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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 24.11.2008
Aktenzeichen: 10 U 263/08 (1)
Rechtsgebiete: ZPO, VVG


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1
VVG § 61 a. F.
Trägt die gegebene "Indizienkette" von Verdachtsmomenten nicht die erforderliche volle Überzeugung von der Eigenbrandstiftung des Versicherungsnehmers, ist der dem Versicherer obliegende Vollbeweis nicht geführt, auch wenn im "Ausschlussverfahren" Anhaltspunkte von Gewicht für einen wahrscheinlichen anderen Ablauf nicht zu ermitteln waren. Es ist insbesondere nicht Sache des Versicherungsnehmers, einen solchen Ablauf darzutun und zu beweisen, und geht nicht zu seinen Lasten, wenn sich dahingehende Feststellungen nicht treffen lassen und der Vorgang insgesamt unaufgeklärt bleibt.
Gründe:

Der Senat erwägt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Der Beklagten wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 12. Januar 2009. Die Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nach Auffassung des Senats gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht.

Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg:

Das landgerichtliche Urteil entspricht der Rechtslage und enthält keine Fehler. Die getroffenen Feststellungen sind vollständig und rechtfertigen keine andere Entscheidung:

Das Landgericht hat der Klage zu recht und mit zutreffender und umfassender Begründung stattgegeben. Dem Kläger stehen aufgrund der mit der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsverträge über die Hausrat- und Gebäudeversicherung die geltend gemachten Versicherungsleistungen zu. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann aufgrund der von ihr aufgezeigten Umstände nicht die Feststellung getroffen werden, dass der Kläger sein Anwesen selbst angezündet hat, so dass sie gemäß § 61 VVG a. F. leistungsfrei wäre. Auch eine Obliegenheitsverletzung des Klägers, die zu einer Leistungsfreiheit der Beklagten führen könnte, ist in Übereinstimmung mit dem Landgericht nicht zu erkennen. Zur weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Auch das Vorbringen in der Berufungsbegründung gibt zu einer anderen Würdigung keine Veranlassung.

Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung darüber, ob im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren die Frage einer vorsätzlichen Brandstiftung hinreichend geklärt und festgestellt wurde, da der Kläger die Behauptung der Beklagten, der Brand seines Anwesens sei durch vorsätzliche Brandstiftung verursacht worden, nicht bestritten hat. Als Indizien dafür, dass der Kläger nach ihrer Auffassung sein Anwesen selbst angezündet habe, benennt die Beklagte zum einen den Umstand, dass eine der Außentüren nicht abgeschlossen war, zu welcher allein der Kläger einen Schlüssel hatte, zum anderen beruft sie sich auf seine finanziell angespannte Lage. Hinsichtlich des letzteren Umstandes hat das Landgericht ausführlich dargelegt, dass die finanzielle Lage im Zeitpunkt des Brandes zwar kompliziert gewesen sein mag, aber nicht in dem Maße angespannt war, wie die Beklagte dies geltend machen möchte. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass das Konto des Klägers zum 28.3.2006 mit 64.953,63 € im Soll war, betrifft dies einen Zeitpunkt mehrere Monate nach dem Brand und ist damit nicht geeignet, das angenommene Motiv für eine Eigenbrandstiftung zu belegen. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass Forderungen von 1.700 € und 1.400 € nicht hätten befriedigt werden können sowie dass ein Scheck in Höhe von 340,76 € zurückgegeben worden sei, so sind dies keine Beträge, die es als wahrscheinlich erscheinen lassen können, dass ein Eigentümer sein unterversichertes Haus selbst angezündet haben könnte, um die - verglichen mit dessen Wert zu geringe - Versicherungssumme zu erlangen. Dass die wirtschaftliche Situation des Klägers im Zeitpunkt des Brandes "desolat" war, wie die Beklagte darlegen möchte, erschließt sich aufgrund der von ihr vorgetragenen Zahlen nicht. Dem Umstand, dass eine Außentür des Gebäudes nach dem Brand unverschlossen vorgefunden wurde, mag zwar im Rahmen einer Indizienkette, in der mehrere Umstände auf eine Eigenbrandstiftung hinweisen, durchaus eine Indizwirkung von einigem Gewicht zukommen. Für sich allein genommen ist er jedoch nicht geeignet, eine Eigenbrandstiftung durch den Kläger nachzuweisen. Soweit die Beklagte sich dagegen wendet, dass das Landgericht eine Täterschaft des Klägers im Hinblick darauf, dass er am 19.11.2005 gegen 22.30 in K. war und am 20.11.2005 dort um 9 Uhr telefonisch angetroffen werden konnte, verneint hat, weil der zeitliche Rahmen zu eng war, und geltend macht, eine Begehung sei in dem zur Verfügung stehenden zeitlichen Rahmen möglich gewesen, berücksichtigt sie nicht, dass sich im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht der geringste Anhaltspunkt dafür ergeben hat, dass der Kläger in der Brandnacht die Strecke von mehreren hundert Kilometer zwischen K. und M. zweimal zurückgelegt hat. Auch die Beklagte zeigt entsprechende Anhaltspunkte nicht auf. Der Umstand, dass dies vielleicht zeitlich möglich gewesen sein mag - wenngleich auch der Senat hier die Zweifel des Landgerichts teilt - ist kein Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger diese Fahrt auch tatsächlich unternommen hat. Noch weniger stellt die hier angesprochene zeitliche Möglichkeit, in der Brandnacht zum Brandort und wieder zurück zu gelangen, ein Indiz für die von der Beklagten angenommene Eigenbrandstiftung dar. Der weitere genannte Umstand, dass aufgrund der intakten Verhältnisse zwischen dem Kläger und den übrigen Einwohnern von M. kein Anlass für einen Denkzettel oder Ähnliches bestanden habe, ist kein Indiz für eine Eigenbrandstiftung. Es weist nicht auf Eigenbrandstiftung hin, wenn für einen unbekannt gebliebenen Täter ein Motiv nicht erkennbar ist. Da der Täter nicht ermittelt wurde, sind alle Spekulationen darüber, aus welchem Personenkreis er hätte kommen können und dass für diesen Kreis kein Anlass für die Tat bestand, müßig. Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Beklagte in vollem Umfang für die Voraussetzungen des § 61 VVG a. F., also der Eigenbrandstiftung durch den Kläger, darlegungs- und beweispflichtig ist. Beweiserleichterungen kommen ihr hierbei nicht zugute. Konkrete Anhaltspunkte über die offene Außentür hinaus, die geeignet sind, im Rahmen einer Gesamtschau aller feststehenden Umstände dem Gericht die Überzeugung zu vermitteln, dass der Kläger sein Anwesen selbst in Brand gesetzt hat, sind nicht vorhanden. Soweit die Beklagte über eine Tatbegehung durch Vandalen spekuliert und dies für lebensfremd hält, vermag dies den Vortrag konkreter auf eine Täterschaft des Klägers hinweisender Tatsachen nicht zu ersetzen. Die von der Beklagten ungenau zitierte Formulierung der Rechtsprechung, dass möglichen Zweifeln an einer Tatausführung durch Dritte Schweigen geboten wird, ohne diese Zweifel völlig auszuschließen, bedeutet nicht, dass immer der Versicherungsnehmer und Eigentümer des Brandobjekts als Täter anzunehmen ist, wenn nicht die Tat einem konkreten Dritten nachzuweisen ist. Dieser Satz greift vielmehr erst dann ein, wenn hinreichende Indizien für die Täterschaft des Versicherungsnehmers sprechen, jedoch auch Umstände vorhanden sind, die auf eine Tatbegehung durch einen Dritten hinweisen können (vgl. auch Senat, OLGR 2007 S. 195). Die Frage, ob die vorliegenden Indizien ausreichend sind, um dem erkennenden Gericht die Überzeugung zu vermitteln, dass eine Eigenbrandstiftung des Versicherungsnehmers vorliegt, ist eine im Einzelfall anhand der konkreten Umstände zu treffende Tatsachenentscheidung, bei welcher insbesondere auch solche Indizien nicht vernachlässigt werden dürfen, die gegen eine Brandstiftung durch den Versicherungsnehmer sprechen. Ob andere Oberlandesgerichte bei nach Auffassung des beklagten Versicherers vergleichbaren Indizien den Beweis der Eigenbrandstiftung als geführt angesehen haben, ist für die Entscheidung des Senats, der die konkreten hier vorliegenden Umstände zu bewerten hat, unerheblich. Auch eine Obliegenheitsverletzung wegen falscher Angaben liegt nicht vor. Das Landgericht hat auch hier den Vortrag beider Parteien umfassend gewürdigt. Umstände, welche das Landgericht nicht berücksichtigt hat, werden nicht aufgezeigt. Die Mehrwertsteuer wurde zu Recht zugesprochen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger bezüglich der Entschädigung für sein privates Wohnhaus vorsteuerabzugsberechtigt wäre. Der Tenor des Urteils wird allerdings dahingehend anzupassen sein, dass aus dem zugesprochenen Betrag vor Zahlung an den Kläger weitere Beträge zu begleichen sind gemäß der Berufungserwiderung. Außerdem wurde mit Schriftsatz vom 4.6.2008 die Seiten 1 und 5 der Kopie eines weiteren Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Cochem 20.4.2008 über eine weitere Forderung des A. über 10.650,91 € vorgelegt. Eine entsprechende Anpassung des Tenors ist auch im Verfahren nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO möglich, da darin eine Abänderung des Urteils im Sinne eines Berufungserfolgs nicht zu sehen ist. Der Senat nimmt in Aussicht, den Streitwert auf 147.728,88 € festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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