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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 08.11.2002
Aktenzeichen: 10 U 192/02
Rechtsgebiete: AGBG, VOB/A, VOL/B, VOB/L, ZPO


Vorschriften:

AGBG § 1 Abs. 1
AGBG § 8
AGBG § 9
VOB/A § 14
VOL/B § 18 Nr. 4
VOB/L § 18 Nr. 6
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 2 n.F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 10 U 192/02

Verkündet am 8. November 2002

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert und den Richter am Landgericht Dr. Janoschek auf die mündliche Verhandlung vom 27.9.2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 17. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Aufgrund VOB-Werkvertrages vom 17./18. September 1990 führte die Klägerin im Auftrag der Beklagten den Bau des B.........tunnels bei A........ aus. Nach dem Vertrag war die Klägerin verpflichtet, der Beklagten eine Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern in Höhe von 5 % des Auftragsvolumens zu stellen. Die von der N.......bank AG insoweit am 4.10.1990 ausgestellte Bürgschaftsurkunde wurde der Beklagten ausgehändigt. Nach Abschluss der von der Klägerin geschuldeten Arbeiten erfolgte am 11. Januar 1995 deren Abnahme, wobei in der Abnahmeniederschrift gleichen Datums als Verjährungsfrist für die Gewährleistung der 11. Januar 2000 vermerkt ist. Nachdem die Beklagte die von der Klägerin unter dem 22. April 1996 gestellte Schlussrechnung geprüft und mit Schreiben vom 10. August 1999 verschiedene Beanstandungen erhoben und eine Gegenforderung in Höhe von 153.296,55 DM geltend gemacht hatte, kam es im Zusammenhang mit der Schlussrechnung zunächst zu umfangreichem Schriftverkehr und am 10. November 1999 zu einer Besprechung zwischen den Parteien. Am 13. Dezember 1999 leitete die Klägerin unter dem Betreff "Schlussrechnung" den Entwurf einer von ihr gefertigten Vereinbarung gleichen Datums zu, die auszugsweise wie folgt lautet:

"Die Vertragsparteien haben aus der Schlussrechnung ... sowie der Gegenforderung des Straßenprojektamts ...betreffend das Bauvorhaben B .. ... gegenseitige Ansprüche geltend gemacht, die, wie nachstehend ausgeführt, außergerichtlich geregelt werden:

...

6. Mit dem Eingang des vorgenannten Betrages auf dem Konto der A... sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Bauvertrag betreffend das Bauvorhaben B .. Umgehung A........, Bauwerk 6... 624, B.........tunnel, endgültig und abschließend erledigt."

An dieser von der Klägerin bereits unterzeichneten Vereinbarung nahm die Beklagte, ohne diese ihrerseits zu unterschreiben, eine Korrektur bei der Position "Mehrwertsteuer" vor. Diese Korrektur akzeptierte die Klägerin mit Schreiben vom 7. Januar 2000, dessen Betreff "Vereinbarung" lautet. Die dem vorgenannten Schreiben beigefügte, von der Beklagten am 7. Januar 2000 und von der Klägerin am 12. Januar 2000 unterzeichnete Vereinbarung hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Präambel

Die Vertragsparteien haben aus der Abwicklung betreffend das Bauvorhaben B .. ... gegenseitige Ansprüche geltend gemacht, die, wie nachstehend aufgeführt, außergerichtlich geregelt werden:

...

2. Mit dem Eingang des vorgenannten Betrages auf dem Konto der A... sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Bauvertrag betreffend das Bauvorhaben B .. Umgehung A........, Bauwerk 6... 624, B.........tunnel, endgültig und abschließend erledigt."

Zuvor, nämlich mit Schreiben vom 13. Dezember 1999, hatte die Beklagte unter Bezugnahme auf die am 11. Januar 1999 (gemeint ist 2000) ablaufende Gewährleistung die Beseitigung einer Reihe näher bezeichneter Mängel angemahnt.

Mit Schreiben vom 25. Februar 2000 wies die Klägerin auf den Ablauf der Verjährungsfrist hin und forderte die Rückgabe der von der N.......bank AG am 4. Oktober 1990 ausgestellten Bürgschaft. Dem widersprach die Beklagte unter Hinweis auf ihre Mängelrüge vom 13. Dezember 1999 mit Schreiben vom 2. März 2000, erklärte allerdings mit Schreiben vom 20. Dezember 2000 die Freigabe der Bürgschaft in Höhe eines Teilbetrages von 834.430 DM.

Die Klägerin hat behauptet,

die Vereinbarung vom 7./1. Januar 2000 habe sämtliche im Zusammenhang mit dem B.........tunnel stehenden wechselseitigen Ansprüche der Parteien, insbesondere auch hinsichtlich der Gewährleistung, endgültig und abschließend klären sollen. Dies folge aus dem Wortlaut, aber auch den Umständen der Vereinbarung, insbesondere der Dauer der zwischen den Parteien schwelenden Streitigkeiten, die durch einen Gesamtvergleich hätten beigelegt werden sollen. Da Gewährleistungsansprüche der Beklagten aufgrund der Vereinbarung nicht mehr bestünden, jedenfalls aber verjährt seien, sei die Beklagte zur Herausgabe der Bürgschaft und zur Erstattung der aufgewandten Avalzinsen verpflichtet.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, die Bürgschaftsurkunde Nr. 90/90... der N.......bank AG, Zweigniederlassung M......., vom 4.10.1999 über 1.434.430 DM an die N.......bank AG, Zweigniederlassung M......., herauszugeben;

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.920,78 DM nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr Avalzinsen in Höhe von 0,25 % p.a. aus 600.000 DM im Zeitraum vom 18. Januar 2000 bis zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunde an die N.......bank AG zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet,

die Vereinbarung vom 7./12. Januar 2000 habe sich ausschließlich auf Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit der von der Klägerin gestellten Schlussrechnung bezogen. Gewährleistungsansprüche seien nie problematisiert worden und daher auch nicht Gegenstand der Vereinbarung geworden. Ihr Schreiben vom 13. Dezember 1999 habe in keinem Zusammenhang mit den Verhandlungen mit der Klägerin gestanden, sondern allein dazu gedient, die am 11. Januar 2000 ablaufende Verjährung zu verlängern. Die von der Klägerin nunmehr vorgenommene Auslegung der Vereinbarung entbehre jeder Grundlage.

Mit Urteil vom 17. Dezember 2001 hat das Landgericht Koblenz die Klage abgewiesen. Gegen das ihr am 11. Januar 2002 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 11. Februar 2002 bei dem Berufungsgericht eingegangenen Berufung vom 1. Februar 2002, die sie nach Fristverlängerung bis zum 13. Mai 2002 mit am 24. April 2002 eingegangenen Schriftsatz vom 23. April 2002 begründet hat.

Die Klägerin behauptet unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen,

die Vereinbarung vom 7./12. Januar 2000 habe auch die von der Beklagten vor ihrem Abschluss mit Schreiben vom 13. Dezember 1999 geltend gemachten Gewährleistungsansprüche umfassen sollen. Dies entspreche dem Wortlaut der Vereinbarung und habe von ihr auch so verstanden werden dürfen. Schließlich sei der Text der Vereinbarung nach Erhebung der Mängelrüge mit Schreiben vom 13. Dezember 1999 noch einmal geändert worden. Wenn die Beklagte die Gewährleistungsansprüche von der Regelung habe ausnehmen wollen, hätte sie dies ausdrücklich erklären müssen. Da der Beklagten Gewährleistungsansprüche daher nicht mehr zustünden, müsse sie die Bürgschaftsurkunde herausgeben und für die gezahlten Avalzinsen aufkommen.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen,

a) die Bürgschaftsurkunde Nr. 90/90... der N.......bank AG, Zweigniederlassung M......., vom 4.10.1999 über 1.434.430 DM an die N.......bank AG herauszugeben;

b) an die Klägerin 982,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 9. Juni 1998 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr Avalzinsen in Höhe von 0,25 % jährlich aus 306.775,13 € für die Zeit vom 18. Januar 2000 bis zur Herausgabe der unter Nr. 1. a) genannten Bürgschaftsurkunde zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet bezugnehmend auf ihr Vorbringen erster Instanz, dass Gewährleistungsansprüche nicht in die Vereinbarung vom 7./12. Januar 2000 einbezogen worden seien. Deren Inhalt habe bereits vor Zugang ihres Schreibens vom 13.Dezember 1999 festgestanden und sei durch die Vereinbarung nur noch fixiert worden. Auch die Klägerin sei, wie aus deren Schreiben vom 25. Februar 2000 folge, ursprünglich dieser Auffassung gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung sowie die zwischen den Parteien in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache selbst aber keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Herausgabe-, Zahlungs- und Feststellungsansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung Bezug (§ 543 Abs. 1 ZPO a.F.). Das Berufungsvorbringen gibt zu einer abweichenden Beurteilung der Sache keine Veranlassung.

Die von dem Landgericht vorgenommene Auslegung der von den Parteien am 7./12. Januar 2000 getroffenen Vereinbarung ist nicht zu beanstanden. Entgegen der von der Berufung vertretenen Auffassung kann insbesondere aus dem Umstand, dass die Beklagte mit Schreiben vom 13. Dezember 1999 und damit vor Unterzeichnung der Vereinbarung Gewährleistungsansprüche geltend gemacht hat, nicht darauf geschlossen werden, dass diese von der Vereinbarung gleichfalls umfasst und durch diese erledigt werden sollten. Dies ergibt sich eindeutig aus Anlass und Inhalt der dem Abschluss der Vereinbarung vorangegangenen Verhandlungen und aus dem in diesem Zusammenhang zwischen den Parteien geführten Schriftverkehr.

Zu den der Vereinbarung vom 7./12. Januar 2000 vorangegangenen Meinungsverschiedenheiten war es im Zusammenhang mit der von der Klägerin am 22. April 1996 gestellten Schlussrechnung und den von der Beklagten hiergegen mit Schreiben vom 10. August 1999 erhobenen Beanstandungen gekommen . Allein über die von der Beklagten im Zusammenhang mit der Schlussrechnung erhobenen Einwände, nicht aber über Gewährleistungsfragen verhielt sich der von den Parteien in der Folge bis zu der Besprechung vom 10. November 1999 geführte Schriftverkehr. Die insoweit bestehenden Meinungsverschiedenheiten bildeten auch ausschließlich den Gegenstand der Besprechung vom 10. November 1999. Das Gleiche gilt für den im Anschluss an diese Besprechung erfolgten Schriftwechsel, der sich ebenfalls nicht über etwaige Gewährleistungsansprüche der Beklagten verhält. Dementsprechend weist das Schreiben der Klägerin vom 13. Dezember 1999 als Betreff wie der gesamte vorangegangene Schriftverkehr "Schlussrechnung" aus. In der Präambel des dem Schreiben beigefügten Vertragsentwurfes heißt es, dass die Parteien aus der Schlussrechnung der Klägerin vom 22. April 1996 gegenseitige Ansprüche geltend gemacht haben, die außergerichtlich geregelt werden sollen. Gewährleistungsfragen werden dagegen mit keinem Wort erwähnt.

Bei dieser Sachlage kann aus dem Umstand, dass die Beklagte mit Schreiben vom erstmals 13. Dezember 1999 Mängelrügen erhoben hat, und der Neufassung der Präambel der Vereinbarung vom 7./12. Januar 2000, die nunmehr lautet: "Die Vertragsparteien haben aus der Abwicklung betreffend das Bauvorhaben B .. ... gegenseitige Ansprüche geltend gemacht", nicht darauf geschlossen werden, dass auch der Beklagten etwa zustehende Gewährleistungsansprüche von der Vereinbarung umfasst und durch sie geregelt werden sollten. Bei der Vereinbarung vom 7./12. Januar 2000 handelt es sich nämlich, worauf die Klägerin selbst in ihrem Schreiben vom 7. Januar 2000 hingewiesen hat, ersichtlich lediglich um eine redaktionelle Neufassung des von der Klägerin bereits mit Schreiben vom 13. Dezember 1999 unterbreiteten Vergleichsvorschlags, die abgesehen von der von der Beklagten vorgenommenen Änderung bei der Mehrwertsteuer keine weiteren inhaltlichen Modifikationen aufweist.

Hiervon ist die Klägerin vorprozessual auch selbst ausgegangen. In ihrem Schreiben vom 7. Januar 2000, das als Betreff "Vereinbarung" ausweist und damit den Zusammenhang mit ihrem Einigungsvorschlag vom 13. Dezember 1999 und den diesem zugrunde liegenden Verhandlungen herstellt, heißt es nämlich: "... Hinsichtlich der von Ihnen geänderten Ziffer 2. der Vereinbarung bezüglich des Mehrwertsteuerbetrages erklären wir uns mit der von Ihnen vorgenommenen Korrektur einverstanden. ... Insoweit sollten in der Vereinbarung auch nicht mehr Einzelbeträge genannt werden. Wir haben deshalb die Vereinbarung inhaltlich pauschaliert und mit heutigem Datum unter Berücksichtigung der von Ihnen vorgenommenen Änderung der Beträge nochmals in zweifacher Ausfertigung ausgedruckt und unsererseits bereits unterzeichnet. ...".

Damit steht aber fest, dass die Vereinbarung vom 7./12. Januar 2000 nach der damaligen Auffassung der Klägerin inhaltlich nicht über den Vereinbarungsentwurf vom 13. Dezember 1999 hinausgehen sollte. Im Zeitpunkt des von der Klägerin am 13. Dezember 1999 unterbreiteten Einigungsvorschlages hatte die Beklagte aber unstreitig Gewährleistungsansprüche wegen der von der Klägerin erbrachten Werkleistungen noch nicht geltend gemacht. Diese bildeten auch nicht den Gegenstand der zwischen den Parteien geführten Verhandlungen. Die von der Beklagten erstmals mit Schreiben vom 13. Dezember 1999 erhobenen Beanstandungen waren der Klägerin, bevor sie den Vereinbarungsentwurf gleichen Datums fertigte und an die Beklagte absandte, nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Parteien noch nicht zugegangen und damit noch nicht bekannt geworden. Wenn die Klägerin dann aber, ohne auf die inzwischen erhobene und ihr zugegangene Mängelrüge vom 13. Dezember 1999 einzugehen, mit Schreiben vom 7. Januar 2000 unter Bezugnahme auf den zuvor unterbreiteten Einigungsvorschlag, den bereits von ihr unterzeichneten Entwurf der Vereinbarung vom 7./12. Januar 2000 übermittelte, so folgt daraus eindeutig, dass die Vereinbarung auch nach ihrem (damaligen) Verständnis eben nicht die von der Beklagten inzwischen gerügten Mängel umfassen sollte. Die nunmehr von der Klägerin vertretene abweichende Meinung, wonach die Vereinbarung vom 7./12. Januar 2000 auch etwaige Gewährleistungsansprüche umfassen sollte, entbehrt daher auch in Anbetracht der ihr vor ihrem Abschluss zugegangenen Mängelrüge vom 13. Dezember 1999 jeder Grundlage, so dass die Beklagte entgegen der Auffassung der Berufung auch nicht gehalten war, klarzustellen, dass die Gewährleistungsansprüche nicht mitgeregelt sein sollten.

Dass eine Einigung insoweit nicht erfolgt war, stand aufgrund der gesamten vorangegangenen Umstände außer Frage und war auch der Klägerin klar, wie sich auch aus deren Schreiben vom 25. Februar 2000 ergibt. Dort hat sie nämlich die Herausgabe der Bürgschaft mit der Begründung verlangt, dass Gewährleistungsansprüche inzwischen verjährt seien. Von einer Regelung dieser Ansprüche im Rahmen der Vereinbarung vom 7./12. Januar 2000 ist dagegen keine Rede.

Etwas anderes folgt entgegen der von der Berufung vertretenen Auffassung auch nicht aus Ziffer 6. des Vereinbarungsentwurfes vom 13. Dezember 1999 und Ziffer 2. der Vereinbarung vom 7./12. Januar 2000. Die Meinungsverschiedenheiten und Verhandlungen der Parteien beschränkten sich, wie dargelegt, bis zum Zugang des Schreibens der Beklagten vom 13. Dezember 1999 auf die von der Klägerin erteilte Schlussrechnung und die von der Beklagten hiergegen erhobenen Einwände. Allein hierüber verhielt sich der Vereinbarungsentwurf der Klägerin vom 13. Dezember 1999, an dem sie auch nach Zugang des Schreibens der Beklagten vom 13. Dezember 1999 abgesehen von einer von dieser gewünschten inhaltlichen Änderung festhielt und lediglich redaktionelle Modifikationen vornahm. Daher umfasst auch die schließlich getroffene Vereinbarung vom 7./12. Januar 2000 und die in dieser enthaltene Ziffer 2. lediglich die im Zusammenhang mit der Schlussrechnung der Klägerin aufgetretenen Meinungsverschiedenheiten und regelt nicht auch etwaige Gewährleistungsansprüche der Beklagten.

Die Richtigkeit dieser Sichtweise folgt letztlich auch daraus, dass die von den Parteien mit der Vereinbarung vom 7./12. Januar 2000 gefundene Regelung bei Zugrundelegung der von der Berufung vertretenen Auffassung wirtschaftlich aus dem Gleichgewicht geraten wäre. Die von der Klägerin vorgenommene Auslegung führt nämlich dazu, dass die Beklagte ohne jede Gegenleistung auf Gewährleistungsansprüche im Wert von nach ihrer Darstellung immerhin 600.000,00 DM verzichtet hätte.

Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil sich die Beklagte die Stellung der Vertragserfüllungsbürgschaft in ihren als Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 1 Abs. 1 AGBG zu qualifizierenden Zuschlagschreiben vom 6. Juli 1990 ausbedungen hat (vgl. OLG Stuttgart BauR 1994, 376; NJW-RR 2000, 546). Die von der Berufung herangezogene Entscheidung des BGH vom 18. April 2002 (WM 2002, 1514), wonach die Verpflichtung eines Bauunternehmers in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Bestellers, zur Sicherung von Vertragserfüllungsansprüchen eine Bürgschaft auf erstes Anfordern zu stellen, wegen Verstosses gegen § 9 AGBG unwirksam ist, kann auf den vorliegenden Sonderfall nicht übertragen werden. Da es sich bei der Beklagten um einen öffentlichen Auftraggeber handelt, besteht bei ihr kein Liquiditätsrisiko. Im Fall der unberechtigten Inanspruchnahme der Bürgschaft durch die Beklagte wird der Klägerin bei der Durchsetzung ihrer Rückforderungsansprüche das Risiko der Insolvenz ihres Auftraggebers also gerade nicht aufgebürdet. Damit passt der tragende Gedanke der zitierten Entscheidung im vorliegenden Fall aber nicht. Der BGH hält nämlich die Verpflichtung zur Gestellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft in von dem Auftraggeber vorgegebenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen gerade wegen der mit dieser Vorgehensweise verbundenen Überbürdung des Liquiditätsrisikos des Auftraggebers bei der nachfolgenden Durchsetzung etwaiger Rückforderungsansprüche des Auftragnehmers für i.S.d. § 9 AGBG unangemessen (im Ergebnis ebenso: OLG Stuttgart aaO; aA: OLG Köln BauR 2000, 1228; Hogrefe BauR 1999, 111, 114; Ingenstau/Korbion, VOB, 14. Aufl., § 17 Rdn. 103).

Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung der Berufung auch nicht aus § 14 VOB/A, wonach öffentliche Auftraggeber Sicherheiten nur restriktiv verlangen sollen. Jedenfalls bei Aufträgen des streitgegenständlichen Umfanges ergeben sich wegen der mit diesen verbundenen erheblichen wirtschaftlichen Risiken aus der genannten Bestimmung keine durchgreifenden Bedenken gegen das Anfordern auch einer Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern.

Demgegenüber ist entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung die Anwendung des § 9 AGBG vorliegend nicht schon durch § 8 AGBG ausgeschlossen. Zum einen betrifft § 18 Nr. 4 VOL/B nicht Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistung, sondern, wie sich aus der Überschrift der Bestimmung eindeutig ergibt, eine Sicherheitsleistung. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 18 Nr. 6 VOB/L, da diese Regelung lediglich den Zeitpunkt der Erbringung der Sicherheit betrifft. Zum anderen sieht § 18 Nr. 4 VOL/B entgegen der Darstellung der Beklagten gerade nicht die Stellung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern, sondern einer selbstschuldnerischen Bürgschaft vor.

Unter diesen Umständen konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 308.524,15 Euro (= 603.420,78 DM) festgesetzt (Antrag zu 1a: 306.775,13 Euro; Antrag zu 1b: 982,08 Euro; Antrag zu 2: 766,94 Euro).

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n.F. nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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