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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 16.08.2002
Aktenzeichen: 10 U 1804/01
Rechtsgebiete: LuftVG, BGB


Vorschriften:

LuftVG § 33
LuftVG § 34
LuftVG § 41
BGB § 833
Wird ein Pferd durch den Lärm eines Hubschraubereinsatzes derart in Panik versetzt, dass es die mittels Stacheldrahtumzäunung bestehende und unmittelbar neben einer Autobahn sich befindendende Einfriedung der Pferdekoppel durchbricht und sich dabei am rechten Hinterfuß verletzt, so besteht ein Anspruch aus Gefährdungshaftung nach dem LuftVG. Dem Tierhalter ist nicht deshalb ein Mitverschulden anzulasten, weil die Einfriedung durch Stacheldrahtzaun und nicht durch elektrobewährte Trassierbänder erfolgte. Der Halter des Pferdes muss sich lediglich die von dem Pferd ausgehende Tiergefahr mit 20 % anrechnen lassen.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a.F.

Geschäftsnummer: 10 U 1804/01

Verkündet am 16. August 2002

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert und Dr. Koch auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juni 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 30. Oktober 2001 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.346,99 € (14.369,46 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 21.1.1998 aus 4.551,24 € (8.901,46 DM), im übrigen seit 18.9.2000 zu zahlen. Die weitergehende Klage und Berufung werden zurückgewiesen.

2) Die Kosten des ersten Rechtszuges haben der Kläger zu 1/3, die Beklagte zu 2/3 zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 6/10, die Beklagte zu 4/10.

3) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz aus Luftverkehrsgesetz in Anspruch.

Der Kläger unterhält in unmittelbarer Nähe der Bundesautobahn Trier-Luxemburg eine Wiese, die mit einem Stacheldrahtzaun umpfercht ist. Am 21.09.1996 landete ein Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes in der Nähe der Raststätte "Markusberg" in Trier. Infolge des Lärmes scheute das sich auf der Wiese aufhaltende Pferd "Püppchen", lief durch den Zaun und verletzte sich dabei am rechten Hinterfuß. Der Kläger hat die Beklagte zuletzt auf Zahlung von 21.736,40 DM wegen Wertverlustes des Pferdes, Tierarztkosten und Unterhaltungskosten in Anspruch genommen. Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Beklagte zur Zahlung von 11.642,18 DM nebst Zinsen verurteilt. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger eine teilweise Abänderung des Urteils dahingehend, dass die Beklagte verurteilt wird, an ihn 18.312,20 DM nebst Zinsen zu zahlen. Die Beklagte beschränkt sich mit ihrer Anschlussberufung auf die Nichtberücksichtigung eines Teil-Regulierungsbetrages von 0,80 DM und die der Vorsteuerabzugsberechtigung.

II.

Die Berufung ist teilweise begründet. Die Anschlussberufung ist begründet.

Das Landgericht hat dem Kläger zu Recht einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung des Pferdes "Püppchen" zugesprochen, welche durch den mit dem Hubschraubereinsatz verbundenen Lärm verursacht worden ist (§ 33 LuftVG). Die Haftung dem Grunde nach steht zwischen den Parteien außer Streit.

1a) Die Berufung wendet sich indes zu Recht gegen die Annahme eines Mitverschuldens. Das Landgericht hat ein Mitverschulden des Klägers aus Tierhalterhaftung in Höhe von 35 % angenommen. Dies deshalb, weil es sich bei dem geschädigten Pferd um ein scheues Tier gehandelt und die vorhandene Koppeleinfriedung durch Stacheldrahtzaun die Verletzung des Tieres mitverursacht habe. Die Berufung wendet diesbezüglich zu Recht ein, dass das Landgericht nicht hinreichend berücksichtigt habe, dass an diesem Tag sogar mehrere Hubschrauber des Grenzschutzes im Einsatz waren und im Bereich der Pferdekoppel landeten, was erst die Reaktion des Pferdes ausgelöst hat und auch für einen sorgfältigen Pferdehalter außerhalb des üblicherweise Vorhersehbaren lag.

Auch kann dem Kläger nicht deshalb ein Mitverschulden angelastet werden, weil er die Koppel durch einen Stacheldraht abgesichert hat und dadurch erst die Verletzung am Huf des Pferdes entstehen konnte. Das Landgericht meint, der Kläger habe es versäumt, den Stacheldraht so nach innen abzusichern, dass das Pferd auch mit dem Huf nicht an den Stacheldraht gelangen könnte. Dies stelle einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz dar. Das Landgericht lässt unberücksichtigt, dass ungeachtet dessen, dass in der Region Trier die Einfriedung von Pferdekoppeln mittels Stacheldrahtumzäunung im Jahre 1997 durchaus ortsüblich war, selbst die Verwendung von elektrobewährten Trassierbändern nicht verhindert hätte, dass ein durch Hubschraubereinsatz in Panik geratenes Pferd versucht, durch einen Elektrozaun auszubrechen. Hinzu kommt, dass die örtlichen Gegebenheiten für eine Verwendung eines Stacheldrahtzaunes sprachen. Denn die Pferdekoppel lag unmittelbar in der Nähe der vorbeiführenden Autobahn, so dass der Kläger sicherstellen musste, dass es nicht zu einem Ausbrechen der Pferde kommt. Ein Mitverschulden des Klägers von 35 % kann bei dieser Sachlage nicht angenommen werden.

b) Allerdings muss sich der Kläger im Rahmen der Ursachenabwägung die von seinem Tier ausgehende Tiergefahr anrechnen lassen, die hier mit 20 % in Ansatz zu bringen ist (§ 41 Abs. 2 LuftVG i.V.m. § 833 BGB).

c) Entgegen der Auffassung der Berufungserwiderung kann der Kläger die Pensionskosten für die Unterhaltung des Tieres für den Zeitraum vom 21.9.1996 bis 31.8.2000 geltend machen. Angesichts der Beweisproblematik und des Regulierungsverhaltens der Beklagten war es dem Kläger nicht zuzumuten, im Wege der Schadensminderung eine Notschlachtung des Tieres vorzunehmen.

d) Mit der Anschlussberufung ist davon auszugehen, dass bezogen auf die Tierarztkosten nur die Nettokosten in Ansatz zu bringen sind, da der Kläger vorsteuerabzugsberechtigt ist (GA 6, § 138 Abs. 3 ZPO). Außerdem hat. das Landgericht nur eine Teilzahlung von 745,-- DM anstatt 745,80 DM berücksichtigt.

2) Insgesamt ergibt sich danach folgende Schadensberechung:

- Wertverlust des Tieres nach Gutachten 8.000,-- DM,

- Tierarztkosten netto 1.203,65 DM (GA 15),

- Tierarztkosten netto 150,43 DM (GA 30)

- Kostenpauschale 40,-- DM (GA 7 - anerkannt -)

- Pensionskosten 9.500,-DM (LG Urteil S.9, GA 268),

insgesamt 18.894,08 DM x 80 % = 15.115,26 DM, abzüglich geleisteter 745,80 DM, mithin insgesamt 14.369,46 DM.

Auf die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung war das angefochtene Urteil, wie tenoriert, teilweise abzuändern. Bei der Zinsberechnung ist berücksichtigt, dass zum Zeitpunkt der Klageerhebung nur Ansprüche in dieser Höhe bestanden (8.000,-- DM Pferd Wertverlust, 2.665,-- DM Unterhaltungskosten, 1203,65 DM + 150,43 Tierarztkosten, Kostenpauschale 40,-- DM x 80 %./. 745,80 DM).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.873,93 DM (6.670,02 DM Berufung + 203,91 DM Anschlussberufung [203,11 MWSt. + 0,80 DM]) festgesetzt. Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, § 543 Abs. 1 ZPO n.F.

Ende der Entscheidung

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