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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 14.01.2002
Aktenzeichen: 10 U 1768/00
Rechtsgebiete: BB-BUZ


Vorschriften:

BB-BUZ § 1 Nr. 1
BB-BUZ § 2 Nr. 1 u. 2
Ist nach § 2 (3) i.V.m. (1) der Versicherte sechs Monate ununterbrochen bedingungsgemäß berufsunfähig oder nach § 2 (5) ununterbrochen pflegebedürftig, so gilt die Fortdauer dieses Zustandes als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit. Das bedeutet aber keineswegs, dass Voraussetzung für einen Leistungsanspruch ist, dass der Kläger zumindest ununterbrochen 6 Monate an einem in den Bedingungen näher beschriebenen Umstand leidet. Die Prognose einer Berufsunfähigkeit kann auch schon vor Ablauf eines 6-monatigen Zeitraums gestellt werden (in Anknüpfung an BGH VersR 1989, 903, 904).
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 10 U 1768/00

Verkündet am 14. Januar 2002

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 11. November 2000 aufgehoben und das Verfahren an das Landgericht zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen.

Das Landgericht wird über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden haben.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte aus Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BB-BUZ 94) in Anspruch.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten zwei Kapitel-Lebensversicherungen mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Er ist gelernter Schreiner. Bis Mitte 1996 übte er die Tätigkeit eines Bauschreiners aus. Seit 1996 ist er arbeitslos. Wegen eines chronischen LWS-Syndroms auf der Basis einer Fehlhaltung der Wirbelsäule und wegen Bandscheibenschadens (vgl. hierzu die ärztlichen Atteste Anlage I. 14 f) war er in ärztlicher Behandlung. In dem Zeitraum zwischen Januar 1997 und März 1999 hatte er sich in ambulanter bzw. stationärer Behandlung zum Zwecke der Rehabilitation befunden. Insoweit wird auf den Abschlußbericht vom 17.03.1999 (GA 59) Bezug genommen. Im September 2000 wurde er wegen Bandscheibenvorfalls operiert (GA 110).

Der Kläger ist der Auffassung, dass er Anspruch auf Leistungen nach Maßgabe der Berufsunfähigkeit-Zusatzversicherung habe und trägt dazu vor:

Ab Juli 1997 betrage seine Berufsunfähigkeit in dem Beruf als Bauschreiner mindestens 50 %. Bereits seit Jahren, erstmals im März 1996 massiv auftretend, leide er unter starken Rückenschmerzen, die in das linke Bein ausstrahlten. Im September 1996 habe er einen Bandscheibenvorfall L5/56 rechts erlitten. Insofern beruft er sich auf die vorgelegten ärztlichen Atteste (Anlage 1. GA 14 ff). Nach Maßgabe der weiter eingereichten ärztlichen Unterlagen (vgl. Anlage 1. 19 und 20) sei in 1998 eine Verschlechterung eingetreten.

Im Schreiben vom 24.03.1998 (Anlage 1. 22) und vom 09.07.1998 (Anlage 1. 23) sei anerkannt worden, dass er als Bauschreiner (Fenstermonteur) nicht mehr tätig sein könne. Die Beklagte habe ihn jedoch zugleich auf eine Tätigkeit als Gehäusebauer, Bilderrahmenmacher und Furniertischler verwiesen. Diese Verweisung sei jedoch falsch. Er könne auch die von der Beklagten genannten Tätigkeiten nur mit weniger als zu 50 % ausüben. Im übrigen berufe er sich auf "Berufsschutz", weil ihm die Tätigkeiten nicht zumutbar seien (vgl. das Schreiben vom 19.10.1998, Anlage 1.25).

In der Zeit vom 29.08. bis 20.09.2000 (GA10) sei er in der orthopädischen Klinik und Polyklinik in Homburg stationär behandelt und an einem Bandscheibenvorfall L5/56 links operiert worden. Vor diesem Hintergrund sei es nur schwer nachvollziehbar, dass weniger als 5 Wochen nach der Untersuchung durch den Sachverständigen Prof. Dr. R ein so gravierendes Krankheitsbild aufgetreten sein könne. Es stelle sich daher die Frage, ob nach der Untersuchung bei dem Sachverständigen eine wesentliche Verschlechterung im Gesundheitszustand eingetreten sei oder ob bereits bestehende krankhafte Befunde von dem Sachverständigen nicht erkannt und/oder zutreffend gewürdigt worden seien. Insoweit sei der operierende Arzt Dr. R am 30.09.2000 mit der Bitte um Stellungnahme angeschrieben worden. Der Sachverhalt sei weiter aufklärungsbedürftig. Auch Dr. R habe in seiner Bescheinigung vom 28.09.2000 (GA 115) darauf hingewiesen, dass er, der Kläger, zumindest nach der erfolgten Bandscheibenoperation nicht mehr in der Lage sei, seinen erlernten Beruf als Bau-Möbelschreiner weiter auszuüben.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25.034,24 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. die Beklagte weiterhin zu verurteilen, an ihn 30.670,92 DM nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ab dem 1.11.1999 Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung des Klägers mit der Nr. unter Zugrundelegung einer mindestens 50 %igen Berufsunfähigkeit zu erbringen; die Verpflichtung der Beklagten ende am 31.10.2026;

4. festzustellen, dass die Beklagte fernerhin verpflichtet sei, ab dem 1.11.1989 Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung des Klägers Nr. unter Zugrundelegung einer mindestens 50 prozentigen Berufsunfähigkeit zu erbringen; die Verpflichtung der Beklagten ende am 20.04.2021;

5. festzustellen, dass er, der Kläger, gegenüber der Beklagten aus den abgeschlossenen Lebensversicherungen mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung Nr. und Nr. 01 ab dem 01.07.1997 beitragsfrei sei.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,

der Kläger sei in seinem erlernten Beruf als Bauschreiner nicht zu mindestens 50 % berufsunfähig. Dies ergebe sich aus dem Gutachten Dr. H vom 19.06.1999 (Anlage 1. GA 28 f), das von dem gerichtlich beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. R nach Maßgabe des Gutachtens vom 17.08.2000 (GA 84 ff) bestätigt worden sei. Soweit die Beklagte vorprozessual von einer Berufsunfähigkeit des Klägers in seinem erlernten Beruf als Bauschreiner ausgegangen sei, sei sie daran nicht gebunden. Insoweit liege ein Anerkenntnis im Sinne des § 5 BB-BUZ nicht vor. Ihre Leistungspflicht, wie sie vom Kläger geltend gemacht worden sei, habe die Beklagte nie anerkannt.

Das Landgericht Kammer hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme und Bezugnahme auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. R die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger nicht zu mindestens 50 % berufsunfähig sei. Nach dem Gutachter des Sachverständigen Prof. Dr. R sei allenfalls davon auszugehen, dass der Kläger in seinem Beruf als Bauschreiner zu 25 % berufsunfähig sei.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Der Kläger trägt unter Wiederholung und Vertiefung seiner erstinstanzlichens Vorbringens und Beweiserbietens vor: Die Entscheidung der Kammer beruhe auf einer Verkennung der Sach- und Rechtslage. Die Beklagte sei vorgerichtlich selbst von einer mehr als 50 prozentigen Berufsunfähigkeit in dem zuletzt ausgeübten Beruf ausgegangen. Aufgrund des eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Prof. R hätte sie nicht lediglich eine Berufsunfähigkeit von 25 % bejahen dürfen. Das Landgericht hätte im Hinblick auf die nach der Begutachtung eingetretene gesundheitliche Entwicklung die Beweisaufnahme fortsetzen müssen.

Der Kläger beantragt nunmehr,

das vorbezeichnete Urteil abzuändern und nach den erstinstanzlichen Schlussanträgen des Klägers zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor,

das Landgericht habe zu Recht die Klage abgewiesen. Aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen R stehe fest, dass der Kläger im Beruf des Bauschreiners allenfalls zu 20 bis 25 % berufsunfähig sei. Bestätigt werde dieses Gutachten durch das von ihr, der Beklagten, eingeholte Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. H und Dr. H, die zu dem Ergebnis gelangt seien, dass der Kläger für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Fenstermonteur zu 20 % berufsunfähig sei. Soweit die Berufung beanstande, dass die Beweisaufnahme nicht auf den Zeitraum von Juli 1997 bis einschließlich Oktober 1999 hätte beschränkt werden dürfen, sei Verspätung zu rügen. Die Beweisaufnahme habe nicht fortgesetzt werden müssen. Der Kläger habe weder ein ergänzendes Sachverständigengutachten noch eine Anhörung des Sachverständigen beantragt. Soweit der Kläger behaupte nach der im September 2000 durchgeführten Bandscheibenoperation nicht mehr in der Lage zu sein, seinen erlernten Beruf als Bau- und Möbelschreiner weiter auszuüben, könne er einen neuen Leistungsantrag stellen. Die angeblich weitere gesundheitliche Entwicklung des Klägers nach der Schlussverhandlung erster Instanz werde mit Nichtwissen bestritten. Der Kläger habe nicht den Nachweis erbracht, auch in Bezug auf die genannten Vergleichsberufe - Gehäusebauer, Bilderrahmenmacher, Furniertischler zu mindestens 50 % berufsunfähig zu sein. Das Klagebegehren sei auch der Höhe nach zu beanstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil mitsamt den dort in Bezug genommenen Unterlagen, Gutachten, Arztberichten Bezug genommen, ferner auf die in beiden Rechtszügen zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat vorläufigen Erfolg.

Soweit der Kläger in erster Linie eine Verurteilung der Beklagten entsprechend den erstinstanzlichen Schlussanträgen begehrt, konnte dem derzeit nicht entsprochen werden, da die Voraussetzungen für eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht nachgewiesen sind. Hier bedarf es einer weiteren Sachaufklärung. Die Berufung hat jedoch vorläufigen Erfolg. Denn das angegriffene Urteil leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel. Das Urteil war deshalb gemäß § 539 aufzuheben und die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das Landgericht zurückzuverweisen.

1) Vollständige bzw. teilweise (mindestens 50 prozentige) Berufsunfähigkeit im Sinne von § 2 Nr. 1 und 2 i.V.m. § 1 Nr. 1 der zum Vertragsgegenstand gemachten "Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung "BB-BUZ 94) liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Im Rahmen der Ermittlung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit ist grundsätzlich die letzte konkrete Berufsausübung des Versicherten maßgebend so wie sie in gesunden Tagen ausgestaltet war, d.h., solange seine Leistungsfähigkeit noch nicht beeinträchtigt war (BGH Urteil vom 22.9.1993 - IV ZR 203/92 - VersR 1993, 1470, 1471). Dies gilt allerdings mit der Maßgabe, dass der Verlust der Fähigkeit den Beruf bzw. eine vergleichbare Tätigkeit auszuüben, erst während der Vertragsdauer eingetreten sein darf (§ 1 (1) BB-BUZ). War der Versicherte bereits vor Vertragsabschluß nicht mehr fähig in seinem konkret ausgeübten Beruf tätig zu sein, kann die Feststellung nicht getroffen werden, dass der Versicherte die Fähigkeit zur Berufsausübung erst während der Vertragsdauer verloren hat (BGH Urteil vom 27.1.1993 - IV ZR 309/91 - VersR 1993, 469, 470).

2) Das Landgericht hat unter Bezugnahme auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. R. eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit verneint. Es hat hierzu ausgeführt, bei dem Kläger sei ein auffälliger krankhafter Befund zu keiner Zeit belegt und auch bei der Untersuchung durch den Sachverständigen selbst nicht festgestellt worden. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. R sei zwar seit April 1996, jedoch auf keinen Fall fortschreitend, ein Befund an der untersten Lendenbandscheibe dokumentiert. Aufgrund der entwicklungsgeschichtlichen Aufrichtung aus dem "Vierfüßlerstand" seien Unterentwicklungen und Vorwölbungen von Bandscheibenmaterial nach den Ausführungen des Sachverständigen in diesem Bereich häufig. Aus orthopädischer Sicht sei der Kläger, so die abschließende Beurteilung des Sachverständigen, vollschichtig unter arbeitsüblichen Bedingungen einsatzfähig für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten. Allerdings habe der Sachverständige eine geringe Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit der, Wirbelsäule für die Tätigkeit als Bauschreiner festgestellt. Insoweit schätze er, in Übereinstimmung mit dem Privatgutachter Prof. Dr. H, der das von dem Oberarzt Dr. H angefertigte Gutachten vom 19.06.1999 verantwortlich unterzeichnet habe, die Einschränkung des Klägers im Beruf als Bauschreiner mit allenfalls 25 % ein.

3) Zutreffend geht das Landgericht zunächst davon aus, dass durch die Schreiben der Beklagten vom 24.3.1998 und 9.07.1998 (Anlagen K 11 und K 12) und Verweis auf Vergleichstätigkeiten eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit für den Beruf des Bauschreiners (Fenstermonteur) nicht anerkannt worden ist. Das Anerkenntnis muss sich auf den Anspruch als solchen beziehen. Das Nichtbestreiten einzelner Tatbestandsmerkmale führt nicht zu einem Teilanerkenntnis.

4) Die Berufung wendet demgegenüber in materiell-rechtlicher Hinsicht zu Recht ein, dass das Landgericht im Rahmen seines Beweisbeschlusses vom 30. Dezember 1999 (GA 42) die Frage der Berufsunfähigkeit für den vom Kläger vor seiner Erkrankung zuletzt ausgeübten Beruf des Bauschreiners auf den Zeitraum Juli 1997 bis einschließlich Oktober 1999 beschränkt habe. Die Anträge des Klägers in erster Instanz sind auf eine auf Dauer ausgerichtete Berufsunfähigkeit gerichtet. Darüber hinaus rügt die Berufung mit Recht, dass das Landgericht die Beweisaufnahme in verfahrensrechtlicher Hinsicht fehlerhaft vorgenommen hat und eine weitere, sich aufdrängende Beweisaufnahme unterlassen hat.

a) Das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K datiert auf den 17.8.2000. Die Untersuchung des Klägers fand am 14.8.2000 statt. Der Kläger hat mit Schreiben vom 6. Oktober 2000 einen Befundbericht der Orthopädischen Universitätsklinik des Saalrandes, Privatdozent Dr. H vom 20.9.2000 überreicht. Diesem Befundbericht konnte entnommen werden, dass sich der Kläger in der Zeit vom 29.08.2000 bis 20.09.2000 stationär in der Klinik aufgehalten hatte und am 15.9.2000 wegen eines Bandscheibenvorfalls L5/S 1 links ein operativer Eingriff vorgenommen worden war. Der operative Eingriff war danach erforderlich, weil der Kläger unter stärksten immobilisierenden Schmerzen in der unteren Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung im Dermatom S 1 sowie einem Taubheitsgefühl in den Dermatomen L 5 und S 1 litt und die Schmerzen durch konservative Maßnahmen in Form krankengymnastischer Mobilisation nicht beseitigt werden konnten. Der Kläger hat in seinem Schreiben aus seiner Sicht nachvollziehbar dargelegt, dass für ihn nur schwer verständlich sei, dass fünf Wochen nach der Untersuchung durch Prof. Dr. R ein so gravierendes Krankheitsbild eingetreten sei. Der Kläger hat diesbezüglich eine weitere Sachaufklärung für geboten erachtet, ob etwaig bereits bestehende Befunde von Prof. Dr. R nicht erkannt oder unzutreffend gewürdigt worden seien. Er hat seinen Vortrag gestützt auf ein an Privatdozent Dr. T H gerichtetes Schreiben vom 30.9.2000 und eine ärztliche Bescheinigung von Dr. R vom 28.9.2000, wonach der Kläger zumindest nach der erfolgten Bandscheibenoperation nicht mehr in der Lage sei, seinen erlernten Beruf als Bau- und Möbelschreiner weiter auszuüben. In der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2000 hat der Kläger darauf hingewiesen, dass der operierende Oberarzt, Dr. F, auf das Anschreiben des Klägers noch nicht geantwortet habe.

b) Bei dieser Sachlage hätte auch ohne förmlichen Antrag, den Sachverständigen Prof. Dr. R anzuhören (§§ 402, 397 ZPO), die Kammer von amts wegen nach § 411 Abs. 3 ZPO eine ergänzende Sachaufklärung vornehmen müssen, d.h. ggf. den Sachverständigen Prof. Dr. R um ein ergänzende Stellungnahme (Gutachten) auffordern oder/und ihn ggf. anhören müssen. Schließlich weist die Berufung daraufhin, dass unabhängig von der behaupteten Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers sich bereits aus dem Gutachten des Sachverständigen Anhaltspunkte für die Notwendigkeit eines ergänzenden Gutachtens ergeben haben. Prof. Dr. R mutmaßte, dass der Kläger möglicherweise an somatoformen Schmerzstörungen leide und entsprechende Untersuchungen diesbezüglich nicht durchgeführt worden seien. Im Hinblick auf eine mögliche Beeinträchtigung des Nervensystems wäre hier eine neurologische Zusatzbegutachtung erforderlich gewesen. Der Senat sieht von der Durchführung einer eigenen Beweisaufnahme ab, da eine grundlegende Sachaufklärung hinsichtlich des Berufsunfähigkeit des Klägers bezüglich des von ihm zuletzt ausgeübten Berufs und ggf. der Vergleichstätigkeiten erforderlich ist. Hinsichtlich der Verweisungsberufe Gehäusebauer und Bilderrahmenmacher wird auf das Senatsurteil vom 29.9.2000 - 10 U 1374/99 -, NversZ 2001, 215 = ZfS 2001, 176 = R+S 2001, 262 verwiesen.

Soweit das Landgericht argumentiert, der Bandscheibenvorfall sei offensichtlich erst nach der Untersuchung durch Prof. Dr. R erfolgt, da dies ansonsten dem besonders erfahrenen Sachverständigen nicht entgangen wäre, macht dies eine ergänzende Beweisaufnahme nicht entbehrlich. Es handelt sich vielmehr um eine vorweggenommene Beweiswürdigung. Denn der Vortrag des Klägers geht dahin, dass der Sachverständige etwaig bestehende Befunde nicht richtig erkannt oder falsch gewürdigt habe. Es ist völlig offen, wie der Sachverständige Prof. Dr. R die Frage der Berufsunfähigkeit des Klägers beantworten würde, wenn er Kenntnisse von der nach seiner Untersuchung erfolgten Bandscheibenoperation und Befunderhebung gehabt hätte und hierzu noch mal hätte Stellung nehmen können.

c) Schließlich macht die Berufung zu Recht geltend, dass das Landgericht eine weitere Beweisaufnahme unter Bezugnahme auf § 2 (5) BB-BUZ 94 mit unzutreffender Begründung abgelehnt habe. Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, dass der derzeitige Zustand des Klägers, der offensichtlich zu einer Verschlechterung ganz erheblicher Art geführt habe, nur dann zur Annahme einer vollständigen bzw. teilweisen Berufsunfähigkeit führen könne, wenn die Pflegebedürftigkeit insoweit ununterbrochen 6 Monate gedauert habe. Diese Voraussetzungen seien jedoch nach dem Vortrag des Klägers nicht gegeben. Deshalb bedürfe es nicht der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO zur weiteren Aufklärung.

Die Auslegung dieser Bestimmung beruht auf einem schlechterdings nicht mehr nachvollziehbaren Verständnis der Besonderen Vertragsbedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Ist nach § 2 (3) i.V.m. (1) der Versicherte sechs Monate ununterbrochen bedingungsgemäß berufsunfähig oder nach § 2 (5) ununterbrochen pflegebedürftig, so gilt die Fortdauer dieses Zustandes als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit. Das bedeutet aber keineswegs, dass Voraussetzung für einen Leistungsanspruch ist, dass der Kläger zumindest ununterbrochen 6 Monate an einem in den Bedingungen näher beschriebenen Umstand leidet. Die Prognose einer Berufsunfähigkeit kann auch schon vor Ablauf eines 6-monatigen Zeitraums gestellt werden, so die von der Berufung aufgeführten Beispiele einer Querschnittslähmung oder Abtrennung von Gliedmaßen.

Auf die Berufung des Klägers war deshalb das angegriffene Urteil aufzuheben und die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung des Landgerichts vorbehalten.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 67.187,43 € festgesetzt. Dieser entspricht der Beschwer des Klägers, soweit die Berufung nur vorläufigen Erfolg hat.

Ende der Entscheidung

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