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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 05.12.2008
Aktenzeichen: 10 U 207/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 767
Wenn Verfall nur für Raten von 2.000 € vorgesehen, nicht Ausdehnung auch für Rückstand mit einer Schlussrate von 1.000 €.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 10 U 207/08

Verkündet am 5. Dezember 2008

in dem Rechtsstreit Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Zeitler-Hetger und die Richterin am Landgericht Stauder auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2008 für Recht erkannt: Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 22. Januar 2008 abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die Zwangsvollstreckung aus dem zu Protokoll der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier zu Aktenzeichen 11 O 345/05 am 7. Februar 2006 abgeschlossenen Vergleich wird für unzulässig erklärt. Die Beklagte wird verurteilt, die vollstreckbare Ausfertigung des vorbezeichneten Vergleichs an die Klägerin herauszugeben. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Gründe: I. Die Parteien haben im Prozess umgekehrten Rubrums zu Aktenzeichen 11 O 345/05 vor dem Landgericht Trier am 7. Februar 2006 einen Prozessvergleich folgenden Inhalts geschlossen: "1. Die Beklagte erkennt an, der Klägerin einen Betrag aus dem in Frage stehenden Rechtsverhältnis in Höhe von 35.000 € zu schulden. 2. Der Beklagten wird gestattet, durch Zahlung von insgesamt 25.000 € den geschuldeten Betrag von 35.000 € abzugelten. 3. Der Beklagten wird gestattet, den Betrag von 25.000 € in monatlichen Raten in Höhe von 2.000 €, fällig zum 15. eines jeden Monats, beginnend mit dem 15. Februar 2006, abzuzahlen. 4. Kommt die Beklagte mit der Zahlung einer Rate von 2.000 € über einen Zeitraum von mehr als zwei Wochen in Rückstand, wird die gesamte Summe bis zu dem unter Nr. 1) genannten Betrag von 35.000 € zur Zahlung fällig und nach Maßgabe der gesetzlichen Zinsen verzinslich." Die Klägerin hat die monatlichen Raten von 2.000 € jeweils innerhalb der in Nr. 4 des Vergleichs bezeichneten Zweiwochenfrist gezahlt, die zum 15. Februar 2007 zu leistende Schlussrate von 1.000 € jedoch erst am 30. März 2007. Da die Beklagte geltend macht, wegen verspäteter Zahlung der Schlussrate schulde die Klägerin aus dem Vergleich noch den zusätzlichen Betrag von 10.000 €, hat die Klägerin begehrt, die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich insoweit für unzulässig zu erklären. Sie hat die Auffassung vertreten, eine Verpflichtung zur Zahlung weiterer 10.000 € bestehe für sie nicht, da sie nicht mit der Zahlung einer Rate von 2.000 € über einen Zeitraum von mehr als zwei Wochen in Rückstand gekommen sei. Die Klägerin hat beantragt, 1. die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vor dem Landgericht Trier - 11 O 345/06 - vom 7. Februar 2006 für unzulässig zu erklären, 2. die Beklagte zu verurteilen, die vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs vor dem Landgericht Trier - 11 O 345/06 - vom 7. Februar 2006 an die Klägerin herauszugeben. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Verspätung bei der Zahlung der Schlussrate habe die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung der weiteren 10.000 € entstehen lassen. Das Landgericht hat sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen und die Klage abgewiesen. Die Klägerin greift dieses Urteil mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung in vollem Umfang an. Sie wiederholt, ergänzt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und beantragt: 1. Die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vor dem Landgericht Trier zum Aktenzeichen 11 O 345/05 vom 7. Februar 2006 wird abändernd für unzulässig erklärt. 2. Die Beklagte wird abändernd verurteilt, die vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs vor dem Landgericht Trier zum Aktenzeichen 11 O 345/05 vom 7. Februar 2006 an die Klägerin herauszugeben. Die Beklagte beantragt: Die Berufung zurückzuweisen. Auch sie wiederholt, ergänzt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und bezieht sich auf die von ihr für zutreffend erachteten Ausführungen des Landgerichts. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes beider Rechtszüge wird auf die zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie das angefochtene Urteil des Landgerichts verwiesen. II. Die Berufung ist begründet. Die Klage ist zulässig als Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO. Die Klägerin macht mit der Klage zwar eigentlich nicht rechtsvernichtende Einwendungen gegen den "festgestellten Anspruch selbst" geltend; die Parteien streiten vielmehr im Grunde darüber, ob eine im Vergleich festgelegte Bedingung für die Pflicht zur Zahlung der weiteren 10.000 € eingetreten ist und damit diese letztlich auch vollstreckt werden können. Der Senat hält es indes aus prozessökonomischen Gründen zur Gewährung wirksamen Rechtsschutzes für sachgerecht, über das Rechtsschutzbegehren der Klägerin vorliegend im Rahmen der von ihr erhobenen Vollstreckungsgegenklage auch inhaltlich zu entscheiden. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass sich die Fragen der Auslegung eines Vollstreckungstitels, wie hier, im Grenzbereich zwischen der Prüfung materieller Einwendungen und derjenigen der formellen Titulierung bewegen und von daher dem sachlichen Rechtsschutzanliegen grundsätzlich Vorrang zu geben ist. Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin macht zu Recht geltend, dass die in dem Vergleich normierten Voraussetzungen für das Entstehen einer weiteren Zahlungspflicht über 10.000 € und damit auch die Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit des Vergleichs hinsichtlich dieses Betrages nicht gegeben sind. Nach dem Wortlaut des Vergleichs, und hierüber streiten die Parteien auch nicht ernstlich, steht eindeutig fest, dass die in dem Vergleich normierte Bedingung für den Verfall der weiteren 10.000 € nicht eingetreten ist. Nach dieser Bedingung wäre der Rückstand mit einer Rate in Höhe von 2.000 € über die Zweiwochenfrist hinaus erforderlich gewesen. Ein derartiger Rückstand lag bei der Schlussrate mit 1.000 € nicht vor. Nach Auffassung des Senats muss es dabei auch sein Bewenden haben. Es liegt eine eindeutige, klare, umfassende und unmissverständliche Regelung in einer öffentlichen Urkunde vor, die auch inhaltlich weder sinnwidrig noch widersprüchlich ist oder undurchführbar wäre. Sie betrifft eine Rechtsfolge von Erheblichkeit, hinsichtlich deren Voraussetzungen aus der Sicht beider Parteien Interesse an zweifelsfreier Klarheit gegeben war. Insbesondere für die Klägerin bedeutete sie als Regelung einer zivilrechtlichen "Strafsanktion" die maßgebliche Richtschnur für ihr zukünftiges Zahlungsverhalten, hinsichtlich deren Klarheit und Zuverlässigkeit für sie ein erhöhtes Bedürfnis an Rechtssicherheit bejaht werden kann. Insoweit kann sie zu Recht darauf verweisen, dass sie die Regelung "beim Wort nehmen" können musste, ähnlich wie es im eigentlichen Strafrecht bei dem dort geltenden strengen Analogieverbot der Fall ist. Die betreffenden Gründe geben aus der Sicht des Senats jedenfalls zunächst der Annahme beträchtliches Gewicht, dass die Regelung, wie sie im Vergleich schriftlich niedergelegt worden ist, so zu verstehen ist, wie es ihrem Wortlaut auch entspricht. Soweit die Beklagte geltend macht, Sinn und Zweck der intendierten Sanktionsregelung, die eine zügige Begleichung der Vergleichssumme sicherstellen sollte, sei mit der fehlenden Sanktion für die Schlussrate nicht hinreichend Rechnung getragen worden, ist dies demgegenüber letztlich nicht überzeugend. Es trifft zwar in der Sache zu, dass eine angestrebte vollständige Sicherstellung der zeitnahen Regulierung eine Einbeziehung auch der Schlussrate in eine Verfallregelung, wie auch immer, nahe gelegt hätte. Völlig zwingend ist dies andererseits jedoch nicht; immerhin waren mit den vorangegangenen Zahlungen 24.000 von den ausbedungenen 25.000 € ja bezahlt, und zwar in der vorgesehenen Frist. Dass die Durchsetzung der Schlussratenzahlung dann nicht mehr mit der Verfallsanktion erreicht werden konnte, sondern gegebenenfalls sogar in die Vollstreckung hätte übergegangen werden müssen, war demgegenüber zwar in der Tat eine Behinderung der Rechtsdurchsetzung der Beklagten, bedeutete andererseits aber auch nicht eine Vereitelung ihrer Rechte. Auch wenn man insoweit in einer Gesamtwürdigung der Sinnhaftigkeit der getroffenen Regelung und ihrer Interessengerechtheit durchaus mit der Beklagten bejahen kann, dass möglicherweise eine Sanktionsregelung unter Einbeziehung der Schlussrate das Regelungsanliegen zutreffender wiedergegeben hätte, kann damit aber noch nicht, wie es das Landgericht für seine Entscheidung vorausgesetzt hat, eine Vertragslücke festgestellt werden und damit eine Regelung im Sinne der Beklagten im Wege ergänzender Vertragsauslegung getroffen werden. Die Annahme einer Vertragslücke würde nämlich eine den Umständen nach hinreichende Gewissheit dahin voraussetzen, dass die Parteien bei Berücksichtigung des betreffenden Punkts auf jeden Fall für diesen eine besondere, und zwar eine andere als die aus dem ausdrücklichen Wortlaut folgende, Regelung des betreffenden Punkts vereinbart hätten. Dies kann mit der erforderlichen Gewissheit nicht angenommen werden: Mit der Regelung über die Raten von jeweils 2.000 € und deren Zahlungsfristen war jedenfalls der Großteil des Regelungsbedarfs über die noch zu leistende Summe abgedeckt. Es ist insoweit durchaus möglich, jedenfalls nicht auszuschließen, dass man mit dieser Regelung als "im Großen und Ganzen" den wesentlichen Streit erfasst, die Sache auch als abgeschlossen und ausreichend geregelt angesehen hätte, zumal die relativ geringe Schlussrate insoweit von geringerem Gewicht war und es auch durchaus erwägenswert gewesen wäre, insoweit eine Strafsanktion in der vorgesehenen Höhe als unverhältnismäßig anzusehen. Selbst wenn man, was der Senat durchaus sieht, die Möglichkeit, dass man die Schlussrate bei genauerer Betrachtung in die Sanktionsregelung einbezogen hätte, als durchaus wahrscheinlicher ansieht, reicht dies aus der Sicht des Senats nicht für die Annahme einer Vertragslücke und damit das Eingreifen der Möglichkeiten ergänzender Vertragsauslegung aus. Insofern ist jedenfalls aus den bereits dargelegten Gründen für einen Fall wie den vorliegenden von strengen Maßstäben auszugehen. Die Parteien sind folglich am Inhalt der von ihnen niedergelegten schriftlichen Regelung festzuhalten. Das aus der Sicht der Beklagten insoweit gegebene "Regelungsdefizit" hinsichtlich der Schlussrate bedeutet dementsprechend nichts anderes als die Konsequenz dessen, dass sie es versäumt hat, in Wahrung ihrer Interessen auf die Regelung des betreffenden Punktes zu ihren Gunsten selbst zu achten. Dies bedeutet für die Beklagte, dass sie es hinnehmen muss, dass mit dem verzögerlichen Zahlen der Schlussrate die Verfallbedingung zu Lasten der Klägerin nicht eingetreten ist. Aus diesem Grund macht die Klägerin, wie dargelegt, vorliegend zu Recht geltend, dass die (weitere) Zwangsvollstreckung aus der Urkunde des Vergleichs unzulässig sei. Der Klage ist insoweit, ebenso wie der auf Herausgabe des Titels, stattzugeben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Von Vollstreckungsschutzanordnungen wird gemäß § 713 ZPO abgesehen. Die Zulassung der Revision ist mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht veranlasst. Der Wert des Streitgegenstandes für den Berufungsrechtszug wird auf 10.000 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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