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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 20.09.2002
Aktenzeichen: 10 U 333/02
Rechtsgebiete: BB-BUZ, BGB, VVG, ZPO


Vorschriften:

BB-BUZ § 9 Abs. 1
BGB § 123
BGB § 123 Abs. 2
BGB § 142
BGB § 166
VVG § 16 f
VVG § 18 Abs. 2
VVG § 21
VVG § 22
VVG § 79
VVG § 161
ZPO § 91
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 256 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 11
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 10 U 333/02

Verkündet am 20. September 2002

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert und den Richter am Landgericht Dr. Janoschek auf die mündliche Verhandlung vom 30. August 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 30. Januar 2002 wird zurückgewiesen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 4.500,-- Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Mit Firmenantrag vom 23. Februar 1996 beantragte der damalige Arbeitgeber des Klägers für diesen den Abschluss einer Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Ausweislich der vorgelegten Kopie des Antrags vom 23. Februar 1996, den der Kläger unterzeichnet hat, ist bei der Formularfrage "10. Bestehen oder bestanden Beschwerden, Störungen, Krankheiten oder Vergiftungen? z.B. Herz- oder Kreislauf; Atmungs-, Verdauungs-, Harn- oder Geschlechtsorgane ..." das Nein-Kästchen angekreuzt. Die Formularfrage "12. Sind Sie in den letzten fünf Jahren untersucht, beraten oder behandelt worden, weshalb, (s. unten Ziffer 17)" ist mit Ja beantwortet. Bei der Frage "17. Wenn Sie eine oder mehrere Fragen der Ziffern 10 - 16 bejaht haben, benötigen wir noch folgende Angaben: Art und Verlauf der Krankheit (ausgeheilt?) Ergebnis der Untersuchung? Wann? Wie oft? Wie lange? ist "Routine o.B. 1/96" vermerkt.

Daraufhin gewährte die Beklagte durch Übersendung des Versicherungsscheins vom 7. März 1996, in den die besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung einbezogen sind, Versicherungsschutz. Nachdem der Kläger nach Lebertransplantationen in den Jahren 1997 und 1999 infolge Leberzirrhose arbeitsunfähig geworden war, wandte er sich mit Schreiben vom 17. Mai 2000 an die Beklagte und meldete Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung an. Im Zusammenhang mit der Anspruchsprüfung erhielt die Beklagte u.a. den Bericht des Hausarztes des Klägers Dr. G vom 8. Juli 2000, den Arztbrief des St. N-Stifts-Hospitals A vom 23. August 1991 sowie den Arztbrief der R. F-W-Universität B... vom 7. August 1996. In dem von dem Hausarzt des Klägers unter dem 8. Juli 2000 ausgefüllten Fragebogen ist die Frage 1.1. Wann und wegen welcher Krankheiten haben Sie den Versicherten schon behandelt?" wie folgt beantwortet: "1991 Leberzirrhose, Child b, primär sklerosierende Cholangitis, Colitis ulcerosa". Ausweislich des Fragebogens wurden dem Kläger sämtliche Diagnosen mitgeteilt. In dem Arztbrief des St. N-Stifts-Hospitals vom 23. August 1991 heißt es unter dem Stichwort Diagnosen: "Die Diagnose - primär sklerosierende Cholangitis - kann aufgrund des erneut erhobenen ERCP-Befundes als gefestigt angesehen werden. Wir gehen von einer primär sklerosierenden Cholangitis auf dem Boden einer Colitis ulcerosa aus. ... Leider gibt es keine causale Therapie der primär sklerosierenden Cholangitis, die im übrigen unabhängig von der Aktivität der chronisch entzündlichen Darmerkrankung verläuft und damit auch nicht durch eine 5-Aminosalyzilsäure-Therapie beeinflusst werden kann. Als Therapie der Wahl gilt derzeit eine Dauerbehandlung mit Ursodesoxychol-Säure ..."

Mit an den Kläger gerichtetem Schreiben vom 24. Juli 2000 trat die Beklagte von der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zurück und erklärte zugleich die Anfechtung des Lebensversicherungsvertrages. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe die ihm obliegende vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt, weil er nicht angegeben habe, dass er bereits seit 1991 wegen einer Leberzirrhose in ärztlicher Behandlung stehe und wegen einer Pankreatitis stationär behandelt worden sei.

Der Kläger hat behauptet,

der von der Beklagten mit Schreiben vom 24. Juli 2000 erklärte Rücktritt von der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung sei ebenso wie die von ihr erklärte Anfechtung des Lebensversicherungsvertrages nicht berechtigt. Wegen der herangezogenen Leberzirrhose habe er sich nicht bereits seit 1991 in Behandlung befunden. Von der entsprechenden Diagnose habe er erst im Juli 1996 erfahren. Eine Pankreatitis habe nicht vorgelegen. Die geltend gemachten Ansprüche resultierten ausschließlich aus der zweifachen Lebertransplantation, die ihre Ursache wiederum in der erst nach Vertragsschluss aufgetretenen Leberzirrhose habe. Der Versicherungsagent der Beklagten habe das Antragsformular nicht ausreichend erörtert. Die komplizierten und schwer verständlichen Fragen zu seinem Gesundheitszustand seien nicht im Einzelnen gestellt worden. Der Versicherungsagent der Beklagten habe sich vielmehr ohne jede Nachfrage darauf beschränkt zu fragen, ob er gesund sei. Schließlich hätten sich die vorvertraglichen Erkrankungen nicht in dem Versicherungsfall ausgewirkt, seien also nicht gefahrerheblich gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilten, an ihn ab dem 1.6.2000 aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zur Lebensversicherung-Nr. 25 2 Leistungen in Höhe von monatlich 907,90 DM zu zahlen, zahlbar monatlich im Voraus bis zum 3. Werktag eines jeden Monats.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet,

ob bei dem Kläger, wovon aufgrund der vorgelegten Behandlungsunterlagen auszugehen sei, bereits vor Vertragsschluss eine Leberzirrhose und Pankreatitis vorgelegen habe, sei letztlich unerheblich. Jedenfalls leide der Kläger seit 1991 unter einer primär sklerosierenden Cholangitis auf dem Boden einer Colitis ulcerosa. Hierbei handele es sich um dauerhaft medikamentös behandelte und u.a. durch Kontrolle der Leberwerte überwachte chronische Erkrankungen, die auch stationäre Krankenhausaufenthalte bedingt hätten. Diese gewichtigen, ihm bekannten Umstände, deren Gefahrerheblichkeit auf der Hand liege, habe der Kläger verschwiegen. Dabei sei er sich darüber im Klaren gewesen, dass sie die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung in Kenntnis dieser Umstände nicht und die Lebensversicherung nur unter erheblichen Einschränkungen abgeschlossen hätte. Sie sei daher zu Rücktritt und Anfechtung berechtigt gewesen.

Das Landgericht Koblenz hat die Klage mit Urteil vom 30. Januar 2002 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe den Vertrag wegen Verletzung der dem Kläger obliegenden vorvertraglichen Aufklärungspflichten wirksam angefochten. Gegen das ihm am 13. Februar 2002 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner am 5.3.2002 bei dem Berufungsgericht eingegangenen Berufung vom 4.3.2002. Diese hat er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 6.6.2002 mit an diesem Tag eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger behauptet nunmehr,

der Versicherungsantrag sei in seiner Abwesenheit von der zuständigen Mitarbeiterin seines ehemaligen Arbeitgebers, der Zeugin G und dem Versicherungsagenten der Beklagten ausgefüllt worden. Dieser habe den seine Gesundheit betreffenden Fragenkatalog in dem Antrag auch nicht im Einzelnen mit der Zeugin G besprochen, sondern sich nur nach seinem aktuellen Gesundheitszustand erkundigt und danach gefragt, wann er zuletzt beim Arzt gewesen sei. Diese Fragen habe die Zeugin wahrheitsgemäß beantwortet. Anschließend habe der Versicherungsagent der Beklagten die Fragen in dem Formular selbst angekreuzt. Danach sei er, der Kläger, gerufen worden und habe den Antrag unterzeichnet. Eine spontane Anzeigepflicht habe bei dieser Sachlage nicht bestanden. Von einer arglistigen Täuschung könne keine Rede sein. Die Erklärungen der Zeugin G könnten ihm, da es sich bei dieser nicht um seine Repräsentantin gehandelt habe, nicht zugerechnet werden. Vor 1996 seien weder die Leberzirrhose noch die Pankreatitis diagnostiziert worden. Die 1991 diagnostizierten Erkrankungen seien bis zum 7. August 1996 symptomlos geblieben, so dass sie sich für ihn nicht als aktueller Krankheitswert dargestellt hätten. Eine Aufklärungspflicht habe daher nicht bestanden. Schließlich hätten diese Erkrankungen und die später festgestellten erhöhten Leberwerte nicht mit den Lebertransplantationen zu tun, so dass die Beklagte nach § 21 VVG in jedem Fall leistungspflichtig geblieben sei.

Der Feststellungsantrag sei vor dem Hintergrund, dass die Beklagte mit Schreiben vom 24. Juli 2000 den Rücktritt von der Berufsunfähigkeitsversicherung erklärt und die Lebensversicherung angefochten habe, gerechtfertigt.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils der 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 30. Januar 2002

1. die Beklagte nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu verurteilen und zwar zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit der jeweiligen monatlichen Fälligkeit des geltend gemachten Betrages,

2. festzustellen, dass der zwischen den Parteien bestehende Vertrag zur Lebensversicherung einschließlich Berufsunfähigkeitszusatzversicherung Nr. 25 2 fortbesteht und weder durch die Anfechtung im Schreiben vom 24.7.2000 nichtig geworden, noch durch den in diesem Schreiben erklärten Rücktritt aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung ihres gesamten bisherigen Vertrages und ist der Auffassung,

der Kläger habe auf die von ihm eingeräumte Frage nach seiner Gesundheit die unstreitig zur Zeit der Antragstellung bekannten Erkrankungen primär sklerosierende Cholangitis bei Colitis ulcerosa, die erhöhten Leberwerte sowie die durchgeführte Dauertherapie mit Ursofalk anzeigen müssen. Die Gefahrerheblichkeit dieser Umstände liege auf der Hand. Soweit der Kläger nunmehr erstmals behaupte, dass er bei der Ausfüllung des Antragsformulars nicht anwesend gewesen sei und die darin enthaltenen Angaben zu seinem Gesundheitszustand von der Zeugin G stammten, sei dieser Vortrag, der bestritten werde, unerheblich. Da die Zeugin G von der Versicherungsnehmerin mit der Bearbeitung der Angelegenheit betraut gewesen sei, müsse sich der Kläger deren Verhalten zurechnen lassen, ohne dass es darauf ankomme, ob die Zeugin seine Repräsentantin gewesen sei. Dass sie Rücktritt und Anfechtung in dem Schreiben vom 24. Juli 2000 auf Leberzirrhose und Pankreatitis gestützt habe, sei unerheblich. Sie habe auch nicht gegen ihre Risikoprüfungsobliegenheit verstoßen, da aufgrund der Angaben des Klägers hierzu keine Veranlassung bestanden habe. Schließlich bestehe auch keine Leistungspflicht nach § 21 VVG, da es sich bei der Leberzirrhose um eine typische Begleiterscheinung der von dem Kläger verschwiegenen Erkrankungen handele.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung und die in beiden Rechtszügen zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

1.

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache selbst ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug. Das Berufungsvorbringen gibt zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung.

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente gemäß § 1 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 der Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BB-BUZ) zu. Zwar ist der Kläger, da ihm nach dem zwischen seinem Arbeitgeber, und der Beklagten durch die Zusendung des Versicherungsscheines zustande gekommenen Versicherungsvertrag ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt worden ist, zur Geltendmachung der aus dem Vertrag resultierenden Ansprüche sachbefugt (§§ 328 Abs. 1, 330 BGB). Die Beklagte hat den zugrundeliegenden Lebensversicherungsvertrag aber mit Schreiben vom 24. Juli 2000 wirksam wegen arglistiger Täuschung gemäß §§ 123, 142 BGB i.V.m. § 22 VVG angefochten. Infolge dessen konnte die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nicht isoliert fortbestehen, da sie gemäß § 9 Abs. 1 BB-BUZ mit der Versicherung, zu der sie abgeschlossen ist, eine Einheit bildet. Ohne die Hauptversicherung kann sie daher nicht fortgesetzt werden.

Das Landgericht ist in der angefochtenen Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger die Beklagte beim Abschluss des Lebensversicherungsvertrages über gefahrerhebliche Umstände getäuscht hat. Die Beklagte hat den Lebensversicherungsvertrag daher zu Recht mit Schreiben vom 24. Juli 2000 angefochten.

Voraussetzung für das Vorliegen einer arglistigen Täuschung ist, dass der Versicherungsnehmer oder ein ihm zuzurechnender Dritter durch das Verschweigen anzeige- und Offenbarungspflichtige Umstände auf die Entschließung des Versicherers, seinen Antrag anzunehmen, Einfluss nehmen will und sich bewusst ist, dass der Antrag möglicherweise nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen angenommen wird, wenn er wahrheitsgemäße Angaben macht. Dabei obliegt es dem Versicherer, entsprechend den allgemeinen Beweislastregeln nachzuweisen, dass der Versicherungsnehmer durch das Verschweigen Offenbarungspflichtiger Umstände auf den Willen des Versicherers einwirken wollte, sich also bewusst war, der Versicherer werde seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen. Da es sich hierbei um eine innere Tatsache handelt, kann dieser Beweis regelmäßig nur als Indizienbeweis geführt werden. Dies bedeutet, dass in der Regel ein solches Bewusstsein anzunehmen ist, wenn schwere Erkrankungen oder erkennbar chronische Erkrankungen oder Krankenhausaufenthalte verschwiegen worden sind. Dagegen muss der Beweis beim Verschweigen leichterer Erkrankungen oder solcher, die vom Versicherungsnehmer als solche angesehen werden, als nicht geführt betrachtet werden (vgl. BGH VersR 85, 156, 157; 87, 97; Senatsurteil NVersZ 01, 503).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Bei den bei dem Kläger unstreitig bereits 1991 festgestellten Erkrankungen primär sklerosierende Cholangitis und Colitis ulcerosa, für die es keine kausale Therapie gibt (vgl. Arztbrief des St. N-Stifts-Hospitals vom 23. August 1991), handelt es sich um anzeigepflichtige Umstände. Dies gilt umso mehr, als die Erkrankung entgegen der Darstellung des Klägers gerade nicht bis zum Zeitpunkt der Antragstellung symptomlos verlief. Vielmehr musste der Kläger wegen einer auf diese Erkrankungen zurückzuführenden Verschlechterung seiner Leberwerte von seinem Hausarzt im August 1991 in das St. N-Stifts-Hospital überwiesen werden und nimmt seither in Dauertherapie Medikamente ein. Dennoch wurde im Jahre 1994 wegen erhöhter Leberwerte sogar ein stationärer Krankenhausaufenthalt des Klägers erforderlich. Angesichts dieser Krankengeschichte besteht kein Zweifel daran, dass sich der Kläger ihrer Bedeutung für den Entschluss der Beklagten, den Versicherungsantrag vom 23. Februar 1996 anzunehmen, bewusst war. Er war sich darüber im Klaren, dass die Beklagte den Versicherungsvertrag bei Kenntnis dieser gravierenden, bereits seit fünf Jahren andauernden Vorerkrankungen, die auch stationäre Krankenhausaufenthalte veranlasst hatten nicht ohne vorherige weitere Überprüfungen, jedenfalls nicht mit dem vereinbarten Inhalt, abgeschlossen hätte. Er hat die Beklagte daher arglistig im Sinne der §§ 22 VVG, 123 BGB getäuscht.

In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob der Versicherungsagent der Beklagten, wovon das Landgericht in dem angefochtenen Urteil ausgegangen ist, das Antragsformular zusammen mit dem Kläger ausgefüllt hat, oder ob der Versicherungsagent der Beklagten, wie der Kläger in der Berufungsbegründung vom 6. Juni 2002 behauptet hat, den Versicherungsantrag in seiner Abwesenheit gemeinsam mit der zuständigen Mitarbeiterin der Versicherungsnehmerin, der Zeugin G ausgefüllt und ihn dem Kläger danach lediglich zur Unterschrift vorgelegt hat.

Selbst wenn der Kläger, wie er in zweiter Instanz erstmals behauptet hat, beim Ausfüllen des Antragsformulars nicht zugegen gewesen und ihm dieses lediglich ausgefüllt zur Unterschriftsleistung vorgelegt worden sein sollte, trifft ihn in Anbetracht von Schwere und Risiken seiner Erkrankungen auch ohne Kenntnis der Gesundheitsfragen des Versicherers die spontane Pflicht, seine offenkundig gefahrerheblichen Vorerkrankungen und ihre Behandlung mitzuteilen (Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., §§ 16, 17 Rdn. 30; Römer/Langheid, VVG, §§ 16, 17 Rdn. 22 jeweils m.w.N.). Dies hat der Kläger nicht getan, wobei der Senat mit dem Landgericht davon überzeugt ist, dass der Verstoß gegen die spontane Offenbarungspflicht wissentlich geschehen ist, um den Entschluss der Beklagten, den Versicherungsantrag anzunehmen, zu beeinflussen. Für das Verhalten des Klägers ist die Versicherungsnehmerin, der ehemalige Arbeitgeber des Klägers, gemäß §§ 79, 161 VVG verantwortlich.

Daneben hat die Versicherungsnehmerin auch für das unredliche Verhalten der von ihr als Wissenserklärungsvertreterin eingesetzten Zeugin G über § 166 BGB einzustehen und muss sich deren unzutreffende Angaben zu dem Gesundheitszustand des Klägers zurechnen lassen. Der Versicherungsnehmer haftet nämlich für die Angaben derjenigen Personen, die er mit der Erstattung von Auskünften gegenüber dem Versicherer betraut hat (vgl. Römer/Langheid, aaO, § 22 Rdn. 15, Prölss/Martin, aaO, § 16 Rdn. 18, § 6 Rdn. 52 f m.w.N., BGH R+S 1990, 95). Entscheidend ist allein, ob die Hilfsperson, die nicht als Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB anzusehen ist, bei der ihr vorgeworfenen Handlung im Rahmen der ihr von dem Verpflichteten übertragenen Aufgaben tätig geworden ist. Dazu reicht aus, dass sie nach den tatsächlichen Verhältnissen mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung der diesem obliegenden Verbindlichkeiten als Hilfsperson tätig wird, z.B. Erläuterungen zum Inhalt des abzuschließenden Vertrages gibt, wobei eine maßgebliche Beteiligung nicht erforderlich ist (BGH R+S 90, 95).

In diesem Zusammenhang ist es entgegen der von der Berufung vertretenen Auffassung unerheblich, ob der Versicherungsagent der Beklagten die in dem Antragsformular im Einzelnen aufgeführten Fragen ausdrücklich an die Zeugin G gerichtet oder ob er sich auf die allgemeine Fragen nach dem aktuellen Gesundheitszustand des Klägers beschränkt hat. Auch wenn der Versicherer nicht nachgewiesen hat, dass die Gesundheitsfragen dem Versicherungsnehmer tatsächlich gestellt worden sind, kann ihm die Geltendmachung arglistigen Verschweigens im Rahmen des § 123 BGB nicht von vornherein und schlechthin versagt werden (OLG Koblenz VersR 95, 689, 690). Nach § 16 f VVG können den Versicherungsnehmer nämlich auch für § 123 BGB erhebliche Offenbarungspflichten hinsichtlich gefahrerheblicher Umstände treffen, wenn der Versicherer hiernach nicht ausdrücklich gefragt hat. Dass gerade die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung anders als unter Umständen der Rücktritt auf ein derartiges Verschweigen gestützt werden kann, ergibt sich aus § 18 Abs. 2 VVG. Gerade beim Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages kann eine solche Offenbarungspflicht hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Versicherungsnehmers gegeben sein, da dieser als gefahrerheblicher Umstand geradezu zentrale Bedeutung für die Kalkulation des mit dem Vertrag abzusichernden Risikos hat.

Die vorliegend bei dem Kläger bereits seit 1991 unstreitig diagnostizierten chronischen Erkrankungen primär sklerosierende Cholangitis und Colitis ulcerosa, die wiederholt mit einer Verschlechterung seiner Leberwerte einhergingen, einer medikamentösen Dauertherapie und ärztlicher Überwachung bedurften und 1994 sogar einen stationären Krankenhausaufenthalt wegen Verschlechterung der Leberwerte erforderlich gemacht hatten, waren objektiv nicht als unerheblich anzusehen und jedenfalls auf die seitens des Klägers eingeräumte Frage nach seinem aktuellen Gesundheitszustand zu offenbaren. Dies hat die Zeugin G derer sich die Versicherungsnehmerin als Verhandlungsgehilfin bedient hat, nicht getan. Entweder hat die Zeugin, wenn sei über die entsprechenden Kenntnisse verfügte, diese arglistig verschwiegen. Oder die Zeugin hat, wenn sie keine Kenntnis von den Vorerkrankungen des Klägers hatte, ihre diesbezüglichen Angaben ins Blaue hinein gemacht. Auch in diesem Fall liegt Arglist vor, wenn der Handelnde das Fehlen einer zuverlässigen Beurteilungsgrundlage nicht offen legt (BGH NJW 80, 2460; 81, 1441). Dies ist hier bei Zugrundelegung des Vertrags des Klägers der Fall.

Dass der Verstoß gegen die Offenbarungspflicht wissentlich geschehen ist, um auf den Entschluss der Beklagten, den Versicherungsantrag anzunehmen, Einfluss zu nehmen, ergibt sich im übrigen auch daraus, dass in dem Antrag vermerkt ist, dass der letzte Arztbesuch des Klägers im Januar 1996 und zwar ohne Befund stattgefunden habe. Wenn nämlich einerseits dieser völlig belanglose Vorgang mitgeteilt wird, andererseits aber schwerwiegende chronische Erkrankungen, die dauernd behandlungsbedürftig und medikamentenpflichtig sind, verschwiegen werden, so lässt dies nur den Schluss zu, dass in unredlicher Übervorteilungsabsicht auf den Entschluss der Beklagten, den Versicherungsantrag anzunehmen, eingewirkt werden sollte.

In Anbetracht der Erheblichkeit der von dem Kläger verschwiegenen Vorerkrankungen besteht an der Kausalität zwischen der von ihm verübten arglistigen Täuschung und dem Entschluss der Beklagten, den an sie gerichteten Antrag anzunehmen, kein Zweifel. Wenn auch nicht stets, so geht die bei dem Kläger bereits 1991 diagnostizierte sklerosierende Cholangitis ausweislich des von der Beklagten bereits in erster Instanz auszugsweise in Kopie vorgelegten Einschätzungshandbuches doch häufig - wie auch im zu entscheidenden Fall - mit der Entwicklung einer Leberzirrhose einher.

Die von der Beklagten mit Schreiben vom 24. Juli 2000 erklärte Anfechtung des Lebensversicherungsvertrages ist entgegen der von dem Kläger vertretenen Meinung auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte ihrer Nachfrageobliegenheit nicht genügt hätte. Dabei kann die umstrittene Frage, ob ein Verstoß gegen die Nachfrageobliegenheit wie beim Rücktritt auch bei der Anfechtung zur Folge hat, dass sich der Versicherer nicht auf die Umstände stützen darf, die er bei einer Nachfrage erfahren hätte (so OLG Hamm R+S 02, 50, 51; andere Ansicht BGH VersR 92, 306, 304; Kammergericht VersR 98, 1362) unentschieden bleiben. Ein Verstoß gegen die der Beklagten obliegende Risikoprüfungspflicht scheidet vorliegend aus. Eine eigene Nachforschungspflicht des Versicherers kommt nämlich nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn die Angaben des Versicherungsnehmers Anhaltspunkte für das Erfordernis einer weiteren Abklärung bieten. Ein solcher Fall ist vorliegend aber gerade nicht gegeben. Indem der Kläger den erwähnten Arztbesuch ausdrücklich als solchen ohne Befund bezeichnet hatte, durfte die Beklagte davon ausgehen, dass keine akuten Beschwerden oder chronischen Erkrankungen zu dem Arztbesuch Veranlassung gegeben hatten.

Schließlich kann der Berufung auch nicht in ihrer Auffassung beigetreten werden, das Landgericht habe die für die Anfechtung maßgeblichen Gründe der Beklagten nicht einfach auswechseln dürfen. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, dass die Beklagte die Anfechtung bereits in der Klageerwiderung vom 27. Juli 2001 (Bl. 47) auch auf die bei Antragsstellung verschwiegene sklerosierende Cholangitis und die Colitis ulcerosa gestützt hat. Hierzu war sie, da die Anfechtungserklärung zwar eindeutig, nicht aber mit einer Begründung versehen sein muss, auch ohne weiteres befugt (vgl. Römer-Langheid, VVG, § 22 Rdn. 17).

Hat die Beklagte nach alledem den Lebensversicherungsvertrag zu Recht mit Schreiben vom 24. Juli 2000 wegen arglistiger Täuschung angefochten, so hat gemäß § 9 Abs. 1 BB-BUZ die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung keinen Bestand. Sie bildet mit der Hauptversicherung eine Einheit und kann ohne diese nicht fortgesetzt werden, ohne dass es insoweit auf den von der Beklagten gleichfalls mit Schreiben vom 24. Juli 2000 erklärten Rücktritt ankäme.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

2.

Wie aus dem vorstehenden folgt, unterlag auch der von dem Kläger verfolgte Feststellungsantrag der Abweisung. Die Beklagte hat zwar insoweit nicht ausdrücklich den Antrag gestellt, die Feststellungsklage abzuweisen. Dieser Antrag ist allerdings in ihrem Antrag, die Berufung zurückzuweisen, enthalten und diesem zu entnehmen.

Die Erweiterung der Klage um den in der Berufungsinstanz erstmals gestellten Feststellungsantrag war zwar zulässig. Die in der Geltendmachung des Feststellungsantrages liegende Klageänderung in Gestalt der nachträglichen Anspruchshäufung ist sachdienlich (§ 263 ZPO), so dass es auf die fehlende Einwilligung der Beklagten nicht ankommt. Die Zulassung der Anspruchshäufung dient nämlich auf der Grundlage des bisherigen Streitstoffes der endgültigen Beilegung des zwischen den Parteien bestehenden Streites und der Vermeidung eines weiteren Prozesses. Dem steht auch der mit der Zulassung der Klageerweiterung verbundene Verlust einer Tatsacheninstanz nicht entgegen (BGH WPM 81, 657). Die Feststellungsklage ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Der Kläger hat in Anbetracht der Reichweite der von der Beklagten mit Schreiben vom 24. Juli 2000 abgegebenen Erklärung ein schutzwürdiges, über den daneben gestellten Zahlungsantrag hinausgehendes Interesse an der begehrten Feststellung.

Die Feststellungsklage ist indes, wie aus den Ausführungen unter Ziffer 1 folgt, aufgrund der Berechtigung der von der Beklagten ausgesprochenen Anfechtung des Vertrages auch hinsichtlich des Feststellungsantrages unbegründet und unterlag daher der Abweisung.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert der Berufung beträgt 61.275,88 Euro (Antrag zu 1: 24.138,50 Euro = 10 x monatlicher Rückstand der BUZ-Rente bis Klageeinreichung + 12 x 3,5 x monatliche BUZ-Rente; Antrag zu 2: 37.137,38 Euro (= 80 % der Versicherungssumme).

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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