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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 21.04.2005
Aktenzeichen: 10 U 2/04
Rechtsgebiete: ZPO, HGB


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 321 a
HGB § 377
1. Das Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO gewährleistet grundsätzlich, dass das rechtliche Gehör zu den die Berufungszurückweisung tragenden Gründen von vornherein umfassend gewahrt ist.

2. Soweit die Zurückweisungsentscheidung auf die gleichen Gründe gestützt ist, die Gegenstand des vorherigen Hinweises nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO waren, kann eine Gehörsrüge zu solchen Punkten von vornherein nicht begründet sein, die nicht bereits in der Stellungnahme auf den Hinweisbeschluss geltend gemacht worden sind. Offen bleibt, welche Bedeutung der Einhaltung der nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO gesetzten Frist insoweit zukommt.

3. Hiernach verbleibt insoweit eine mögliche Begründetheit der Gehörsrüge, wenn die Zurückweisungsentscheidung auf in der Stellungnahme nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO geltend gemachte Punkte nur entweder gar nicht, in offensichtlich sachlich grob unvertretbarer Weise oder unter Verletzung gehörsrelevanten Verfahrensrechts eingeht oder - überraschend - auf Gründe gestützt wird, zu denen nicht zuvor ein entsprechender Hinweis erteilt wurde.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 10 U 2/04

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert

am 21. April 2005

beschlossen:

Tenor:

Die zu dem Senatsbeschluss vom 27. Januar 2005 erhobene Gehörsrüge der Klägerin wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Gehörsrüge ist in Wahrung von Frist und äußerer Form erhoben. Ob auch ihre Begründung insoweit aufzustellenden Zulässigkeitsanforderungen durchweg entspricht, kann dahingestellt bleiben.

Die zur Versagung rechtlichen Gehörs erhobenen Rügen greifen in der Sache nicht durch.

II.

A. 1. Der Senat hatte mit Beschluss vom 11. November 2004 unter Darlegung der Gründe und Setzung einer Äußerungsfrist darauf hingewiesen, dass er erwäge, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Klägerin hatte hierzu mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2004 Stellung genommen.

Im Zurückweisungsbeschluss vom 27. Januar 2005 ist der Senat unter Beibehaltung seiner Darlegungen im Hinweisbeschluss auf sämtliche von der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 15. Dezember 2004 geltend gemachten Punkte eingegangen; neue Gründe für die Zurückweisung der Berufung werden in dem abschließenden Beschluss vom 27. Januar 2005 nicht angeführt.

Bereits hiernach ist grundsätzlich festzustellen, dass eine Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör nicht gegeben ist:

Zu den dem Zurückweisungsbeschluss zugrunde liegenden Gründen ist der Klägerin bereits mit dem Hinweisbeschluss vom 11. November 2004 umfassend rechtliches Gehör gewährt worden; ihre Stellungnahme hierzu ist im Zurückweisungsbeschluss im Einzelnen sachlich verbeschieden worden.

Insofern führt die in § 522 Abs. 2 ZPO vorgesehene Verfahrensgestaltung, die gerade der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs dient, bei entsprechender Handhabung, wie im vorliegenden Fall, bereits von vornherein dazu, dass der abschließende Zurückweisungsbeschluss zunächst grundsätzlich nicht auf einer Versagung rechtlichen Gehörs beruhen kann.

2. Hiernach bleiben aus der Sicht des Senats bei korrekter Handhabung des Verfahrens nach § 522 Abs. 2 ZPO nur zwei Möglichkeiten einer begründeten Gehörsrüge wegen Beruhens der Endentscheidung in diesem Verfahren auf der Versagung rechtlichen Gehörs:

Zum einen gilt zwar, dass es dann, wenn Parteivorbringen bei der entscheidungserheblichen rechtlichen Beurteilung überhaupt berücksichtigt und nicht übergangen worden ist, grundsätzlich unerheblich ist, ob die betreffende rechtliche Beurteilung selbst rechtlich zutreffend oder aber rechtsfehlerhaft ist, denn die Gewährleistung des Art. 103 Abs. 1 GG bezieht sich allein auf den Zugang der Partei zur richterlichen Entscheidungsfindung, nicht auf die sachliche Richtigkeit derselben als solche. Jedoch kann in Ausnahmefällen eine grob fehlerhafte, mit der Rechtsordnung offensichtlich schlechthin nicht vereinbare - damit auch zugleich willkürliche/gesetzesfremde, Art. 3, 20 Abs. 3 GG - Sachentscheidung zugleich als Gehörverletzung verstanden werden, wenn sie wegen ihrer Fehlerhaftigkeit schlechthin nicht als vertretbare richterliche Berücksichtigung und Würdigung des betreffenden Parteivorbringens angesehen werden kann. Insoweit könnte aus der Sicht des Senats die Gehörsrüge trotz äußerlich umfassender Gewährung rechtlichen Gehörs bereits aufgrund der Gewährleistungen des Verfahrens nach § 522 Abs. 2 ZPO auch ausnahmsweise an eine objektive Willkürlichkeit der Sachentscheidung anknüpfen und eine Korrektur derselben im Verfahren nach § 321 a ZPO unter dem Gesichtspunkt der zugleich gegebenen Gehörsverletzung erwirken.

Zum anderen kann auch dann, wenn zu dem Parteivorbringen selbst zunächst das rechtliche Gehör gewährt ist, eine Handhabung des Verfahrensrechts, die dem Vorbringen einer Partei die sachliche Berücksichtigung versagt, Verletzung des rechtlichen Gehörs sein, wenn sie auf einer im Licht von Bedeutung und Tragweite der Gehörsgewährleistung fehlerhaften Auslegung und Anwendung auch "einfach- rechtlicher" Verfahrensbestimmungen von Gehörserheblichkeit beruht (z.B. Stichwort: Übergehung von entscheidungserheblichem Beweisantritt, fehlerhafte Präklusion).

3. Für eine begründete Gehörsrüge wird man indes auch in diesen beiden Ausnahmefällen weiter - neben der immer erforderlichen Darlegung, dass die beanstandete Sachentscheidung auf der Gehörsverletzung beruht, einschließlich gegebenenfalls der Darlegung, was bei gehöriger Gehörsgewährung zusätzlich vorgetragen worden wäre - angesichts der durch das Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO bereits gewährleisteten besonderen Sicherung des rechtlichen Gehörs und im Interesse einer Minimierung der der Rechtssicherheit (Art. 20 Abs. 3 GG) abträglichen Rechtskraftdurchbrechung nach § 321 a ZPO verlangen müssen, dass in den Fällen der Identität von Hinweis- und Zurückweisungsgründen nach § 522 Abs. 2 Satz 2 und 1 ZPO die Rügen sachlicher Willkür oder gehörswidriger Verfahrenshandhabung mit der Stellungnahme nach § 522 Abs. 2 ZPO erhoben worden sind.

Einer Partei, die diese Möglichkeit der Gehörswahrung versäumt hat, zusätzlich die Möglichkeit der Rechtskraftdurchbrechung nach § 321 a ZPO zu eröffnen, wäre nämlich mit dem ebenfalls grundrechtlich fundierten Recht der Gegenseite auf im Vertrauen auf Rechtskraft gegründete Rechtssicherheit mangels objektiver Notwendigkeit auch in Bezug auf Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren. Bei richtigem Verständnis hat die betreffende Partei sich mit dem Unterlassen der Rüge auch in der Sache ihres Gehörsanspruchs begeben.

4. Im Ergebnis bleibt danach Raum für eine begründete Gehörsrüge im Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO nur bei gehörswidriger Fehlbehandlung auf den Hinweis hin erhobener Beanstandungen oder einer gehörswidrigen Überraschungsentscheidung, mit der aufgrund des Hinweises nicht gerechnet werden konnte.

B. Bei Anlegung der sich aus dem Vorstehenden ergebenden Maßstäbe gilt zunächst, wie bereits eingangs festgestellt, dass aus der Sicht des Senats vorliegend Hinweis- und Zurückweisungsgründe identisch sind und im Zurückweisungsbeschluss sämtliche Anliegen der Klägerin zum Hinweisbeschluss sachlich und ohne erkennbare gehörsrelevante verfahrensrechtliche Fehler verbeschieden worden sind - damit umfassend rechtliches Gehör gewährt worden ist -.

Dazu, dass hierbei auch die vorstehend aufgezeigten Grenzen der Willkürfreiheit und der verfahrensrechtlichen Gehörsgebote gewahrt worden sind, nachfolgend noch im Einzelnen, wobei - auch mit Blick auf die berechtigten Belange der Gegenseite - allerdings vorab festzuhalten ist, dass in der Stellungnahme der Klägerin vom 15. Dezember 2004 Rügen der Gehörsverletzung nach dem Verständnis des Senats weder allgemein noch unter den Gesichtspunkten von Willkür oder Verfahrensverstoß erhoben wurden:

1. Zu Mängeln des Fahrgestells wendet die Klägerin ein, insoweit sei unter Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG der Entscheidung ein Rügerechtsverlust nach § 377 HGB zugrunde gelegt worden.

Das trifft nicht zu. Die Entscheidung beruht insoweit auf der Annahme, dass ein Rechtsverlust durch Weiterbenutzung begründet worden ist.

Hierzu, wie gleichermaßen zur Bremsanlage, finden sich in der Stellungnahme der Klägerin zum Hinweisbeschluss des Senats lediglich Ausführungen zu einer abweichenden rechtlichen Würdigung und Gewichtung der gegen die Annahme eines Rechtsverlusts angeführten Umstände.

Der Senat sieht im Festhalten an der dem Hinweis zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung im Zurückweisungsbeschluss - mit knapp auf die Klägereinwände eingehender ergänzender Begründung - keinen gehörsrelevanten Rechtsfehler.

2. Soweit die Entscheidung auf Verjährung gestützt ist (nach hinten ins Wageninnere abfallende Verkaufstheke), sieht die Klägerin im Ergebnis eine Gehörsverletzung in der Annahme, dass eine die Verjährungsfrist in Lauf setzende Abnahme des Anhängers erfolgt sei.

Zu dem entsprechenden Hinweis im insoweit mit der Landgerichtsentscheidung konformen Senatsbeschluss vom 11. November 2004 wird auf den Schriftsatz vom 8. November 2004 verwiesen, in dem ausgeführt worden war, dass mit Blick auf die bereits bei Übergabe oder kurze Zeit danach erhobenen Mängelrügen eine Abnahme nicht angenommen werden könne, da die Rügen die Annahme einer Billigung als "im Wesentlichen vertragsgerecht" ausschlössen.

Der Senat sieht am Festhalten an der Begründung, in dem betreffenden Punkt sei nach erfolgter Abnahme Verjährung eingetreten, ebenfalls keine gehörsrelevante Rechtsverletzung.

Die betreffenden tragenden Ausführungen des Landgerichts waren, wie auch die Beklagte in ihrer Erwiderung auf die Gehörsrüge zu Recht anführt, bereits nicht Gegenstand der Berufungsangriffe in den Berufungsbegründungsschriftsätzen der Klägerin.

Die Beklagte verweist weiter zu Recht darauf, dass ihrem erstinstanzlichen, durch die schriftlichen Abnahmeerklärungen der Beklagten untermauerten Vorbringen zu einer (auch im Hinblick auf die Verkaufstheke) "vorbehaltlosen Abnahme" von Klägerinnenseite nur mit Gegenvorbringen zu einer doch erhobenen Rüge, nicht aber zur Abnahme als solcher entgegen getreten worden sei.

Sowohl angesichts der, wenn auch formularmäßigen, ausdrücklichen Abnahmeerklärungen einerseits als auch mit Blick auf die wertender Beurteilung bedürftigen Abgrenzungsfragen dazu, wann bei tatsächlicher Entgegennahme - und dann auch durchaus nachhaltiger Ingebrauchnahme! - wegen alsbald oder zeitnah erhobener Mängelrügen das Verhalten des Bestellers entweder in Verbindung mit hierzu ausdrücklich abgegebenen Erklärungen oder auch für sich allein ("konkludent") als Billigung als "im Wesentlichen" (trotz gerügter Mängel) "vertragsgemäß" oder als Verweigerung einer derartigen Billigung eben wegen dieser Mängel zu verstehen ist, sieht vorliegend der Senat die in Gesamtwürdigung der betreffenden Umstände vorgenommene Wertung, dass unbeschadet erhobener Rügen im Ergebnis im vorliegenden Fall von einer Abnahme als solcher auszugehen ist, nicht als auf mit Art. 103 Abs. 1 GG unvereinbarem Übergehen von Sachvortrag der Klägerin beruhend an.

Dies gilt erst Recht in Bezug auf die von der Klägerin erst mit der Gehörsrüge in die Erörterung eingeführten Rechtsfragen zur Wirksamkeit der schriftlichen Abnahmeerklärungen, die sich jedenfalls nicht ohne weiteres als offensichtlich von entscheidungserheblicher Bedeutsamkeit aufdrängen mussten. Soweit zuvor die Klägerin insoweit darauf verwiesen hatte, bei der Übergabe hinsichtlich der schriftlichen Bestätigungen von der Beklagten gewissermaßen "überfahren" worden zu sein, bedeutete die der Entscheidung zugrunde liegende diesbezügliche Bewertung des Senats als für die Beurteilung rechtserheblichen Erklärungsverhaltens letztlich unerheblich keine gehörsrelevante Rechtsverletzung.

3. Was die Frage der Anwendung von § 377 HGB angeht, beanstandet die Klägerin einmal die Annahme insoweit unsubstantiierten Sachvortrags zur Rügeerhebung, zum anderen die Bejahung der Voraussetzungen einer Anwendung der Bestimmung überhaupt als auf Gehörsverletzung beruhend.

In ihrer Stellungnahme vom 15. Dezember 2004 beschränkte sie sich indes zu ersterem Gesichtspunkt auf Gegenvorbringen zu der bereits vom Landgericht begründeten, vom Senat übernommenen Annahme, dass die betreffenden Mängel als bei gehöriger Untersuchung "offen" einzustufen waren. Am Festhalten an der insoweit vorzunehmenden graduellen Einstufung von Sachverhaltsmerkmalen in Bezug auf individuelle Sorgfalts- und Evidenzmaßstäbe vermag der Senat auch unter Berücksichtigung des diesbezüglichen Vorbringens der Gehörsrüge einen gehörsrelevanten Rechtsverstoß nicht zu sehen.

Was die Voraussetzungen einer Anwendung von § 377 HGB überhaupt angeht, sind diese aus der Sicht des Senats einschließlich des Parteivorbringens hierzu abschließend und erschöpfend im Rechtsstreit beider Instanzen, dem Hinweis vom 11. November 2004, der Stellungnahme hierzu und dem Zurückweisungsbeschluss vom 27. Januar 2005 abgehandelt worden. Ein entscheidungserhebliches Defizit im Sinne von Art. 103 Abs. 1 GG insoweit vermag der Senat nicht zu erkennen. Soweit diesbezüglich mit der Gehörsrüge zusätzliche, neue Gesichtspunkte geltend gemacht werden, kann dies nicht den Vorwurf des Übergehens vorher so nicht gehaltenen Vortrags begründen.

4. Soweit es um die Frage möglicher Anforderungen an die Zugmaschine geht, vermag der Senat in den diesbezüglich erhobenen Rügen schlechthin nichts anderes als die Wiederholung gegenteiliger rechtlicher Auffassungen und tatsächlicher Würdigungen zu sehen. Nach der vom Senat insoweit zugrunde gelegten Rechtsauffassung kam es auf diesbezügliche streitige Behauptungen der Klägerin als unerheblich nicht an, so dass es einer weiteren Sachaufklärung hierzu nicht bedurfte.

5. Der Senat hält schließlich daran fest, dass er die Bewertung der Weiterbenutzung des Fahrzeugs in der abschließenden Zurückweisungsentscheidung vom 27. Januar 2005 unter Eingehen auf die hierzu abgegebene Stellungnahme ohne Gehörsverletzung in pflichtgemäßer Abwägung der insoweit in die Beurteilung einzustellenden, im Entscheidungserheblichen hiernach unstreitigen Einzelpunkte vorgenommen hat und auch insoweit einen Anlass zu Korrektur nach § 321 a ZPO nicht sieht.

6. Abschließend hält der Senat fest, dass er auch insoweit, als in den vorstehenden Ausführungen möglicherweise vereinzelte Aspekte der erhobenen Gehörsrüge samt Begründungsausführungen nicht detailliert und im Einzelnen ausführlich angesprochen sein sollten, nach seinem Verständnis bei der Prüfung des Rechtsbehelfs den Vortrag der Klägerin umfassend und im Einzelnen zur Kenntnis genommen, verstehend erfasst und pflichtgemäß (verfassungs-)rechtlich gewürdigt hat.

III.

Die Gehörsrüge ist nach alledem zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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