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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 26.01.2007
Aktenzeichen: 10 U 296/06
Rechtsgebiete: VOL/B, BGB


Vorschriften:

VOL/B § 14 Nr. 3a
VOL/B § 14 Nr. 4 Abs. 2 S. 1
BGB § 346 a. F.
BGB § 348 a. F.
BGB § 459 Abs. 1 a. F.
BGB § 465 a. F.
BGB § 467 a. F.
Mangelhaftigkeit aufgrund während der vereinbarten Gewährleistunsfrist aufgetretenen Verdachts der Gesundheitsgefährdung während des vereinbarten Verwendungszeitraums, auch wenn im Zeitpunkt des Gefahrübergangs noch keine verbindlichen Grenzwerte gelten und solche auch im Gewährleistungszeitraum noch ausstehen, sofern der Verdacht sich auf bekanntgewordene wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse gründet und hierdurch die weitere Verwendbarkeit/Verkehrsfähigkeit des Produkts nach der Verkehrsauffassung entfällt.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 10 U 296/06

Verkündet am 26. Januar 2006

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und die Richterin am Landgericht Luther auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Streithelferin der Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 2. Februar 2006 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Streithelferin der Beklagten zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Streithelferin der Beklagten darf die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung eine Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über 210.700 Dosen "Gulasch mit Kartoffeln".

Die Klägerin beauftragte am 25.11.1996 die Beklagte - nach einer öffentlichen Ausschreibung - mit der Lieferung von insgesamt 210.700 Leichtbehältern à 300 gr "Gulasch mit Kartoffeln" zum Gesamtpreis von 366.618 DM (187.448 €) einschließlich Mehrwertsteuer. Nach Ziffer 2.4.1. der dem Vertrag zugrunde liegenden Technischen Lieferbedingungen der Klägerin TL 8940-0005/4 in der Fassung gemäß Beiblatt BWB-BA IV 5 mussten die Konserven für eine bis zu fünfjährige Lagerung bei Raumtemperatur und für eine dreimonatige Lagerung in heißen Klimazonen (bis zu + 50º C) geeignet sein. Die Gewährleistung sollte nach Ziffer 7 der Auftragsbestimmungen 24 Monate beginnend mit dem ersten auf die Herstellung folgenden Monat betragen. Unter Nr. 2 des ebenfalls Vertragsinhalt gewordenen Anlageblatts C (L) war weiter bestimmt, dass der Gewährleistungsanspruch sechs Monate nach seiner Geltendmachung, frühestens jedoch mit Ablauf der Gewährleistungsfrist verjährt.

Die Beklagte lieferte die Dosen Mitte 1997 in vier Einzellieferungen, und zwar drei à 60.200 Stück mit Herstellungsmonat April1997 und eine weitere von 30.100 Stück mit Herstellungsmonat April/Mai, an die Klägerin aus. Die Klägerin zahlte hierfür den vereinbarten Kaufpreis.

Die von der Beklagten verwendeten Leichtmetallbehälter enthielten eine mittels Kaschierkleber befestigte Innenbeschichtung. Bestandteil des Klebers ist die Chemikalie Bisphenol A-Diglycdylether (BADGE), die insbesondere bei fetthaltigen Lebensmitteln in das Füllgut migrieren kann. Herstellerin der Leichtmetallbehälter war die Streithelferin der Beklagten, die Firma X.

Der Wissenschaftliche Lebensmittelausschuss bei der Europäischen Kommission (SCF) hatte bereits am 7.6.1996 die Empfehlung abgegeben, wegen der noch ungeklärten möglichen gentoxischen und karzinogenen Wirkung von BADGE einen vorläufigen oberen Migrationsgrenzwert für diesen Stoff und seine Hydrolyseprodukte von 1 mg/kg Lebensmittel anzusetzen. Dem schloss sich das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) mit Pressebericht vom 20.11.1996 an. Unter Hinweis auf diese Empfehlungen teilte die Streithelferin allen ihren Vertragspartnern, darunter die Beklagte, sowie der Klägerin durch Schreiben vom Februar 1997 mit, dass der Kaschierkleber in den verwendeten Dosen in geringen Mengen BADGE enthalte, das unter bestimmten ungünstigen Bedingungen in das Füllgut migrieren könne. Unter dem 13.6.1997 ergänzte der SCF seine frühere Empfehlung dahingehend, dass in den vorläufigen Grenzwert von 1 mg/kg auch die Chlorhydrinaddukte (Mono- und Di-Addukte von BADGE mit HCl) einbezogen werden sollten. In einer weiteren, am 24.3.1999 veröffentlichten Stellungnahme stellte er sodann klar, dass dies für alle drei Chloraddukte (BADGE.HCl, BADGE.2HCl und BADGE.H2O.HCl) gelte.

Mit Schreiben vom 22.4.1999 meldete die Klägerin bei der Beklagten wegen der vermuteten Überschreitung des Grenzwerts von 1 mg/kg Gewährleistungsansprüche an und forderte sie sodann unter dem 23.8.1999 zur Nachbesserung unter Ablehnungsandrohung mit Fristsetzung bis zum 30.9.1999 auf.

In einem abschließenden Gutachten vom 17.9.1999 gelangte das von der Klägerin beauftragte Zentrale Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Kiel-Kronshagen (ZInstSanBW) zu dem Ergebnis, dass die von der Beklagten gelieferten Dosen Gulasch mit Kartoffeln eine mittlere Summenkonzentration von BADGE einschließlich seiner Hydrolyseprodukte und Chlorhydrinaddukte von 1,16 mg/kg aufwiesen. Das von der Beklagten beauftragte Institut R untersuchte ebenfalls Proben und stellte mit Gutachten vom 30.11.1999 fest, dass der Summengrenzwert von 1 mg/kg auch bei Einbeziehung der Hydrolyse- und Chlorhydrinaddukte in den gelieferten Lebensmitteln nicht überschritten werde.

Mit Schreiben vom 12.10.1999 lehnte die Klägerin eine Nachbesserung durch die Beklagte ab und forderte Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe des Auftragspreises. Des Weiteren forderte sie die Beklagte mit Schreiben vom 13.10.1999 erfolglos zur Abholung der gelieferten Dosen bis 2.11.1999 auf. Unter dem 22.10.1999 hat sie gegen die Beklagte Klage eingereicht, die dieser - nach Verzicht auf die Verjährungseinrede bis zum Abschluss eines Parallelrechtsstreits - am 22.2.2002 zugestellt worden ist.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Die Beklagte sei ihr zum Schadensersatz verpflichtet, da der BADGE-Gehalt in dem gelieferten Gulasch mit Kartoffeln den Grenzwert von 1 mg/kg überschreite und dieses daher nicht mehr gesundheitlich unbedenklich sei. Hilfsweise hat sie sich auf Wandlung berufen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 366.618 DM zuzüglich 4,5 % Zinsen seit dem 21.10.1999 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgabe der durch die Beklagte auf der Basis des Vertrags vom 25.11.1996, Auftragsnummer: Q/B44E/V0182/V0771 gelieferten 210.700 Dosen "Gulasch mit Kartoffeln" - Fertiggericht,

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme der auf der Basis des Vertrags vom 25.11.1996, Auftragsnummer: Q/B44E/V0182/V0771 gelieferten 210.700 Dosen Lebensmittel "Gulasch mit Kartoffeln" in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte und die Streithelferin haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben die Einrede der Schiedsgutachtervereinbarung erhoben und im Übrigen vorgetragen:

Die gelieferten Dosen seien mangelfrei, da der Grenzwert von 1 mg/kg nicht überschritten sei. Dies gelte um so mehr, als die BADGE-Chlorhydrinaddukte nicht in den Summengrenzwert mit einbezogen werden dürften, da diese nach dem Stand der Wissenschaft zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht nachweisbar gewesen seien. Darüber hinaus sei nach heutigen Erkenntnissen selbst ein Summengehalt von 1,16 mg/kg gesundheitlich unbedenklich, was sich daraus ergebe, dass die Europäische Kommission unter dem 18.10.2004 aufgrund neuerer wissenschaftlicher Studien den Erlass einer neuen Rechtsverordnung vorgeschlagen habe, wonach der Migrationswert für BADGE und BADGE H²O auf 9 mg/kg festgesetzt werden solle. Zum Zeitpunkt der Lieferungen habe es noch keinen verbindlichen Grenzwert für BADGE gegeben, da die diesbezüglich - später - ergangenen EU-Richtlinien noch nicht umgesetzt gewesen seien. Die Verwendung von BADGE sei zu diesem Zeitpunkt auch noch handelsüblich gewesen. Eine Einhaltung der präzisen technischen Vorgaben der Klägerin sei ihr - der Beklagten - nach dem damaligen Stand der Technik ohne Verwendung BADGE-haltiger Kleber nicht möglich gewesen. Im Übrigen sei der Anspruch verjährt beziehungsweise verwirkt. Die Klägerin habe spätestens im Juli 1997 ausreichend Kenntnis von der Migrationsproblematik gehabt und daher die Geltendmachung der Gewährleistungsansprüche schuldhaft verzögert. Die vertraglich vereinbarte Verlängerung der Verjährung um sechs Monate sei deshalb nach § 14 Nr. 4 Abs. 2 S. 1 VOL/B ausgeschlossen. Im Anschluss an das gerichtliche Gutachten des Fraunhofer Instituts vom 9.5.2005 haben die Beklagte und die Streithelferin weiter vorgetragen, dass entsprechend den Vorgaben der EU-Kunststoffrichtlinie und der deutschen Bedarfsgegenständeverordnung vorliegend ein (höherer) flächenbezogener und kein volumenbezogener Grenzwert heranzuziehen sei, da die Füllmenge der Dosen weniger als 500 ml betrage.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der Gründe der landgerichtlichen Entscheidung wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf das landgerichtliche Urteil verwiesen.

Hiergegen wendet sich die Streithelferin der Beklagten mit ihrer Berufung.

Die Streithelferin der Beklagten macht geltend,

Das Landgericht habe seiner Beurteilung einen unzutreffenden Migrationshöchstwert für BADGE zugrunde gelegt. Statt des massenbezogenen Grenzwertes von 1 mg/kg habe der nach der Bedarfsgegenständeverordnung zugrunde zu legende flächenbezogene Grenzwert von 0,17 mg/dm² herangezogen werden müssen. Bei dieser Berechnung hätte die vom Landgericht zugrunde gelegte BADGE-Konzentration der streitgegenständlichen Konserven den Grenzwert unterschritten, so dass ein Mangel der Konserven nicht vorgelegen habe. Die Bedarfsgegenständeverordnung in der zum Zeitpunkt der streitigen Lieferung geltenden Fassung habe ebenso wie die mit ihr umgesetzte Richtlinie 90/128/EWG der Kommission vom 23. Februar 1990 über Materialien und Gegenstände aus Kunststoff, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, vorgesehen, dass der spezifische Migrationswert bei füllbaren Bedarfsgegenständen mit einem Fassungsvermögen von weniger als 500 ml, um die es sich auch bei den streitgegenständlichen Konserven handele, in mg/dm² anzugeben sei. Dass die hier festgelegte Berechnungsweise nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers für Leichtmetallbehälter ebenso wie für Kunststoffbehälter Anwendung habe finden sollen, ergebe sich aus der Beibehaltung der entsprechenden Regelung in der 9. Änderungsverordnung zur Bedarfsgegenständeverordnung, mit welcher der Leichtmetallbehälter in den Anwendungsbereich der Bedarfsgegenständeverordnung einbezogen worden sei. Allein dies sei sachgerecht. Abweichende Regelungen für Bedarfsgegenstände aus Kunststoff und für Bedarfsgegenstände aus Leichtmetall seien nicht begründbar und unvereinbar mit den ins deutsche Recht umzusetzenden europarechtlichen Vorgaben. Die Auffassung des Landgerichts, dass aus Art. 5 der Richtlinien 2001/61/EG und 2002/16/EG die Unanwendbarkeit des flächenbezogenen Migrationshöchstwertes folge, der massenbezogene Migrationshöchstwert aber gleichwohl anzuwenden sei, sei rechtlich nicht haltbar. Dies ergebe sich auch aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 20. Dezember 2005 in einem Parallelverfahren (VIII ZR 320/04). Im Übrigen erstrecke sich die Heranziehung der Richtlinien auch auf die Übergangsfristen des Artikels 5. Da die für die streitgegenständlichen Konserven verwendeten Leichtmetallbehälter vor dem 1. Dezember 2002 in den Verkehr gebracht worden seien, seien sowohl der Migrationshöchstwert von 1 mg/kg als auch der von 0,17 mg/dm² nicht anwendbar. Hierauf komme es jedoch letztlich nicht an, da der anzuwendende Migrationshöchstwert nach dem Gutachten des Fraunhofer Instituts nicht überschritten sei.

Die Streithelferin der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 2. Februar 2006 (1 O 363/99) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin macht geltend, das Urteil des Landgerichts sei zutreffend. Es komme nicht auf die formale Überschreitung eines festgesetzten Grenzwertes an, sondern darauf, ob der Verdacht bestehe, ein Lebensmittel sei gesundheitlich nicht unbedenklich. Der seit der Veröffentlichung der Empfehlung des wissenschaftlichen Lebensmittelausschusses bei der Europäischen Kommission (SCF) vom 7.6.1996 begründete Verdacht, der Anteil von BADGE und seiner Chlorhydrinaddukte sei gesundheitlich nicht unbedenklich, sei durch die Richtlinien 2001/61/EG und 2002/16/EG der Kommission - ungeachtet der Frage ihrer Anwendbarkeit -nicht ausgeräumt worden. Im Übrigen habe bei einem Teil der Proben der festgestellte Wert der Kontaminierung auch über dem Wert von 0,1667 mg/dm² gelegen, so dass bei 210.700 Behältern nicht auszuschließen gewesen sei, dass in einer größeren Anzahl der Behälter erhöhte Werte zu erwarten gewesen seien. Jedenfalls habe sie, die Klägerin, vor Ablauf der Verfallsdaten keine Veranlassung zu der Annahme gehabt, dass der bestehende Verdacht gesundheitlicher Bedenken aufgrund der von der Beklagten jetzt geltend gemachten Berechnungsweise ausgeräumt sei. Sie sei weiterhin gehindert gewesen, die Lebensmittel den Soldaten zum Verzehr vorzusetzen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Streithelferin der Beklagten ist nicht begründet.

Das Landgericht hat der Klage zu recht in vollem Umfang stattgegeben, weil der Klägerin ein Anspruch auf Rückabwicklung des zwischen ihr und der Beklagten geschlossenen Kaufvertrages über die Lieferung von 210.700 Dosen "Gulasch mit Kartoffeln" zusteht. Den Rückzahlungsanspruch hat das Landgericht zutreffend aus § 14 Nr. 3a) VOL/B i. V. m. §§ 465, 467, 346, 348 BGB a. F. aufgrund der von der Klägerin hilfsweise erklärten Wandlung hergeleitet.

Die Wandlung war berechtigt, weil die von der Beklagten gelieferten Dosen "Gulasch mit Kartoffeln" im Zeitpunkt des Gefahrübergangs mit einem Fehler im Sinne des § 459 Abs. 1 BGB a. F. behaftet waren. Sie waren deshalb mangelhaft, weil sie nicht zu dem vertraglich vorausgesetzten Gebrauch geeignet waren. Die gelieferte Ware war zur langfristigen Versorgung der Bundeswehrangehörigen bestimmt und sollte deshalb - vertragsgemäß - für eine bis zu fünfjährige Lagerung (bei Raumtemperatur) geeignet sein. Während dieses Zeitraums musste sie den lebensmittelrechtlichen Anforderungen genügen, was - wie das Landgericht ausführlich und zutreffend dargelegt hat - aber nicht der Fall war.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen, die sich der Senat zu Eigen macht. Das Landgericht hat die rechtliche Problematik umfassend und mit zutreffender Argumentation abgehandelt. Auch das Vorbringen in der Berufungsbegründung gibt zu einer abweichenden Würdigung keine Veranlassung.

Entgegen der Auffassung der Streithelferin der Beklagten ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht für die Frage, ob das verkaufte Lebensmittel gesundheitlich unbedenklich ist oder nicht, auf den massebezogenen Grenzwert von 1mg/kg und nicht auf die flächenbezogene Berechnung, wie die Beklagte und ihre Streithelferin dies für richtig halten, abgestellt hat.

Der Senat verkennt nicht, dass es im Zeitpunkt der hier streitigen Warenlieferung kein verbindliches nationales Recht gegeben hat, das einen bestimmten Grenzwert festlegte, ab wann BADGE und seine Addukte verboten waren und die entsprechenden Lebensmittel als nicht mehr verkehrsfähig galten. Die Klägerin konnte und musste sich damit bei der vorgesehenen Verwendung des Gulasch mit Kartoffeln an den ihr bekannten internationalen Erkenntnisse zu BADGE orientieren, die ihren Niederschlag in den Stellungnahmen des SCF vom 7.6.1996 und vom 24.3.1999/6.4.1999 sowie den EU-Richtlinien 1999/91/EG vom 23.11.1999, 2001/61/EG vom 8.8.2001 und der Richtlinie 2002/16/EG vom 20.2.2002 gefunden haben, wobei auch zu beachten ist, dass der Erlass der letztgenannten Richtlinie am Ende des vertraglich vereinbarten Verwendungszeitraum liegt und ihr somit eine entscheidende Bedeutung für die Beantwortung der Frage, ob das Lebensmittel innerhalb dieses Zeitraums verwendet werden konnte, nicht zukommen kann. Es war damit von einer zulässigen Höchstgrenze für BADGE von 1 mg/kg auszugehen.

Entgegen der Auffassung der Streithelferin der Beklagten ergibt sich eine einschlägige gesetzliche Regelung, welche für die hier streitigen Dosen mit einem Fassungsvermögen von weniger als 500 ml im Zeitpunkt der Lieferung eine Angabe der BADGE-Konzentration in mg/dm² erfordert hätte, nicht aus der Bedarfsgegenständeverordnung in der Fassung vom 10. April 1992 (BGBl. I S. 866) und der mit ihr umgesetzten Richtlinie 90/128/EWG der Kommission vom 23. Februar 1990 über Materialien und Gegenstände aus Kunststoff, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen (ABl. 1990 Nr. L 75, S. 19 ff.). Sowohl die Verordnung als auch die Richtlinie galten nur für Bedarfsgegenstände aus Kunststoff, die mit Lebensmitteln in Berührung kamen, nicht aber für die vorliegend in Rede stehenden Dosen aus Leichtblech. Für diese gab es im Zeitpunkt des Vertragsschlusses sowie des Gefahrübergangs als auch während der überwiegenden Zeit, in welcher das Lebensmittel sollte gelagert werden können, keine Bestimmung, aus welcher sich ergab, dass für kleinere Gebinde unter einem Fassungsvermögen von 500 ml ein anderer Grenzwert als 1 mg/kg gelten sollte.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass mit den Richtlinien 2001/61/EG der Kommission vom 8. August 2001 und 2002/16/EG vom 20. Februar 2002 und der zu ihrer Umsetzung ergangenen 9. Verordnung zur Änderung der Bedarfsgegenständeverordnung vom 7. April 2003 der bis dahin auf Bedarfsgegenstände aus Kunststoff beschränkte Anwendungsbereich dieser Bestimmungen auf Bedarfsgegenstände aus anderen Materialien ausgedehnt wurde. Die genannten Richtlinien der Kommission liegen nach Ablauf der Gewährleistungsfrist für die hier streitigen Lebensmittel, die im Jahre 1999 abgelaufen war, und am Ende der vertraglich vorgesehenen Lagerzeit. Die 9. Verordnung zur Änderung der Bedarfsgegenständeverordnung liegt sowohl nach Ablauf der Gewährleistungsfrist als auch nach Ablauf der vorgesehenen Lagerzeit. Die Einführung einer geänderten Berechnungsweise für die hier in Rede stehenden Gebinde von 300 ml konnte nicht rückwirkend die grundsätzlich bis April 1999 von der Klägerin zu entscheidende Frage, ob sie wegen Mangelhaftigkeit der gelieferten Lebensmittel von ihren Gewährleistungsrechten Gebrauch machen soll, beeinflussen. Sie konnte auch nicht rückwirkend die Mangelhaftigkeit der gelieferten Sache beseitigen, die sich nicht aus einem abstrakten Überschreiten irgendwelcher - wie auch immer berechneter - Höchstgrenzen für den Gehalt an BADGE ergab, sondern aus dem Verdacht, dass bei Überschreiten des Höchstgrenzwertes von 1 mg/kg, der damals - im Zeitpunkt der Lieferung, im Zeitraum, in welchem die Gewährleistungsfrist ablief und weiter während des Zeitraumes der vereinbarten Lager- und Gebrauchsfähigkeit der Lebensmittel - in wissenschaftlichen Stellungnahmen und Richtlinien abgehandelt wurde, die Gefahr einer gesundheitlichen Beeinträchtigung bei Verzehr des kontaminierten Lebensmittels bestand.

Hinzu kommt, dass die Richtlinie 2001/61/EG vom 8.8.2001 und die Nachfolgerichtlinie 2002/16/EG, die erstmals allgemein die Verwendung von BADGE und seiner Derivate in mit Lebensmitteln in Kontakt kommenden Materialien und Gegenständen regeln, bei der Bestimmung des zulässigen Migrationsgrenzwertes in Anhang I auf Art. 4 der Kunststoffrichtlinie 90/128/EWG Bezug nehmen. Denn diese Richtlinien sollen nach ihrem Artikel 5 ausdrücklich keine Anwendung finden auf Materialien und Gegenstände, die vor dem 1. Dezember 2002 in der Gemeinschaft in Verkehr gebracht worden beziehungsweise vor dem 1.3.2003 in Berührung mit Lebensmitteln gekommen sind. Die streitgegenständlichen Dosen Gulasch mit Kartoffeln wurden bereits im April/Mai 1997 befüllt und Mitte 1997 an die Klägerin ausgeliefert. Die betreffenden zeitlichen Begrenzungen erschöpfen sich in der Begrenzung des Anwendungsbereichs der getroffenen positiven Regelungen; aus ihnen können weitergehende Rückschlüsse auf die jeweils dieser Zeitgrenzen geltende Rechtlage nicht gezogen werden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es für die vorliegende Entscheidung nicht von erheblicher Bedeutung, ob bis zum Inkrafttreten der Richtlinie 2001/61/EG beziehungsweise der 9. Verordnung zur Änderung der Bedarfsgegenständeverordnung für die streitgegenständlichen Konserven weder auf europäischer Ebene noch in Deutschland ein verbindlicher Grenzwert für die Migration von BADGE bestanden hat oder nicht. Der Fehler, der die Klägerin zur Wandlung berechtigte, bestand nicht im Überschreiten eines gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Höchstgrenzwerts von BADGE, sondern in der Tatsache, dass aufgrund wissenschaftlicher Untersuchungen der Verdacht bestanden hat, dass bei einer Kontaminierung der Lebensmittel mit BADGE, die einen Höchstgrenzwert von 1 mg/kg überschreitet, bei einem Verzehr des so verunreinigten Lebensmittels gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht ausgeschlossen werden können. Ein derartiger Verdacht hatte sich schon aufgrund der Empfehlungen des SCF vom 7.6.1996, 13.6.1997 und 24.3.1999 sowie der Pressemitteilung des BgVV vom 20.11.1996 ergeben. Er wurde während des gesamten hier zu beurteilenden Zeitraums nicht ausgeräumt.

Eine andere Beurteilung ist auch nicht aufgrund des Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 20. Dezember 2005 (VIII ZR 320/04) geboten. Der Bundesgerichtshof hat sich mit der hier in Rede stehenden Frage einer rückwirkenden Geltung des in der Richtlinie 2002/16/EG festgelegten Grenzwertes nicht befasst.

Da das Landgericht der Klage somit zu Recht stattgegeben hat, ist die Berufung der Streithelferin zurückzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n. F. nicht gegeben sind.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 187.448,80 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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