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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 17.05.2002
Aktenzeichen: 10 U 1825/01
Rechtsgebiete: AKB


Vorschriften:

AKB § 12 (1) I d
Zur Beweiswürdigung eines behaupteten Wildunfalls - Zusammenstoß eines Motorrades mit einem Fuchs -, wenn der Versicherungsnehmer in dem Zeitraum 1997 bis 1998 bereits 4 Wildunfälle (1 Hase, 2 Füchse, 1 Reh) hatte, im Jahre 2000 einen weiteren Wildunfall mit einem Fuchs meldet, er zu Beweiszwecken dem verendeten, aufgeplatzten Fuchs den Schwanz abschneidet, diesen mit Motorradteilen in Tüten packt und dem Förster nachts vor die Haustüre legt.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES Urteil

- abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a.F. -

Geschäftsnummer: 10 U 1825/01

Verkündet am 17. Mai 2002

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert auf die mündliche Verhandlung vom 3. Mai 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 7. November 2001 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 15.800,-- DM nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basissatz gemäß § 1 DÜG, jedoch nicht mehr als 7,5 % seit dem 28. November 2000 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet.

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Teilkaskoentschädigung wegen eines Wildunfalls in Anspruch.

Der Kläger hatte in dem Zeitraum von 1997 bis 1998 vier Wildunfälle, am 25.11.1997 kollidierte sein PKW BMW mit einem Hasen (Schaden 1.106,96 DM), am 12.12.1997 zeigte der Kläger einen Unfall mit einem Fuchs an (Schaden 4.947,07 DM), am 13.7.1998 erfolgte ein weiterer Unfall mit einem Fuchs (keine Regulierung, da vorhandene Altschäden) und am 27.11.1998 ereignete sich ein Unfall mit einem Reh (Schaden 5.046,38 DM).

Der Kläger, Eigentümer eines mit einer Selbstbeteiligung von 300,-- DM bei der Beklagten teilkaskoversicherten Motorrades, meldete schließlich am 7.8.2000 einen weiteren Wildunfall, diesmal eine Kollision seines Motorrades mit einem Fuchs. Er legte gegen 24.00 Uhr dem für die Gemarkung D zuständigen Förster zwei Mülltüten vor die Haustüre, in denen sich Motorradteile sowie ein abgeschnittener Fuchsschwanz befanden. Der Fuchsschwanz und die Wildhaare wurden auf dem Revier entsorgt, die Motorradteile brachte der Kläger zur Firma Udo G in H, wegen der bevorstehenden Begutachtung. In der Wildunfallmeldung ist vermerkt, dass sich Wildhaare oder Blut an der Gabel des Motorrades befanden. Ca. 4 Wochen nach dem Unfall erfolgte eine Ortsbesichtigung in Anwesenheit von Mitarbeitern der Beklagten. Die Beklagte lehnte die Regulierung des Schadens daraufhin ab.

Der Kläger hat auf der Grundlage Wiederbeschaffungswert des Motorrades von 19.600,-- DM und Kostenpauschale von 50,-- DM abzüglich Restwert von 3.500,-- DM und Selbstbeteiligung von 300,-- DM zuletzt Zahlung von 15.800 nebst Zinsen beansprucht. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

II.

Die Berufung ist im Wesentlichen nicht begründet.

1) Das Landgericht hat zu Recht der Klage weitestgehend entsprochen. Dem Kläger steht gemäß § 12 (1) I d) AKB ein Anspruch aus der Teilkaskoversicherung wegen des Zusammenstoßes seines Motorrades mit einem Haarwild zu. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil (mit Ausnahme Kostenpauschale) Bezug. Das Berufungsvorbringen gibt zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung.

a) Der Kläger hat vorgetragen, er habe sein Motorrad am 6.8.2000 an den Zeugen S verliehen. Dieser sei gegen 22.40 Uhr auf der Fahrt von D nach H mit einem Fuchs zusammengestoßen. S habe ihn gegen 23.30 Uhr darüber in Kenntnis gesetzt. Er sei dann gemeinsam mit dem Zeugen zum Unfallort gefahren. Nach einem Streit habe sich der Zeuge von der Unfallstelle entfernt. Er, der Kläger, habe dann die Unfallstelle, soweit wie möglich von Motorradteilen gesäubert, wobei er einige Teile aus dem nahegelegenen Bach habe aufsammeln müssen. Er habe dann die Teile in einem Müllsack gelegt. Dem Fuchs habe er den Schwanz abgeschnitten und diesen mit Fuchshaaren in einen anderen Müllsack gelegt. Den Körper hingegen habe er liegen lassen, da dieser bereits aufgeplatzt gewesen sei und "gestunken" habe. Den Sack habe er dann dem Förster H gegen 24.00 Uhr nur vor die Türe gelegt, denn er habe den Förster nicht wecken wollen. Dieser habe bei der Begutachtung am nächsten Tag an den Motorradteilen Fuchshaare festgestellt.

b) Der Senat ist mit dem Landgericht trotz bestehender Bedenken, u.a. angesichts der Vielzahl der dem Kläger zuteil gewordenen Wildunfälle und der Eigentümlichkeiten des behaupteten Unfallgeschehens - Abschneiden eines Fuchsschwanzes zu Beweiszwecken - zur Überzeugung gelangt (§ 286 ZPO), dass sich das Unfallgeschehen so zugetragen hat, wie vom Kläger behauptet Maßstab für die Überzeugungsbildung des Senats nach § 286 ZPO ist dabei ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit, der letzten Zweifeln Schweigen gebietet, ohne diese völlig auszuschließen (vgl. BGHZ 53, 245 (255) = NJW 1970, 946; BGHZ 100, 214 = NJW 1987, 1944; BGH NJW 1982, 2874 (2875); NJW 1993, 935 = BGHR ZPO § 286 Abs. 1 Beweismaß Grenzen der Beweisanforderungen; Senatsurteil vom 11.8.2000 - 10 U 1393/98 - NVersZ 2002, 185). Die Überzeugungsbildung beruht maßgeblich auf den Bekundungen der Zeugen S und H darüber hinaus auf weiteren Beweisanzeichen, die für die Richtigkeit des Vortrags des Klägers sprechen.

c) Der Zeuge S hat den Vortrag des Klägers in der Beweisaufnahme vor der Kammer bestätigt. Er hat bekundet, er sei mit dem vom Kläger ausgeliehenen Motorrad bei leichtem Regenwetter und einer Geschwindigkeit von 70 km/h von D nach H gefahren, habe während der Fahrt plötzlich von links kommend einen Schatten wahrgenommen, nicht mehr reagieren können und sei schließlich, wie sich später herausgestellt habe, mit einem Fuchs zusammengeprallt. Er habe das Wild sodann gesucht und 30 bis 40 m von der Unfallstelle den toten Fuchs gefunden. Vereinzelte Teile von dem Motorrad hätten in einem nahegelegen Straßengraben und einem dortigen kleinen Bachlauf gelegen. Schließlich sei er mit dem noch fahrfähigen Motorrad nach D gefahren, habe der C Versicherung den Unfall auf Anrufbeantworter angezeigt und sich telefonisch mit dem Kläger in Verbindung gesetzt, dann seien der Kläger und er mit getrennten PKW's zur Unfallstelle gefahren, wo es zu einem Streit zwischen beiden gekommen sei. Er habe dem Kläger die Stelle gezeigt, wo der tote Fuchs gelegen habe und sei dann allein mit seinem PKW nach Hause gefahren, ohne die Polizei zu verständigen. Er habe sich das Motorrad später beim Kläger nochmals angeschaut, als es sich im Carport befunden habe. Dabei habe er an der Kardanwelle des Motorrades bzw. dem Gehäuseteil hinter dem Motor Blutspuren des Fuchses feststellen können.

Diese Aussage deckt sich mit den Angaben des Klägers und ist auch in Einklang mit den Bekundungen zu bringen, die der Zeuge H, zuständiger Förster für diese Gemarkung, gegenüber der Kammer gemacht hat. Dieser hat bestätigt, dass er am nächsten Morgen eine Plastiktüte vor seiner Haustür gefunden habe, in der sich Motorradteile befunden hätten Er habe sich die Teile angeschaut und festgestellt, dass an einem abgebrochenen Hartplastikteil Fuchshaare eingeklemmt gewesen seien. In einer anderen Tüte habe sich der abgeschnittene Fuchsschwanz befunden. Der Kläger sei am Nachmittag gegen 16.00 Uhr zu ihm gekommen und habe ihm den Vorgang geschildert und erklärt, wo sich die Unfallstelle befinde. Er habe daraufhin die Unfallstelle aufgesucht, allerdings nicht mehr nach dem toten Fuchs gesucht. Für ihn hätten keinerlei Zweifel bestanden, dass ein Unfall stattgefunden habe.

2) Die Berufung greift die vom Landgericht, gestützt auf die Bekundungen der Zeugen S und H vorgenommene Beweiswürdigung ohne Erfolg an und versucht Widersprüche aufzuzeigen, die nach Auffassung des Senats nicht geeignet sind, den Wahrheitsgehalt der Bekundungen der beiden Zeugen und die Aussage des Klägers zu erschüttern. Die Berufung meint, das Landgericht habe im Hinblick auf die Vielzahl der vom Kläger in den Jahren 1997 und 1998 erlittenen Wildunfälle sich kritischer mit den Aussagen der Zeugen auseinandersetzen müssen. Das Landgericht habe nicht bedacht, dass der Kläger "Profi" im Anzeigen und Abwickeln von Wildunfällen sei. Die statistische Wahrscheinlichkeit, in knapp drei Jahren insgesamt fünf Wildunfälle zu haben, sei geringer als die Wahrscheinlichkeit, 6 Richtige im Lotto zu haben oder vom Blitz getroffen zu werden. Es sei nicht überzeugend, dass der Kläger den toten Fuchs nur deshalb an der Unfallstelle habe liegen lassen, weil das getötete und aufgebrochene Tier "gestunken" habe. Ein getötetes Tier stinke nicht nach einer Stunde. Das Landgericht habe in diesem Zusammenhang auch zu Unrecht darauf abgestellt, dass es dem Kläger kaum möglich sei, in der Nacht einen toten Fuchs oder frisch abgeschnittenen Fuchsschwanz aufzutreiben. Denn derjenige, der über ausreichend kriminelle Energie verfüge, einen Wildunfall zu fingieren, sei auch in der Lage die nötigen Utensilien herbeizuschaffen. Es sei dabei auch nicht erforderlich, den Fuchsschwanz mitten in der Nacht herbeizuschaffen. Denn es sei ebenso gut möglich, dass der Kläger den Fuchsschwanz und die Fuchshaare bereits Stunden oder Tage vor dem behaupteten Unfall bereitgehalten habe. Denn das Motorrad könne auch bereits Tage oder Wochen vor dem behaupteten Unfalltag - d. h. ohne einen die Teilkaskoentschädigung auslösendes Ereignis - beschädigt worden sein.

a) Entgegen der Auffassung der Berufung lässt das landgerichtliche Urteil eine kritische Distanz zu den Bekundungen der Zeugen nicht vermissen. Die von der Berufung angestellten Wahrscheinlichkeitsüberlegungen sind nicht geeignet, das Unfallgeschehen in Frage zu stellen. Die Zeugen S und H haben korrelierende Aussagen gemacht. Dem Zeugen H, der, anders als der Zeuge S, kein eigenes wirtschaftliches oder ideelles Interesse an dem Ausgang des Verfahrens hat, bestätigte, dass er zeitnah zu dem behaupteten Unfallgeschehen Motorradteile mit anhaftenden Fuchshaaren und einen abgeschnittenen Fuchsschwanz gesehen habe, diese Gegebenheiten mit seiner Besichtigung der Unfallörtlichkeit in Einklang zu bringen gewesen seien. Es ist bei lebensnaher Betrachtung auch anzunehmen, dass ein Förster durchaus in der Lage ist, einen frisch abgeschnittenen Fuchsschwanz von einem verwesenden Fuchsschwanz eines seit längerem verendeten Tieres zu unterscheiden. Auch dürfte ein Förster in der Lage sein, zu erkennen, ob an Teilen eines Motorrades frisches Blut und Haare anhaftet oder nicht. Es ist auch kein Widerspruch, wenn der Kläger in der Klageschrift vorgetragen hat, er habe das Motorrad dem Zeugen H deshalb nicht zur Begutachtung vorgezeigt, weil es sich schwer bewegen ließ, während der Zeuge S noch mit dem Motorrad von der Unfallstelle nach Hause gefahren sei. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass der Kläger mit dem beschädigten Motorrad nicht unnötig fahren wollte, zumal er über ein eigenen PKW verfügte, der Zeuge H offenbar auch keinen Wert darauf legte, sich das Motorrad zeigen zu lassen.

Schließlich nötigt auch die Angabe des Zeugen S, er habe den Fuchs "40 - 50 m" von der "Unfallstelle" entfernt gefunden, nicht zu Misstrauen gegenüber der Aussage, sondern kann unschwer damit erklärt werden, dass das Motorrad nach der Kollision bis zum Sturz in den Straßengraben ("Unfallstelle"?) noch eine gewisse Strecke zurücklegte. Dass der Kadaver "gestunken" habe, kann ohne weiteres mit dem Aufplatzen der Innereien durch die Kollision erklärt werden.

b) Die Bekundungen der Zeugen S und H werden auch nicht durch die Aussagen des ebenfalls als Zeugen vernommenen Versicherungskaufmanns K und des Kfz-Sachverständigen W entkräftet. Beide Zeugen haben übereinstimmend bekundet, dass der Zeuge H, die zur Begutachtung eingereichten Teile, an denen W keine Wildhaare gefunden habe, später nicht habe identifizieren können. Der Zeuge H hatte hierzu in der Beweisaufnahme ausgesagt, dass er das Gefühl gehabt habe, dass ihm die später von den Zeugen K und W vorgelegten Teile nicht die gewesen seien, die er seinerzeit gesehen habe. Zutreffend stellt das Landgericht darauf ab, dass diese Teile erst ca. 6 Wochen nach dem Unfallereignis dem Zeugen H vorgelegt worden seien, nachdem diese bereits begutachtet waren. Es ist nicht auszuschließen, dass die Teile getrocknet und bereits gesäubert waren, so dass sie einen anderen Eindruck hinterließen, als die Teile, die nass und mit Grashalm und Fuchshaaren versehen, dem Förster H am Tag des Unfallereignisses vor die Haustüre gelegt worden sind. Auch soweit die Berufung auf Merkwürdigkeiten im Zusammenhang mit der Besichtigung des Motorrades im Carport hinweist, sind hier keine augenfälligen Widersprüche in der Darstellung des Zeugen S zu erkennen. Denn aus der Aussage des Zeugen S lässt sich nicht entnehmen, wann er das Motorrad im Carport sich noch einmal angeschaut und dort Blutspuren an dem Motorrad entdeckt hat.

Der Senat schließt sich aus den dargelegten Gründen in vollem Umfange der Beweiswürdigung des Landgerichts an.

Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs war das angegriffene Urteil dahingehend abzuändern, dass der Kläger im Rahmen der Teilkaskoversicherung keine allgemeine Kostenpauschale von 50,-- DM beanspruchen kann. In der Teilkaskoversicherung sind nur gedeckt die Schäden, die unmittelbar am Fahrzeug entstehen, nicht jedoch Sachfolgeschäden (vgl. Knappmann in Prölls/Martin, VVG Kommentar, 26. Aufl. 1998, AKB § 12 Rn. 2; BGH VersR 1988, 949). Die Zahlungen S hat das Landgericht zutreffend nicht angerechnet, § 543 Abs. 1 ZPO a.F.; im Übrigen ist insoweit auch auf § 15 Nr. 2 AKB hinzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.850,-- DM (8.103,98 €) festgesetzt. Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen, § 543 n. F. ZPO.

Ende der Entscheidung

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