Beklagte 96% zu tragen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 14% und die Beklagte 86% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung eine Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Versicherungsleistungen wegen Berufsunfähigkeit.

Zwischen den Parteien besteht seit dem 1. Dezember 1978 ein Vertrag über eine Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Das Datum für den Ablauf des Versicherungsvertrages ist der 1. Dezember 2008.

Die Klägerin war als Rechtsanwältin mit eigner Kanzlei tätig. Sie meldete der Beklagten zum 1. März 1997 Berufsunfähigkeit; Grund waren psychische Schwierigkeiten (es wurde ein "Burn-out-Syndrom" vorgetragen) einhergehend mit einer Alkoholerkrankung. Die Beklagte erkannte mit Schreiben vom 30. April 1998 die Berufsunfähigkeit zum 1. März 1997 an und erbrachte Leistungen bis zum 1.April 1999. Bereits in dem Schreiben vom 30. April 1998 wies die Beklagte die Klägerin auf ihre Schadensminderungspflicht hin, speziell auf ihre Obliegenheit zur Durchführung von Alkoholentwöhnungsbehandlungen.

Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob der Klägerin eine Obliegenheitsverletzung dergestalt vorzuwerfen ist, dass sie ihre Alkoholkrankheit nicht obliegenheitsmäßig bekämpft habe.

Die Klägerin hat die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 83.361,32 € nebst Zinsen gemäß den geschuldeten Rentenleistungen beantragt. Wegen der Fassung der erstinstanzlichen Anträge der Klägerin im Einzelnen wird auf S. 6 des landgerichtlichen Urteils (Bl. 461 GA) Bezug genommen.

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.

Wegen der Feststellungen des Landgerichts im Einzelnen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme der Klage in Höhe eines Betrages von 57.353,93 € nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Es hat eine Leistungsfreiheit der Beklagten für die Zeiträume 1. September 2001 bis 28. Februar 2002 sowie vom 1. Juni 2002 bis 31. August 2003 wegen fehlender Mitwirkung der Klägerin im Rahmen der von der Kammer angeordneten Begutachtungen angenommen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

Die Klägerin macht geltend, es sei unzutreffend, dass sie nach Eintritt der Berufsunfähigkeit Obliegenheiten verletzt habe, die zur zeitweisen Leistungsfreiheit der Beklagten führten. Bei dem gerichtlichen Verfahrensstand habe es sich nicht um ein ordnungsgemäßes Nachprüfungsverfahren gemäß den Versicherungsbedingungen gehandelt. Im Übrigen habe das Landgericht übersehen, dass eine Obliegenheit nur gegenüber dem Vertragspartner bestehe, eine Obliegenheit gegenüber dem Gericht gebe es nicht. Wenn eine Partei sich der Begutachtung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht stelle, könne sie allenfalls dann beweisfällig bleiben, wenn sie eine Beweislast treffe. Das Landgericht habe verkannt, dass die von ihm angenommene Obliegenheitsverletzung nicht geeignet gewesen sei, die berechtigten Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil des Landgerichts Koblenz vom 31.10.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen gemäß der erstinstanzlichen Schlussanträge.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass das landgerichtliche Urteil zutreffend ist, soweit es Leistungsfreiheit für bestimmte Zeiträume angenommen hat. Sie macht geltend, die Beklagte habe in den vom Landgericht genannten Zeiträumen ihre Mitwirkungspflichten verletzt.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die zu den Sitzungsniederschriften getroffenen Feststellungen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

Der Klägerin steht auch für die Zeiträume, für welche das Landgericht Leistungsfreiheit aufgrund einer Obliegenheitsverletzung der Klägerin angenommen hat, die Leistung aus der Berufunfähigkeitszusatzversicherung zu.

Eine Obliegenheitsverletzung, welche die Beklagte zur Leistungsverweigerung berechtigt, liegt nicht vor. Grundsätzlich treffen den Versicherungsnehmer nach Ablehnung seines Leistungsanspruchs durch den Versicherer keine Obliegenheiten im Sinne des § 6 Abs. 3 VVG mehr.

Die Beklagte hatte mit Schreiben vom 30. 4. 1998 den Leistungsanspruch der Klägerin zunächst uneingeschränkt anerkannt. Entgegen der von der Beklagten in ihrem Schreiben vom 8. Januar 1999 geäußerten Auffassung war die Anerkennung der Leistungspflicht nicht auf die Dauer von zwei Jahren befristet. Damit war die Beklagte nicht ohne weiteres zur Einstellung ihrer Leistung berechtigt. Ein Nachprüfungsverfahren gemäß § 7 BUZ, bei welchem die Klägerin zur Mitwirkung verpflichtet gewesen wäre, hat die Beklagte nicht eingeleitet.

Die Zeiträume, für welche das Landgericht eine Leistungsfreiheit angenommen hat, lagen lange nach Klageerhebung. Hier hatte die Klägerin keine vertraglichen, ihr der Beklagten gegenüber obliegenden Mitwirkungspflichten zu erfüllen, deren Nichterfüllung gemäß § 6 Abs. 3 VVG mit der Sanktion des Leistungsverlustes belegt sind. Sie trafen vielmehr prozessuale Mitwirkungspflichten, deren Verletzung nur mit prozessrechtlich zulässigen Sanktionen belegt werden können (Beweislastentscheidung, evtl. Beweislastumkehr wegen Beweisvereitelung), die aber nicht zu einem Verlust des an sich begründeten materiellen Anspruchs führen können.

Damit waren der Klägerin auch die Versicherungsleistungen für die restlichen 21 Monate, bezüglich welcher das Landgericht die Klage abgewiesen hatte, zuzusprechen. Dabei ist der Senat - wie auch das Landgericht - von der Berechnung der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 15. April 2005 (Bl. 424 ff. GA) ausgegangen, gegen welche die Klägerin substantielle Einwendungen nicht erhoben hat.

Auch der Zinsausspruch ist zu berichtigen, da die Zinsen auf die genannten Beträge nicht lediglich jeweils für die begrenzten Zeiträume, für welche das Landgericht sie ausgeworfen hat, geschuldet werden, sondern fortlaufend bis zur Zahlung des der Klägerin zustehenden Betrages durch die Beklagte.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n. F. nicht gegeben sind.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 26.007,39€ festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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