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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 29.09.2000
Aktenzeichen: 10 U 1937/99
Rechtsgebiete: ZPO, AHB, BGB, VVG


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 693 Abs. 2
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 269 Abs. 3
ZPO § 515 Abs. 3
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 1
AHB § 9 II Nr. 2
AHB § 9 I AHB
BGB § 188 Abs. 2
BGB § 209 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 242
BGB § 284 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1 a.F.
VVG § 8 Abs. 3
VVG § 12 Abs. 1
VVG § 40 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

- abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO -

Geschäftsnummer: 10 U 1937/99 3 O 119/99 LG Koblenz

Verkündet am 29. September 2000

Gilles, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Werner und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Binz und Dr. Reinert auf die mündliche Verhandlung vom 8. September 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung des Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 18. November 1999 teilweise abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.937,60 DM nebst 4 % Zinsen seit 12.1.1999 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage, soweit noch anhängig, abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges haben die Klägerin 60 % und der Beklagte 40 % zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin 52 % und dem Beklagten 48 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Klägerin, mit der sie nach teilweiser Berufungsrücknahme und teilweiser Klagerücknahme nur noch Prämienrückstände für die Zeit vom 1.1.1996 bis 30.4.1998 in Höhe von 13.890,80 DM nebst Zinsen beansprucht, hat teilweise Erfolg.

Der eingeschränkt weiterverfolgte Prämienanspruch der Klägerin ist nur für die Zeit vom 1.1.1996 bis 30.4.1997 begründet, d.h. in Höhe von insgesamt 7.937,60 DM (monatlich 496,10 DM x 16 Monate) nebst Zinsen. Ansprüche für den restlichen Zeitraum (1.5.1997 bis 30.4.1998) bestehen dagegen nicht.

1. Die im Jahre 1992 begonnene und für eine Laufzeit von 10 Jahren geschlossene Betriebshaftpflichtversicherung (Bl. 23) ist durch die Kündigungserklärung des Beklagten vom 19.8.1994 nicht vorzeitig beendet worden.

a) Die auf die vorausgegangene Schadensregulierung gestützte Kündigung zum 31.8.1994 (Bl. 12), der die Klägerin mit Schreiben vom 25.8.1994 unverzüglich widersprochen hat (Bl. 14), ist - wie das Landgericht zutreffend angenommen hat - verfristet und damit wirkungslos gewesen.

Das dem Versicherungsnehmer eingeräumte außerordentliche Kündigungsrecht nach § 9 II Nr. 2 AHB für den Fall, dass unter anderem von dem Versicherer aufgrund eines Versicherungsfalles eine Schadensersatzzahlung geleistet wird, erlischt, wenn es nicht spätestens einen Monat, nachdem die Zahlung geleistet ist, ausgeübt wird. So liegt es hier.

Bei der für die Ausübung des Kündigungsrechts bestimmten Monatsfrist nach § 9 II Nr. 2 AHB ("... nachdem die Zahlung geleistet ist ...") kommt es für den Fristbeginn in Übereinstimmung mit dem Landgericht auf den Zeitpunkt der Leistungshandlung, nicht aber auf den späteren Zeitpunkt des Leistungserfolges bei der Scheckbegebung an (vgl. BGHZ 44, 178/180). Maßgebend ist also bereits der Zeitpunkt der Scheckhingabe an den Beklagten, den das Landgericht mangels anderer Anhaltspunkte auf den 19.7.1994 (Scheckeinreichung durch Beklagten laut Beleg Bl. 62) datiert hat; der spätere Zeitpunkt der Scheckeinlösung ist dagegen nicht entscheidend.

Die Monatsfrist des § 9 II Nr. 2 AHB ist somit gemäß § 188 Abs. 2 BGB am 19.8.1994 abgelaufen gewesen. Bis zu diesem Zeitpunkt war die - auf dem Postweg per Einschreiben abgesandte - Kündigung vom 19.8.1994 indessen der Klägerin nicht zugegangen. Das Einschreiben ist ihr erst am 23.8.1994, damit also nach Ablauf der Monatsfrist, zugegangen. Die vorausgegangene Bereitlegung des Einschreibebriefes, die nach Auskunft der Post am 22.8.1994 erfolgt war (Bl. 13) und die unter diesem Datum ebenfalls verfristet gewesen ist, begründete noch keinen Zugang; erst mit der Abholung - hier also am 23.8.1994 - ist der Einschreibebrief zugegangen (vgl. BGHZ 137, 205/208 f). Tatsachen für eine Annahmevereitelung oder für eine arglistige Zugangsvereitelung liegen im Übrigen nicht vor.

b) Die Kündigung des Beklagten vom 19.8.1994 kann auch nicht in eine ordentliche Kündigung nach § 9 I AHB mit Ablauf Mai 1995 oder in eine Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt nach § 8 Abs. 3 VVG mit Ablauf Mai 1997 umgedeutet werden.

Die Umdeutung in eine ordentliche Kündigung nach § 9 I AHB zum Ablauf des jeweiligen Versicherungsjahres entfällt bereits deshalb, weil die Parteien eine Vertragslaufzeit von 10 Jahren vereinbart haben und die den Musterbedingungen entsprechende Regelung des § 9 I AHB bei vernünftiger Auslegung keinen Raum für die von dem Beklagten behauptete Unklarheit enthält.

Die Umdeutung in eine Kündigung nach § 8 Abs. 3 VVG in der Fassung des Gesetzes vom 17.12.1990 (BGBl. I, S. 2874), das auf die in der Zeit vom 1.1.1991 bis 24.6.1994 geschlossenen Verträge anzuwenden ist (vgl. Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., 8 Rdnr. 33 ff), scheidet deshalb aus, weil ein entsprechender Wille des Beklagten aufgrund äußerer Tatsachen nicht feststellbar ist (vgl. Römer/Langheid, VVG, § 8 Rdnr. 16). Ein dahingehender objektivierbarer Kündigungswille des Beklagten hätte - nach der Zurückweisung der Kündigung durch die Klägerin mit Schreiben vom 25.8.1994 - indessen vorausgesetzt, dass der Beklagte zumindest hilfsweise eine freiwillige Zahlungsbereitschaft über den 31.8.1994 hinaus bis zu dem für ihn richtig gehaltenen Zeitpunkt des § 8 Abs. 3 VVG gegenüber der Klägerin erklärt hätte. Daran fehlt es aber, wie das vorprozessuale und prozessuale Verhalten des Beklagten hinreichend belegt.

2. Der somit grundsätzlich fortbestehende Anspruch der Klägerin auf Prämienrückstände für die noch anhängige Zeit ab 1.1.1996 ist auch nicht verjährt.

Die zweijährige Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 VVG ist durch den am 30.12.1998 erlassenen und noch innerhalb des nach § 693 Abs. 2 ZPO maßgebenden Zeitraumes "demnächst" am 12.1.1999 zugestellten Mahnbescheides wirksam unterbrochen worden, §§ 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB, 693 Abs. 2 ZPO. Die vorübergehende prozessuale Untätigkeit der Klägerin nach der Zustellung des Mahnbescheides hat an der Wirksamkeit der Verjährungsunterbrechung nichts geändert, sondern lediglich eine neu beginnende Verjährungsfrist von zwei Jahren ausgelöst (§§ 213 Satz 1, 212 a Satz 2, 211 Abs. 2 BGB). Innerhalb dieser neu laufenden Verjährungsfrist hat die Klägerin das Verfahren aber mit Schriftsatz vom 12.7.1999 wieder aufgenommen.

3. Der Anspruch der Klägerin ist allerdings hinsichtlich der Prämienrückstände für die Zeit vom 1.5.1997 bis 30.4.1998 gemäß § 40 Abs. 2 VVG i.V.m. § 242 BGB verwirkt, denn auf die qualifizierten Mahnungen vom 22.1.1997 (Bl. 130) und vom 10.3.1997 (Bl. 39) hat sie ohne Darlegung hinreichender Gründe für die hinausgeschobene Kündigung erst kurz nach Beginn der neuen Versicherungsperiode am 9.5.1997 gekündigt.

Der Versicherer, der seine Kündigung nicht schon mit der qualifizierten Mahnung verbindet, sondern erst den Erfolg der Mahnung abwarten will und dann in angemessener Zeit die Kündigung ausspricht, handelt grundsätzlich nicht rechtsmissbräuchlich, auch wenn dadurch der Vertrag erst in der neuen Versicherungsperiode endet. Diesem Versicherer steht nach § 40 Abs. 2 VVG die volle Prämie für die begonnene Versicherungsperiode zu, auch wenn er keine Gegenleistung erbringt und gemäß § 39 Abs. 2 leistungsfrei ist (vgl. Römer/Langheid, a.a.O., § 40 Rdnr. 6; a.A.: Prölss/Martin, a.a.O., § 40 Rdnr. 5). Hat der Versicherer die Kündigung indessen unter Verstoß gegen Treu und Glauben hinausgeschoben, wie etwa bei einer längeren Dauer ohne Angabe plausibler Gründe, ist dem Prämienanspruch für die neu begonnene Versicherungsperiode der Erfolg zu versagen (Römer/Langheid, a.a.O.). So liegt es hier für die Zeit ab 1.5.1997.

Die Klägerin hat, auch nach dahingehenden Einwänden des Beklagten und nach Erörterung dieses Streitpunktes in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, keine plausiblen Gründe dafür vorbringen können, weshalb sie auf die beiden qualifizierten Mahnungen vom 22.1.1997/10.3.1997 erst am 9.5.1997 die Vertragskündigung ausgesprochen hat. Der anwaltlich vertretene Beklagte hatte bereits am 14.3.1997 (Bl. 40 - 41) zu der letzten qualifizierten Mahnung Stellung genommen und eine endgültige Leistungsverweigerung erklärt. Hierauf hatte die Klägerin mit Schreiben vom 4.4.1997 (Bl. 43) geantwortet. Nachvollziehbare Gründe dafür, weshalb die Klägerin dennoch bis zur neu beginnenden Versicherungsperiode (ab 1.5.) zugewartet und erst am 9.5.1997 gekündigt hat (statt bereits am 4.4.1997), sind nicht dargetan mit der Folge, dass Prämienansprüche für die Zeit vom 1.5.1997 bis 30.4.1998 gemäß § 242 BGB verwirkt sind.

Eine Verwirkung für einen früheren Zeitraum kann der Senat - entgegen dem angefochtenen Urteil - nicht feststellen.

Soweit die Klägerin erstmals mit Schreiben vom 21.9.1994 qualifiziert den Beitragsrückstand für den Monat August 1994 angemahnt hat (Bl. 128), konnte hierdurch noch keine Verwirkung für Ansprüche ab 1.5.1995 entstehen: Die Klägerin hat die Prämienrückstände für die Zeit vom 1.8.1994 bis 31.12.1994 eingeklagt, hierüber am 11.1.1996 beim Amtsgericht Siegen ein obsiegendes Urteil erlangt und auf die titulierte Forderung auch entsprechende Zahlungen durch den Beklagten im Jahre 1996 erhalten. Nach der Zahlung hat aber zunächst wieder Versicherungsschutz für den Beklagten bestanden, denn die nächsten qualifizierten Mahnungen der Klägerin sind ausweislich des Prozessvortrages erst am 22.1.1997/10.3.1997 erfolgt. Verwirkung infolge grundlos hinausgeschobener Kündigung kann demgemäß, wie oben dargestellt, erst für die Zeit ab 1.5.1997 angenommen werden.

3. Der Zinsanspruch ab Zustellung des Mahnbescheides (= 12.1.1999) folgt aus §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 a.F. BGB.

II.

Die Anschlussberufung des Beklagten, mit der er die vom Landgericht zugesprochenen Prämienansprüche vom 1.1.1995 bis 30.4.1995 und konkludent den darauf beruhenden Kostenpunkt angegriffen hat, ist nach der teilweisen Klagerücknahme in der Hauptsache gegenstandslos geworden und hat daher nur noch wegen des verbliebenen Kostenpunktes Erfolg. Infolge der Teilklagerücknahme fallen nämlich die anteiligen Kosten der Klägerin zur Last (§ 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO).

Der Senat hat dabei den in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag des Beklagten zur Anschlussberufung unter Berücksichtigung der Tatsache, dass er zuvor der Teilklagerücknahme zugestimmt hat, dahin ausgelegt, dass dieses Rechtsmittel nur noch auf den verbliebenen Kostenpunkt beschränkt sein soll (vgl. Zöller, ZPO, 21. Aufl., § 521 Rdnr. 24).

III.

Die Kostenentscheidung beruht - unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Streitwerte für beide Instanzen und der gestaffelten Streitwerte im Rechtsmittelzug mit daraus folgen den unterschiedlichen Gebührenstufen - auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3, 515 Abs. 3 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision, wie vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung angeregt, liegen die Voraussetzungen des § 546 Abs. 1 ZPO nicht vor.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird wie folgt festgesetzt:

Bis zum 30.8.2000: 19.844,-- DM (Berufung: 17.859,60 DM; Anschlussberufung: 1.984,40 DM); vom 31.8.2000 bis 8.9.2000 : 15.875,20 DM (Berufung: 13.890,80 DM; Anschlussberufung: 1.984,40 DM) ab 8.9.1990 : 13.890,80 DM (ab Zustimmung zur Teilklagerücknahme)

Die Beschwer beträgt:

Für die Klägerin: 5.953,20 DM, für den Beklagten: 7.937,60 DM.

Ende der Entscheidung

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