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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 06.09.2002
Aktenzeichen: 10 U 1950/01
Rechtsgebiete: MB/KT


Vorschriften:

MB/KT § 1 Abs. 2
MB/KT § 1 Abs. 3
1. Ein Anspruch auf Zahlung von Krankentagegeld gilt nur für solche Zeiträume, in denen eine vollständige Arbeitsunfähigkeit vorgelegen hat. Ist der Versicherer teilweise in der Lage, seiner Berufstätigkeit nachzugehen, besteht kein Anspruch auf Krankentagegeld (in Anknüpfung an Senatsurteil vom 3.12.1999 - 10 U 307/99 - NVersZ 2000, 229 = VersR 2000, 1532 selbständiger Möbelmonteur).

2. Auch wenn der Versicherungsnehmer als selbständiger Architekt und freier Mitarbeiter eines Architekturbüros im Wesentlichen damit beauftragt war, Großbaustellen zu beaufsichtigen und die Bauleitung vorzunehmen, und er dabei gezwungen war, große Strecken mit einem PKW zu fahren und ungesicherte Baustellen über Leitern und Hilfswege zu inspizieren, in Baugruben herabzusteigen, Flach- und Satteldächer zu besteigen, damit Belastungen der Hände und der Wirbelsäule auftraten, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit, nicht aber zur völligen Arbeitsunfähigkeit führten, genügt dies nicht, um einen Krankentagegeldanspruch zu begründen.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a.F.

Geschäftsnummer: 10 U 1950/01

Verkündet am 6. September 2002

In dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert und Dr. Koch und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juni 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 15. November 2001 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.015,51 € (3.942,-- DM) nebst 4 % Zinsen seit 3.11.1999 zu zahlen. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Kläger 88/100, die Beklagte 12/100. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu 19/20, die Beklagte zu 1/20 tagen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Kläger ist selbständiger Architekt. Er unterhält bei der Beklagten eine Krankenversicherung, die auch ein Krankentagegeld nach dem Tarif KTG 8, Stufe 219 umfasst. Vom 8. Tag einer völligen Arbeitsunfähigkeit steht ihm ein Tagessatz von 219,-- DM zu.

Grundlage des Versicherungsvertrages sind die Allgemeinen Versicherungsbedingungen Teil I (MB/KT), Teil II (Signal Tarifbedingungen) und Teil III (Tarif KTG).

Seit Sommer 1998 litt der Kläger teilweise unter erheblicher Beeinträchtigung der Bewegungs- und Steuerungsfähigkeit beider Arme. Er befand sich in ärztlicher Behandlung.

Für die Zeiträume vom 07.10.1998 bis zum 11.11.1998, dem 18.03.1999 bis zum 22.04.1999 und dem 04.05.1999 bis zum 09.06.1999 erkannte die Beklagte eine völlige Arbeitsunfähigkeit des Klägers an und zahlte an ihn unter Berücksichtigung von jeweils 7 Tagen Karenzzeit insgesamt 19.272,-- DM.

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger im Zeitraum vom 14.10.1998 bis zum 09.06.1999 durchgehend und ohne Unterbrechung vollkommen arbeitsunfähig krank war.

Der Kläger hat vorgetragen, er sei in dem Zeitraum vom 7.10.1998 bis 9.6.1999 durchgehend und ohne Unterbrechung arbeitsunfähig gewesen.

Der Kläger beansprucht für den Zeitraum vom 7.10.1998 bis 9.6.1999 Krankentagegeld in Höhe von insgesamt 52.341,-- DM, worauf die Beklagte 19.272,-- DM gezahlt hat.

Der Kläger hat demzufolge beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 33.069,-- DM zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatzüberleitungsgesetzes vom 09. Juni 1998 zu zahlen.

Das Landgericht hat der Klage lediglich in Höhe von 2.409,-- DM zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz nach § 1 Diskontsatzüberleitungsgesetz vom 9.6.1998 stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers, soweit eine Klageabweisung erfolgt ist. Mit der Anschlussberufung wendet sich die Beklagte gegen die Anwendung des1 Diskontsatzüberleitungsgesetzes mit einer Verzinsung über 4%-Punkten.

II.

Die Berufung ist nur in geringem Umfange begründet.

1) Nach § 1 Abs. 2 und 3 MB/KT besteht ein Anspruch auf Zahlung von Krankentagegeld nur für solche Zeiträume, in denen ein vollständige Arbeitsunfähigkeit vorgelegen hat. Ist der Versicherungsnehmer teilweise in der Lage, seiner Berufstätigkeit nachzugehen, besteht kein Anspruch auf Krankentagegeld (vgl. auch Senatsurteil vom 3.12.1999 - 10 U 307/99 - NVersZ 2000, 229 = VersR 2000, 1532, selbständiger Möbelmonteur).

a) Das Landgericht ist aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass in dem Zeitraum vom 07.10.1998 bis zum 09.06.1999 eine völlige Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht durchgehend gegeben war. Der Sachverständige Dr. B hat in seinenn nervenärztlichem Gutachten vom 28.02.2001 (GA 82 ff.), gestützt auf eine vorausgegangene orthopädische und neurologische Begutachtung, ausgeführt, der Kläger sei zunächst in der Zeit vom 07.10. bis zum 11.11.1998 in vollem Umfange arbeitsunfähig gewesen. Danach seien aber, und dies vor allem unter Berücksichtigung der beruflichen Tätigkeit des Klägers, durchaus aufsichtsführende Tätigkeiten zumutbar gewesen, womit eine völlige Arbeitsunfähigkeit nicht anzunehmen sei. Das bei dem Kläger bestehende Karpaltunnelsyndrom bedinge keine vollständige Arbeitsunfähigkeit. Dies könne nur der Fall sein, wenn es zu einer abnormen Belastung der Hände komme, was bei der Tätigkeit des Klägers nicht der Fall sei. Der Sachverständige führte ferner aus, dass sich die Beschwerden des Klägers postoperativ deutlich gebessert hätten, wobei angesichts der Wundheilung nach der Operation für den Zeitraum vom 30.03.1999 bis zum 10.06.1999 wieder eine vollständige Arbeitsunfähigkeit anzunehmen sei. Auch der Senat schließt sich den von Sachkunde getragenen Feststellungen des Sachverständigen an.

b) Das Berufungsvorbringen ist nicht geeignet, eine andere Beurteilung herbeizuführen. Auch wenn der Kläger als freier Mitarbeiter eines Architektenbüros im Wesentlichen damit beauftragt war, Großbaustellen zu beaufsichtigen und die Bauleitung vorzunehmen, und er dabei gezwungen war, große Strecken mit einem PKW zu fahren und ungesicherte Baustellen über Leitern und Hilfswege zu inspizieren, in Baugruben herabzusteigen, Flachdächer und Satteldächer zu besteigen, dabei Belastungen der Hände und Wirbelsäulenbeschwerden auftraten, führte dies dennoch nicht zu einer völligen Arbeitsunfähigkeit, sondern allenfalls, wenn man seinem Vortrag folgt, zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit, die aber nach den Vertragsbedingungen nicht genügt, um einen weiteren Krankentageldanspruch zu begründen.

Der Senat sieht keine Veranlassung, das in erster Instanz erstellte Gutachten vom Sachverständigen mündlich nochmals erläutern zu lassen oder ein weiteres Gutachten einzuholen.

2) Aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen steht fest, dass dem Kläger auch für den Zeitraum vom 23.4.1999 bis zum 3.5.1999 ein Krakentagegeld von 219,-- DM täglich zusteht. Das Landgericht hat dementsprechend zu Recht dem Kläger für 11 Tage einen Betrag von 2.409,-- DM zugesprochen, dabei aber übersehen, dass dem Kläger für weitere 7 Tage ein Krankengeldtagegeld zusteht. Da für den Zeitraum vom 30.3.1999 bis 10.6.1999 eine durchgehende völlige Arbeitsunfähigkeit vorgelegen hat, war die Beklagte nur einmal berechtigt, 7 Tage Karenzzeit in Abzug zu bringen. Dem Kläger stehen über die zuerkannten 2.409,-- DM weitere 1.533,-- DM zu, so dass sich insgesamt ein Betrag von 3.942,-- DM (2.015,51 €) ergibt.

Die Anschlussberufung rügt zu Recht, dass dem Kläger nach §§ 286, 288 BGB a.F. nur Verzugszinsen in Höhe von 4 % zustehen und nicht 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz nach 1 Diskontsatzüberleitungsgesetz. § 288 BGB n. F. ist gemäß Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30.3.2000 (BGBl. I 2000, 330) erst zum 1.5.2000 in Kraft getreten und betrifft nicht Altforderungen.

Das Urteil war, wie tenoriert, teilweise abzuändern und neu zu fassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.676,21 € (30.659,83 DM) festgesetzt. Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, § 543 Abs. 1 ZPO n.F.

Ende der Entscheidung

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