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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 28.01.2000
Aktenzeichen: 10 U 369/99
Rechtsgebiete: VVG, BB-BUZ


Vorschriften:

VVG § 1 Abs. 1 S. 2
VVG § 16 Abs. 2 S. 1
VVG § 16 Abs. 3
VVG § 21
BB-BUZ § 1
Der Versicherer ist zum Rücktritt des Vertrages (BUZ) berechtigt, wenn die Versicherungsnehmerin bei Antragstellung verschwiegen hat, daß sie sich B Monate zuvor in einem mehrwöchigen Kuraufenthalt wegen HWS-Beschwerden befunden, sich in der Klinik einer psychotherapeutischen Behandlung unterzogen hatte, dem sich anschließend bis zum Zeitpunkt des Versicherungsantrages eine Weiterbehandlung bei einem Neurologen und Psychiater anschloß, der am Tage der Antragstellung das Vorliegen einer Depression diagnostizierte und letztlich das Vorliegen der behaupteten Berufsunfähigkeit auf das Vorliegen einer depressiven Erkrankung gestützt wird.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

- abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO -

Geschäftsnummer: 10 U 369/99

Verkündet am 28. Januar 2000

In dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Werner und die Richter am Oberlandesgericht Weiss und Dr. Reinert

auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 1999

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 4. Februar 1999 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet.

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) in Anspruch. Die Klägerin hatte am 15.11.1993 den Abschluß einer Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeitszusatzversicherung beantragt. Am 18.11.1993 meldete die Klägerin ein "HWS-Syndrom = Behandlungen, Massagen und Krankengymnastik" nach. Die Beklagte nahm den Antrag mit Versicherungsschein vom 3.12.1993 mit der Maßgabe an, daß der Vertrag nicht zu den beantragten tariflichen Bedingungen im Hinblick auf die versicherungsmedizinische Risikobewertung abgeschlossen werden könne. Mit Schreiben vom 29.4.1996 zeigte die Klägerin an, daß sie seit dem 2.11.1995 arbeitsunfähig erkrankt sei und beantragte Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Ein von der Klägerin unterschriebener Antrag auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-/Invaliditäts-Zusatzversicherung ging am 5.6.1996 bei der Beklagten ein. Als Grund für die Berufsunfähigkeit gab die Klägerin eine depressive Erkrankung an. Die Beklagte lehnte ihre Einstandspflicht ab und erklärte mit Schreiben vom 18.12.1996 den Rücktritt vom Vertrag. Sie begründete dies damit, die Klägerin habe durch unrichtige und unvollständige Angaben in dem Versicherungsantrag bewußt und gewollt auf die Aufnahmeentscheidung Einfluß nehmen wollten. Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung von 3.750,-- DM nebst Zinsen sowie auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von monatlich 250,-- DM für den Zeitraum vom 1.7.1997 bis 30.11.2015 in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung hat die Klägerin ihren Zahlungsanspruch auf 9.000 DM nebst Zinsen beziffert und verfolgt im übrigen ihren Anspruch auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente von monatlich 250,-- DM für die Zukunft weiter.

II.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Tatbestand und die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug, § 543 Abs. 1 ZPO. Das Berufungsvorbringen gibt für eine abweichende Beurteilung keine Veranlassung.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 VVG i.V.m. § 1 der Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BB-BUZ). Die Beklagte ist gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 VVG wirksam vom Versicherungsvertrag zurückgetreten mit der Folge, daß Leistungsfreiheit eingetreten ist, § 21 VVG.

Die Klägerin hat in dem Antragsformular auf Abschluß der Versicherung die Frage 5 "Leiden oder litten Sie an Krankheiten oder Beschwerden des Herzens oder Kreislaufs/erhöhtem Blutdruck, der Atmungs-, Verdauungs-, Harn- und Geschlechtsorgane, des Gehirns, Rückenmarks, der Nerven, des Gemüts, der Sinnesorgane, Milz, Drüsen, des Blutes, der Haut, Knochen, Gelenke, Wirbelsäule, Muskeln, oder wurde bei Ihnen eine HIV-Infektion festgestellt (positiver Aidstest) ? mit nein beantwortet. Ferner hat sie die Frage 6 "Bestehen oder bestanden andere Krankheiten, Gesundheitsstörungen, körperliche oder geistige Schäden, Beeinträchtigung der Hör- oder Sehfähigkeit, Alkohol-, Drogenmißbrauch ?" mit nein beantwortet; ebenso die Frage 10 "Bestehen Folgen früherer Krankheiten, Unfälle oder Verletzungen ?". Die Frage 11, ob sie in den letzten 5 Jahren ärztlich untersucht, beraten oder behandelt worden sei, hat sie mit "Ja" beantwortet. Sie hat auf weitere Befragung hierzu schriftlich angegeben, 1955 sei ein geschluckter Fremdkörper operativ entfernt worden, ferner 2/93 Krebsvorsorge Dr. D in o.B, unter Blutdruckwert leicht erhöht, 1 Tablette Belocmite täglich, 10/92 Dr. N, M Vorsorge.

Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, daß die schriftlichen Angaben der Klägerin über die Vorerkrankungen im Versicherungsantrag vom 15.11.1993 falsch gewesen seien, weil die Klägerin Fragen nach bestehenden und bestandenen Erkrankungen, Gesundheitsstörungen sowie ärztlichen Behandlungen verneint habe, obgleich Vorerkrankungen vorhanden gewesen seien. Die Berufung wendet ohne Erfolg ein, daß die Klägerin erst am 15.11.1993, am gleichen Tag der Antragstellung, jedoch zeitlich danach erst von ihrem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. N davon in Kenntnis gesetzt worden sei, daß sie an einer Depression leide. Es kann dahin stehen, ob die Klägerin bereits vor Antragstellung definitiv Kenntnis davon hatte, daß bei ihr psychische Störungen vorhanden waren. Jedenfalls hätte sie der Beklagten bei Antragstellung über die von ihr gemachten Angaben hinaus angeben müssen, daß sie insbesondere im Jahre 1993 sich in ärztlicher Behandlung befunden hat. Dies gilt u.a. für ihren stationären Aufenthalt in der BfA-Klinik Bad S in der Zeit vom 2.3. bis 30.3.1993. Auch wenn sie sich in diese Klinik vornehmlich wegen HWS-Beschwerden begeben hat, weist der Entlassungsbericht der Klinik vom 28.4.1993 auf vielfältige Erkrankungen hin, die die Klägerin gegenüber der Beklagten bei Stellung des Antrags auf Abschluß der Versicherung nicht angegeben hat. Der Aufnahmebefund ergab eine deutliche vegetative Erschöpfung, ein cervicocraniales Syndrom, vasomotorische Kopfschmerzen, ein Lumbovertebralsyndrom sowie intermitterierend eine akute Diarrhöe. Wesentlich ist, daß die Klägerin in der Klinik psychotherapeutisch behandelt wurde. Die Klägerin befand sich anschließend ab 27.7.1993 bei dem Neurologen und Psychiater Dr. N in Behandlung. Dort klagte sie über Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, Schwindelzustände, Verschwommensehen und Schlafstörungen. Dr. N sah eine engmaschige psychiatrische-psychologische Betreuung der Klägerin als sinnvoll an. Selbst wenn die Klägerin sich vor Antragstellung am 15.11.1993 noch nicht bewußt war, daß ihr Beschwerdebild im Zusammenhang mit einer Depression steht, hätte sie jedenfalls den Aufenthalt in der Klinik Bad S und die Behandlung bei einem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie angeben müssen, da diese - auch aus Sicht der Klägerin - für die Beklagte für die Beurteilung der Annahme des Versicherungsantrages von Relevanz sein mußte. Im übrigen zeigt die Nachmeldung der HWS-Symptomatik am 18.11.1993 durch die Klägerin, daß ihr durchaus bewußt war, daß die Beklagte insbesondere an der Kenntnis des akuten Krankheitsbilds interessiert war, um eine sachgerechte Risikoabwägung für die Aufnahme der Klägerin in die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung treffen zu können. Schließlich hat die Klägerin es versäumt, am 18.11.1993 neben der HWS-Symptomatik die ihr zu diesem Zeitpunkt jedenfalls bekannte Feststellung des Vorliegens einer Depression anzugeben. Hätte die Klägerin diese angeben, wäre es der Beklagten möglich gewesen, vor Abschluß des Vertrages weitere Informationen, etwa bei der BfA-Klinik in Bad S oder bei dem Neurologen und Psychiater Dr. N einzuholen. Auch hat die Klägerin nicht angeben, daß sie wegen Abklärung der Schwindelsymptomatik den Augenarzt Dr. Sch und den HNO-Arzt Dr. W aufsuchte. Vorliegende Erkrankungen und die im Antragsjahr durchgeführten Behandlungen waren auch erhebliche Gefahrumstände, die geeignet waren, auf den Entschluß des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen, einen Einfluß auszuüben, § 16 Abs. 1 S. 2 VVG. Mit dem Verschweigen dieser Umstände hat die Klägerin der Beklagten die Möglichkeit genommen, bei den sie behandelnden Ärzten, insbesondere bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. N Rückfragen zu nehmen. Hätte die Klägerin in ihrer Nachmeldung vom 18.11.1993 die Behandlung bei Dr. N angegeben, hätte die Beklagte noch vor Annahme des Antrags Kenntnis von der diagnostizierten Depression der Klägerin erlangen können. Sie hätte danach entscheiden könne, ob sie den Antrag abgelehnt oder den Antrag mit einer Ausschlußklausel für die Depression und deren Folgen angenommen hätte. Die Nichtanzeige dieser gefahrerheblichen Umstände erfolgte auch nicht ohne Verschulden der Klägerin, § 16 Abs. 3 VVG.

Die Berufung hat aus den dargelegten Gründen keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert der Berufung beträgt unter Berücksichtigung der Senatsrechtsprechung (Urteil vom 18.6.1999 10 U 125/98; Beschlüsse vom 26.9.1996 10 U 109/96 und 28.4.1993 - 10 W 201/93; vgl. auch BGH NJW-RR 1992, 608) 14.250,-- DM (3.750 DM Rückstände bis Klageeinreichung + 250,-- DM x 12 x 3,5 gemäß § 9 ZPO = 10.500,--). Der Streitwert der Berufung entspricht der Beschwer der Klägerin.

Ende der Entscheidung

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